Kitabı oku: «Die Geburt eines finsteren Universums», sayfa 3

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Sofort verschwand das Grinsen und machte einem sorgenvollen, gar ängstlichen Blicke Platz. Nervös flackerten seine Augen, die Hände fuhren an den Oberschenkeln über den Stoff seiner Jeans; vor und zurück und zurück und vor.

„Nein!“, kam es ihm nach etwa zwanzig Sekunden bemüht kraftvoll über die Lippen. „Diese Pyramidenkreatur beobachtet mich lediglich von irgendwo her. Das Rufen erfolgt nicht von ihr. Das fühle ich nur zu deutlich. Ganz, ganz sicher! Ganz am Anfang habe ich gedacht, dass es vielleicht diese Pyramidenkreatur sein könnte, aber sie ist es nicht. Fragt mich nicht, warum das so ist, es ist einfach so.“

Das Grinsen kehrte zurück und gleichzeitig fühlte ich Erleichterung in mir aufkeimen, die jedoch umgehend wieder der Sorge wich, nur dass es sich diesmal um eine Sorge anderer Natur handelte.

Die Pyramidenkreatur beobachtet ihn! Und das gesichtslose Irgendetwas ruft ihm im Schlaf und im Wachzustand eine Botschaft zu, die zu verstehen der gute, alte Andreas leider noch nicht mächtig ist. Kann es vielleicht sein, dass der liebe Kerl hier, dein Freund, tiefergehende Probleme mit der Psyche hat und diese schlicht und einfach nicht erkennt? Sich ein Märchen daraus zusammenreimt, um somit eine Krankheit zu verdrängen?

Die Gedanken, welche durch meinen Kopf zogen, sprach ich nicht aus, startete nicht einmal den Versuch, dieses Thema eventuell vorsichtig ins Rollen zu bringen. Auch von Seiten Michaels passierte nichts in diese Richtung; warum auch immer.

„Meinst du echt, die Droge wirkt bis heute nach?“, fragte Michael stattdessen immerhin und drückte seine Zigarette in einem Aschenbecher aus, der überzuquellen drohte.

„Ich weiß es nicht genau. Das Getränk im Urwald hat vielleicht nur einen Anstoß gegeben und nun bin ich dazu in der Lage, eben diese Schwingungen zu empfangen. Ich war so oder so immer recht sensible in allen Dingen. Ich kann mich seit jeher gut in andere Menschen reinversetzen oder ihre Stimmungen nachvollziehen. Vielleicht hat das Alles auch damit etwas zu tun. Denn mein Freund Mike, mit dem zusammen ich die Reise gemacht habe, kann von solchen Erfahrungen rein gar nichts berichten.“

Kann es sein, dass sich Freund Hillmann für eine Art Auserwählten hält? Vielleicht solltet es doch angesprochen werden!

„Wenn es ein solches Netz im Kosmos wirklich gibt, wie stellst du dir es denn vor?“, lautete meine Frage und irgendwie fühlte ich mich nicht gut dabei.

„Entweder besteht es aus irgendeiner Form von Wellen oder es ist ein Gebilde, welches diese Schwingungen transportiert. Wenn Letzteres zutrifft, dann sind seine Fäden wahrscheinlich Milliarden von Lichtjahren lang, aber lediglich so dick wie ein halber Atomkern oder so.“, antwortete er entschlossen und stand auf. „Ich gehe in die Küche. Braucht jemand noch Bier?“

Als er zurückkehrte, wechselten wir allmählich das Thema und der Abend nahm seinen Verlauf, bis Michael und ich gegen zwei Uhr nachts den Heimweg antraten.

Kapitel 6

Die Zeit, liebe Leserinnen und Leser, ist schon eine sehr komische Angelegenheit.

Als Kind kommt sie einem unendlich zähflüssig und lang vor. Erinnern Sie sich doch mal, wie qualvoll die Lebensjahre zwischen vierzehn und achtzehn waren, bis man endlich leben durfte, wie man es für richtig befand.

Später, bei mir setzte es ungefähr mit Mitte zwanzig ein, nimmt die Zeit langsam Fahrt auf und ab dreißig zieht sie mit der Geschwindigkeit einer Raumsonde dahin.

Wie mag es erst sein, wenn ich sechzig bin?

Jedenfalls raste die Zeit und Veränderungen traten ein.

Ich lernte eine nette Frau kennen und schloss mein Studium ab, worauf ich einen Job als Archivar im Bielefelder Stadtarchiv fand. Da auch Michael eine feste, vernünftige Beziehung fand, waren die Tage der Studenten–Musiker–Party-WG gezählt und das Leben wurde im Alter von zweiunddreißig Jahren bedeutend ruhiger.

Andreas beendete sein Informatikstudium mit einem glatten Sehr Gut und schob direkt eine Doktorarbeit hinterher, die er so ganz neben seinem Hauptberuf als Physik-Dozent schrieb.

In der Promotion ging es um DNA–Computer und ich verstand nicht mal die ersten zwei Sätze aus der Einleitung. Auch konnte ich Andreas Erörterungen kaum folgen, obgleich er sich die größte Mühe des narrativen Erklärens gab und ich mich ebenfalls im Besitz eines akademischen Grades befand. Es ging wohl um Computer, die als Speicher- und Verarbeitungsmedium auf DNA (Desoxyribonukleinsäure) oder RNA (Ribonukleinsäure) zurückgriffen. Mehr vermochte mein Geist nicht verstehen und ich sagte mir einfach, dass ich das als Nichtinformatiker und Nichtnaturwissenschaftler auch nicht verstehen müsse.

Andreas lebte weiter in der großen Eigentumswohnung in der Nähe des Adenauer Platzes unterhalb der Sparrenburg mit der nicht existenten Küche und den spärlich eingerichteten Zimmern. Die einzigen Gegenstände, in welche er zu investieren schien, waren seine Rechner von Apple, die sich jeweils auf dem Topstand der vorhandenen Technik befanden.

Gelegentlich gingen wir zu dritt, Andreas, Michael und ich, in die Studentenkneipen der Stadt und verbrachten dort stets recht angenehme Stunden, während wir die jungen Menschen betrachteten, die die spaßigen Jahre gerade durchlebten, welche hinter mir lagen.

Im Jahre 2008, genau drei Tage nach dem verlorenen Endspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, erfuhren meine Freundin Sara und ich, dass wir Eltern würden.

Sara, eine gebürtige Spanierin, die seit dem Sportstudium in Ostwestfalen lebte, freute sich noch ein klein wenig mehr, als ich das tat, war es doch ihre Mannschaft gewesen, die Deutschland im Finale im Wiener Ernst Happel–Stadion klar mit 1:0 besiegt hatte.

Spontan riefen wir ein paar Freunde zusammen, um den Moment des Augenblickes zu feiern.

Wir erlebten einen wundervollen Abend und Sara, jetzt bereits die umsichtige Schwangere, nippte nur einmal ganz kurz an ihrem Glas Champagner. Das, was Sara nicht trank, übernahmen die übrigen Fünf. Nora, eine 27jährige Fitnesskauffrau, erzählte locker fünfundzwanzig Mal, wie sehr sie sich als Jugendliche über den Bademeister des Freibades in ihrem Heimatdorf aufgeregt habe. Immer, wenn sie über diesen fetten Mann berichtete, gackerte sie gleich eines dreizehnjährigen Mädels. Michael bediente den PC, der mit unserer Stereoanlage gekoppelt war, und spielte via YouTube eine klassische Rock–Hymne nach der anderen, während Dilek nicht zu beteuern aufhören konnte, dass sie ihrer ersten Liebe aus der achten Schulklasse auch heute noch hinterhertrauere. Sara saß grinsend in ihrem Lieblingssessel und dachte sich wahrscheinlich, was wir doch alles für betrunkene Figuren sein.

Gegen zwei Uhr morgens löste sich die Versammlung auf und Andreas, der die meiste Zeit stillschweigend die Musik genossen hatte, nahm uns an der Wohnungstür bei Seite.

„Ich weiß, dass die Welt da draußen nicht die beste ist. Kriege, Raubtierkapitalismus, immer mehr Egoismus, soziale Kälte, Verblödungsfernsehen und so weiter. Das nimmt ja immer weiter zu. Ich wünschte, ich könnte sie für euer Kind besser machen. Irgendwie. Denn ich gönne euch zwei Hübschen so sehr von ganzem Herzen, dass euer Kind in eine Welt hineinwächst, die nicht von Gier, Neid, Gewalt und Oberflächlichkeit bestimmt wird. Aber, was mich optimistisch stimmt, ist, dass ihr eure Kleine oder euren Kleinen sicherlich nicht zu so einem emotionalen Krüppel erzieht, von denen so viele dort draußen herumlaufen und dafür sorgen, dass es mit dieser Welt, die doch eigentlich so schön ist, und mit den Menschen, die doch von Natur aus eigentlich lieb sind, immer weiter bergab geht. Wären alle Eltern so wie ihr zwei, müsste ich mir keine Gedanken mehr darüber machen, wie man endlich eine bessere Welt erschaffen kann. Ich habe euch echt lieb.“

Er nahm sowohl meine bessere Hälfte als auch mich in den Arm und drückte uns für eine Weile, bevor er ähnlich einem Soldaten kehrtmachte, und den Flur in Richtung Treppenhaus entlangstapfte, wo Michael bereits auf ihn wartete.

Sara und ich schauten uns an und zogen synchron die Schultern hoch. Unser aller Freund Andreas Hillmann war doch immer wieder für eine neue Überraschung gut.

Kapitel 7

Anfang März 2010, als unsere süße Tochter kurz davorstand, ihr erstes Lebensjahr zu vollenden, starben Andreas Eltern auf einer dunklen Landstraße nahe Hamburg bei einem schweren Verkehrsunfall. Auf regennasser Fahrbahn kam der Bentley seines Vaters bei überhöhter Geschwindigkeit von der Spur ab und prallte frontal gegen einen LKW.

Noch auf der Stelle starb das Ehepaar, während der Lastwagenfahrer mit einem schweren Schock halbwegs glimpflich davonkam.

Die beiden Hillmann Brüder erbten ein Geldvermögen in Höhe von Vierhundert Millionen Euro, dazu Eigentum von ungefähr derselben Summe, sowie ein Konglomerat aus Firmen, welche allesamt solide geführt wurden und schwarze Zahlen schrieben.

Man kam überein, dass Andreas Bruder die Firmen behalten und allein führen sollte, da Andreas keinerlei Ehrgeiz verspürte, als Unternehmer in die Fußstapfen seines Herrn Vaters zu treten. Er verzichtete auf eine Auszahlung. Weiterhin wurde der gigantische Immobilienbesitz, beinahe sämtlich Mietwohnungen und Gewerbeobjekte durch zwei geteilt.

All das erzählte Andreas Sara und mir mit einer Gleichgültigkeit in der Stimme, als rede er über einen geplanten Zebrastreifen in Sennestadt.

Jedenfalls sprach Andreas niemals wieder detaillierter von seinen Eltern oder zeigte im Nachhinein Anzeichen der Trauer und Bewegtheit.

Kapitel 8

Im Sommer, kurz nach der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika, verbrachte ich mit meiner Tochter einen ruhigen Mittwochnachmittag auf einer Decke im Oetker-Park, da Sara als Bezirksleiterin bei der Eröffnung einer neuen Filiale der Fitnessstudio–Kette in Horn-Bad Meinberg weilte.

Ich ließ mir ein Bierchen schmecken, da rief mich Andreas auf dem Handy an. Relativ aufgeregt klang seine Stimme und er fragte mich, wo ich sei und ob ich ein wenig Zeit für ihn hätte.

Etwa eine halbe Stunde später erschien Andreas mit zwei Flaschen Herforder in der Hand und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Marlene, mein kleines, süßes Mädchen, freute sich wie immer sehr, ihn zu sehen und die Freude wurde noch größer, nachdem Andreas ihr eine Rolle Stapelchips in die Hände gedrückt hatte.

Während Marlene freudig krümelnd und mit der Regelmäßigkeit einer kleinen Maschine sich Chips in das Mündchen steckte, erzählte mir Andreas, dass er auf einer Homepage in den dunklen Tiefen des Internets die Zusammensetzung des gegorenen, psychedelischen Getränkes gefunden habe, welches einst im Amazonas-Regenwald durch ihn konsumiert worden war.

Ich stellte ihm die Frage, ob das der Grund für seine vorzügliche Laune sei und, wenn ja, was er, abgesehen von einem krassen Rausch, denn endlich von diesem Wissen habe.

Als könne ihm ein Lippenleser vom höheren Teil des Parks bespitzeln, beugte er sich zu mir herüber und flüsterte: „Ich bin mir ganz sicher, dass ich durch die Kenntnis um das Rezept hinter das Geheimnis der Botschaft oder der Botschaften komme. Noch immer empfange ich im Schlaf und manchmal gar am helllichten Tage Botschaften, die ich nicht verstehen kann. Es geht einfach nicht vorüber! Ich will endlich wissen, was das alles zu bedeuten hat. Ich will wissen, ob es dieses kosmische Netzwerk wirklich gibt. Ich will wissen, wo der Zusammenhang zwischen Botschaft, und den Träumen liegt. Denn den gibt es, da bin ich mir ziemlich, ziemlich sicher! Mit dieser Droge hat es angefangen, also wird diese Droge die Sache auch beenden. Das Getränk aus dem Regenwald muss einfach der Schlüssel sein."

In ihrem pinken Kleidchen schlurfte Marlene zu einem Pärchen, welches auf einer Decke unweit von uns entfernt in der Sonne lag, und bot den jungen Menschen Chips an. Diese freuten sich und wurden nicht müde zu betonen, dass mein Mädchen sie nicht störe.

„Andreas!“, lautete schließlich meine ehrliche Antwort. „Du bist ziemlich sensible. Das sagst du ja selber. Ich halte das mit der Droge für keine gute Idee. Ich denke, dass wird so eine Sache sein, die man am besten nur einmal im Leben macht. Lass es besser bleiben. Ich möchte nicht, dass du vielleicht auf einen bösen Trip kommst, von dem es keine Wiederkehr gibt. Ich erinnere mich noch gut an eine der ersten Nächte, die du bei mir an der Tankstelle warst. Als du mir von diesem seltsamen Pyramidenwesen berichtet hast. Du hast in dieser Nacht heftige Angst gehabt, mein Freund. Wer weiß, wie das mit diesen Träumen und, nun, Botschaften weitergeht, wenn du diese Droge noch einmal probierst. Ich habe keine Lust, einen der klügsten, nettesten Menschen, die ich kenne, in den Irrenanstalten von Bethel zu besuchen.“

Eine seichte Brise ging durch die Kronen der prächtigen Bäume des Parks. Dieser warme Wind sorgte für ein goldenes Spiel aus Licht und Schatten auf dem saftig grünen Rasen. Die blonde Frau auf der Decke nebenan lachte herzlich über das Tänzchen, welches meine Tochter aufführte, schüttelte, da sie sich auf der Decke aufsetzte, ihre blonden Harre. Sie griff in einen Korb und zog eine Familientüte Haribo Colorado hervor.

„Darf sie?“, fragte sie in meine Richtung und ich bejahte mit einem freundlichen Dankeschön.

Es war doch eigentlich ein viel zu schöner Tag, um über Horrortrips oder das Innenleben von Nervenkliniken nachzudenken.

Andreas drehte sich eine Zigarette.

„Ich finde es echt lieb von dir, dass du dir solche Sorgen machst, aber ich denke, die sind unbegründet. Schau mal! Ich habe mir dieses, man nennt es im Darknet Kijothee, zuletzt 1999 gegeben. Hat es irgendwas zu meinem Nachteil angerichtet? Nein. Ich habe sämtliche akademische Ziele erreicht. Da sind jetzt über zehn Jahre Zeit vergangen seither. Ich denke, man kann es wieder wagen. Und ja, vor der Pyramidenkreatur habe ich bis heute Angst und sie erscheint auch in den Träumen mit schöner Regelmäßigkeit. Aber, und das ist keine leere Phrase, ein Mensch muss sich seinen Ängsten stellen, um endlich frei zu sein. Die Pyramidenkreatur ist lediglich ein winzig kleiner Teil eines gigantischen Mosaiks. Es kann nicht alles einfach verlaufen im Leben. Man muss sich auch unbequemen Sachen stellen. Und genau das werde ich tun.“

Er führte das mit Tabak gerollte Papierblättchen an den Mund und befeuchtete den Klebestreifen mit seiner Zunge.

Rede mit ihm! Er ist dein Freund! Dein guter Freund! Rede jetzt mit ihm! Das ist schon extrem weit weg von einer soliden Spur, mein guter Freund der Nacht!

„Nun ja. Aber das mit den Schwingungen und diesem großen Netz im Kosmos kommt schon leicht schräg daher.“, gab ich lediglich zu bedenken und schaute nach Marlene.

Sie hockte am Rande der Decke und hatte sich die gesamte Riesentüte Haribos temporär angeeignet. Unter den strahlenden Blicken der schlanken, jungen Blondine nahm sie abwechselnd von den Weingummis und den Stapelchips. Wahrscheinlich würde die namenlose Frau heute Abend ihrem Freund mit Kindern und Familie in den Ohren liegen. Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen, bevor mein Blick wieder zu Andreas wanderte.

Der schaute ein wenig beleidigt drein unter seinen zotteligen, schwarzen Haaren. Seine braunen Augen schweiften einmal von links nach rechts und von rechts nach links. Er entzündete die Zigarette mit einem roten Plastikfeuerzeug, das er aus der Brusttasche seines schwarz–weiß gestreiften, zerknitterten Hemdes zog. Ich musste an das Trikot von Juventus Turin denken.

„Das meinst du vielleicht.“, fing er an, nachdem er mehrmals beinahe gierig an der Selbstgedrehten gezogen hatte. „Du bist auch Geisteswissenschaftler und kein Naturwissenschaftler. Schau dir mal diese ganzen Theorien über Strings und Quanten an, die immer mehr und mehr Gewicht in der Welt der Wissenschaft bekommen. Nimm zum Beispiel die Viele Welten–Theorie, die absolut anerkannt ist. Oder die Theorie, die besagt, dass auf der Ebene des Allerkleinsten etwas nur stattfindet, wenn es auch einen Beobachter gibt. In den Welten der winzigen Teilchen, aus denen unsere Welt, du und ich, ja nun mal bestehen, gelten ganz andere Naturgesetze, als wir sie kennen. Zeit und Raum spielen keine Rolle. Nobelpreisträger stimmen diesen ganzen Theorien zu. Sie sind um einiges verrückter als meine Idee von einem großen, kosmischen Netzwerk. Auch wenn hier wahrscheinlich eines zum anderen kommt.“

Von der Spitze der Javaanse Jongens fiel Asche auf seine verblichene, an den Knien zerrissene Blue Jeans hinab.

Aus einem Blatt Papier, welches sie wohl aus dem Korb gezogen hatte, faltete die Blondine eine Schwalbe, wobei sie von Marlene mit großen Augen beobachtet wurde. Beim Betrachten dieses hochinteressanten Vorgangs vergaß mein Töchterchen selbstverständlich das Essen nicht; hier ein Weingummi oder Lakritz, dort Chips.

„Andreas! Ich will hier keinesfalls deine wissenschaftlichen Kompetenzen in Frage stellen und ich weiß auch, dass es in der modernen Physik ziemlich abgedreht zugehen kann auf gewissen Gebieten. Es war überhaupt nicht negativ gemeint, dass deine Theorien abgedreht seien. Wohl jede neue wissenschaftliche Theorie ist am Anfang etwas abgedreht. Mir geht es hier einzig und allein um deine Gesundheit. Du weißt so gut wie nichts über diese Droge und ihre Auswirkungen. Steht da zum Beispiel irgendwas im Darknet oder allgemein im Internet zu, wie oft man die einnehmen soll in seinem Leben?“

Andreas Antwort bestand aus einem langsamen Kopfschütteln.

„Haben dir die Indios etwas dazu gesagt?“

„Nein. Ich habe auch nicht danach gefragt.“, antwortete er leise und zog an seiner Zigarette.

Ein Zitronenfalter flog knapp über den Rasen hinweg und auf ein nahes Beet voller Blumen in violetten, roten und gelben Farben zu. Nebenan warf die junge Frau im Sitzen die Schwalbe. Sie schwebte elegant und äußerst geradlinig durch die warme Luft, bis sie mit der Spitze voran an einen Baumstumpf schlug und auf dem Wurzelansatz darunter zu Boden stürzte. Während die schlanke Blondine aufsprang, um mit athletischen Schritten die Schwalbe zurückzuholen, spendete Marlene begeisterten Applaus, hüpfte auf und ab dabei.

„Wir kennen uns jetzt über acht Jahre, Andreas. Tu mir und besonders dir einen Gefallen und lass die Finger von diesem unbekannten Zeug. Wenn du wirklich noch mal Lust auf einen psychedelischen Abstecher haben solltest, kriege ich es sicherlich hin, dass ich mal einen Abend frei von Kind und besserer Hälfte bin. Dann können wir mit Michael die alten Zeiten aufleben lassen und gehen auf einen Pilze–Trip. Jetzt im Sommer kann doch die Zeit dafür kaum besser sein. Ich muss einräumen, dass ich da sogar mal wieder richtig Lust darauf hätte. Der letzte Rausch in dieser Richtung liegt ja nun auch schon sechs Jahre zurück. Herrje! Ich habe sogar seit über einem Jahr nicht mal mehr an einer Tüte gezogen.“, unterbreitete ich ein Angebot.

Andreas warf die Kippe seiner Selbstgedrehten in die winzige Pfütze schalen Bieres, die sich noch am Boden der längst getrunkenen, braunen Halbliterflasche Herforder befand. Ein freundliches, warmes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht mit dem schwarzen Dreitagebart aus.

„Das Angebot ist wirklich lieb und ich kann dir gar nicht oft genug sagen, wie lieb ich es von dir finde, dass du dir so viele Gedanken um mich machst. Ich glaube, wenn ich meinen Bruder und meine verstorbenen Eltern nehme, dann haben die sich alle drei zusammengerechnet nicht mal halb so viele Sorgen um mich gemacht, wie du das tust. Aber, mein lieber Freund, ich komme nicht umher, das Kijothee erneut zu konsumieren. Ich kann nicht anders! Mach dir bitte nicht zu viel Sorgen. Ich werde das ganz behutsam tun. Unter größter Vorsicht! Unter allergrößter Vorsicht!“, versicherte er eifrig.

Ich sehnte mich nach einem Zug von einem guten Joint oder zumindest nach einem kalten Herforder Pils, aber meine Flasche gab ebenfalls nichts mehr her. So drehte ich das rundliche Glas zwischen meinen Handflächen hin und her, als ich leise, jedoch eindringlich fragte: „Warum kannst du nicht anders?“

„Mein Lieber! Das kann ich dir sagen!“, lautete seine Antwort und vor Begeisterung wurde seine Stimme immer lauter und sein Lächeln verwandelte sich in ein Strahlen. „Weil ich fühle, dass in der Botschaft, die über diese Schwingungen zu mir drang und immer noch an mich herandringt, die Antwort auf alle Fragen liegt. Vielleicht ist es gar so etwas wie der berühmte Stein der Weisen. Es ist das Wissen, um endlich eine perfekte Welt zu erschaffen. Okay! Perfekt ist vielleicht ein wenig größenwahnsinnig. Nennen wir es vielleicht zunächst: Eine bessere Welt erschaffen.“

Vor lauter Begeisterung hatte er im Verlauf seiner Erzählung seine rechte Hand auf mein linkes Knie gelegt. Mit breitem Lächeln musterte er mich und voller Erleichterung stellte ich fest, dass es in diesem Lächeln keinen Hauch des Wahnsinns zu finden gab.

„Ohhh, nein!“, jammerte die Blondine gespielt los. „Jetzt hast du mein schönes Flugzeug kaputt gemacht. Da muss ich ganz furchtbar weinen. Wääähhh! Wääähhhh!“

Marlene stand neben ihr unter dem Baum und hielt den zusammengeknüllten Papierflieger in ihrer kleinen Faust. Sie kreischte vor Begeisterung und purer Lebensfreude.

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