Kitabı oku: «Das Verständnis von Vulgärlatein in der Frühen Neuzeit vor dem Hintergrund der questione della lingua», sayfa 2
1.3 Untersuchungsebenen
Zentrales Thema der vorliegenden Untersuchung ist die Vorstellung des Varietätenraumes des antiken Lateins, des Sprachwandels vom Lateinischen (bzw. Vulgärlateinischen) zu den romanischen Sprachen sowie allgemein der Konstellation der antiken Sprachen des römischen Imperiums in der Frühen Neuzeit im Spiegel zeitgenössischer Traktate. Die hier vorgenommen Analyse bedingt deshalb einerseits, daß auf das Latein der Antike Bezug genommen wird, also auf die historische Sprache in ihrer diasystematischen Heterogenität, andererseits auf das zeitgenössische Latein des 15./16. Jh. Da im Zuge der verschiedenen Einzelanalysen vielfache Relationen zwischen Objekt- und Metaebene auftreten, soll diese Beziehungen vorab noch einmal deutlich gemacht werden.
Auf Objektebene ist die Sprache Latein sui generis anzusiedeln sowie ihre historische Entwicklung. Dazu gehören im Einzelnen die Frage nach der diasystematischen Vielfalt des Lateinischen (diatopische, diastratische und diaphasische Variation), nach der Herausbildung einer lateinischen Schriftsprache und deren Entwicklung sowie nach der Entstehung einer klassischen Norm innerhalb dieser Schriftsprache und dem Verhältnis ‚Schriftsprache vs. gesprochene Sprache‘ im Laufe der Jahrhunderte. Darüberhinaus ist dazu auch die Frage nach der Ausdifferenzierung der romanischen Sprachen aus dem gesprochenen Latein hinzuzunehmen.
Auf der Metaebene erscheinen verschiedene als synchron zu begreifende Ausschnitte der Betrachtung. Zentrale Fragestellung ist der Blick auf das antike Latein durch die an dieser Diskussion beteiligten Humanisten (Synchronie ‚Frühe Neuzeit‘, cf. Kap. 6). Diese versuchten, die Architektur des Lateins in der Antike rekonstruieren, und zwar zum einen mit Hilfe des Vergleichs ihrer eigenen Situation in Bezug auf das Verhältnis ‚Latein vs. Volkssprache‘ in Italien und zum anderen vor allem, indem sie Hinweise zur Diversität des Lateinischen und zum antiken Verhältnis ‚Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit‘ bei den überlieferten römischen Autoren nachgingen bzw. als bestimmte Stellen als solche interpretierten. Dies war möglich, da die römischen Autoren selbst sowohl Überlegungen zur Sprache ihrer eigenen Zeit als auch früherer (schriftloser) Zeiten angestellt hatten, also auch versuchten, die Entwicklung der eigenen Sprache vor ihrer Zeit zu verstehen (Synchronie ‚römische Antike‘, cf. Kap. 4).
Wenn also aus heutiger Perspektive, wie in vorliegender Arbeit als Zielsetzung formuliert, die Vorstellung der Humanisten in Bezug auf das antike Latein rekonstruierten werden soll, und zwar mit den hier vorgestellten wissenschaftlichen Methoden anhand des zugrundeliegenden Korpus (cf. Kap. 1.1, 1.2 und 1.4), muß berücksichtigt werden, daß die Untersuchungen der Gelehrten der Frühen Neuzeit zum antiken Latein maßgeblich durch die metasprachlichen Kommentare der römischen Autoren zu deren eigener Zeit, aber auch zu früheren Epochen geprägt sind, wobei es nicht unerheblich ist, auf welches Korpus an Autoren und Texten jene frühneuzeitlichen Sprachtheoretiker sich dann im Einzelnen beziehen.
Im Fokus der Betrachtung stehen hier also synchrone Ausschnitte der Betrachtung (römische Antike, Frühe Neuzeit), und zwar einerseits auf der Metaebene (Sprachreflexion der Humanisten, Sprachreflexion der römischen Autoren) und andererseits auf Objektebene, indem in vorliegender Arbeit versucht werden soll, diese beiden historischen Sprachsituationen (Latein in der Antike, Latein/Italienisch in der Frühen Neuzeit) mit aktuellen wissenschaftlichen Kategorien zu erfassen.
Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei jedoch die dazwischenliegende metasprachliche Tradition, also die Kontinuität der Sprachreflexion von der Antike bis zur Frühen Neuzeit, die das Denken und die Vorstellungswelt der untersuchten Humanisten mit beeinflußt hat.
In diesem Sinne ist zudem zu berücksichtigen, daß die ausgewählten synchronen Ausschnitte ebenfalls wieder in sich eine historische Entwicklung der metasprachlichen Betrachtung beinhalten, also natürlich keine absoluten Synchronien bilden, sondern relative, die z.T. sehr unterschiedlich große Zeiträume umfassen (röm. Antike mind. 1000 Jahre, Frühe Neuzeit ca. 200 Jahre). So sei beispielsweise darauf verwiesen, daß Isidor v. Sevilla (560–636 n. Chr.) sich auf Livius (59 v.–17 n. Chr.) bezieht (beide innerhalb der Synchronie ‚römische Antike‘) oder Cittadini (1601) Reflexionen von Dante (1303/4) aufgreift (beide Synchronie ‚Frühe Neuzeit‘), so daß man bei einem Argument, welches Cittadini von Isidor übernimmt, der sich selbst wiederum auf Livius bezieht, eine mehrfache Brechung der Perspektive berücksichtigen muß.
1.4 Untersuchungsmethode und Untersuchungsziel
Um den bereits vorgestellten metasprachlichen Diskurs mit seinen verschiedenen Aspekten, insbesondere in Bezug auf die Erfassung der gesprochene Sprache der römischen Antike und damit die Vorstellungswelt der Frühen Neuzeit in Bezug auf das Latein in seiner Architektur rekonstruieren zu können, werden in der vorliegenden Untersuchung zwei unterschiedliche methodische Verfahren angewandt.
Zum einen soll die zeitgenössische Traktatliteratur mit Hilfe des heutigen Instrumentariums varietäten- und soziolinguistischer Begrifflichkeit analysiert (cf. Kap. 3.1) und somit unter dieser Perspektive untersucht werden, was an Einsichten in die Architektur des Lateinischen und in Bezug auf das Verhältnis von ,Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit‘ bereits vorhanden ist. Dabei werden in diesem Analyseschritt zunächst bewußt bestimmte kontextuelle historische Implikationen weitgehend ausgeblendet, d.h. die heutigen Begrifflichkeiten in gewisser Weise anachronistisch angewendet, um das Verständnis der Sprache bzw. Sprachsituation klarer herausarbeiten zu können. Das gilt beispielsweise für Begriffe wie Varietät, Diasystem (diatopisch, diastratisch, diaphasisch), Diglossie und Ausbau genauso wie für Substrat, Superstrat und Adstrat.
Zum anderen ist es dann wiederum nötig, die einzelnen Traktate auch zu „rekontextualisieren“,10 also in dem entsprechenden zeitgeschichtlichen Diskurs zu verorten, d.h. die Texte ganz traditionell philologisch bzw. hermeneutisch zu interpretieren (cf. Kap. 3.2). Die beiden separat gewonnenen Erkenntnisstränge, die keinesfalls antogonistisch aufzufassen sind, sondern sich produktiv ergänzend, sollen dann wiederum zu einer Gesamtschau zusammengeführt werden. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise sollen folgende konkrete Untersuchungsziele erreicht werden:
1 Die Vorstellungen der einzelnen Autoren der Frühen Neuzeit hinsichtlich des Lateins, insbesondere dessen, was heutzutage unter Vulgärlatein zu verstehen ist, sollen herauspräpariert werden (cf. Kap. 6.2), d.h. moderne, innovative einerseits und traditionelle Konzeptionen andererseits deutlich gemacht werden, und zwar durch folgende Verfahren:durch die Gegenüberstellung und Vereinigung der modernen Lesart der Traktate (varietäten- und soziolinguistische Begriffe) mit einer traditionellen, also der Verortung der untersuchten Schriften im Kontext der Zeit (‚Rekontextualisierung‘);durch die Gegenüberstellung des damaligen Kenntnisstandes (Frühe Neuzeit) über das Latein und seine Varietäten mit den heutigen.
2 Die Darstellung des Prozesses des Wandels dieser Sprachvorstellungen über die Antike in dem Zeitraum von Dante bzw. von Leonardo Bruni/Flavio Biondo bis Celso Cittadini bildet den zweiten Fokus dieser Arbeit (cf. Kap. 7).
Da es sich mitunter um Autoren bzw. Schriften handelt, die im Rahmen der questione della lingua durchaus schon Gegenstand von Untersuchungen waren, soll eben genau dieser bisher eher vernachlässigte Aspekt zur Vorstellung über die Sprachsituation der Antike fokussiert werden (nicht die gesamte questione) und gerade auch bei schon des Öfteren diskutierten Positionen sollen kritische Stellen besonders hervorgehoben werden. Dabei erlaubt es die hier dargelegte, doppelte Analyse-Perspektive, das Denken im Spannungsfeld zwischen Mittelalter und Neuzeit adäquat darzustellen sowie Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen zwischen frühneuzeitlichem und modernem Wissensstand präzise herauszuarbeiten.
Das Desiderat des hier skizzierten Unterfangens ergibt sich nicht nur aus der bisher fehlenden Begriffsgeschichte zum Vulgärlatein (cf. Kiesler 2006:8), sondern auch aus einer bisher noch nicht in gebotenem Umfang vorliegenden Nachzeichnung dieser spezifischen frühneuzeitlichen Diskussion,11 vor allem nicht unter dem dezidierten Blickwinkel moderner Erkenntnisse der Varietäten- und Soziolinguistik vor dem Hintergrund einer vertieften Forschung zur antiken Sprachsituation und der Entstehung der romanischen Sprachen.
Die Vorgehensweise die gesamte Debatte durch die Behandlung der Positionen der einzelnen Humanisten zu strukturieren, richtet sich zum einen ganz pragmatisch nach der Mehrzahl bisheriger Forschungsarbeiten zu diesem Thema (cf. Kap. 2), zum anderen hat es den Vorteil, daß dadurch die gesamte Denkrichtung einzelner Protagonisten und der Kontext der Entstehung einzelner Ideen zu dieser Debatte deutlicher herausgearbeitet werden können. Um hingegen den Verlauf der Debatte und bestimmte Entwicklungstendenzen sowie die entsprechenden einwirkenden Faktoren aufzeigen zu können, dienen die jeweiligen Zwischenresümees sowie das ausführliche Fazit am Schluß der Arbeit.
2. Forschungsstand
Der vorliegende Überblick über die aktuelle Forschungsliteratur ist an dieser Stelle bewußt selektiv und knapp gehalten, da eine entsprechende Behandlung pro einzelnem Themenkomplex in den verschiedenen theoretischen Kapiteln bereits erfolgt ist. Ausgeklammert werden sollen hier deshalb insbesondere die Forschungsübersichten zu den Fragen der Sozio- und Varietätenlinguistik, da hierzu einzelne Kapitel folgen, in denen die aktuelle Forschungslage kontrovers diskutiert wird (cf. Kap. 3.1.1, 3.1.2), sowie gleichermaßen zum Phänomen der Rekontextualisierung und Hermeneutik (cf. Kap. 3.2).
Es sei deshalb mit einem kurzen Überblick zum Thema der Architektur des Lateinischen begonnen. Eine Einführung in die Geschichte der lateinischen Sprache bieten die Synopsen von Schmidt (1996) im Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL) mit der Genese aus dem Indogermanischen, von Steinbauer (2003) in den Handbüchern zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft (HSK) zur Romanischen Sprachgeschichte sowie von Herman (1996) im LRL und von Seidl (2003) im HSK, beide mit einer Aufschlüsselung der Varietäten. Als Handbücher bzw. umfangreiche Darstellung sind Clackson (2011) und Willms (2013) zu nennen, letztere mit expliziter Ausrichtung an Studierende. Hervorzuheben ist das außerordentlich fundierte Werk von Poccetti/Poli/Santini (2005) zur Geschichte und den Varietäten des Lateinischen mit vielen ausführlich diskutierten Einzelaspekten. Ebenfalls in ihrer Materialfülle unverzichtbare Werke sind die von Adams (2003, 2007), der wohl erstmals systematisch die Diatopik des Lateins untersucht sowie die Mehrsprachigkeit der römischen Gesellschaft.
Zu den Ursprüngen des Lateinischen liegt eine Monographie von Baldi (2002) vor, eine wichtige Studie zum Sprachbewußtsein und der (stilistischen) Variation des Lateinischen ist die sehr detaillierte und mit viel Belegmaterial angereicherte Arbeit von Müller (2003). Aus romanistischer Perspektive arbeitet Müller-Lancé (2006), der sowohl die lateinische Sprachgeschichte als auch varietätenlinguistische Differenzierungen berücksichtig. In der Latinistik gilt das Werk von Hofmann (³1951, [11926]) zur Umgangssprache als ein früher Blick auf die Variation des Lateinischen. Diese Perspektive ist zum Teil bis heute prägend und nur langsam finden moderne varietätenlinguistische Einflüsse ihren Weg in die philologisch geprägten Traditionen (cf. Handbücher supra).
Einen Überblick zum mittelalterlichen Latein liefert Stötz (2002) mit seinem fünfbändigen Handbuch zu Wortschatz, Bedeutungswandel, Lautlehre sowie Syntax und Formenlehre, außerdem Berschin (2012), das hingegen gesamtphilologisch konzipiert ist. Eine verdichtete aber komplette Geschichte des Lateinischen liegt mit Kramer (1997) vor, der auch varietätenlinguistische Aspekte miteinfließen läßt. An Grammatiken mit Kapiteln zur Sprachgeschichte und Variation des Lateinischen sind Leumann/Hofmann (1928), Palmer (1990) und Meiser (2010) zu nennen.
Das Vulgärlateinische wird in der Forschung erstmals von Schuchardt (1866–1868) in Bezug auf den Lautwandel thematisiert, im weiteren liegen wichtige Arbeiten von Silva Neto (1957), Vossler (1953), Väänänen (11963, 42002) und Herman (1967) vor, der zahlreiche weitere Tagungen zu diesem Thema initiiert hat.12 In neuerer Zeit sind Forschungskompilationen von Euler (2005) aus indogermanistischer Perspektive und Kiesler (2006) aus romanistischer Perspektive entstanden. Den Übergang zum Romanischen behandeln vor allem Coseriu (1978, 2008), Wright (1982), Iliescu/Slusanski (1991) und ganz aktuell der Beitrag von Reutner (2014) in der Reihe der Manuals of Romance Linguistics (MRL).
Der zweite Teil des Forschungsüberblicks soll nun dem zentralen Untersuchungsgegenstand der humanistischen Debatte im 15. und 16. Jh. gewidmet sein. Die Zahl der Publikationen zu den allgemeinen Themenbereiche ‚Renaissance‘ und ‚Humanismus‘ ist entsprechend der Vielfalt des Spektrums an Fachwissenschaften, die sich damit auseinandersetzen, geradezu unüberschaubar. Für eine Synopse zur hier relevanten begrifflichen und inhaltlichen Abgrenzung sei auf das entsprechende Kapitel verwiesen (cf. 6.1.1) und vorab nur selektiv auf ein paar Grundlagen-Werke. Nach wie vor unverzichtbar und nicht nur wissenschaftsgeschichtlich von Relevanz sind die Darlegungen von Burckhardt (2009, [1860]), dessen Kultur der Renaissance in Italien bis heute immer wieder aufgelegt wird. Wichtige Werke, die ebenfalls dazu beigetragen haben, diesen Untersuchungsbereich, vor allem im Rahmen der Geschichtswissenschaft und Philologie zu konstituieren, liegen mit der zweibändigen Arbeit von Kristeller (1973/1975) sowie mit dem Sammelband und der Monographie von Buck (1969, 1987) vor, des Weiteren zählt dazu auch Baron (1966, 1968) und Burke (1998), der ebenfalls einen umfassenden Blick auf diese europäische Epoche wirft. Als Exempel einer ausgewählten neueren Übersicht seien die Aufsatzsammlung von Wyatt (2014) in der Reihe der Cambridge Companions to Culture genannt sowie die Monographien von Fubini (2003) und von Baker (2015). Erwähnenswert ist auch das aktuelle zweibändige Monumentalwerk zu Philosophie der Epoche von Leinkauf (2017). An spezifischen Lexika seien zum einen die mehrbändige englische Encyclopedia of the Renaissance von Grendler (1999a) genannt, das Handbuch Gelehrtenkultur der Frühen Neuzeit von Jaumann (2004), der 9. Supplementband (Renaissance-Humanismus) des Neuen Pauly von Landfester (2014a) und schließlich, eher kompakt, das Lexikon der Renaissance von Münkler/Münkler (2005).
In Bezug auf das speziellere aber dennoch bereits recht gut untersuchte Thema der questione della lingua in Italien sind neben älteren Werken von Luzzato (1893), Vivaldi (1894–1898), Furnari (1900), Belardinelli (1904), Labande-Jeanroy (1925) und Hall (1942), Mazzacurati (1965) und vor allem Vitale (1984 [11960]) als Referenz zu nennen. Neuere monographische Übersichtsarbeiten wären beispielsweise Bagola (1991) sowie Marazzini (2013, 2018) und Vitale (2006) sowie die Sammelbände von Pozzi (1988) und Belardi (1995) und schließlich die Aufsätze von Grayson (1982), Baldelli (1982) und Marazzini (2016).13 Ebenfalls zu nennen ist zudem die Anthologie mit den wichtigsten Schlüsseltexten von Pozzi (1988) und Scarpa (2012), wobei vor allem die neueren Arbeiten wie die von Marazzini und Scarpa den Begriff der questione sehr weit fassen und bis in die aktuelle Sprachdiskussion ausdehnen.14 Ausgewählte Aspekte der Sprachendiskussion beleuchten zum Beispiel die Arbeiten von Schunck (2003), die den metasprachlichen Diskurs des Sprachwandels diskutiert und hierzu wertvolle Einblicke liefert, sowie Ellena (2011), die insbesondere die Rolle der norditalienischen Varietäten in den Blick nimmt, aber darüberhinaus auch einen wertvollen Leitfaden für diese Epoche mit einem umfangreichen Quelleninventar bietet, oder aber Sabbatino (1995), der speziell die Kontroverse in Neapel beleuchtet. Einen wichtigen Überblick zur Periodisierung der Epoche liefert Koch (1988b), dessen Grundgerüst auch im Vorliegenden als Bezugsrahmen aufgegriffen wird.
Als die wichtigsten Forschungsarbeiten für den Kernbereich vorliegender Arbeit, also die Debatte um die Sprachkonstellation der Antike vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung von Latein- und Vulgärhumanismus, seien folgende angeführt: An chronologisch erster Stelle sei Strauss (1938) genannt, der bereits früh den Zusammenhang zwischen der Frage nach dem Ursprung des Konzeptes Vulgärlatein und der humanistischen Auseinandersetzung herstellt und nach wie vor zu konsultieren ist. Ebenfalls wertvolle Hinweise finden sich bei Klein (1957), der zahlreiche Aspekte der Gelehrten-Diskussion um das aufkommende volgare in der lateindominierten Literatur auf den Punkt bringt und in seiner Präzision in Bezug auf die sprachhistorischen Zusammenhänge unverzichtbar bleibt. Als Übersichtsstudien mit je unterschiedlichen Schwerpunkten in Form von Aufsätzen seien exemplarisch Migliorini (1949), Fubini (1961), Bahner (1983) und Kristeller (1973/1975; 1984) genannt sowie Faithfull (1953) zum spezifischen Aspekt der lingua viva. Einige ausgewählte Humanisten des 15. und 16. Jhs. werden in der knappen Zusammenstellung bei Dionisotti (1968) diskutiert, allerdings im Wesentlichen unter dem Aspekt der questione della lingua.
Die wichtigsten Protagonisten des 15. Jh. in dieser Debatte werden in der fundierten Darstellung von Tavoni (1984) behandelt, der zahlreiche Einzelfragen behandelt sowie wichtige Zusammenhänge zwischen den Konzepten der Humanisten herausarbeitet; zudem finden sich dort Auszüge der jeweils relevanten Primärtexte. Auf Tavoni basiert im Wesentlichen auch das Buch von Marchiò (2008), allerdings mit einem leicht veränderten und erweiterten Inventar der an der Debatte beteiligten Humanisten. Auch hier werden Primärtexte in Auszügen präsentiert, die dann im Wesentlichen inhaltlich zusammengefasst und partiell kommentiert werden, allerdings deutlich weniger tief als bei Tavoni. Äußerst wertvoll und kondensiert erweist sich die Monographie von Mazzocco (1993), der ebenfalls die wichtigsten Teilnehmer und den historischen Kontext behandelt, allerdings ohne Textauszüge wie Tavoni und Marchiò, dafür mit reichlich Zitaten und zahlreichen Belegen, die die Zusammenhänge zwischen den humanistischen Autoren verdeutlichen. Eine kürzere aber dennoch aufs Wesentliche reduzierte Darstellung findet sich in einigen Kapiteln bei Coseriu/Meisterfeld (2003). Hier werden ebenfalls keine vollständigen Primärtexte abgedruckt, sondern es finden sich nur einzelnen Schlüsselzitate, die dann kommentiert und in den sprachhistorischen Zusammenhang gestellt werden. Eine kommentierte Auswahl von Textauszügen allein mit Biondo, Bruni, Poggio und Valla wurde kürzlich auf Französisch von Raffarin (2015) herausgegeben, was eine nützliche Quelle in Bezug auf die Texte darstellt, jedoch als Sekundärliteratur wenig ergiebig ist. Eine sehr umfangreiche Einleitung und ausführliche Anmerkungen zu den abgedruckten Primärtexten samt italienischer Übersetzung bieten schließlich aktuell Marcellino/Ammannati (2015), allerdings rein für die Schlüsseltraktate von Bruni und Biondo. Für das 16. Jahrhundert kann außer auf die allgemeinen Darstellungen zur questione della lingua und zur italienischen Sprachgeschichte15 nur auf Schlemmer (1983a) zurückgegriffen werden, der in seiner Untersuchung allerdings den Fokus auf das Superstrat hat,16 sowie partiell auf Marazzini (1989), der das Sprachbewußtsein vom Humanismus bis zur Romantik untersucht. Vereinzelte Hinweise finden sich auch in der auf Vorlesungen der 1970er Jahre zurückgehenden und erst kürzlich herausgegebenen Sprachwissenschaftsgeschichte von Coseriu (2020). Neuere Aufsätze, die vorliegende Debatte mitberücksichtigen und das 15. und 16. Jh. behandeln, wären Schöntag (2017b) und Eskhult (2018).
Gerade die von italienischen Wissenschaftlern verfassten Arbeiten zu dieser Thematik haben oft eher eine gesamtphilologische Ausrichtung, in dem der hier im Fokus stehende linguistische Aspekt eher beiläufig behandelt wird, d.h. auch, daß Begiffe wie Diglossie oder diastratisch wenn, dann nur beiläufig auftreten und keine durchgehende sozio- oder varietätenlinguistische Verortung der einzelnen Traktate vorgenommen wird. So verwenden beispielsweise Tavoni (1984:XII, XV) und Mazzocco (1993:192, 195, 199) allein den Terminus diglossia, aber keine Begriffe des Diasystems; Marcellino/Ammanati (2015) immerhin neben diglossia (id. 2015:23) auch diastratico (id. 2015:25), während bei Marchiò (2008) mit diesen Begriffen gar nicht operiert wird. Letztlich bieten allerdings auch Schlemmer (1983a) oder Coseriu/Meisterfeld (2003), die sehr wohl einzelne Phänomene diasystematisch benennen, keine systematische varietätenlinguistische Analyse.
Die in der Forschung nachgezeichnete Debatte wird zudem meist auf die Anfangsjahre bzw. maximal auf das 15. Jh. beschränkt (v. supra),17 während hier, aus genannten Gründen (cf. Kap. 1.2) explizit der Zeitraum auf das 16. Jh. bzw. bis Anfang des 17. Jh. ausgedehnt wird (1435–1601) und somit auch mehr Humanisten und ihre Positionen berücksichtigt werden können.
Die Spezialliteratur zu den einzelnen Protagonisten der vorliegend nachgezeichneten Debatte sind den entsprechenden Kapiteln zu entnehmen, ebenso die zahlreichen Einzelstudien zu diversen Teilaspekten des abgehandelten Themas.