Kitabı oku: «Die Geburt eines finsteren Universums», sayfa 4

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Kapitel 9

Zwei Wochen darauf, ich befand mich gerade dabei, zu Bett zu gehen, rief Andreas zur späten Stunde auf dem Mobiltelefon an.

Seine Stimme klang freudig erregt und er wollte sich zügig mit mir treffen, am besten noch heute.

Ich entgegnete, dass es kurz vor elf sei und wir verabredeten uns für den nächsten Tag um 18:00 Uhr in einem Mix aus Cafe und Kneipe in der Innenstadt.

Nachdem überraschend rasch eine Parkmöglichkeit in der Nähe gefunden worden war, traf ich zwanzig Minuten vor der verabredeten Zeit dort ein.

Ein Platz in der Nähe eines der Fenster mit Blick auf das geschäftliche Treiben jenseits davon tat es mir an, so dass sich entschlossen gesetzt und ein Pfefferminz–Tee geordert wurde.

An diesem spartanisch eingerichteten, zwanglosen, gemütlichen Ort hatten schon zu Studienzeiten meine abendlichen Touren durch die Innenstadt mit dem einen oder anderen Weizen begonnen. Ich wusste nicht, wie lange diese Gaststätte schon existierte, aber wahrscheinlich hatten bereits die ersten alternativen Studenten der Universität Bielefeld zu Beginn der Siebzigerjahre ihre Biere hier beim Philosophieren über eine gerechtere Welt auf denselben Holzhockern vor der Bar getrunken und würden dieses wahrscheinlich noch im Jahre 2110 tun. Die Stereoanlage hinter der Theke spielte Street Fighting Man von den Rolling Stones. Während meine wahren Augen einen kleinen Angeber auf einem Mountainbike jenseits der Fensterscheiben beobachteten, der wahrscheinlich Drogen in taschengeldgroßen Mengen vertickte, zogen im Inneren Bilder einiger langer, fröhlicher Nächte aus meiner Studienzeit vorüber. Fast konnte ich Michael und mich dabei wieder drüben an der Theke hocken sehen.

„Hey! Du bist ja auch schon da! Alles gut?“, riss mich die Stimme Andreas aus den süßen Erinnerungen und mein Blick wanderte von dem kleinen, unbedeutenden Gangster dort draußen zu meinem Freund hin.

Sein Gesicht strahlte große Zuversicht aus und er wirkte ungemein entspannt und mit sich selbst im Reinen.

Nach den üblichen Höflichkeitsfloskeln kam Andreas zur Sache.

„Ich habe eine bestimmte Dosierung errechnet, nicht zu viel und nicht zu wenig, durch die man zwar sein Bewusstsein und seine Wahrnehmung erweitert, aber dabei keinerlei Rauschzustände erfährt oder, sagen wir es genauer, keinerlei heftige Rauschzustände. Dadurch bin ich in der Lage, meine Umwelt viel intensiver wahrzunehmen, ohne dass mich irgendwelche abschweifenden Gedanken ablenken. Es ist fantastisch.“

Die Kellnerin kam an unseren Tisch, um Andreas Bestellung aufzunehmen. Dieser orderte ein großes Pils vom Fass und rasch verschwand die junge Frau in Richtung Theke.

„Und hat es dich schon weitergebracht?“, erkundigte ich mich.

Andreas spielte an seinem langärmeligen, knitterigen Jeanshemd herum, welches schwarz und offen über einem nicht minder knitterigen weißen T–Shirt saß.

„Ja und nein. Ja in der Hinsicht, dass ich jetzt schon vielmehr weiß, woher ich diese Träume und Tag-Visionen gehabt habe und immer noch habe. Erst letztens, als ich mit dem Mountainbike im Teuto unterwegs war, habe ich wieder Fragmente der Botschaft vernehmen können. Nein, weil ich noch immer nicht weiß, was mir dort mitgeteilt werden soll und wer dahintersteckt. Aber dieses Nein wird nicht mehr lange ein Nein sein. Die Entschlüsselung hat nämlich gerade begonnen.“, er mühte sich wahrlich tapfer, dass sich seine Stimme vor lauter Begeisterung nicht überschlug.

Breit und zufrieden grinste mein guter Freund mich an. Seine braunen Augen leuchteten vor Enthusiasmus.

Die Kellnerin brachte das Bier, machte einen Strich auf den Deckel und zog sich wieder zurück. Umgehend griff Andreas nach dem leicht mit Kondenswasser benetzten Glas und nahm einen ordentlichen Schluck, worauf Teile der prächtigen Schaumkrone in seinem Dreitagebart hängenblieben.

„Dann erzähl mir, woher diese Botschaften kommen!“, forderte ich ihn auf und bekam beim Anblick der Tulpe mit dem herrlich kühlen Gerstensaft selbst unglaublich Durst auf ein frisches Bier.

Dumm, dass ich mit dem Wagen in die Stadt gekommen war und Sara Aussagen wie, ein Bier mache doch nicht fahrunfähig, kaum gelten ließ. So blieb mir nichts anderes übrig, als widerwillig einen Schluck von meinem Pfefferminztee zu nehmen.

„Also, diese Botschaft scheint von einem Sternensystem zu kommen, das ungefähr 40 Lichtjahre von der Erde entfernt liegt. Und es ist nicht nur eine einzelne Botschaft, sondern eine ganze Flut von Informationen. Ich weiß sogar, wie dieses Sternensystem heißt. Sein Name lautet Zeta Reteculi.“

Er fuhr sich mit der flachen Hand durch seine langen, schwarzen, zotteligen Haare und grinste breit vor sich hin.

Jenseits der Fensterscheibe klatschte der kleine Angeber mit einem jungen Kerl hoch ab, der eine schiefe Kappe der Cleveland Indians auf dem Kopf trug. Dann schob er das Fahrrad neben seinem Kumpel her, um aus meinem Blickfeld zu verschwinden.

Irgendwo werden sie gleich einen kleinen Drogendeal abwickeln. Ganz sicher!

„Wie kommst du darauf?“

„Ich habe früher reichlich Yoga betrieben. Einige dieser Übungen für den Geist habe ich in Kombination mit dem Kijathee angewendet und dann kam es von ganz allein. Ich habe mir meine Sternenkarten gegriffen und mein Blick wurde förmlich von diesem Sonnensystem, von Zeta Reteculi angezogen. Alle anderen Systeme sind mir, um es gelinde zu formulieren, am Arsch vorbeigegangen. Zudem konnte ich in diesem Zustand der totalen Entspannung von Körper und Geist die Botschaft klar empfangen. Sie kommt wie eine Art Morsesignal daher. Ich habe sie gehört, aber nicht so, wie man sich Hören normalerweise vorstellt. Sie kamen buchstäblich aus meinem Körper heraus. Ja, mein ganzer Körper ist zu einer Art Empfänger geworden. Es war fantastisch, mein Freund! Fantastisch!“

Fantastisch war es in der Tat, was Andreas Hillmann mir hier berichtete. Die Frage musste nur lauten, wie man fantastisch in dieser Sache definierte. Die Worte fantastisch und fantasieren besaßen einen hohen Grad der Verwandtschaft.

„Du empfängst also Morsesignale von einem Planeten, der um eine Sonne kreist, die etwa vierzig Lichtjahre von diesem Cafe entfernt liegt.“, stellte ich mehr fest, als zu fragen.

„Um eine von zwei Sonnen. Zeta Reticuli ist ein Doppelsternsystem. Aber wie genau das da mit der Gravitation funktioniert, kann ich dir leider nicht sagen. Ich bin ja kein Astrophysiker. Jedenfalls noch nicht.“, sprudelte es aus seinem Mund heraus, bevor er das Glas Pils, jenes heißersehnte Objekt meiner Begierde, in einem gewaltigen Zug leerte und gleich darauf die hübsche Kellnerin herbeiwinkte.

Sie kam mit einem professionellen Lächeln auf dem zarten, leicht geschminkten Gesicht heran und nahm die Bestellung eines weiteren, großen Bieres entgegen.

„Darf ich dich mal was fragen, ohne dass du dich vielleicht dadurch gekränkt fühlst?“, fragte ich vorsichtig.

Die Kellnerin verschwand mit ästhetischen Hüftbewegungen von unserem Tisch.

„Na klar! Frag!“

„Es gibt unzählige Teleskope hier auf der Erde, die auf die Sterne gerichtet sind. Dazu fliegen Orbiter mit absoluten Präzisionsinstrumenten rund um unseren wundervollen Planeten und fangen alles auf, was von dort draußen kommt. Sie fotografieren Galaxien in Aber Millionen Lichtjahren Entfernung. Das ist absolutes High Tech! Warum haben all diese Milliarden Euro teuren Geräte noch nichts von diesen seltsamen Morsesignalen empfangen?“

Statt eines beleidigten Gesichtsausdrucks wurde sein Grinsen nur noch breiter und das Leuchten in seinen Augen flammte förmlich auf. Andreas schien auf diese Frage endlich gelauert zu haben.

„Weil wir es hier mit einer gänzlich anderen Art von Wellen, Schwingungen, Strahlung, oder wie auch immer wir es nennen wollen, zu tun haben. Ich nenne sie hier einfach mal Medium XY. Wie diese Fernsehserie, Aktenzeichen XY.“

Letzteres sollte wohl eine Art Scherz sein, aber er kam bei mir nicht an. Das zweite Bier wurde gebracht, ein weiterer Strich auf der Pappe des Untersetzers gezogen. Andreas nickte dankend.

„Ich denke,“, fuhr er schließlich fort, „dass Medium XY nur von denkenden, lebenden Wesen empfangen und versendet werden kann. Es ist die Information, die an den Fäden das Großen Kosmischen Netzes entlangläuft. Ich bin mir nun ganz sicher, dass es dieses Netz gibt. Du kannst es dir, mein Freund, tatsächlich wie ein Netz vorstellen, ein Spinnennetz. Wenn einer in diesem Netz dich ruft, dann bringen die vibrierenden Fäden per Medium XY diese Informationen über das Netz zu dir, welches uns alle miteinander verbindet.“

Zufrieden griff er nach dem Bier, um einen ordentlichen Schluck zu nehmen und erneut folgte mein Blick sehnsuchtsvoll seinen Bewegungen. Aus den Boxen verkündete ein Sänger mit wundervoller Stimme auf Englisch, dass, wenn die Wolken entstünden, sie am Ocean Drive lebten.

„Dann müssen die Rufe und die Botschaften, die du empfängst, aber sehr alt sein. Denn Information verbreitet sich ja nun mal auch nicht schneller, als es das Licht tut. Du sagtest, dass das Sternensystem Zeta, Zeta Dingsdabums, etwa vierzig Lichtjahre entfernt sei. Dann ist diese Botschaft mindestens vierzig Jahre alt und der Kerl oder das Mädel, welche sie versenden, muss ebenfalls vierzig Jahre auf deine Antwort warten. Die müssen zum Beispiel noch etliche Jahre warten, bis die Rundfunkwellen der Übertragung des Fußballweltmeisterschaftsfinales von 1990 bei ihnen sind. Du weißt sicherlich noch; Andreas Brehme in Rom! Es sei denn, Medium XY liefert schneller als das Licht. Dann wissen sie dort auch schon von Andy Brehme Bescheid.“, gab ich halb ernst, halb spaßig zu bedenken und spielte mit dem Finger am Rand des Glases lauwarmen Pfefferminztees herum.

An Andreas ist ein guter Science-Fiction–Autor verloren gegangen. Daraus könnte er eine gute Story machen und durch ein entsprechendes Buch wirklich Kohle machen. Aber, okay. Andreas braucht wohl kaum ein Buch, um Geld zu machen.

„Zeta Reticuli! Das Doppelsternensystem heißt Zeta Reticuli!“, sprach er und seine Worte ließen sich mich wie einen Verbrecher fühlen, weil ich mir den Namen Zeta Reticuli nicht vollständig hatte merken können. „Deine Frage habe ich mir natürlich auch schon gestellt und streng nach den Naturgesetzen muss es eigentlich auch so sein. Aber dieses Netz mit seinem Transportmedium XY ist etwas gänzlich Neues. Vielleicht gibt es dort Abkürzungen, so dass die Botschaft in nahe Echtzeit zu mir kommt. Das müssen meine Forschungen noch ergeben. Ich stehe ja gerade erst am Anfang.“

„Und dieses Netz besteht aus winzig kleinen Teilchen, Strings oder wie die heißen, die Fäden bilden, die nur halb so dick wie ein Atomkern sind, dafür aber eine Länge von Milliarden Lichtjahren besitzen.“, brachte ich auf den Punkt, was Andreas mir neulich erzählt hatte.

„So ist es, mein Freund! Natürlich habe ich dafür keine Beweise, die ich in einen wissenschaftlichen Aufsatz packen könnte, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dem so ist.“

„Was meinst du, wer es ist, der dich ruft?“

„Ich hab dir doch erzählt, dass diese Siliziumwesen wahrscheinlich in der Lage gewesen sind, mit ihren Raumschiffen benachbarte Sternensysteme anzusteuern. Ich gehe fest davon aus, dass eine kleine Gruppe von ihnen den Overkill durch dieses Pyramidenmonstrum überlebt hat. Sie haben sich nicht vom Hass und Neid infizieren lassen, sondern haben sich aufgemacht, ihre Spezies an einem anderen Ort zu bewahren. Ich gehe fest davon aus, dass es die Nachfahren jener Siliziumwesen sind, die einst vor Milliarden Jahren zur Zeit des Präkambriums eine wundervolle Hochkultur der Wissenschaft auf der Jungerde errichtet hatten. Sie wollen mir, aus welchen Gründen auch immer, etwas mitteilen und ich werde ganz sicher herausbekommen, was ihre Botschaft ist. Herrje! Ich bin so aufgeregt, mein Bester! So unglaublich aufgeregt!“

Andreas griff nach seiner Tulpe mit dem schäumenden Bier und nahm einen gewaltigen Schluck. Er wirkte absolut mit sich und dieser Welt im Reinen.

Kapitel 10

Wieder ging etwas Zeit ins Land und bis zum Frühjahr 2011 sollte ich aus Andreas Mund nichts mehr über jene Wesen aus Silizium, Zeta Reticuli oder das kosmische Netz und Transportmedium XY hören. Das lag allerdings weniger daran, dass mein Freund sein Interesse an dieser Sache verloren hätte. Eher das Gegenteil war der Fall. Weil er voll und ganz in seinem, ich musste es mittlerweile einfach so bezeichnen, Lebenstraum aufging, machte der gute, alte Hillmann sich äußerst rar.

Das änderte sich an einem regnerischen Nachmittag kurz nach Ostern, als er mich anrief und fragte, ob ich nicht Lust verspüre, auf ein paar Bierchen bei ihm daheim aufzuschlagen und ich könne, sofern es mir beliebe, gerne Michael mitbringen.

Seine Stimme klang fröhlich, so dass es keinen Grund zur Beunruhigung gab.

Michael weilte im Urlaub und so machte ich mich alleine auf den Weg, nachdem Sara mir versichert hatte, dass es kein Problem sei, wenn sie diesen Abend alleine mit Marlene daheim verbrächte.

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht empfing Andreas meine Person an der Tür und führte mich in sein Wohnzimmer, das noch immer genauso aussah wie vor fast zehn Jahren.

Sofort fielen mir die zahlreichen Kataloge diverser Spezialfirmen für Laborartikel auf, welche sich in dem gesamten Raum, ja in der gesamten Wohnung verteilten. Weiterhin lagen überall handschriftliche Notizen herum. Bei einem Blick auf all die zahllosen Zettel wurde von mir bemerkt, dass es sich hauptsächlich um Tabellen handelte, auf deren linker Seite lateinische Buchstaben und arabische Zahlen standen und rechts davon sehr seltsame, zumeist wellenförmige Zeichen.

Ich forderte ihn freundlich auf, mir doch bitte das Chaos hier zu erklären; einer Bitte, der Andreas selbstverständlich umgehend nachkam. Andreas, der einen zerknitterten, grauen Trainingsanzug trug, griff nach einem Klemmbrett, das auf einem ganzen Berg frisch gewaschener, ungefalteter Wäsche lag. Ich musste grinsen. Denn so lagerte mein alter Freund seine Klamotten; zuerst in die Waschmaschine, dann ab auf die Leine, endlich in einer Ecke der Wohnung einfach auftürmen und bei Bedarf überstreifen.

„Ich beherrsche die Sprache, in der die Botschaft von Zeta Reticuli verfasst ist. Die ich mit meinem gesamten Körper zu empfangen pflege.“, sprudelte er los. „Ich habe erste Übersetzungen bereits fertig, mein Freund! Fertig! Die ganzen Papiere, die du hier siehst, skizzieren förmlich meinen Weg hin zur Beherrschung dieser Sprache. Und hier auf dem Klemmbrett habe ich diesen ganzen Prozess noch einmal zusammengefasst. Zunächst dachte ich, bei dieser Sprache habe es sich um Worte aus einem Morsealphabet gehandelt. Aber das stimmt so nicht. Diese Sprache besteht aus einer Form von elektromagnetischen Wellen, wenn ich das mal so formulieren darf. Nur dass es da nicht nur Wellen gibt, sondern auch Linien, wenn ich das mal etwas visuell beschreiben darf. Hier siehst du sie.“

Er zeigte mir ein Blatt, einen schlichten, weißen Bogen Bürokopierpapier, der mit blauer Tinte beschrieben war. Ich sah Wellen in diversen Größen und mit unterschiedlichen Scheitelpunkten, unterbrochen von kurzen und langen Strichen oder Punkten.

Dann blätterte er weiter und nun fiel mein Fokus auf zweispaltige Tabellen, welche ebenfalls handschriftlich erstellt worden waren. Links befanden sich die bereits bekannten Wellen, Punkte und Striche, die sich immer in Kombination untereinander befanden, und rechts davon wurden ihnen lateinische Buchstaben sowie die arabischen Zahlen von Null bis Neun zugeordnet. Sogar die Umlaute hatte Andreas einzeln erfasst.

„Trara! Ich präsentiere die Übersetzung des Alphabetes und der Zahlen der Silici. Und natürlich habe ich auch oder, um es genauer zu formulieren, bin ich noch dabei, ein Wörterbuch zu verfassen. Und ein Reader zur Grammatik darf selbstverständlich auch nicht fehlen. Aber das ist zum größten Teil am PC geschehen. Hier schau mal!“

Strammen Schrittes steuerte er auf einen seiner MACs zu, die überall in den bewohnten Teilen seiner vier Wände herumstanden und selbstverständlich miteinander vernetzt waren, und klemmte sich hinter die Bluetooth Tastatur auf dem Schreibtisch. Über den hochauflösenden Flachbildschirm zogen kurze Zeit später in weißer Schrift auf blauem Grunde Wörter, Zahlen, Wellen, Punkte und Linien, die im Halbdunkel dieses Raumes ein dumpfes Licht- und Schattenspiel auf unsere Gesichter warfen.

Andreas musste von A bis Z bereits tausende von Wörtern zunächst in dieser angeblich fremden Sprache erstellt und dann übersetzt haben.

„Meine Güte!“, entwich es mir in einer Mischung aus Anerkennung und Verwunderung. „Du hast in den paar Monaten das Alles auf die Beine gestellt. Wahnsinn! Der totale Wahnsinn!“

Die Frage ist nur, wie definierst du hier das Wort Wahnsinn, mein Freund der Sonne! Andreas balanciert, wie er das auf den Linien der Gehwegplatten tut, über einen schmalen Grat!

Ich führte die Flasche Herforder Pils an meinen Mund, um einen genüsslichen Schluck von dem kühlen Bier zu nehmen.

„Och, das war eigentlich alles nur halb so wild, kein Problem. Ich habe ein Computerprogramm geschrieben, welches mich beim Erfassen der Wörter, dem Übersetzen und Erlernen der silicischen Grammatik unterstützt. Die Kombination aus menschlichem Gehirn und Computerprogramm funktioniert prima, wie du sehen kannst. Aber natürlich greife ich manchmal bei meiner Arbeit eben auch auf Papier und Füller zurück. Besonders zu Beginn einer neuen Aufgabe stehen Stift und Bogen. Das gibt mir irgendwie das Gefühl, den Silici, die hier mit mir kommunizieren, besonders nahe zu sein. Und zu guter Letzt habe ich es bei meinem Job an der Uni langsamer angehen lassen in letzter Zeit. Etwas sehr viel langsamer.“

Hillmann lachte kurz auf. Es handelte sich um ein klares, herzliches Lachen voller Freude und Lebenslust.

Du solltest ihm vorsichtig sagen, dass er vielleicht dabei ist, sich hier ein wenig in einer Sache zu verrennen und dass es an der Uni genügend junge Doktoranden und Promovierte gibt, die es nicht wegen einer fixen Idee langsam angehen lassen. Nicht, dass Andi diesen Job dort bräuchte, aber er liebt es doch, Forscher zu sein!

„Und was erzählen dir diese Silici so?“

„Oh! Sie teilen mir zunächst Baupläne und Formeln mit. Wissenschaftliche Anleitungen, um etwas zu konstruieren, was ich bislang einfach noch nicht ermessen kann. Aber die Botschaft, die sich stetig wiederholt, ist ja noch ellenlang. Lediglich einen Bruchteil davon habe ich übersetzt. Es gibt also noch viel zu tun. Ich werde in Zukunft es wohl noch häufiger langsamer angehen lassen müssen an der Uni.“

Wieder lachte er voller Zufriedenheit und sein Lachen hallte von den Wänden seines Wohnzimmers wider, während ich mich in einem Sessel niederließ, immer noch derselbe, auf den ich vor so vielen Jahren schon gesessen hatte.

Du musst ganz dringend ernsthaft mit ihm reden! Schließlich bist du sein bester Freund! Er verrennt sich mehr, als ich dachte, in dieser Sache! Immer mehr und mehr!

„Ich sehe schon, du stehst voll hinter deiner Idee. Wirklich sehr interessant, das muss ich zugeben. Aber sag`, was sollen die Kataloge hier?", kam es stattdessen aus meinem Mund und ich schämte mich gar ein wenig meiner Unehrlichkeit wegen.

„Ich werde mir ein Labor einrichten, ein absolutes High End Labor in jedweder Hinsicht. Vom Reagenzglas über die Apparaturen bis hin zu den Computern und der IT. So was hat die Welt noch nicht gesehen, mein Freund. Es wird mir helfen, meine Forschungen zügig voranzubringen.", sprudelte Andreas.

„Du willst dir hier ein Labor einrichten? Um diese Baupläne nachzubauen?"

Andreas sah mich an, als hätte ich soeben voller Ernsthaftigkeit die These aufgestellt, dass der Mond aus grünem Käse bestünde.

„Hier doch nicht!", antwortete er beinahe entsetzt klingend. „Ich bin auf der Suche nach einer Gewerbeimmobilie in der Gegend. Ein Labor hier in diesem Hause würde viel zu viel Aufsehen erregen. Alleine die ganzen Bestellungen und Anlieferungen. Und Aufsehen will ich in jedem Fall vermeiden, mein Bester. Denn es verhält sich wie mit beinahe jeder bedeutenden Forschung. In den falschen Händen kann es schnell zur Katastrophe kommen. Denn ich weiß ja noch nicht, was man mit diesen Apparaturen machen kann. Es wird wie immer im Leben sein; Gutes und Schlechtes, zwei Seiten einer Medaille!"

Etwa zwei Stunden später befand ich mich auf dem Heimweg und musste den Kragen meines Mantels gegen die noch kalte Nachtluft dieses Frühjahrs nach oben schlagen.

Während ich die Strecke zwischen Andreas Wohnung und meiner Bleibe mit dem Fahrrad zurücklegte, gingen viele Gedanken kreuz und quer durch meinen Kopf.

Da gab es zum ersten Mal die Ahnung, mein guter Freund könne in Gefahr laufen, den Verstand zu verlieren.

All das klingt schon extrem schräg, besonders wenn eine Person ein Vermögen in die Hand nimmt, um ein Labor zur Erforschung dieser Lebensformen und seiner Botschaften auf die Beine zu stellen. Nein, nicht nur das. Er will sogar Dinge nachbauen, die diese Wesen ihn über einen der Welt unbekannten Kommunikationsweg vermittelt haben; dem großen Netz des Kosmos mit seinem Medium des Transportes XY! Dafür hat er Monate mit Übersetzungen und so weiter verbracht!

Andererseits verkörpert Herr Andreas Hillmann einen brillanten Wissenschaftler, der mit Ende dreißig bereits doppelt promoviert ist, und der von den Naturwissenschaften sicherlich mehr weiß als 95 Prozent der Menschen auf dieser Welt zusammengenommen.

Wie viele Pioniere der Wissenschaft und die großen Entdecker wurden zu Anfang wegen ihrer Ideen verlacht und für verrückt befunden?

Wie bei so vielen genialen Menschen der Wissenschaft wandelt eben auch mein guter Freund Andreas auf einem recht schmalen Grat.

„Andreas ist klug genug, zu wissen was er tut.“, sprach ich es leise gegen den kühlen Fahrtwind an. „Egal, ob bei seinen Sachen was rumkommt oder ob es am Ende nur der große Satz mit X ist. Freund Hillmanns Leben wird schon nicht aus den Fugen geraten. Und Existenzangst braucht er sich auch keine zu machen. Der doch nicht! Alles ist gut!“

Obgleich diese Worte wieder und wieder von mir ausgesprochen wurden, gelang es nicht, mich selbst tatsächlich davon zu überzeugen, dass alles gut sei.

An einer Szenerie von an den Bordsteinen parkender PKWs, die sich gleich einer Schlange aus Blech aneinanderreihten, und an der schier ununterbrochenen Fassade der hohen Häuser mit den zumeist dunklen Fenstern radelte ich vorbei und in Richtung Heimat, während ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen rumorte. Die weißlich-gelb scheinenden Straßenlaternen ließen mein Trekkingrad durch ein Meer aus dumpfem Licht und gräulich–schwarzen Schatten gleiten.

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