Kitabı oku: «Wohlstand, Demokratie und weiter?», sayfa 5

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Update 2016/17 Im Euroraum ist die öffentliche Schuldenquote bis Ende 2016 auf 89,2 % gesunken. Die Schulden sind dabei jedes Jahr gestiegen auf rund 9 588 Milliarden Euro Ende 2016, aber in der letzen Zeit stieg das BIP stärker als die Schulden, daher die leicht gefallene Schuldenquote. Mit Frankreich (2015: 1,1 %; 2016: 1,2 %) und Spanien (2015 u. 2016 jeweils 3,2 %) weisen zwei gewichtige Sorgenkinder deutlich erhöhte Wachstumsraten auf, in Spanien ist die Arbeitslosenquote Ende 2016 auf 18,6 % gesunken57. Hatte Schäuble also doch recht? Ich denke nicht. Nach 2014 gab es einen Trend zur leichten Entspannung, aber für eine Entwarnung ist es zu früh. Andere Meldungen fallen auch schon wieder etwas verhaltener aus. Griechenland, Spanien und Portugal haben ihre mit den EU-Finanzministern vereinbarten Defizit-Ziele für 2015 deutlich verfehlt58. Und die Stimmen, die mehr Investitionen und damit Spielraum bei der Verschuldung fordern, werden lauter, insbesondere auch nach dem Brexit, der ohnehin Wirtschaftseinbußen mit sich bringen könnte. Insgesamt deutet sich doch eine Fortführung des schon allgemein im Teil Wachstum betrachteten Musters an: In guten Zeiten fallen die Schulden weniger als sie in schlechten aufgebaut werden und wachsen damit insgesamt an. Wesentlich ist auch der von der EZB ausgeweitete Aufkauf von Wertpapieren: Seit Frühling 2016 werden nicht nur Staatsanleihen, sondern auch Unternehmensanleihen aufgekauft. Mögliche negative Folgen sind Wettbewerbsverzerrungen und Blasenbildungen, weil diese eigentlichen Notmaßnahmen von Teilen der Wirtschaft einkalkuliert werden können59. Und dann gibt es ja auch noch die Banken, die mittlerweile wieder nach Hilfe rufen. Was kann also getan werden zur Lösung?

Mögliche Auswege

Damit es nicht wieder zu drohenden Zahlungsunfähigkeiten kommt, dürfen die Schuldenquoten nicht dauerhaft weiter steigen, besser noch, sollten abgebaut werden. Dazu kommt in Betracht:

Eine höhere Inflation. Wenn das Geld weniger wert wird, gilt das auch für die Schulden, so die Idee. Wird aber eher nicht funktionieren, denn zum einen werden mit der Inflation auch die Zinsen steigen, es kann also nur ein einmaliger Effekt erzielt werden, der aufgrund der laufenden Ablösung alter Schulden durch neue nicht substanziell zum Abtrag beitragen dürfte. Zum anderen ist die Steuerung von Inflation gar nicht so einfach. Die Zentralbank kann die Leitzinsen senken, aber die meisten Kredite werden ja von den Geschäftsbanken ausgegeben, die Zentralbank hat so nur indirekt Einfluss auf die für die Inflation maßgebliche Geldmenge. Und schließlich hängt Inflation auch von den Erwartungen der Menschen an zukünftige Entwicklungen ab, welche Politik und Zentralbanken nur teilweise beeinflussen können.

Konsolidierung der Haushalte durch Sparen. Ist das, was als Bedingung an die Inanspruchnahme der Rettungsschirme geknüpft ist. Und bringt ein Problem mit sich: Eine verringerte Binnenkonjunktur, was mit sinkenden Staatseinnahmen durch Steuern verbunden ist. Sparen alleine reicht in der Regel damit nicht aus, es muss noch etwas anderes her:

Wachstum. Dadurch mehr Steuereinnahmen und über mehr Arbeitsplätze weniger Sozialausgaben. Nur: Wie erreicht man das?

Die klassische Variante wäre Ankurbelung der Wirtschaft über neue Staatsschulden. Hauptsächlich linke Politiker sehen darin nach wie vor den Ausweg. Die Erfahrung zeigt aber, dass am Ende doch immer mehr Schulden übrig bleiben.

Eine andere Möglichkeit für Staaten, bei denen die Wirtschaft zu stark die Wettbewerbsfähigkeit verloren hat, wäre die Abwertung der eigenen Währung, um so die Löhne und Preise im Vergleich zu andern Ländern zu senken und damit den eigenen Standort zu stärken. Geht nur innerhalb einer Währungsunion nicht. Es wäre also ein Austritt der betroffenen Staaten aus dem Euro oder die Einführung einer Parallelwährung notwendig. Damit sieht die Politik ihr Einigungswerk in Gefahr und will dies auf jeden Fall verhindern.

Dann bleiben noch Reformen als Mittel der Wahl. Wenn eine (äußere) Abwertung der Währung nicht möglich ist, können stattdessen Maßnahmen zu einer inneren Abwertung ergriffen werden: Es geht darum, die zu hohen Preise und Löhne zu senken, um die nationale Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen, um so also zum einen weniger importieren zu müssen und zum anderen selber mehr zu exportieren und damit negative Leistungsbilanzsalden wieder auszugleichen. Das Problem dabei ist, dass die Politik auf Löhne und Preise in der Privatwirtschaft nur einen sehr indirekten Einfluss hat und die Senkung von Löhnen über Tarifverhandlungen ein sehr zäher Prozess ist, bei dem es über Streiks wieder zu Wirtschaftsrückgängen kommen kann. Zudem findet eine solche innere Abwertung nicht gleichmäßig und gleichzeitig für alle Betroffenen statt, was die Sache noch schwieriger macht. Und wo ist dann die Grenze, wo ist ein angemessenes Lohnniveau erreicht? Klar, dass eine innere Abwertung ein komplizierter und schmerzhafter Prozess ist, was derzeit in den Südländern zu beobachten ist.

Und dann gibt es noch weitere Maßnahmen, um den eigenen Standort zu stärken, dazu gehören Senkungen von Unternehmenssteuern und, wo es möglich ist, Umgestaltung der Verwaltung hin zu mehr Effizienz, Bürokratie-Abbau. Bei den Unternehmenssteuersenkungen ergibt sich ein spiegelbildliches Problem zur Ankurbelung der Wirtschaft über Schulden: Der Staat nimmt zunächst weniger ein. Wenn es dadurch aber zur Ansiedlung neuer Unternehmen kommt, oder auch alte im Land behalten werden, kann es sich lohnen. Zumindest vordergründig.

Insgesamt kann man die Wirkungen der Wachstumsfördermaßnahmen in zwei Kategorien einteilen: Zum einen geht es um ein echtes Wachstum. Wenn etwa ein Jungunternehmer ein Start-up gründen will, aber bislang durch unsinnige Verwaltungsvorschriften daran gehindert war, so kann Bürokratie-Abbau hier helfen und es kommt zu einem Wachstum insgesamt. Zum anderen geht es um Wettbewerb um Wachstum, nicht darum etwas Neues zu schaffen, sondern darum, Produktion aus anderen Staaten in den eigenen zu holen und umgekehrt die Abwanderung zu vermeiden. Durch die Verlagerung von Produktion kann es zum Ausgleich von Ungleichgewichten kommen. Wenn etwa Betriebe aus Deutschland nach Griechenland umziehen würden, würde das zu einem Ausgleich der Leistungsbilanzsalden beitragen. Dem Umstand, dass die gesamte Eurozone Staatsschulden anhäuft, kann durch Verlagerungen innerhalb dieser Zone natürlich nicht begegnet werden, im Gegenteil: Niedrige Unternehmenssteuern führen insgesamt zu geringeren Staatseinnahmen. Dass es damit in Europa ein Problem gibt, wurde immer wieder deutlich: Irland verteidigte sein Steuersparmodell lange mit Zähnen und Klauen. Ende 2014 wurde endlich die Abschaffung des sogenannten Double Irish beschlossen, wodurch internationale Unternehmen wie Apple nur Steuersätze von 2 % zahlten. Für schon ansässige Unternehmen gilt aber eine Übergangsregelung bis 202060. In Griechenland zahlen die Reeder nach wie vor nahezu keine Steuern61, die Niederlande sind für ihr Sparmodell bekannt und Ende 2014 wurden Einzelheiten zu den Methoden veröffentlicht, mit denen es Luxemburg Amazon, E.ON u. Co ermöglichte, Steuern in ihrem eigentlichen Sitz-Staat zu umgehen und stattdessen Steuersätze in Luxemburg von nur 1 % zu zahlen62. Luxemburg ist demnach unter Jean-Claude Juncker als Regierungschef zum Steuerparadies geworden, im Jahr 2013 z. B. zog es 240 Milliarden Euro Direktinvestitionen aus dem Ausland an, von EU-weit 327 Milliarden63. Und auch Deutschland ist alles andere als ein Saubermann, Tax Justice Network führt es 2013 auf Platz 8 einer weltweiten Liste für Geldwäsche64. Es zeigt sich, dass in der EU die Grenzen zum Raubritter-Wachstum bezüglich Steuern an vielen Stellen klar überschritten sind. Und die Entwicklung der Löhne und Gehälter weist anscheinend eine ähnliche Tendenz auf. Hier wird auch deutlich, warum zu einer einheitlichen Währung auch eine einheitliche Steuerpolitik gehört. Und umgekehrt können auch Handelsbeschränkungen und Zölle ihren Sinn haben, wenn wesentliche Regelungen verschiedener Staaten zu weit auseinandergehen.

Schließlich gibt es auch noch die Möglichkeit von Schuldenschnitten. Es könnten Konzepte erarbeitet werden, welche Schulden noch tragfähig sind und welche nicht mehr und Letztere könnten gestrichen werden. Das würde aber bedeuten, dass man den Leuten klar sagen müsste, dass sie etwas verloren hätten. Dem Steuerzahler eines Gläubigerlandes oder auch dem Inhaber einer Lebensversicherung, die abgeschriebene Staatsanleihen hält. Und das will man nicht, also setzt man voll auf Wachstum. Ob das zum Ziel führt, ist fraglich genug, ohne muss der eingeschlagene Weg scheitern. In anderen Wirtschaftszonen sieht es ähnlich aus. Ziehen wir nun einige Schlüsse:

Folgerungen und Ausblicke

Wem hat denn der Euro nun genutzt? Sicherlich nicht den Arbeitnehmern in Deutschland, die zeitweise ihren Job verloren haben, zu schlechteren Konditionen weiterbeschäftigt wurden oder Gehaltseinbußen hinnehmen mussten. Den Inhabern oder Anteilseignern von Exportfirmen, deren Gewinne in die Höhe schossen, schon eher. Der griechischen Krankenschwester oder Reinigungskraft, die zunächst vielleicht etwas besser bezahlt wurde, jetzt aber massiv unter den Sparmaßnahmen leidet, wohl auch eher weniger. Dem hochrangigen Beamten aus Athen mit besten Beziehungen oder dem Reeder, der sein Geld auf einem Schweizer Bankkonto oder in Immobilien in besten Lagen Berlins oder Londons bunkert, sicherlich sehr. Auch der Arbeitnehmer eines eigentlich kerngesunden Betriebes, der von Heuschrecken in Form von Hedgefonds mit billigem Geld, das Anlagemöglichkeiten sucht, aufgekauft und ausgeschlachtet wird, wird mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes die Gewinne der Spekulanten bezahlen65. Ebenso wie schon Steuerzahler über die Bankenrettung und vorwiegend Kleinanleger mit ihren Verlusten für die exorbitanten Gehälter von Bankmanagern und Gewinne von Insidern bezahlt haben, die ihre Gewinne schnell genug realisiert haben. Unter dem Strich bleibt ein Effekt, der gerne mit Umverteilung von unten nach oben oder auch von den Fleißigen zu den Reichen beschrieben wird. Das ist aber noch nicht die ganze Wahrheit, tatsächlich sind die Vermögen stärker gestiegen, als sie an anderen Stellen abgenommen haben, die Differenz machen gerade die Schulden aus, die ja im Rahmen von Banken- und Eurokrise rasant gewachsen sind. Und genau hier liegt das Problem: Wenn irgendwann die Zweifel an der Tragfähigkeit der Schulden die Oberhand gewinnen, droht ein Crash, mit erheblichen Wirtschaftseinbrüchen, Massenarbeitslosigkeit und sozialen Unruhen, unkontrolliert im Unterschied zu einem Schuldenschnitt. Denkbar ist stattdessen auch eine weitere schleichende Verstetigung der Krise, mit immer neuen Verwerfungen, auch nicht gerade eine Wunschvorstellung. Bleiben wir aber noch beim Crash, womit wir bei der zentralen Frage dieses Buches wären: Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen, das muss eine Demokratie nicht unbedingt aus der Bahn werfen, kann aber je nach Schwere sicher eine Gefahr darstellen, die noch größer werden kann, wenn weitere Faktoren hinzukommen. Die meisten Demokratien etwa haben die Krise der 1930er Jahre als Demokratien überstanden, in Deutschland wurde die Weimarer Republik durch das Dritte Reich abgelöst.

Abgesehen von einem möglichen Crash zeigen sich weitere Problemfelder unserer Demokratie: Da wäre zum einen die EZB. Offensichtlich müssen dort immer wieder weitreichende Entscheidungen getroffen werden, bei denen es durchaus erheblichen Entscheidungsspielraum gibt. Die Rechnung, dass die Zentralbank einfach nur unabhängig sein muss und dann entsprechend ihrem Auftrag ihre Aufgaben erledigt wie ein Zug, der auf einem Gleis fährt, geht nicht auf. Es stellt sich die Frage nach mehr demokratischer Legitimation der Führung der Zentralbank. Veränderungen scheinen besonders notwendig vor dem Hintergrund, dass bislang jedes Mitgliedsland im Euro die gleichen Mitspracherechte hat, unabhängig von Einwohnerzahl oder auch Kapitalanteil bei der EZB.

Im Unterschied zur Führung der EZB sind die nationalen Regierungen gewählt, aber wie kann der Bürger eine begründete Wahl treffen, wenn die wesentlichen Fragen kaum thematisiert werden, wie Ende der 80er/Anfang der 90er die mit der Einführung des Euro notwendige politische Einigung? Wenn plötzlich dringende und weitreichende Entscheidungen anstehen, wie ab 2010 die Euro-Rettungsmaßnahmen, an die vorher wahrscheinlich nicht einmal die zur Wahl stehenden Politiker gedacht haben? Sehr problematisch ist auch der nach Belieben und Tagesform ausgerichtete Umgang mit Verträgen. Ein ehemaliger EU-Kommissar trieb das stellvertretend für viele auf die Spitze, als er im Juli 2015 von der Gruppe der Euro-Staaten als einer unauflöslichen Schicksalsgemeinschaft sprach. Auch Angela Merkel sprach nach einer Meldung im Zusammenhang mit den Griechenland-Hilfspaketen von Europa als einer Schicksalsgemeinschaft und als solche von einer Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft66. War doch über die No-bail-out-Klausel ganz anders vorgesehen. Sehr problematisch erscheint auch, dass die Politiker überhaupt einerseits sehr dazu neigen, irreversible Verträge abzuschließen, andererseits aber hauptsächlich einen Horizont nur bis zu den nächsten Wahlen haben. Regelungen, wer welche Verträge schließen und wer sie wieder lösen kann, wären wünschenswert. Dass die Politik sich für fehlerfrei hält und sich damit zunächst weitgehend der Möglichkeit von Korrekturen beraubt, um dann später bei Bedarf unberechenbar doch die Regeln über Bord zu schmeißen, sollte kein Dauerzustand sein.

Und moralische Folgen gibt es auch: Auch befeuert durch die geschilderten problematischen Entwicklungen zeigen sich zunehmend Euroskepsis und nationale Ressentiments und stellen eine Gefahr für den europäischen Zusammenhalt dar, die über unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhänge hinausgeht.

Nachdem bislang viel von auf und ab der Wirtschaft die Rede war und speziell die Banken etwas beleuchtet wurden, wird es Zeit, sich auch Nicht-Finanzunternehmen anzuschauen und Mechanismen in der Wirtschaft allgemeiner zu betrachten.

Leistung und Innovation

Vorüberlegungen

Vorbild Natur Ein Eichhörnchen, das mehr Nüsse findet, sie besser versteckt oder später besser wiederfindet, lebt besser als ein anderes ohne diese Vorzüge. Für einen Bären ist es notwendig, erfolgreich Beute zu machen, diese ggf. gegen andere zu verteidigen oder auch selber anderen Tieren die Beute abzunehmen, z. B. einem Wolf. Je besser ihm das gelingt, desto besser lebt er. Man kann das so sehen: Je mehr diese Tiere leisten, desto besser geht es ihnen. Das gilt auch für den Wolf, der lebt aber meistens in Rudeln, wo es insbesondere auch um das erfolgreiche Zusammenspiel bei der Jagd geht. Neben der Einzelleistung, wie etwa bei den Rangkämpfen innerhalb des Rudels, ist die gemeinsame Leistung des Rudels von Bedeutung und von dieser profitieren auch die schwächeren Rudel-Mitglieder. Löwen leben auch in Rudeln, aber hier verschaffen sich die Männchen häufig einen Vorteil, indem sie neugeborene Männchen gleich töten und sich so potenzieller späterer Konkurrenten entledigen. Kannibalismus gibt es auch. Haie etwa zögern nicht, einen Artgenossen zu vertilgen, wenn dieser sich nicht wehren kann, wenn er etwa an einem Angelhaken festhängt. Auch irgendwie eine Leistung. Ganz allgemein gilt das reale Leistungsprinzip: Je besser ein Individuum die Umstände, in denen es sich befindet, nutzt, desto besser geht es ihm. Von Vorteil kann es dabei sein, ein Sozialgefüge aufzubauen und Regeln zu etablieren. Gemeinsam auf die Jagd zu gehen und dann nach einer Rangfolge zu teilen, bringt für alle mehr, als wenn jeder für sich jagt und sich dann die Beute gegenseitig streitig gemacht wird. Konkurrenten in den Kinderschuhen töten, Kannibalismus oder einem anderen seinen Teil der Beute sind dann keine Optionen mehr.

Menschen und Unternehmen Eine menschliche Gesellschaft ist nun genauso ein Sozialgefüge mit Regeln. In einer zivilisierten Gesellschaft kann man nicht einfach jemand anderem etwas wegnehmen, weil man der Stärkere ist. Tut man es doch, zählt das nicht als Leistung, sondern als Regelverstoß. Man muss also selber jagen oder sammeln oder allgemein und modern etwas produzieren. Allerdings nicht unbedingt genau den Eigenbedarf, denn es gibt ja Tauschhandel und Geld. Demnach kann man ein ideales Leistungsprinzip formulieren:

Entsprechend dem, was man selber zur Deckung der Bedürfnisse der Gesellschaft beiträgt, kann man auch konsumieren bzw. erhält Geld.

Jetzt produziert ja nicht jeder selber für sich alleine, sondern es gibt Unternehmen und auch für diese sollte das Leistungsprinzip als Anspruch stehen. Wenn ein Unternehmen dementsprechend seine Einnahmen steigern will, muss es also mehr produzieren und verkaufen. Wenn die Nachfrage schon gesättigt ist, hilft es nicht, einfach die Produktion auszuweiten, sondern das Unternehmen muss sein Produkt verbessern oder rationeller, d. h. billiger, herstellen, unter Einbeziehung von Nebenwirkungen der Produktion. Kurz: Das Unternehmen muss innovativ sein. Gelingt ihm das, steigen die Einnahmen und das Unternehmen kann wachsen. Andere aus der Branche werden auch auf diese oder eine ähnliche Idee kommen oder verdrängt, am Ende wird das bessere oder billigere Produkt angeboten, wovon die Gesellschaft insgesamt profitiert. Außer denjenigen, die wenig oder gar nichts zur Produktion beitragen können. Diesen hilft die Gesellschaft, indem sie ihnen das Notwendige ohne Gegenleistung zukommen lässt, dafür geben alle anderen etwas ab. Damit sind wir bei der sozialen Marktwirtschaft. Der Markt ist in gewisser Weise ein Abbild der Natur. Geht es in der Natur darum, Nischen im Ökosystem zu finden und auszunutzen, so geht es im Markt um das Auffinden und Ausfüllen von Marktlücken. Aus Fressen und Gefressen Werden wird Kaufen und Verkaufen.

Bei dem Ziel, das ideale Leistungsprinzip zu verwirklichen, stellt sich schnell eine Frage: Welche Leistung ist denn wie viel wert? Es mag sich die Antwort anbieten, dass gerade das eben der Markt regelt. Aber ganz so einfach ist es nicht. Das wird deutlich bei der Frage nach Gerechtigkeit und dem Sinn von Managergehältern, die einige hundert Male so hoch sein können, wie die von einfachen Angestellten des Unternehmens. Kann ein Mensch eine mehrere hundertmal so große Leistung bringen wie andere, durchschnittliche Menschen? Mit Blick auf einen Arzt und Wissenschaftler, der einen Impfstoff entwickelt, durch den Tausende andere gerettet werden, lässt sich diese Frage bestimmt mit Ja beantworten. Mit Blick auf Top-Manager, die ihre Unternehmen gegen die Wand fahren und dabei noch Top-Gehälter beziehen, wird aber auch klar, dass die Belohnung von Leistungen im realen Markt häufig nicht mit dem idealen Leistungsprinzip vereinbar ist. Konkrete Beispiele findet man im Kapitel Banken. Der Wert von Leistungen lässt sich kaum allgemein objektiv genau angeben, sondern ist häufig Ermessens- bzw. Verhandlungssache, wie Tarifverhandlungen zeigen. Die Belohnung von Leistungen hängt letztendlich auch davon ab, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, also vom Zufall. Sinnvoll für eine demokratische Gesellschaft ist es, Regeln aufzustellen, um das ideale Leistungsprinzip unter Berücksichtigung des Gerechtigkeitsempfindens des Volkes möglichst weitgehend zu gewährleisten. Problematisch wird es nun, wenn Menschen und insbesondere Unternehmen irgendwelche Lücken in diesen Regeln oder auch bei ihrer Durchsetzung finden. Dann können die Unternehmen ihren Profit statt zum Nutzen zum Schaden der Gesellschaft steigern. Das ist häufig einfacher als echte Innovation. Dazu ein paar Beispiele:

Aus der Praxis

Clean Diesel Ein Paradebeispiel liefert die Manipulation von Abgaswerten durch VW. Während die Fahrzeuge auf der Straße, wie für Dieselmotoren üblich, hohe Mengen an gesundheitsschädlichen Stickoxiden in die Luft bliesen, waren die Werte bei den offiziellen Tests auf dem Rollenprüfstand viel niedriger. Berichtet wurde von bis zu 35-fach erhöhten Werten auf der Straße67. Möglich wurde dies durch die Programmierung der Bordcomputer, die die Testsituation auf der Rolle erkannten und dann die Abgasnachbehandlung einschalteten. Auf der Straße arbeitete diese kaum oder gar nicht. VW beließ es nicht dabei, so die offiziellen Grenzwerte zu erreichen und damit die Zulassungen für seine Dieselautos zu bekommen, sondern bewarb diese auch noch offensiv als jetzt saubere Dieselfahrzeuge. Ungewöhnlich war dann das zwar späte, aber dann doch deutliche Schuldeingeständnis der bewussten Manipulation durch VW. Gerne leugnen Unternehmen ja jede auch noch so offensichtliche Verantwortung, wenn irgendwo Schäden auftreten. Sehr gut zu beobachten war dies z. B. im Falle der Verseuchung des Rio Doce in Brasilien durch giftige Abwässer aufgrund eines Dammbruches einer Eisenerzmine im November 201568. Zunächst suchte der Minenbetreiber Samarco die Gründe für den Dammbruch überall, nur nicht bei sich selber, dann erklärte ein Sprecher des Konzerns BHP, einer der Eigner von Samarco, der Schlamm sei nicht giftig für Menschen und schließlich ließ Vale, der andere Eigner-Konzern, verlauten, die mittlerweile in hohen Konzentrationen gefundenen Schwermetalle stammen von dem Fluss und seien von dem Schlamm nur mitgerissen worden69. Aber kommen wir zurück zum Diesel. Tatsächlich erwiesen sich nicht nur Autos von VW auf der Straße als Dreckschleudern. Frontal 21 hat dazu Ende 2015 mit Wagen verschiedener Hersteller, alles Diesel-PKW der Norm Euro 5, Tests durchgeführt, bei denen die Abgase zunächst auf der Rolle und dann auf der Straße jeweils dem genau gleichen Fahrzyklus NEFZ unterzogen wurden70. Der VW erzeugte auf der Rolle 127 mg Stickoxide pro km und blieb damit unter der Norm von 180 mg/km, auf der Straße waren es nach Abzug von großzügigen Toleranzen immer noch 471 mg/km und damit 3,7-mal so viel wie auf der Rolle und somit weit über der Norm. Auch die anderen, unter den gleichen Bedingungen getesteten Fahrzeuge hielten auf der Rolle alle die Norm ein, auf der Straße verfehlten sie sie deutlich. Beim Mercedes betrug der Faktor dabei 2,7, beim BMW 2,8 und beim Renault 6,6, auf der Straße wurden dabei 1067 mg/km gemessen. Mit diesen Ergebnissen konfrontiert, gaben die anderen Hersteller nicht etwa auch bewusste Manipulation zu, sondern verwiesen auf die auf der Straße anderen Bedingungen, wie andere Luftdruckverhältnisse usw., was nach Meinung von Automobilexperten aber bei Weitem nicht ausreicht, die Unterschiede technisch zu erklären. Es ist, als würde man die zusätzlichen Kilos, die die Waage nach Weihnachten anzeigt, auf die vielleicht seit einer Weile nicht mehr geschnittenen Haare zurückführen. Und nicht genug damit, dass die Manipulation nicht zugegeben wird, Hersteller drohten z. T. sogar mit einstweiligen Verfügungen, um die Veröffentlichung von unangenehmen Messwerten zu unterbinden, wie im Falle der Deutschen Umwelthilfe. Diese hatte bei weiteren Marken gezeigt, dass inoffiziell viel zu viele Stickoxide ausgeblasen wurden. Auch Fahrzeuge der neuesten Norm Euro 6 schließlich wiesen auf der Straße 7-fach erhöhte Werte auf71. Daimler ist mittlerweile auch in den USA aufgefallen, weil dort auf der Straße bis zu 30-fach erhöhte Stickoxid-Werte gemessen wurden72. Die hohen Faktoren 30 und 35 oben erklären sich wohl über das von dem unrealistischen Testzyklus abweichende Fahrverhalten auf der Straße. Wie sinnvoll ist übrigens ein und derselbe Test für ganz verschiedene Fahrzeugklassen, die in der Realität ganz unterschiedlich gefahren werden?

Etwas geschickter als VW scheint sich Opel angestellt zu haben. Dort wurde nicht die schlechte Kontrolle, sondern eine Lücke in der EU-Verordnung ausgenutzt, nämlich die Ausnahme vom Abschaltverbot der Abgasreinigung, um den Motor zu schützen. Die Bedingungen, unter denen die untersuchten Opel-Fahrzeuge demnach sauber fuhren, machten nur einen kleinen Bruchteil der Fahrstrecke unter realistischen Nutzungsbedingen aus73. Es stellen sich hier zwei Fragen. Zum einen: Warum die Manipulationen? Ein in der Motorenentwicklung Beschäftigter sagte dazu anonym, dass technisch die Einhaltung der geforderten Stickoxid-Werte möglich sei, was aber mit höheren Kosten verbunden sei, was man vermeiden wollte. Tatsächlich gab es genau das gleiche Problem schon vor gut einem Dutzend Jahren mit Lkw’s. Die stoßen mittlerweile, wenn nicht geschummelt wird, viel weniger Stickoxide aus und sind jetzt sogar sauberer als Diesel-PKW. Dafür müssen LKW neben Diesel regelmäßig einen AdBlue genannten Zusatz, der i. W. Harnstoff enthält, tanken, der Verbrauch davon beträgt rund 5 bis 7 Prozent des Dieselverbrauches. Bei PKW liegt der AdBlue-Verbrauch bei nur etwa 1 %. Das senkt die Kosten und der Kunde bekommt davon gar nichts mit, wenn der Zusatz nur in den Wartungsintervallen nachgefüllt werden muss74. Die zweite Frage ist, wie bzw. ob derartige Diskrepanzen so lange von den Volksvertretern, die mit den Grenzwerten die Gesundheit der Menschen schützen wollten, unbemerkt bleiben konnten. Wir kommen dazu im nächsten Kapitel. Bleiben wir zunächst bei VW, hier zeigen sich noch einige weitere Lücken im System: VW stellte rund 16 Milliarden Euro für Schadenersatz zurück und stand mit dem Rücken zur Wand. Ein beträchtlicher Teil des Schadens ist auch auf das eben sehr späte Schuldeingeständnis zurückzuführen75, weswegen jetzt sogar Anklagen gegen ehemalige Führungskräfte drohen76. Und auch früher muss es ja Verantwortliche in der Führungsebene gegeben haben, allen voran der ehemalig VW-Chef Martin Winterkorn. Sei es, dass diese wussten, was passierte oder sei es, dass diese die Manipulationen durch einen Führungsstil, der kein Versagen auch bei unrealistisch hohen Anforderungen duldete, indirekt heraufbeschworen. Aber davon, dass jemand von seinen Millionen-Gehältern etwas wieder zurückgeben soll, ist nicht die Rede, selbst 2016 wurden noch nicht einmal die Boni gestrichen, sondern nur Teile davon zurückgestellt77. Das Problem scheint das gleiche zu sein, wie bei den Banken. Mittlerweile klagen Staatsfonds gegen VW, um die durch die fehlerhafte Informationspolitik der Führung von VW erlittenen Aktienkursverluste wieder zu bekommen78. Wirklich sinnvoll könnte so eine Klage bei konsequenten Gesetzen eigentlich nicht sein, denn Aktienhalter von VW klagen auf diese Weise gegen sich selber, von den Kursverlusten sind ja alle Aktionäre betroffen. Sinnvoll wäre dagegen eine Klage gegen die Verantwortlichen, aber tatsächlich wurde der Vorstand auch 2016 wieder entlastet. Wobei dieses allerdings nichts anderes bedeutet, als dass dem Vorstand das Vertrauen ausgesprochen wird. Eine etwaige Haftung leitet sich aus einer Nicht-Entlastung nicht ab79.

Noch einmal zu den LKW’s. Auch unter diesen gibt es noch Dreckschleudern auf deutschen Straßen. Möglich wird das durch Emulatoren, die dem Motor nur vortäuschen, dass AdBlue zugeführt wird. Entwickelt wurden sie für den Einsatz da, wo AdBlue nicht erhältlich ist, aber der Einsatz in Ländern wie Deutschland kann sich durchaus auszahlen: Bei einem Jahresgewinn von ca. 6 000 Euro pro Fahrzeug liefern Einsparungen von 2 000 Euro jährlich einen wirksamen Wettbewerbsvorteil. Der Einsatz solcher Emulatoren ist in Deutschland zwar verboten, aber eingeschränkte Kontrollbefugnisse der Behörden lassen dieses Verbot schwer durchsetzen, anders als etwa in Polen. Bei einer Stichprobe mit mobilen Abgasmessgeräten zeigten 20 % aller LKW aus Osteuropa auffällige Werte, die für Manipulation sprachen. Hochgerechnet ergeben sich damit 14 000 Tonnen zusätzlicher Stickoxide jährlich in Deutschland, was dem Doppelten der zusätzlichen Emissionen in den USA aufgrund der VW-Manipulationen entspricht80.

Wenden wir uns anderen Beispielen für eine Umgehung des Leistungsprinzips zu.

Versicherungen In Moskau hatten wir deutsches Fernsehen und ich sah mir häufig die Polit-Magazine in den Öffentlich-rechtlichen an. Da häuften sich Berichte über die schlechte Zahlungsmoral von Versicherungen in großen Schadensfällen. Eigentlich ja genau die Fälle, wofür Unfall-, Berufsunfähigkeits-, Haftpflicht- und z. T. auch Krankenversicherung da sind, denn kleine Schäden könnte man in der Regel wirtschaftlicher selber tragen. Es wird irgendein Grund gefunden, warum die Versicherung angeblich nicht zahlen muss, gerne etwa, dass der entstandene Schaden nicht auf das versicherte Ereignis, etwa ein Unfall, zurückzuführen sei. Kommt ein Gutachten zu dem gegenteiligen Schluss zugunsten des Geschädigten, holt die Versicherung eben ein Gegengutachten ein. Der Fall wandert durch die Instanzen, die Jahre ziehen in das Land und anstatt sich an die durch die Krankheit oder Verletzung schwieriger gewordenen Lebensumstände gewöhnen zu können, müssen die Betroffenen um ihr Recht kämpfen, was nicht jeder durchhält. Auch wurde berichtet, dass Versicherungen speziell bei wenig Vermögenden die Leistungen kürzen oder einbehalten, weil diese sich nicht so gut wehren können81. Neben den direkten zusätzlichen Schäden für die Betroffenen wird auch Preisdruck auf seriöse Versicherungen ausgeübt, weil durch die Nichtübernahme der geschuldeten Leistungen die unseriösen Anbieter mit niedrigeren Beiträgen werben können. Diese Berichte waren einer der Gründe, warum ich mich politisch engagieren wollte. Es scheint sich in der Folge nicht viel getan zu haben82, im Juli 2015 machte der Spiegel das Problem zu einem Titelthema.

Ein weiteres Thema: Der Bund fördert über die Riester-Rente private Altersvorsorge. Das ist für die Versicherungsgesellschaften ein lukratives Geschäft83, ein nicht unerheblicher Teil der eingezahlten bzw. erwirtschafteten Beträge wandert zum Versicherer. Wie viel genau, ist üblicherweise im Detail gar nicht nachzuvollziehen, da die Versicherer ihre Berechnungen nicht offenlegen müssen, was der Bundesgerichtshof 2015 bestätigt hat84.

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