Kitabı oku: «James Bond 15: Colonel Sun», sayfa 3

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»Admiral Sir Miles Messervy«, sagte Bond deutlich und sah, wie der Sergeant reagierte. Bonds Verstand wurde nun schnell klarer. »Es gab einen Zwischenfall in seinem Zuhause. Ich fürchte, er wurde entführt.«

»Sprechen Sie bitte weiter, Sir«, forderte ihn der Sergeant auf, der bereits nach dem Telefonhörer gegriffen hatte, bevor Bond den Satz beendet hatte.

»Da waren vier Männer. Sie hatten ihm eine Ladung von dem gleichen Zeug verabreicht, das sie mir gespritzt haben. Ich weiß nicht genau, wie ich entkommen bin.«

»Kein Wunder«, kommentierte Dr. Allison und bot Bond eine Zigarette und ein Feuerzeug an.

Bond sog den lebensspendenden Rauch tief in seine Lunge ein und stieß ihn genüsslich aus. Er fing an, schnell und besonnen zu überlegen, zu analysieren und vorherzusehen. Der Schluss, zu dem er umgehend kam, entsetzte ihn. Er sprang auf die Füße. Im gleichen Augenblick legte der Sergeant den Telefonhörer auf.

»Nummer nicht erreichbar«, verkündete er ernst.

»Natürlich«, murmelte Bond. »Geben Sie mir das Ding.« Als sich die Telefonistin der Polizei meldete, sagte er: »Londoner Flughafen. Oberste Priorität. Ich bleibe in der Leitung« und ballte seine Hand dabei unbewusst zur Faust.

Der Sergeant warf ihm einen kurzen Blick zu und verließ den Raum im Laufschritt.

Während Bond seinem Freund Spence, dem Sicherheitsbeamten am Flughafen, Beschreibungen von M und den vier feindlichen Agenten durchgab, traf der Inspector ein, dem eine Minute später auch Bill Tanner folgte. Bond beendete das Gespräch, legte auf und holte tief Luft, um Tanner die Lage zu erklären, doch genau in diesem Moment kehrte der Sergeant zurück. Sein rundes, gutmütiges Gesicht war blass. Er wandte sich an Bond.

»Ich habe einen Streifenwagen zum Haus geschickt«, sagte er und schluckte. »Sie haben sich gerade gemeldet. Ich fürchte, für Ihre bewaffneten Männer ist es jetzt zu spät. Aber wir werden Sie brauchen, Doktor. Allerdings werden auch Sie nicht mehr viel tun können.«


NACHWIRKUNGEN

Die Leiche des Mannes mit dem schmalen Gesicht lag auf dem Rücken in der Eingangshalle des Achterdecks. Von seinem Gesicht war nicht mehr viel übrig. Teile davon und von dem, was sich dahinter befunden hatte, klebten überall an den Wänden und der Decke. Die Luger-Patrone steckte einen guten Zentimeter tief in einer der Holzvertäfelungen.

Auf den ehemaligen Chief Petty Officer Hammond hatte man zwei Schüsse abgefeuert, einen in die Brust und einen weiteren, wohl um kein Risiko einzugehen, in den Nacken. Man ging davon aus, dass die Eindringlinge ihn umgehend aus dem Weg geräumt hatten, nachdem er ihnen die Tür geöffnet hatte, und dass sie in diesem Fall eine kleinkalibrige Waffe benutzt hatten, um in der Eingangshalle keine Spuren zu hinterlassen, die Bond bei seiner Ankunft hätten warnen können. Die Leiche hatten sie in die Küche befördert, in der man auch die dritte Leiche gefunden hatte.

Mrs Hammond hatte wenigstens nicht mitbekommen, was mit ihr passiert war. Der Mörder hatte bei ihr dieselbe kleinkalibrige Waffe benutzt und sie mit einem einzelnen gut gezielten Schuss in den Hinterkopf getötet, während sie am Herd oder am Spülbecken gestanden hatte. Sie lag direkt neben ihrem Ehemann, so nah, dass der Handrücken seiner ausgestreckten Hand an ihrer Schulter ruhte. Es sah aus, als hätte er versucht, ihr zu versichern, dass er sie nicht verlassen hatte, dass er in ihrer Nähe war, so wie er es zwanzig Jahre lang gewesen war. Seit Hammond gleich nach dem Krieg aus dem Dienst entlassen worden und mit seiner Frau hergezogen war, um M zu Diensten zu sein, hatten die beiden nicht eine Nacht getrennt verbracht.

Bond dachte darüber nach, während er neben Tanner und dem Inspector stand und auf die Überreste der Hammonds hinunterstarrte. Er verspürte den bedeutungslosen Wunsch, dass er Hammonds Anekdoten über das Marineleben vor dem Krieg in der Pazifikstation mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte, dass er die Zeit und Freundlichkeit gehabt hätte, Mrs Hammond für die Selbstaufopferung, mit der sie M während seiner Krankheit gepflegt hatte, zu danken und sie zu ermutigen. Bond gab einen gedämpften Laut von sich, eine Mischung aus Schluchzen und Knurren. Diese Tat, diese beiläufige Beseitigung zweier Leben, nur um sich Ärger zu ersparen – es hätte ein halbes Dutzend Möglichkeiten gegeben, die Hammonds mit einem Minimum an Gewalt zu neutralisieren, ohne sich einem Risiko auszusetzen –, würde er nicht einfach so hinnehmen. Die Männer, die das getan hatten, würden sterben.

»Nur gut, dass Sie nicht auf meinen Vorschlag eingegangen sind, heute Abend mit herzukommen, Bill«, sagte Bond.

Tanner nickte stumm. Dann wandten sich die beiden ab und überließen die Leichen dem Arzt und den Experten der Polizei. Obwohl niemand erwartete, dass sie dem, was bereits bekannt und allzu offensichtlich war, noch etwas hinzuzufügen hatten. Das Schicksal der Hammonds war wie ein offenes Buch. Was blieb, war natürlich die Frage, warum der Mann mit dem schmalen Gesicht erschossen worden war.

In Ms Arbeitszimmer beschlossen Bond und Tanner eine Minute später, sich mit der Beantwortung dieser Frage zu beschäftigen. Beide mieden stillschweigend den Hepplewhite-Lehnstuhl mit der geraden Rückenlehne, auf dem M immer zu sitzen pflegte, und nahmen jeweils auf einer Seite des niedrigen Steinkamins Platz, der zu dieser Jahreszeit leer und sauber gefegt war.

»Vielleicht hat ihn sein Boss in einem Wutanfall erledigt«, schlug Tanner vor. »Nach dem, was Sie mir auf dem Weg hierher erzählt haben, hat sich unser toter Freund bei dem Gerangel im Schlafzimmer nicht sonderlich geschickt angestellt. Das könnte sein Boss so ausgelegt haben, dass er Ihnen zur Flucht verholfen hat. Andererseits klingen diese Leute nicht so, als würden sie zu Wutanfällen neigen. Natürlich ist ein Mann mit einer blutigen Nase bis zu einem gewissen Grad verdächtig. Hätte das genügt, um ihm eine Kugel einzuhandeln? Falls ja, wäre das recht beängstigend.«

Bevor er antwortete, nahm Bond seinen Scotch mit Soda von dem Silbertablett, das auf einem niedrigen Tisch zwischen den beiden Männern stand. Er hatte sein Herz stählen müssen, um das Tablett aus der Küche mitzunehmen, wo Hammond es wie an den vergangenen Dienstagen schon für seine Ankunft bereitgestellt hatte.

»Das würde zu der Flughafentheorie passen.« Bond nahm einen großen, dankbaren Schluck. »Es wäre schon ein Risiko, mit M durch die Passkontrolle zu gehen und ihn, falls nötig, als ›nicht ganz auf der Höhe‹ auszugeben oder was auch immer sie sich dafür überlegt haben. Vermutlich wäre es ein noch größeres Risiko gewesen, wenn sie es geschafft hätten, mich dazu zu bringen, dass ich mich der Truppe anschließe. Oder nicht? Egal, das spielt jetzt keine Rolle. Wichtig ist nur eins: Ganz gleich, wie groß das Risiko war, sie waren in der Lage, sich bis ins kleinste Detail darauf vorzubereiten. Aber eine Sache haben sie nicht vorausgeahnt: Ein Mann, der offensichtlich gerade einen ernsthaften Kampf hinter sich hat, wäre genau das, was die gefährliche Aufmerksamkeit der Behörden auf sie gelenkt hätte. Ja, das passt. Und dennoch …«

Tanner warf ihm einen stummen Blick zu und suchte umständlich nach einer Zigarette.

»Ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass da noch etwas anderes im Spiel ist. Irgendein zusätzlicher Punkt. Warum sollten sie ihn denn dann hierlassen? Damit haben sie uns weiß Gott wie viele Informationen auf dem Silbertablett präsentiert. Man sollte doch erwarten, dass sie zumindest versuchen würden, die Leiche zu verstecken.«

»Sie hatten keine Zeit dafür«, gab Tanner mit einem Blick auf seine Uhr zu bedenken. »Diese ganze Aktion muss auf die Minute geplant gewesen sein. Und da wir gerade von Zeit sprechen, wann lassen die endlich dieses verdammte Telefon reparieren? Wir sollten besser anfangen …«

»Das hat keine Eile. Ich wünschte, es wäre anders. Da vor einer Stunde oder länger der Schichtwechsel stattgefunden hat, wird Spence’ Aufgabe nicht leicht sein. Er muss all die Leute aufstöbern, die vorhin im Dienst waren. Und die Sicherheitsbelegschaft ist winzig. Sie werden voll und ganz damit beschäftigt sein, die Beschreibungen an all die anderen Flughäfen weiterzuleiten. Und außerdem …«

Ein Constable in einem kurzärmeligen Hemd klopfte und trat ein. »Das Telefon ist wieder in Ordnung, Sir«, sagte er. »Und der Sicherheitsdienst des Londoner Flughafens wurde wie von Ihnen gewünscht informiert.«

»Danke.« Sobald der Mann gegangen war, stellte Bill Tanner sein Glas mit einem lauten Knall ab. »Das ist ohnehin alles hoffnungslos«, stieß er mit plötzlicher Heftigkeit hervor. »Wir sollten uns in Bewegung setzen, James. Jede wichtige Person muss versammelt und über diese Angelegenheit informiert werden, und zwar schnell. Warum trödeln wir hier noch herum?«

»Wenn wir uns bewegen, sind wir nicht mehr in der Nähe des Telefons. Und wir müssen sichergehen, dass wir auf dieser Seite keine Spuren übersehen. Die Polizei wird sie finden, falls es welche gibt. Dieser Inspector Crawford ist ein fähiger Bursche. Und was meinen Sie überhaupt mit hoffnungslos? Wir haben doch die Häfen informiert und …«

»Hören Sie, James.« Tanner stand auf und fing an, auf dem abgewetzten Axminster-Teppich auf und ab zu gehen. Er schaute wieder auf seine Uhr. »Sie haben jetzt etwa vier Stunden Vorsprung …«

Bond atmete langsam ein und biss sich hart auf die Unterlippe. »Verdammt, Sie wissen ja nicht, wie sehr ich mir wünsche …«

»Seien Sie kein Narr, Mann. Niemand hätte mehr tun können als Sie. Reißen Sie sich zusammen und hören Sie mir zu.«

»Tut mir leid, Bill.«

»So ist es besser. Also. Vier Stunden. Sie haben sicher nicht mit sehr viel mehr gerechnet, egal, was passieren würde. Sie haben das Ganze bestimmt so knapp wie möglich geplant. Wenn sie ihn per Flugzeug außer Landes geschafft haben, wären sie in weniger als einer Stunde in der Luft gewesen, da der Flughafen ja ganz in der Nähe liegt. Es dauert höchstens eine weitere Stunde bis Orly oder Amsterdam, oder heutzutage sogar bis nach Marseille – und sie müssen an einen vergleichsweise nahen Ort geflogen sein. Sie hätten es nicht gewagt, sechs oder acht Stunden im Transit zu verbringen und damit zu riskieren, dass sie am anderen Ende von den falschen Leuten abgefangen werden … Also gut. Das sind zwei Stunden. Eine weitere halbe Stunde am Flughafen für Zoll- und Passkontrolle. Mittlerweile könnten sie sich etwa hundertzehn bis hundertdreißig Kilometer von ihrem Landepunkt entfernt befinden, nicht wahr? Oder draußen auf dem Meer?«

»Woher wollen Sie wissen, dass sie nicht in Ostberlin sind?«, fragte Bond tonlos. »Oder bereits auf halbem Weg nach Moskau?«

»Keine Ahnung.« Mit zitternden Fingern zündete sich Tanner eine weitere Zigarette an und fuhr sich mit einer Hand durch sein schütteres graues Haar. »Es klingt nicht nach denen. So Spiele treiben die nicht mehr. Zumindest glaube ich das. Aber vielleicht hoffe ich das auch nur.«

Bond hatte dazu nichts zu sagen.

»Vielleicht haben sie ihn gar nicht außer Landes gebracht. Möglicherweise ist das ihre beste Chance. Sie verstecken sich einfach mit ihm in Westmorland oder sonst wo und ziehen ihren Plan von einem verfallenen Cottage aus durch. Wie auch immer dieser verdammte Plan aussehen mag. Wir werden es zweifellos herausfinden, sobald sie es wollen. Wir sind erledigt, James. Wir haben ihn verloren.«

Das Telefon klingelte laut in seiner Nische im Flur (M hätte das verhasste Gerät niemals in Sichtweite aufgestellt). Tanner sprang auf. »Ich gehe dran. Bleiben Sie ganz ruhig.«

Bond lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lauschte mit einem Ohr dem unterbrochenen Brummen von Tanners Stimme in der Nische. Die gedämpften Geräusche der arbeitenden Polizisten, ihre bedächtigen Schritte, klangen falsch und unmelodisch. Das Arbeitszimmer, in dem Bond saß – er bemerkte nun zum ersten Mal Ms alte Tabakspfeife, die in einem kupfernen Aschenbecher lag –, wirkte auf ihn sogar noch museumsartiger als zuvor. Es war, als hätte M es nicht vor Stunden, sondern vor Wochen oder Monaten verlassen. Es war eher ein vergessenes Bühnenbild als ein Museum. Bond hatte das beunruhigende Gefühl, dass sich die scheinbare Steinwand nach außen wölben und als Leinwand herausstellen würde, wenn er aufstehen und mit seiner Hand dagegen drücken würde.

Tanners plötzliche Rückkehr riss Bond aus seiner Trance – offenbar befanden sich noch immer Spuren der Droge in seinem Kreislauf. Das Gesicht seines Freundes war ernst und abgehärmt. Er sah schrecklich aus.

»Tja, James, ich hatte fast recht. Ein toller Trost.« Dann machte er sich wieder daran, auf dem Teppich auf und ab zu gehen. »Shannon. Sie sind um zwanzig vor neun mit dem Aer-Lingus-Flug 147A abgereist. Die Mitarbeiter, die zu dieser Zeit Dienst hatten, erinnern sich gut an sie. Die ganze Aktion war bis ins kleinste Detail durchgeplant – ein Muster vorangegangener Reisen, an denen angeblich dieselben vier Personen teilgenommen hatten, eine auf die Sekunde abgepasste Ablenkung, das volle Programm. Ich frage mich, was sie für Sie und unseren Freund in der Eingangshalle geplant hatten. Wie dem auch sei …

Sie sind etwa gegen halb zehn in Shannon gelandet. Das war vor … fast zweieinhalb Stunden, als Sie noch ziellos durch diesen Wald gewandert sind. Also sind sie jetzt weg. Sie wurden in Shannon mit einem Auto abgeholt und weiß der Himmel wohin gefahren. Ich kenne die Küste dort ein wenig. Vermutlich wollten sie zu einer der vielen Hundert abgelegenen kleinen Buchten. Diese Küste muss die einsamste in ganz Westeuropa sein. Danach … können Sie genauso gut würfeln, was passiert ist. Entweder sind sie mit einem Boot zu einem Schiff gerudert oder meinetwegen auch zu einem U-Boot – diese Angelegenheit scheint auf jeden Fall von dieser Größenordnung zu sein. Dann haben sie sich gute hundert Kilometer weit draußen auf dem Atlantik mit einem Flugschiff getroffen. Und jetzt könnten sie sich überall auf der Welt befinden.

Das sind also die Tatsachen«, beendete Tanner seine Ausführungen. »Wir werden die irische Küstenwache und Marine informieren. Sie sollen besonders wachsam sein. Das wird sehr hilfreich sein. Und wir schicken noch heute Nacht einen Mann dorthin. Er wird uns ebenfalls eine große Hilfe sein. Und dann sind da noch die diversen Parteien in London, denen wir zumindest mitteilen können, dass sie sich versammeln sollen. Kommen Sie, James, gehen wir ein bisschen telefonieren. Viel mehr können wir hier nicht tun. Dieses Haus war mir schon immer unheimlich.«

Inspector Crawford, ein großer, finsterer Mann Mitte vierzig, der Bond sofort sympathisch gewesen war, kam auf sie zu, als sie den letzten von drei Anrufen beendet hatten. Er hatte einen großen, unverschlossenen hellbraunen Umschlag bei sich.

»Wir sind hier so gut wie fertig, meine Herren. Wenn Sie aufbrechen wollen, denke ich, dass Sie alles, was Sie benötigen, hier drin finden werden.« Er reichte Tanner den Umschlag und deutete dann auf die Leiche auf dem Boden, ohne sie anzusehen. »Das ist der Inhalt der Taschen des Mannes. Wir waren recht überrascht, dass es darin überhaupt etwas gab. Man sollte meinen, sie hätten versucht, seine Identität zu verbergen. In dem Umschlag sind auch seine Kleidungsetiketten, die leider alle der Standardausführung entsprechen. Es gibt keine Wäschereietiketten. Außerdem finden Sie darin drei recht gute Fotografien von dem, was von ihm übrig ist, sowie einen Satz Fingerabdrücke, Größen- und geschätzte Gewichtsangabe. Er hatte keinerlei auffällige Merkmale. Aber wenn er in Ihren Akten steht, gehe ich davon aus, dass Sie in der Lage sein sollten, ihn in null Komma nichts zu finden, auch ohne sein Zeug. Schließlich konnte Mr Bond einen ausgiebigen Blick auf ihn werfen, als er noch lebte. Oh, und dann ist in dem Umschlag noch der vorläufige Bericht des Arztes, nur der Vollständigkeit halber. Das ist alles. Ich muss Sie bitten, für die Besitztümer des Toten zu unterschreiben, Sir. Und wir brauchen sie zurück, sobald Sie damit fertig sind.«

Tanner kritzelte seine Unterschrift auf das hingehaltene Formular. »Danke, Inspector. Ich fürchte, Sie werden uns umgehend nach London begleiten müssen, um an einer Besprechung teilzunehmen, die womöglich den Rest der Nacht in Anspruch nehmen wird. Das meiste davon wird Sie nicht betreffen, aber irgendjemand wird sich zweifellos beschweren, wenn Sie nicht vor Ort sind, um die Polizei zu repräsentieren. Ich nehme an, Sie verstehen das.«

Crawford nickte gleichgültig. »Ich denke schon, Sir. Wenn Sie mir nur noch zwei Minuten geben, stehe ich danach zu Ihrer Verfügung.«

»Ihnen ist natürlich klar, dass diese Angelegenheit als absolut geheim behandelt werden muss, nicht wahr? Teilen Sie Ihren Kollegen mit, dass sie das Telefon wieder funktionsunfähig machen sollen, sobald alle hier raus sind. Ich danke Ihnen für alles, was Sie und Ihre Männer getan haben. Wir treffen Sie dann draußen, sobald Sie aufbruchsbereit sind.«

Als sie das Haus verließen, warf Bond einen kurzen Blick auf die Leiche des Mannes, dessen Tod er unwissentlich herbeigeführt hatte. Sie lag da und wartete darauf, weggebracht und ordnungsgemäß entsorgt zu werden, ein Stück Schutt, vollkommen bedeutungslos. Bond hasste und fürchtete die halb verschleierte Absicht, die diese Männer in dieses Haus geführt hatte, doch er konnte nicht umhin, ein wenig Mitleid bei dem Gedanken an den beiläufigen Zufall zu empfinden, der zu diesem unerfreulichen Ergebnis geführt hatte. Würde James Bond ebenfalls so enden? Würde man ihm einen Kopfschuss verpassen und ihn dann wie einen Haufen ungewollter Kleidung beiseitewerfen, um einen kleinen Fehler in jemandes Plan auszubügeln?

Das enorme Strahlen der Sterne am samtschwarzen Spätsommerhimmel draußen vor dem Haus verscheuchte diese Gedanken. Das war gutes Flugwetter. Wohin brachten sie M? Das spielte momentan keine Rolle. Es hatte keinen Sinn, wild ins Blaue zu spekulieren. Ein frostiger Hauch lag in der Luft, und Bond merkte, dass er hungrig war. Das spielte jetzt ebenfalls keine Rolle. Vor seiner Ankunft in London würde er nichts zu essen bekommen und dort womöglich auch erst einmal nicht.

Gemeinsam mit Tanner passierte Bond die dunklen klobigen Gestalten der beiden Polizeiautos und ging auf seinen Bentley zu, der noch immer dort stand, wo er ihn vor einer gefühlten Ewigkeit geparkt hatte. Tanner legte ihm eine Hand auf die Schulter.

»Nein, James. Sie fahren mit mir. Ich werde mich morgen um Ihren Wagen kümmern.«

»Unsinn, ich bin vollkommen in Ordnung.«

»Und wir können nicht sicher sein, dass der Wagen nicht mit einer Sprengfalle versehen ist.«

»Das ist ebenfalls Unsinn, Bill. Sie wollten mich lebend und unversehrt.«

»Das war vor ein paar Stunden. Niemand weiß, was sie jetzt wollen.«


GRÜSSE AUS PARIS

Sir Ranald Rideout, der zuständige Minister, war nicht gerade erfreut darüber, dass man ihn urplötzlich von einer ausklingenden Abendgesellschaft wegholte, die eine österreichische Prinzessin gab, in deren gesellschaftliche Kreise er schon seit Jahren hatte vordringen wollen. Die telefonische Botschaft betonte das Ausmaß der Angelegenheit, die seine Aufmerksamkeit erforderte, ohne Hinweise darauf zu geben, worum es sich handelte. Der Untergebene, mit dem er sprach, hatte aufgelegt, bevor Sir Ranald Gelegenheit hatte, angesichts der Ungehörigkeit zu protestieren, dass er zu den Vereinbarungen für dieses Treffen oder diese Konferenz oder was auch immer es war nichts zu sagen hatte. Er sollte sich also in den Büros von Transworld Consortium, also dem Hauptquartier des Secret Service, einfinden? Demnach steckte dieser verwirrte alte Admiral, der für seinen sturen Widerstand gegen politische Führung berüchtigt war, in Schwierigkeiten. Den Burschen hätte man schon längst absägen sollen. Als Sir Ranald zu absolut ungehöriger Stunde um zwanzig nach eins die Treppe in dem großen grauen Gebäude hinaufstapfte, das über dem Regent’s Park aufragte, war er mehr als nur ein wenig verärgert. Er war ein flinker kleiner Bursche von sechzig Jahren und in bester körperlicher Verfassung. Diese war nicht das Ergebnis irgendeiner Selbstdisziplin, sondern der Gleichgültigkeit gegenüber dem Essen und Trinken, das so oft zum Leben der Mächtigen gehörte.

Die Tatsachen wurden ihm ohne Umschweife präsentiert. Er starrte mit gereizter Ungläubigkeit in die Gesichter der Personen, die rund um den abgenutzten Eichenholztisch saßen: der Ministerialrat seines Ministeriums, der stellvertretende Commissioner Vallance von Scotland Yard, dieser Tanner, in dessen Büro sie saßen und dessen Bedeutungslosigkeit sich schon allein am Zustand seines Mobiliars zeigte, der Spion namens Bond, der für dieses Durcheinander verantwortlich zu sein schien, und ein paar Polizisten aus Windsor.

»Also wirklich, meine Herren.« Sir Ranald blies die Backen auf und stieß die Luft langsam und geräuschvoll wieder aus. »Eine schöne Bescherung, das muss ich schon sagen. Damit werden wir uns an den Premierminister wenden müssen. Ich hoffe, das ist Ihnen klar.«

»Schön, dass Sie uns zustimmen«, erwiderte Tanner in gemäßigtem Ton. »Aber wie Sie wissen, ist der Premierminister heute – nein, gestern – nach Washington geflogen. Von dort aus kann er in dieser Angelegenheit nichts unternehmen, und ich bezweifle, dass er in der Lage sein wird, seinen Aufenthalt zu verkürzen. Also sieht es so aus, als müssten wir uns selbst darum kümmern.«

»Natürlich müssen wir das.« Dieses Mal schnaubte Sir Ranald nachdrücklich. »Natürlich müssen wir das. Die Frage ist, wo fangen wir an? Wo greifen wir ein? Sie scheinen nichts zu haben, das man als Spur bezeichnen könnte. Sehr ungewöhnlich. Nehmen Sie zum Beispiel diesen Mann, der erschossen aufgefunden wurde. Nicht der Bedienstete, der Gangster oder was immer er war. Alles, was Sie über ihn zu wissen scheinen, ist, dass er den Tod durch eine Kugel fand, die seinen Schädel zertrümmerte. Sehr hilfreich. Ist das wirklich alles, was man darüber sagen kann? Man hat doch sicher irgendeinen Hinweis bei ihm gefunden, oder?«

Inspector Crawford ergriff sofort das Wort, und Sir Ranald runzelte leicht die Stirn. Man sollte doch wohl erwarten, dass sich der unwichtigste Mann im Raum zuerst vergewisserte, dass niemand der vergleichsweise höhergestellten Anwesenden antworten wollte, bevor er sich in den Vordergrund drängte. Zumindest hätte man das wohl einst erwarten können.

»Seltsamerweise gab es tatsächlich einige Habseligkeiten, Sir«, erklärte der Inspector. Er nickte in Richtung des kleinen Haufens aus diversen Gegenständen, die Vallance hin und her drehte. »Aber sie verraten uns nicht viel. Außer …«

»Verraten Sie uns irgendetwas über die Identität des Mannes?«

»Meiner Meinung nach nicht, Sir.«

Vallance, der auch zu dieser frühen Stunde so adrett wie immer gekleidet war, warf Crawford einen Blick zu und schüttelte ebenfalls den Kopf.

»Darf ich dann so frei sein und meine Frage erneut stellen? Wer war er? Stellvertretender Commissioner?«

»Unsere Fingerabdruckdaten werden in diesem Moment durchsucht, Sir Ranald«, versicherte Vallance und schaute dem Minister direkt ins Gesicht. »Und natürlich ist es vorstellbar, dass dieser Bursche darin vermerkt ist. Wir überprüfen auch die Daten im Ausland mithilfe von Interpol und so weiter, aber es wird mindestens ein paar Tage dauern, bis alle Ergebnisse vorliegen. Und ich habe den starken Verdacht, dass wir dadurch nichts Brauchbares erfahren werden. So wie ich das sehe, beweist allein die Tatsache, dass er zurückgelassen wurde, dass uns das Wissen um seine Identität nicht weiterhelfen wird.«

»Ich stimme Vallance zu«, sagte Tanner. »Wir sind in genau der gleichen Situation und ich bin mir sicher, dass wir die gleichen Ergebnisse erhalten werden oder auch gar keine. Nein, Sir – dieser Bursche wird sich als einer dieser vergleichsweise neuen internationalen Verbrechertypen erweisen, die im Bereich der Sabotage und des Terrorismus in beunruhigend großer Zahl aufgetaucht sind. Leute ohne nachvollziehbare Vergangenheit, vermutlich weiße Afrikaner mit einem Groll, abtrünnige Amerikaner – aber das sind alles nur Mutmaßungen, weil sie wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen. Die Kollegen in unserem Archiv nennen sie die Männer aus dem Nirgendwo. Eine ziemlich alberne Groschenromanbezeichnung, aber sie beschreibt sie sehr treffend. Ich will damit sagen, Sir, dass der Versuch, herauszufinden, wer dieser Kerl war, Zeitverschwendung ist, weil er in gewisser Weise niemand war.«

»Das sind doch nur Spekulationen, oder, Tanner?«, hakte Sir Ranald nach. Kleine Lachfältchen umspielten seine Augen, während er sprach, um zu zeigen, dass er in dieser Angelegenheit noch nicht persönlich wurde. »Sie raten einfach nur. Sie würden es sicher als wohlbegründete Vermutungen bezeichnen, aber das ist Ansichtssache. Ich fürchte, ich wurde dazu ausgebildet, alles sorgfältig, unvoreingenommen und gründlich zu beobachten, bevor ich mich an die Formulierung einer Theorie heranwage. Also … Bond«, im Gesicht des Ministers flackerte ein kurzer Ausdruck des Missfallens auf, während er fortfuhr, als fände er den Namen in irgendeiner Weise unschön, »Sie haben diesen Mann getroffen, als er noch lebte. Welche hilfreichen Informationen können Sie uns über ihn mitteilen?«

»So gut wie nichts, Sir, fürchte ich. Er wirkte vollkommen gewöhnlich, abgesehen von seinem Geschick im unbewaffneten Nahkampf, aber diese Fähigkeit könnte er überall auf der Welt erlernt haben. Also …«

»Was ist mit seiner Stimme? Irgendetwas Auffälliges?«

Bond war völlig ausgelaugt. Sein Kopf pochte, und er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. Die Teile seines Körpers, die der Tote bearbeitet hatte, schmerzten. Das Schinkensandwich und der Kaffee, die er sich beide schnell in der Kantine besorgt hatte, waren längst vergessen. Doch trotzdem hätte er nie die Antwort gegeben, die er nun gab, wenn ihn die überhebliche Art des Politikers in Anwesenheit von Männern, die zwanzig Mal so viel Wert waren wie er, nicht so angewidert hätte.

»Nun ja, er sprach Englisch«, erwiderte Bond. »Und meiner Meinung nach war auch seine Grammatik korrekt. Ich habe natürlich sorgfältig auf Hinweise eines russischen, albanischen oder chinesischen Akzents geachtet, aber ich konnte keine feststellen. Allerdings hat er in meiner Anwesenheit nicht mehr als zwanzig Worte gesprochen, was möglicherweise zu wenig ist, um zu einer sicheren Schlussfolgerung zu gelangen.«

Am anderen Ende des Tischs kämpfte Vallance mit einem leichten Hustenanfall.

Sir Ranald wirkte nicht im Geringsten verärgert. Er blickte einmal kurz zu Vallance und sprach in mildem Tonfall mit Bond. »Ja, Sie waren nicht sehr lange in dem Haus, nicht wahr? Sie waren darauf bedacht, dort herauszukommen. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Flucht. Sie hätten es zweifellos als lächerlich altmodisch betrachtet, dortzubleiben und zu kämpfen, um Ihren Vorgesetzten vor dem wie auch immer gearteten Schicksal zu bewahren, das ihm drohte.«

Der Ministerialrat wandte sich abrupt ab und starrte in eine leere Ecke des Raums. Inspector Crawford, der Bond gegenübersaß, lief rot an und scharrte mit den Füßen.

»Mr Bond bewies großen Mut und erstaunlichen Einsatz, Sir«, sagte er laut. »Ich habe noch nie von jemandem gehört, der in der Lage gewesen wäre, eigenhändig und unbewaffnet vier fähige Männer zu überwältigen, ganz zu schweigen davon, dass er unter dem Einfluss einer Droge stand, die ihn wenige Minuten später außer Gefecht setzte. Wenn Mr Bond nicht entkommen wäre, wäre der Plan unserer Feinde vollständig aufgegangen. Nun müssen sie ihn an die Umstände anpassen und möglicherweise ist er sogar längst gescheitert.«

»Möglicherweise.« Sir Ranald wedelte mit der Hand in der Luft herum. Mit einer weiteren Grimasse des Missfallens wandte er sich an seinen Ministerialrat. »Bushnell, öffnen Sie bitte ein Fenster. Mit drei Kettenrauchern hier drinnen kann man nicht atmen.«

Während der Ministerialrat der Aufforderung eilig nachkam, verbarg Bond ein Grinsen bei der Erinnerung daran, dass er irgendwo gelesen hatte, eine Abneigung gegen Tabak sei ein häufiges Symptom für eine psychopathische Störung, an der unter anderen auch Hitler gelitten hatte.

Sir Ranald rieb sich eifrig die Hände, als hätte er eine wichtige Argumentation gewonnen, und fuhr hastig fort. »Nun denn, da wäre noch eine Sache, die mich stört. Es scheint keinerlei Wachposten oder Sicherheitspersonal in Sir Miles’ Wohnhaus gegeben zu haben. War das normal oder ist diesbezüglich jemandem ein Fehler unterlaufen?«

»Das war normal, Sir«, antwortete Tanner, der nun seinerseits rot anlief. »Wir befinden uns in Friedenszeiten. Was dort passierte, ist noch nie vorgekommen.«

»Allerdings. Sie stimmen vielleicht mit mir darin überein, dass man sich besonders gegen das noch nie Vorgekommene schützen muss?«

»Ja, Sir.« Tanners Stimme war so gut wie emotionslos.

»Gut. Also, haben wir irgendeine Ahnung, wer hinter dieser Sache stecken könnte und welchen Zweck er damit verfolgt? Ich möchte ein paar fundierte Vermutungen hören.«

»Ein feindlicher Geheimdienst ist auf jeden Fall die offensichtlichste Möglichkeit. Was den Zweck angeht, können wir eine einfache Lösegeldforderung wohl ausschließen, schon allein deswegen, weil sie das auch innerhalb des Landes hätten durchführen können und damit nicht das immense Risiko hätten eingehen müssen, mit Sir Miles – und vermutlich auch mit Mr Bond, wenn er ihnen nicht entkommen wäre – über die Grenze zu verschwinden. Und warum sollte man für eine Lösegeldforderung zwei Leute als Geiseln nehmen? Die gleiche Argumentation trifft auf die Überlegung zu, dass es möglicherweise um eine Befragung oder eine Gehirnwäsche oder Ähnliches gehen könnte. Nein, hier geht es um mehr, um etwas … Größeres als das, da bin ich sicher.«

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