Kitabı oku: «Das Versprechen der Nonne», sayfa 7

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„Ich bin einverstanden“, sagte er. „Jedoch habe ich keinen Schreiber.“

„Seid ohne Sorge. Ich werde das Gesuch selbst anfertigen, anschließend wird ein Bote Willibalds es dem König überbringen.“

„Gut“, sagte Gerold. „Ich danke Euch. Ich hoffe, wir sprechen uns bald …“

„Da wäre noch eine Kleinigkeit, zu der ich Euch raten möchte.“

Ergeben nickte er, ahnend, dass sie auch diese „Kleinigkeit“ bereits wohl durchdacht hatte.

Sie forderte ihn auf, dem Unterricht im Mönchskloster beizuwohnen. So werde im Krankenlager ein dringend benötigtes Bett frei, außerdem könne er im Mönchskloster die lingua sacra lernen, sodass er künftig nicht auf ihre Hilfe angewiesen sei.

Gerold konnte nur mit Mühe eine abschätzige Handbewegung unterdrücken. Am Grafenhof hatte er einige Brocken der Kirchensprache von einem Priester gelernt. Doch hatte sich − ihn eingeschlossen − nie jemand für diesen Unterricht interessiert. Dieses Geschreibe, hatte sein Vater gemeint, könne er den Priestern überlassen. Daher wollte er Walburgas Angebot ablehnen, doch dann stutzte er und fragte stattdessen: „Könnte ich hier im Kloster bei den Mönchen leben?“

„Dies wäre mein Vorschlag gewesen.“

„Dann begleite ich die Mönche zu den Gebeten in die Kirche?“, fragte er und fügte für sich hinzu: Und kann sie dabei wiedersehen?

Walburga nickte. „Dieser fromme Dienst wird Euch stärken.“

Er dankte der Äbtissin und versprach, eifrig zu lernen. „Sagt“, fügte er an, unmerklich die Luft einziehend, „wie geht es Schwester Michal, ist sie …“

Walburga fiel ihm ins Wort: „Sie schreitet empor auf dem Pfad der Tugend, im Kloster, abgeschieden von der Welt, sodass sie ihre Gedanken allein auf Gott richten kann.“

„Aber warum war sie dann im Wald?“

Ihre Gesichtszüge verhärteten sich. „Das war eine Ausnahme und wird nie mehr geschehen!“

Ihre Worte trafen Gerold wie Faustschläge in die Magengrube. Nur mit Mühe brachte er die Abschiedsworte hervor und verharrte schließlich, nachdem Walburga gegangen war, allein vor dem Kirchenportal. Gerade wollte er sich ins Krankenlager begeben, da hörte er das Knirschen von Ledersohlen auf trockenem Lehm, es kam aus der Kirche, gleich hinter dem Portal. Hatte jemand sie belauscht und wusste nun um seine wahre Herkunft? Er riss das Portal auf. Ruhig und verlassen lag die Kirche vor ihm. Beruhigt schloss er es wieder.

Versuchung
5. KAPITEL

Während Gerold am nächsten Tag vom Krankenlager in das Mönchskloster zog, war das Kloster verwaist bis auf Lul, einen hinfälligen Mönch, der ihm, auf einen Krückstock gestützt, sein Lager zuwies. Die anderen Mönche waren zum Fischteich gewandert, der heute eingelassen und mit Elterntieren gefüllt wurde. Zur Sext kehrten sie zurück − ohne Goumerad.

Martin raunte Gerold zu, der Prior sei vom Fischteich aus weiter zum Grafenhof gewandert, weil, so behauptete er jedenfalls, Wulfhardt ihn gebeten habe, in der Kapelle des Grafenhofs die Heilige Messe zu zelebrieren zum Zweck der Vertiefung seiner guten Beziehungen zum Kloster. Martin wagte nicht, es auszusprechen, doch sein Tonfall verriet, dass er die Mär von der Heiligen Messe nicht glaubte.

In Martin hatte Gerold während seiner Zeit im Krankenlager einen Freund gefunden. Martin war − wie er − der Sohn eines Grafen. Mehr noch: Als Sohn des Grafen von Laon war er zugleich ein Schwiegerbruder König Pippins, der seine Macht inzwischen mit seinen ebenfalls zu Königen ernannten Söhnen Karl und Karlmann teilte. Die Königssöhne, hatte Martin ihm anvertraut, seien sich spinnefeind, noch jedoch hielt die Autorität des Vaters sie im Zaum.

Doch es gab auch Unterschiede zwischen Gerold und Martin: Martin hatte freiwillig auf die Grafenwürde verzichtet, nachdem Wynnebald ihn von einem ausschweifenden Leben hin zu einem gottgefälligen Leben im Kloster bekehrt hatte. Über die Zeit vor seiner Bekehrung gab Martin nur einsilbig Auskunft, Gerold ahnte den Grund: Er war klein und untersetzt, die Arme zu kurz, um das Schwert siegreich zu führen − schlechte Voraussetzungen für die harten Prüfungen, die jeder Grafensohn bestehen musste.

Am Abend des nächsten Tages, es war der Heilige Donnerstag, kehrte Goumerad zurück. Gerold spürte seinen bohrenden Blick im Nacken, als er zur Vesper in die Kirche einzog. Heute, am Gedächtnistag des Letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern, führte Goumerad durch einen feierlichen Gottesdienst. Doch nahm Gerold die Gesänge und Gebete kaum wahr, nur ab und an bewegte er die Lippen, immerzu aber blickte er hinüber zu Michal.

Sie starrte zum Altar, die ganze lange Predigt von Goumerad über, bis der Priester zum Kyrie eleison anhob.

Da endlich spähte Michal zur Seite.

Gerold stockte das Herz.

Sie sah ihn aus großen, graugrünen Augen an, während ihr Mund Worte des Lobgesangs formte.

Nach dem ersten Kyrie eleison wandte sie sich ab.

Gerold lächelte. Sie hatte ihn nicht vergessen.

Gerold nahm Brot und Wein aus Goumerads Händen entgegen, und obwohl er wusste, dass er in diesem Moment dem Opfer Jesu Christi gedenken sollte, sah er nur ihren Blick vor seinem inneren Auge. Bis zur Komplet würde er diesen Blick bewahren.

Im Refektorium musste Gerold am hintersten Ende des langen Esstisches, der aus grobem Holz gefertigt war, Platz nehmen. Während jeder andere Mönch die Mahlzeit von Wigbert, dem Cellerar, empfing, bekam Gerold von Goumerad höchstselbst die mit Hafergrütze gefüllte Holzschüssel vor sich auf den Tisch gestellt. Der Prior schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, das Gerold nicht deuten konnte, dann hob er das mit schwarzen Bartstoppeln untermalte Kinn, stolzierte zur Stirnseite des Tisches, schlug umständlich die Kukulle unter und setzte sich.

Hie und da murmelte ein Mönch seinem Nachbarn etwas zu. Aus dem abfälligen Ton ihrer Reden und einigen lateinischen Wörtern, die er verstand, schloss Gerold, dass sie über das Essen während der Fastenzeit lamentierten. Die Gespräche verstummten und Goumerad sprach ein kurzes Gebet. Wie die anderen Mönche führte Gerold einen Löffel Grütze zum Mund, die sich aus großen Haferkörnern und einigen Schalenteilen zusammensetzte. Und da war noch etwas: ein bitterer Geschmack, untypisch für Hafergrütze. Nur für einen Moment huschte dieser durch seinen Mund, doch ein Rest davon blieb am Gaumen kleben. Er schob sich einen weiteren Löffel Hafergrütze in den Mund und hoffte, damit die Bitterkeit von seinem Gaumen zu vertreiben. Doch wieder entdeckte er in der Grütze eine Spur Bitterkeit.

Goumerad lugte zu ihm herüber, jedenfalls glaubte dies Gerold, denn die dunklen Augenhöhlen des Priors wandten sich in seine Richtung.

Gerold tunkte den Löffel in die Grütze und häufte eine ordentliche Portion auf. Er hob den Löffel zum Mund, doch auf halbem Weg hielt er inne. Immer noch klebte Bitterkeit auf der Lippe, und sein Gaumen rebellierte gegen einen weiteren Löffel Hafergrütze. Zoll für Zoll ließ er den Löffel in die Schüssel sinken.

Goumerads Stimme klang wie das Spiel einer Haselflöte: „Mein lieber junger Gast, schmeckt es nicht?“

Gerold wunderte sich, dass der Prior sich herabließ, in seiner Bauernsprache zu reden, obwohl es ihm darin offensichtlich an Übung fehlte. „Es tut mir leid, verehrter Prior. Ich bin wohl noch etwas krank.“

Goumerad spreizte einen Zeigefinger vom Löffel ab. „Gerade in diesem Zustand körperlicher Schwäche ist es von großer Wichtigkeit, kräftig zu essen.“

„Habt Dank für Eure aufrichtige Sorge. Ich bin sicher, schon morgen wieder tüchtig essen zu können.“

Goumerad neigte den Kopf zur Seite. „Fürwahr, es ist nicht recht, Gottes Gaben zu verschmähen.“

Gerold zwang sich zu einem Lächeln, hob seine Schüssel leicht an und bot den Inhalt Goumerad zum Verzehr dar. Für einige Augenblicke hielt Goumerad den Mund geöffnet, sagte jedoch nichts, bis er beschied, dies laufe den Fastenregeln zuwider und wäre gerade heute, am Tag vor der Kreuzigung Jesu, eine unverzeihliche Sünde.

Für den Rest der Mahlzeit schwiegen Goumerad und die Mönche. Der Prior kaute an den Fingernägeln, bis er merkte, dass Gerold ihn beobachtete. Als schließlich auch Lul seine Schüssel geleert hatte, schritt einer der Mönche zur Lesung. Er las, ohne den Mund zu bewegen, die lateinischen Wörter strömten einfach aus ihm heraus.

Gerold dachte an Michals volle Lippen. Küss mich! Küss mich!, schienen ihm diese Lippen zuzurufen − ein seltsamer Kontrast zur Verhüllung durch Haube und Schleier, die ihn stets an das Gelübde der ewigen Jungfräulichkeit erinnerte. Gewiss, dies war ein frommes und hochachtenswertes Gelübde, dennoch erschien es ihm bei Michal wie Verschwendung: gleich einer Osterglocke, die, anstatt beschnuppert und gepflückt zu werden, einsam verdorrte. Wie sie selbst in ihrem Innersten darüber dachte? Wenn sie durch das Kirchenportal schritt, neigte sie wie Walburga demütig das Haupt und senkte den Blick. Doch im Gegensatz zu Walburga, bei der diese Kopfhaltung wie angeboren wirkte, sah sie bei Michal gezwungen aus, als würde sie viel lieber den Kopf in die Welt hinausstrecken. Und dies ließ Gerold hoffen: Michal war nicht wie Walburga, sie war nicht geboren für die ewige Keuschheit.

Der Vorleser verstummte, und die Mönche erhoben sich. Gerold verscheuchte mühsam seine Gedanken an Michal und stand auf. Er fühlte sich wackelig auf den Beinen, und als er sich zu voller Größe aufgerichtet hatte, schwindelte ihn. Drückender Schmerz bohrte sich in seinen Bauch, er beugte sich vornüber und stemmte sich mit den Händen auf den Tisch. Er stöhnte, hob den Oberkörper nach oben, verlor das Gleichgewicht, stolperte und klammerte sich im letzten Moment an die Tischkante. Im Augenwinkel gewahrte er die Tür. Er stürzte auf sie zu und taumelte nach draußen. Nach wenigen Schritten knickten die Beine ein.

Zwei Hände griffen ihm unter die Arme und versuchten, ihn aufzurichten, hinter ihm rief Martin: „Walburga! Zu Hilfe!“

Michal beugte sich im flackernden Schein der Kerze über das Pergament, zog mit dem Holzlineal eine feine Linie über die gesamte Breite des Blattes, tunkte den Federkiel in das Tintenhorn und schrieb die Flexionen des Verbes „scribere“ in das Latein-Lehrbuch, mit dem sie ihre Mädchen unterweisen wollte, als Beispiel für die konsonantische Konjugation:

scribo, scribis, scribit, scribimus, scribitis, scribunt

Ein lauter Ruf ließ sie zusammenfahren und einen hässlichen Klecks auf das Wort scribunt tropfen. „Walburga! Zu Hilfe!“ Sie legte den Federkiel neben das Pergament, lief durch Dormitorium, Refektorium, Vorraum und stieß die Klosterpforte auf. Vor der Kirche wankte ein Mönch, den Oberkörper vornüber gekrümmt, auf das Krankenlager zu. Sein Gesicht wurde von einem anderen Mönch verdeckt, der ihn unter den Schultern fasste und voranzog.

Jetzt war Walburga bei den Mönchen und fasste mit an. Der kranke Mönch warf seinen Kopf zurück, sodass braune Locken auf seine Schultern fielen, und schrie seinen Schmerz hinaus.

Es war Gerold.

Michal raffte die Tunika, rannte zum Krankenlager und hielt die Tür auf. Kotgeruch strömte aus dem Krankenlager. Walburga und Bruder Martin schleppten Gerold hindurch und legten ihn auf den strohbedeckten Boden, da alle Betten von Kindern aus dem Grafenhof belegt waren. Walburga bedankte sich für Martins Hilfe und schickte ihn hinaus. Gerold krümmte sich, offensichtlich von schlimmen Bauchschmerzen gepeinigt. Die Pupillen waren seltsam groß, und er war noch blasser als an dem Tag, da sie ihn unter dem Baum gefunden hatten.

Walburga schickte Aebbe, die gerade in der Tür des Krankenlagers erschien, zurück in die Küche, um Essig zu holen. Zu Michal sagte die Äbtissin: „Sorge dafür, dass er wach bleibt, hörst du? Er muss unbedingt wach bleiben!“ Sie verschwand aus dem Krankenlager.

Michal kniete sich neben Gerold und schlug ihm sanft auf die Wangen. „Nicht einschlafen, hörst du?“ Tränen schossen aus ihren Augen. „Bleib wach, ja?“ Schluchzend tupfte sie ihm mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. „Nicht einschlafen.“ Sie legte das Tuch weg und fing seinen Blick auf. Schmerz lag darin, aber auch der starke Wille eines Knaben, der dem Tod seine ganze Kraft entgegenwarf.

Sie beugte sich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Stirn, unterhalb der blonden Strähne. Sie fuhr hoch, erschrocken über ihr Tun.

Seine hellblauen Augen leuchteten zu ihr hinauf, er streichelte ihr über die Wange. Sie zuckte unmerklich ob der zarten Berührung durch seine rauen Finger, doch sie ließ es geschehen.

Gerold keuchte: „Du bist … so wunderschön!“ Und er lächelte trotz seiner Qualen, kleine Fältchen strahlten von den Augenwinkeln aus.

Walburga und Aebbe stürzten gleichzeitig ins Krankenlager. Aebbe, außer Atem, hielt Walburga eine Amphore Essig hin. Walburga nahm den Essig und schüttete ihn in eine mit Senf gefüllte Schüssel, die sie mitgebracht hatte. Sie verrührte Essig und Senf und hielt Gerold die Schüssel an den Mund. Aebbe hob seinen Kopf an, und Walburga sagte: „Trinkt!“

Gerold trank, die Augen zusammengekniffen, ein Rinnsal des Gebräus lief neben seinen Mundwinkeln zum Kinn hinunter.

Walburga befahl Michal: „Hol eine leere Schüssel!“

Gerold kehrte den Mund von der Schüssel weg, offenbar fest entschlossen, keinen Schluck mehr zu trinken.

Walburga erklärte: „Du wurdest vergiftet, vielleicht mit dem Saft der Eibe. Wir müssen das Gift herausholen. Und dazu musst du das trinken.“ Sie hielt ihm wieder die Schüssel hin. „Bitte!“

Gerold stöhnte, schloss die Augen und trank. Plötzlich krampfte sich sein Bauch zusammen. Schnell zog Walburga die Schüssel mit dem grässlichen Gebräu weg, Michal gab eine leere Schüssel an Aebbe weiter, die sie unter seinen Mund hielt. Mit der anderen Hand hielt Aebbe seinen Hinterkopf, die Finger tief in die Locken vergraben. Gerold erbrach eine weiße Soße, versetzt mit Haferkörnern, in die Schüssel.

Die Hände vor Nase und Mund geschlagen, musste Michal zusehen, wie sich immer wieder alles in ihm zusammenkrampfte und Schweiß aus seinen Poren strömte.

Walburga murmelte: „O Herr, vergib mir, dass ich ihn in Goumerads Fänge schickte.“ Sie legte ihre knochigen Finger hinter Gerolds Kopf und forderte Aebbe auf, ihre Hand aus Gerolds Haaren zu lösen.

Aebbe schien sie nicht zu hören. Eine blonde Strähne hatte sich bei ihr gelöst und spitzte unter dem Schleier hervor.

„Aebbe!“, rief die Äbtissin, offenbar entschlossen, die unziemliche Berührung zu beenden. „Hinfort!“

Widerstrebend zog Aebbe die Hand aus Gerolds Locken.

Gerold würgte immer noch, doch sein Mund blieb leer. Schließlich erstarb das Würgen, und er sank erschöpft auf das Stroh. Bis zum Rand war die Schüssel mit Erbrochenem gefüllt, und ein beißender Geruch stieg Michal in die Nase. Aebbe ging mit der Schüssel vor die Tür, währenddessen gab Walburga ihm Wasser zu trinken. Er nahm einige Schlucke, setzte ab und keuchte. Walburga forderte weitere Schlucke von ihm. Gerold folgte, obwohl es ihn augenscheinlich viel Mühe kostete.

Als Aebbe mit der leeren Schüssel zurückgekehrt war, sagte Walburga: „Nun wollen wir den Herrn um Hilfe bitten.“

Die drei Nonnen knieten sich im Dämmerlicht des Krankenlagers neben Gerold und legten die Handflächen aneinander. Walburga sprach: „Herr, Schöpfer des Himmels und der Erde, jeden Tag beschenkst du uns mit deinen reichen Gaben. Wir sind unwürdig, darüber hinaus etwas zu erbitten, doch hast du oft deine unendliche Güte bewiesen. Wir bitten dich um deine Hilfe, Herr.“

Michal und Aebbe sprachen: „Herr, erhöre uns.“

Gerold stöhnte.

Walburga fuhr fort: „Herr, du hast deinen Sohn Jesus Christus auf die Erde gesandt, er auferweckte Lazarus, richtete den Gelähmten von Kapharnaum auf. Und Petrus, sein erster Apostel, heilte Kranke nur durch seinen Schatten. O Herr, wir sind unwürdig, in einem Atemzug genannt zu werden mit jenen heiligen Männern. Und doch schöpfen wir Mut aus den Heilungen Jesu und seiner Apostel, hast du durch sie doch deinen Großmut und deine Barmherzigkeit offenbart. So bitten wir dich: Lenke deinen Blick auf diesen Knaben, lege deine heilenden Hände auf ihn.“

Michal und Aebbe: „Herr, erhöre uns.“

Walburga: „Herr, an diesem Heiligen Donnerstag, an dem das Leiden Jesu Christi, deines Sohnes, seinen Anfang nahm, bitten wir dich um das Leben dieses Knaben mit Namen Gerold, Sohn des Grafen Gebhard. Wir bitten dich: Errette diese arme Seele, stärke diesen gemarterten Leib, entziehe ihm das Gift, das durch Teufelsränke in ihn gelangte.“

Michal: „Herr, erhöre uns.“

Aebbes kornblumenblaue Augen starrten auf Gerold, doch ihr Blick schien ihn zu durchdringen. Als sie der Stille gewahr wurde, haspelte sie: „Herr, erhöre uns.“

Walburga: „Amen.“

Michal und Aebbe: „Amen.“

Gott schien sie nicht zu erhören: Gerolds Arme und Beine verkrampften und zuckten, als hätte er den Teufel im Leib. Keuchend versuchte er zu atmen, doch schien ihm dies immer weniger zu gelingen.

Walburga nahm eine ihrer Amphoren vom Gürtel und träufelte daraus Öl auf seine Brust, behutsam rieb sie es ein. Sie wandte sich an Michal: „Hole Goumerad. Er muss dem Knaben die Letzte Ölung erteilen.“

Michal stand starr vor Schreck, der Speichel entwich ihrer Mundhöhle. Sie hauchte: „So schlimm steht es um ihn?“

Walburga nickte.

Schluchzend, die Hände vor das Gesicht geschlagen, lief Michal zum Mönchskloster.

Am Tag des Leidens und Sterbens Jesu, nach den Laudes, berichtete Walburga Goumerad, Gerold habe in dieser Nacht, während sie, vor dem Altar kniend, der Todesangst Jesu im Garten Getsemani gedacht haben, seinen Frieden gefunden. Daraufhin folgte Goumerad ihr zum Friedhof und spendete Gerold den Abschiedssegen, die Gebete ohne Pause murmelnd, während Michal und Walburga den mit weißem Tuch umwickelten Körper in das Grab legten.

„Ihr habt was?“, rief Gerold. Er betonte jede Silbe: „Mich begra-ben?“ Er stützte die Ellbogen auf die Matratze und richtete sich auf. „Was fällt Euch ein? Ich bin der rechtmäßige Graf! Und sobald ich diese Liege verlassen kann, werde ich mein Recht einfordern, ob es Euch passt oder nicht!“

Walburga legte behutsam eine Hand auf seine Brust, und Gerold, dem immer noch ein wenig schwindlig war, sank zurück auf die Matratze. „Ich freue mich, Euch so munter zu sehen, dies ist ein gutes Zeichen, dafür sei der Herr gepriesen. Was die Bestattung betrifft, so werde ich Euch alles erklären. Doch zunächst bitte ich Euch, mir in die Schreibstube zu folgen, dort haben wir ein Lager bereitet. Hier im Refektorium wollen wir von heute an wieder speisen.“

Die Äbtissin half ihm auf. Vorsichtig tat Gerold den ersten Schritt über die weißen Fliesen. Er glaubte, hinter seinen Augen drehe sich ein Kreisel.

Plötzlich umgriff jemand seinen anderen Arm, um ihn zu führen. Es war eine junge Nonne, die Gerold, wie er sich trübe erinnerte, bereits im Krankenlager gesehen hatte. Vielleicht ein wenig älter als Michal, hatte sie ein ebenmäßiges Gesicht, aus dem kornblumenblaue Augen hervorleuchteten, und unter ihrem Schleier spitzte eine blonde Strähne hervor. Ihr Griff erinnerte Gerold an Michals Hand, die sie bei seinem ersten Aufenthalt im Krankenlager auf seinen Arm gelegt hatte. Die Finger waren ebenso zierlich, doch griff diese Nonne fester zu. Er mutmaßte, dass Michal ihn viel sanfter führen würde.

In der Schreibstube löste sich Gerold aus dem Griff der Nonnen und sank dankbar auf die Binsenmatte, über die ein grobes Betttuch gespannt worden war. Walburga begann zu sprechen: „Wie Ihr wohl bemerkt habt, begruben wir nicht Euren Leib, sondern einen Sack, den wir mit Stroh umhüllt und mit einem Leichentuch umwickelt haben. Das war am Karfreitag, und heute, da wir gerade die Auferstehung des Herrn feiern, seid Ihr auf dem Wege der Genesung. Ist dies nicht ein hervorragendes Zeichen für die Güte Gottes?“

Die junge Nonne machte sich am Schrank zu schaffen, der neben einem der zwei Schreibpulte an der Wand lehnte und vor dem ein paar Pergamentrollen auf dem Boden lagen. Durch das Fenster über dem Schreibpult fielen Sonnenstrahlen, in deren Licht Staubkörner tanzten. Eine Biene schwirrte durch das Fenster, und die junge Nonne versuchte, mit einer Pergamentrolle fuchtelnd, sie zu verscheuchen.

Gerold murmelte: „Aber warum habt Ihr das getan?“

„Jemand wollte Euch vergiften, wahrscheinlich mit dem Saft der Eibe.“

Die junge Nonne vergessend, starrte er Walburga für einige Augenblicke an. Dann bedachte er sie mit einem misstrauischen Blick. „Wie könnt Ihr so sicher sein?“

Walburga drehte sich zur Nonne um, verärgert die Stirn gerunzelt. „Was tust du da?“

„Die Rollen waren draußen“, sagte die Nonne. Sie redete in Gerolds Sprache, jedoch musste sie sich jedes Wort mühsam zurechtlegen. „Jetzt alles ist durcheinander.“

Die Biene summte neben dem Ohr der Äbtissin, doch schien sie das nicht zu stören. „Soll Michal sich darum kümmern, wenn der Festtag vorüber ist.“ Sie wies mit dem Zeigefinger zur Tür. „Du gehst jetzt in die Küche und hilfst Truthgeba beim Mittagsmahl. Zuvor steckst du dein Haar unter den Schleier, wie es sich geziemt.“

Die Nonne schob die Strähne zurück und verließ mit langen Schritten die Schreibstube. Gerold bemerkte dies kaum, voller Vorfreude auf sein baldiges Wiedersehen mit Michal.

Walburga fuhr fort: „Der Saft der Eibe war schon zurzeit der Heiden als Gift bekannt, heute werden Pfeilspitzen damit eingerieben. Menschen, die dieses Gift aufnehmen, wird schwindlig und übel; Leibschmerzen quälen sie, die Pupillen vergrößern sich, die Lippen färben sich rot, die Haut wird blass, und die Gliedmaßen werden von Krämpfen heimgesucht. All dies beobachtete ich an Euch.“

„Aber wie kam das Gift in meinen Körper?“

„Habt Ihr gespeist, kurz bevor Euch übel wurde?“

Gerold murmelte: „Da war dieser bittere Geschmack in der Hafergrütze.“

Walburga nickte, während hinter ihr junge Katzen auf Samtpfoten in die Schreibstube schlichen. „Eibensaft schmeckt bitter. Hört mir zu: Der Mörder versteckt sich wahrscheinlich unter den Mönchen. Deshalb trugen wir Euren Leib in der Nacht vom Krankenlager in unser Kloster und organisierten die Bestattung. Der Herr vergebe mir diese Täuschung.“ Sie bekreuzigte sich drei Mal.

Gerold merkte die gute Absicht hinter der Bestattung, dennoch fühlte er sich unwohl bei dem Gedanken, dass er als tot galt. Doch machte dies einen Unterschied? Jeder in der Grafschaft hielt ihn schon seit Wulfhardts Überfall für tot. „Ich danke Euch, verehrte Äbtissin. Ihr habt mir das Leben gerettet − wieder einmal.“

Die Katzen maunzten und schlichen zwischen Walburgas Beinen hindurch. Sie streichelte der größten Katze − vermutlich der Mutter der übrigen − über das braune, mit schwarzen Flecken besprenkelte Fell. Die Katze stieß mit der rosa Nase gegen ihre Finger. Walburga fragte: „Wer, denkt Ihr, wollte Euch ermorden?“

„Wulfhardt!“, antwortete Gerold ohne Zögern.

„Aber wusste er, dass Ihr hier seid?“

Gerold bohrte mit seinem Blick ein Loch in die Decke und überlegte laut: „Das Gift hat mir wahrscheinlich Goumerad in das Essen gemischt, denn er gab mir die Schüssel mit der vergifteten Hafergrütze und drängte mich, sie aufzuessen. Aber ich bin sicher, dass Wulfhardt hinter allem steckt, Goumerad war nur der Handlanger.“

„Warum denkt Ihr das?“

„Goumerad besuchte den Grafenhof, bevor er mich vergiftete. Dies erfuhr ich von Martin.“

Eine Spur Ungeduld schlich sich in Walburgas Stimme: „Doch wie erfuhr Goumerad, dass Ihr der Sohn des Grafen seid? Ich verriet es nicht einmal meinen Schwestern.“

Gerold ließ seine Zeit in Heidenheim vorüberziehen. Bei einer Begebenheit, die sich zwei Tage vor dem vergifteten Mahl zugetragen hatte, hielten seine Gedanken an. „Ihr habt mir am Kirchenportal eröffnet, dass Ihr ein Gesuch an den König schicken wollt, die Grafschaft betreffend. Als wir das Gespräch beendet hatten, hörte ich ein Geräusch hinter dem Portal. Ich sah nach, fand die Kirche jedoch leer. Es muss uns ein Mönch belauscht haben, wahrscheinlich Goumerad selbst, denn er begab sich am nächsten Tag zum Grafenhof.“

Walburga nickte. „Das ergibt Sinn.“

Gerold beschwor sie: „Wir müssen gemeinsam gegen Wulfhardt vorgehen! Ich werde den Menschen die Wahrheit erzählen über den Überfall auf den Grafenhof und den Mordversuch hier im Kloster. Wenn Ihr dies bezeugt, werden mir die Menschen glauben, und ich kann Wulfhardt verjagen.“

Auf einmal stand die junge Nonne in der Tür. Walburga belegte sie mit einem strafenden Blick. Wie einen schützenden Schild hielt die Nonne eine Kanne vor ihre ansehnliche Brust und sagte, sie wolle Milch für die Katzen bringen. Walburgas Blick wurde weich, sie nahm die Milch entgegen und schickte die Nonne fort. Sie folgte der Aufforderung, nicht ohne vorher noch einen neugierigen Blick auf Gerold zu werfen. Die Katzen drängten sich um die Schüssel, die Walburga auf den Boden stellte und mit Milch füllte. „Miez, miez, miez“, sagte Walburga. Ihre Stimme schläferte Gerold ein, seine Augenlider fielen herunter.

Plötzlich stand sie neben ihm: „Hört mir zu!“ Gerold riss Augen und Ohren auf. „Wulfhardt ist ein gefährlicher Mann, ein Werkzeug des Teufels. Wenn er Euch hier im Kloster weiß, ist er zu allem fähig, auch zu einem Angriff auf das Kloster, wie er es am Grafenhof tat. Damit wäre Gottes Werk im gesamten Sualaveldgau in Gefahr. Dies wollen wir nie vergessen: Gott hat uns hierhergesandt, damit wir die Seelen der Menschen retten. Dies dürfen wir nicht durch leichtfertiges Handeln gefährden! Wir wollen deshalb die Antwort des Königs abwarten. Und so lange soll Wulfhardt denken, Ihr wäret tot.“

Bei vollen Kräften hätte Gerold eine hitzige Antwort gegeben. Doch jetzt, mit schweren Augenlidern, brummte er nur: „Und so lange soll ich mich im Nonnenkloster verstecken?“

„Jetzt, da Ihr schwach seid, bedürft Ihr noch meiner pflegenden Hände. Doch wenn Ihr dank Gottes mächtigem Wirken wieder bei Kräften seid, könnt Ihr an einen Ort gehen, der für einen Mann ziemlicher ist als ein Nonnenkloster und an dem Eure Tugend keiner Versuchung ausgesetzt wird.“

Sie erzählte ihm von einer Villa, die in der Römerzeit am Ort der heutigen Kirche gestanden hatte, die weißen Fliesen im Altarraum zeugten noch heute von ihr. Aus den Steinen der verfallenen Römervilla hatten einst Heido sein Haus und der selige Wynnebald die Kirche erbaut. Beide hatten jedoch nicht den Keller unter der Villa entdeckt. Dies war erst den Nonnen beim Bau ihres Klosters geglückt. Fortan hatten die Nonnen das Geheimnis für sich behalten, was ihn zu einem vorzüglichen Versteck für Gerold machte.

Er schien alles andere als freudig dreinzuschauen, denn sie versicherte ihm sogleich, er werde nur einige Wochen im Keller verbringen müssen, weil der König bestimmt rasch eine Entscheidung treffen werde.

„Und wenn dem nicht so ist?“, wandte er ein. „Ist euer Bote denn schon zurückgekehrt?“

„Ich wies ihn an, die Antwort des Königs abzuwarten.“

„Ihr wisst also nicht, ob der Bote den König schon erreicht hat. Wo befindet sich Karlmann überhaupt?“

„Von meinem Bruder Willibald erfuhr ich, dass er die Länder, die ihm sein Vater Pippin übertrug, bereist. Zuletzt beehrte er Mainz. Dorthin schickte ich den Boten. Trifft er Karlmann dort nicht mehr an, wird er ihn gewiss schnell einholen.“

„Dieses Mainz, wie weit ist es entfernt?“

„Ein gutes Pferd wird in drei Wochen die Tore der Stadt erreichen.“

Die Katzen hatten die Schüssel ausgeleckt. Jetzt verteilten sie sich im Zimmer, leckten sich die Pfoten und wischten sich mit ihnen über das Gesicht.

Gerold schüttelte den Kopf. Er war es nicht gewohnt, sich Anweisungen zu beugen, erst recht nicht, wenn diese von einer Frau kamen. „Dieses Versteckspiel ist unehrenhaft. Ich will Wulfhardt selbst niederringen, will meine Familie rächen.“ Und die Angst vor der Rückkehr zum Grafenhof besiegen, fügte er im Stillen hinzu. Und die Albträume vertreiben. Immer wieder erschien ihm der Dämon, der seine Schwester niedergemetzelt hatte. Jedes Mal, wenn er aus dem Albtraum aufschreckte, fühlte er sich schuldig, weil er sie nicht gerettet hatte. Er war ihr großer Bruder gewesen − und hatte sie im Stich gelassen. „Nein“, sagte Gerold, sich auf die Ellbogen stemmend und seine ganze Entschiedenheit in die Stimme legend: „Ich kann dies nicht jemand anderem überlassen, auch nicht dem König.“

Walburga verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr denkt nur an Euch, nicht an die Menschen, die Ihr in den Tod führt, wenn Ihr mit Wulfhardt die Klingen kreuzt.“

Gerold ließ sich auf sein Lager sinken und seufzte resignierend, Müdigkeit drohte ihn zu übermannen, doch unternahm er einen letzten Versuch: „Was ist mit Goumerad? Wollt ihr einen Mörder im Kloster dulden, noch dazu als Prior?“

Walburgas Lippen formten einen dünnen Strich. „Ich werde ihn aus Heidenheim vertreiben, wenn Ihr Graf seid − nach dem Entscheid des Königs.“

Gerolds Augenlider fielen zu. Während er in den Schlaf dämmerte, sprach Walburga: „So denkt in Ruhe über all das nach. Ruft unseren Herrn an und ergründet seinen Willen.“

Immer, wenn Gerold am Ostersonntag aus dem Dämmerschlaf erwachte, focht er einen Kampf mit sich selbst aus: Auf der einen Seite fand er die Vorstellung unerträglich, sich in einen Keller zu verkriechen und auf den Entscheid des Königs zu warten, während Wulfhardt die goldene Lanze des Grafen führte. Auf der anderen Seite fühlte er sich tief in Walburgas Schuld. Sie hatte ihn vom Fieber geheilt, sie hatte nach dem Sturz vom Baum seinen Bruch gerichtet, und sie hatte Wulfhardts Gift aus seinem Körper gebannt. War es da recht, wenn er gegen sie handelte, gar das Kloster gefährdete?

Am Montag kam Michal leider nicht allein in die Schreibstube. Sie ordnete die Pergamentbögen im Schrank, während Walburga ihm ein bitteres Gebräu einflößte. Er hatte den Becher zur Hälfte geleert, da drehte sie sich zu ihm, und sie tauschten einen langen Blick, den die Äbtissin bemerkte. Sogleich verwies sie die Nonne der Schreibstube.

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