Kitabı oku: «Die Krieger des alten Japan», sayfa 2

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Seppuku wurde mit dem kleineren der beiden Schwerter des Samurai durchgeführt oder mit einem Dolch (tantô). Nachdem er – wie es üblich war – ein Abschiedspoem verfaßt hatte, kniete sich der Samurai nieder. Sein Oberkörper war frei. Er schnitt sich den Bauch von links nach rechts auf und vollendete die Bewegung, indem er die Klinge in der Wunde nach oben drehte und so die Schnittwunde vergrößerte. Wenn er danach noch die Kraft dazu hatte, zog er die Klinge wieder heraus, um sie sich ins Herz oder in die Kehle zu stoßen. Die Tradition verlangte, daß man es dem Mann überließ, seinen Schmerz zu beherrschen und daß niemand eingreifen durfte, bevor das Ritual nicht »­glücklich« zu Ende gebracht worden war. Nur auf diese Weise konnte ein Mann in dieser Situation seinen Mut beweisen, und nur, wenn ihm dies gelungen war, konnte man ihm auch nach seinem Tode noch Respekt entgegenbringen. Die ganze Zeit über stand hinter dem Samurai der Assistent (kaishaku-nin) mit erhobenem Schwert. Aber erst ganz am Ende durfte er der Agonie des Sterbenden ein Ende setzten, indem er ihn mit einem einzigen schrägen Hieb enthauptete.13 Diese Rolle war heikel, da sowohl ein zu frühes als auch ein zu spätes Eingreifen falsch gewesen wäre. Der seppuku begehende Samurai mußte durch leichtes Neigen des Hauptes anzeigen, daß er seine Tat vollendet hatte, erst dann durfte der kaishaku-nin seine Aufgabe erfüllen. Als kaishaku-nin agieren zu dürfen, galt als außerordentliche Ehre, und in der Regel wurde sie nur einem Verwandten oder einem sehr engen Freund zuteil. Eine Variante des rituellen Selbstmordes war das junshi. Es bedeutete, daß ein Samurai das seppuku ausführte, um seinem Herren in den Tod zu folgen, denn es hieß, daß ein Samurai in seinem Leben nur einem einzigen Herren dienen sollte.

All die Tugenden, die den »Weg des Kriegers« (bushi-no-michi) ausmachten und dem »Wort des Kriegers« (bushi-no-ichi gon) Gewicht verliehen, wie auch die Kunst, »gut« zu leben und zu sterben, waren Bestandteil des Ehrenkodex der Samurai. Im 17. Jahrhundert kam hierfür der Begriff bushidô auf. Zuvor sprach man vom shidô, dem Weg des Edelmannes, vom mononofu-no-michi, dem Weg des Kämpfers, vom masurao-no-michi, dem Weg des Helden oder auch vom kyûba-no-michi, dem Weg des Bogens und des Pferdes. Der Begriff bushidô, Weg des Kriegers, vereinte all diese alten Begriffe und ersetzte sie schließlich. Aus dem 17. Jahrhundert stammen auch die ersten schriftlichen Aufzeichnungen zu dieser Thematik. Zuvor war das Wissen ausschließlich mündlich überliefert worden. Die erste systematische Darstellung der Konzepte des Weges der Krieger stammt aus der Feder von Yamaga Sokô (1622-1685). Sein Werk ist eine komplexe und detaillierte Darstellung der moralischen Prinzipien, nach denen ein Krieger sich streng zu richten hatte. Dies bezog sowohl die Ausübung des Waffenhandwerks als auch die anscheinend unbedeutendsten Einzelheiten des täglichen Lebens mit ein, für alles wurde klar definiert, was richtig und was falsch sei. Auch verlangte er, daß ein Krieger dem Tode gegenüber bewußt gleichgültig zu sein habe.

Aber erst in der Ära der Tokugawa kam es zur Blüte des bushidô-Konzepts. Anfang des 18. Jahrhunderts, im Jahre 1716, erschien ein Werk, das ein großer Klassiker werden sollte: das Hagakure. Hierbei handelt es sich um die gesammelten Schriften des Samurai Yamamoto Tsunetomo (1659-1719), herausgegeben durch Tashiro Tsuramoto. Das Hagakure14 (»Verborgen unter den Blättern«) bringt auf vollendete Weise den Samurai-Geist zum Ausdruck. Im Mittelpunkt des Werkes stehen die Tugenden, die dem Leben eines Kriegsmannes seinen Sinn verleihen: Dazu zählten giri (Pflicht), yû (Mut), enryo (Todesverachtung), reigi (Höflichkeit), makoto (Aufrichtigkeit, Wahrheitsliebe), hontô (Tatsächlichkeit), chûgi (Loyalität, absolute Treue), gishi (Rechtschaffenheit), shiki (Entscheidungskraft), ninyô (Menschlichkeit), bushi-no-nasake (Mitgefühl), doryô (Edelmut) und ansha (Freigebigkeit). All diese Werte beruhten auf folgendem Grundsatz: »Wenn der Samurai sich zu jeder Zeit selbstkritisch beobachtet und wenn er darüber hinaus bereit ist, sein Leben zu lassen, wann und wo dies erforderlich ist, wird er in allen Kampfkünsten vollendet sein, und er wird ein Leben führen, das rein ist wie ein Diamant.« Diese Ideen lebten im japanischen Geiste fort, selbst nach der kaiserlichen Restauration von 1868 (meiji jidai).

Dennoch änderte sich der Status der Samurai mit der Meiji-Restauration radikal. Sie verloren ihre Privilegien, ihren Daseinsgrund. Das neue Japan hatte sich für eine Armee modernen Typus entschieden, die auf der Zahlung von Sold beruhte und nicht mehr auf dem Schwur der Samurai, der sie zu lebenslanger Treue einem einzigen Herren gegenüber verpflichtete. Insbesondere wurde ihnen das Tragen der Schwerter verboten (haitôrei-Edikt von 1876). Dieser Angriff auf die geheiligte Tradition des yamato kokoro (Geist des alten Japan) stieß auf Unverständnis und führte zu Unruhen und offenem Aufruhr. Der bekannteste dieser Aufstände war die Satsuma-Rebellion (Satsuma-no-ran) unter Saigô Takamori. Aber die Neuausrichtung der japanischen Gesellschaft erwies sich als unumkehrbar. 1872 wurde der Status des Samurai abgeschafft, und die ehemaligen Krieger wurden nun entweder den Shizoku (Adlige) oder den Heimin (Bürgerliche) zugeordnet. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als die Bevölkerung Japans 20 Millionen zählte, gab es 500 000 Samurai. Zur Zeit der Meiji-Reform gab es bis zu 2,1 Millionen Shizoku, während die Einwohnerzahl des Landes auf 46,6 Millionen gestiegen war.


Samurai in der Schlacht, mit blank gezogenem katana und einem sashimono auf dem Rücken.

Allen Reformen zum Trotz ist die japanische Kultur noch heute von den Werten, denen die Samurai einst ihr Leben verschworen hatten, durchdrungen, wenn dies auch manchmal nicht ohne weiteres erkennbar ist. Sie waren bereits die Helden der melancholischen Balladen, die die im Mittelalter von Burg zu Burg ziehenden japanischen Troubadoure, die biwa hôshi, begleitet von Lautenmusik zum besten gaben. Und noch immer bringen die Schauspieler der ­kabuki- und nô-Theater15 mit den beispielhaften Lebensgeschichten der alten Samurai ihr Publikum zum Träumen, und auch aus den alten populären Romanen, Märchen und Legenden sind diese Krieger des alten Japan nicht wegzudenken.

In diesem Buch werden nun einige der Heldentaten der Samurai, die in den Augen ihrer Zeitgenossen oft an Zauberei grenzten, erzählt. Bis heute werden sie als Heilige, Heroen, Unbesiegbare angesehen, und man sagte über sie, daß ein einziger von ihnen tausend gewöhnliche Kämpfer aufwog.

»Der Klang der Glocke vom Gion-Tempel ist das Echo der Unbeständigkeit der Dinge. Die verblassende Farbe der Teebaumblüte erzählt uns, daß alles, was blüht, einst welken muß. Ja, nur einen Augenblick lang ist der Held ein Held, wie eine abendliche Träumerei im Frühling. Die Starken werden stets vernichtet. Sie sind wie Staub im Wind.«

Aus dem Heike Monogatari, Ende 12. Jahrhundert

Minamoto-no-Yoshitsune
Aristokraten und Krieger

Kyôto, Residenzstadt des Kaisers, in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Seit dem Jahre 1156 war es zu Ausbrüchen offener Gewalt zwischen rivalisierenden Parteien am Hofe gekommen.16 Der Kaiser, dessen Macht theoretisch unumschränkt war, hatte inmitten dieser unaufhörlichen Streitigkeiten allen Einfluß verloren. Das Herrschaftssystem war am Ende der Heian-Zeit17 nicht mehr lebensfähig. Allzu deutlich hatte die Aristokratie ihre Unfähigkeit zum Regieren unter Beweis gestellt, und überall im Lande, selbst in der Hauptstadt, herrschte Anarchie. Nur die Anführer der Kriegerklane würden in der Lage sein, ein Mindestmaß an zentralistischer Ordnung aufrechterhalten zu können, denn allein sie waren stark genug und verfügten über die nötigen Strukturen, damit ihre Entscheidungen umgesetzt würden.

Die Kriegerkaste (buke) hatte sich seit dem 10. Jahrhundert im Schatten der mächtigen Familie Fujiwara etablieren können. Jene Hof-Aristokraten waren mehr an Kultur als an kriegerischen Belangen interessiert. Sie bezogen ihre Einkünfte aus Besitzungen, die in ganz Japan verstreut waren. Den Schutz und auch die Verwaltung ihrer Güter vertrauten sie den Kriegsleuten an. Die politische Stabilität, die Frucht der sogenannten Fujiwara-Kultur war, begünstigte die Herausbildung einer Klasse von Berufskriegern, deren Stellung vererbbar wurde. Mit der Zeit kristallisierten sich unter den Kriegern zwei Klane heraus, jener der Taira und jener der Minamoto18. Die Klane waren sich einig gegen die Klasse der Aristokraten, denen sie gerade gut genug waren, um gegen Bezahlung für sie zu arbeiten. Was jedoch die Nachfolge der Macht anging, so herrschte zwischen den Klanen unerbittliche Rivalität. Die Taira unter ihrem Anführer Kiyomori19 lagerten in den westlichen Provinzen, und die Minamoto unter der Führung Yoshitomos20 befanden sich im Osten des Landes.

Als die Fujiwara schließlich die Gefahr witterten, die von den zur Macht drängenden Samurai-Klanen ausging, war es zu spät. Den Aristokraten war die reale Herrschaft bereits entglitten. Sie zu stürzen, würde ein Leichtes sein. Mit Einwilligung des Kaisers ergriff schließlich im Jahre 1159 Taira-no-Kiyomori die Macht. Bereits im selben Jahr brachen die Feindseligkeiten zwischen den Klanen aus. Die Heiji-Rebellion (Heiji-no-ran) hatte begonnen, das Vorspiel zum langen und schrecklichen Gempei-Krieg, in dessen Verlauf das Kriegsglück der Parteien häufig wechselte.21 In jenem Jahre wurde auch der jüngste Sohn Yoshitomos, Minamoto-no-Yoshitsune22, geboren.

Die Heiji-Rebellion endete mit einer vernichtenden Niederlage der Minamoto. Damit die Macht der Taira nie wieder in Frage gestellt würde, befahl Taira-no-Kiyomori Massenhinrichtungen unter den Familien der Minamoto. Jene Anführer der Minamoto, die die Schlachten des Heiji-no-ran überlebt hatten, wurden an den Ufern des Flusses Kamo enthauptet, einem traditionellen Hinrichtungsort. Dem Oberhaupt des rivalisierenden Klans, Minamoto-no-Yoshitomo, war es zwar gelungen, nach der Niederlage nach Owari zu fliehen, aber bereits im darauffolgenden Jahr, 1160, wurde er durch einen seiner eigenen Offiziere, Osada Tadamune, beim Bade ermordet. Der Mörder schickte seinen Kopf unverzüglich nach Kyôto.

Dieser Schlag versetzte das ganze Land in Schrecken. Wer auf Seiten der Minamoto das Massaker überlebt hatte, versuchte zunächst alles, um nicht aufzufallen, in Vergessenheit zu geraten. Aber die Unterlegenen selbst vergaßen nichts. Es waren nicht mehr viele, durch deren Adern das Blut der Minamoto rann, aber es waren noch genügend an der Zahl, daß das Verlangen nach Rache nicht zum Erlöschen kam und nur auf den Tag harrte, an dem seine Glut zur Flamme würde.

Die Offenbarung

Zunächst jedoch war der Sieg Kiyomoris so überwältigend, daß er es sich gestattete, Großmut zu beweisen. Zwanzig Jahre später, auf seinem Totenbett, sollte er dies zutiefst bedauern. Seiner selbst und seines Sieges sicher, ließ er das Leben mehrerer Söhne Minamoto-no-Yoshitomos schonen. Dies betraf den dritten Sohn, den 13jährigen Yoritomo23, und drei jüngere Söhne, die Yoshitomo von seiner Konkubine, der schönen Tokiwa Gozen24 bekommen hatte. Der jüngste von ihnen, der erst wenige Monate zählte, hieß Ushiwaka. Er sollte später den Namen Yoshitsune annehmen.

Die erstaunliche Großmut Kiyomoris hatte ihre Ursache in der außergewöhnlichen Schönheit der Dame Tokiwa. Die Frau war nach der Niederlage der Minamoto mit ihren Kindern nach Norden geflohen und hatte im Dorf Ryûmon Unterschlupf gefunden. Doch Kiyomori nahm ihre Mutter als Geisel, und Tokiwa Gozen lieferte sich daraufhin dem Oberhaupt der Taira aus. Von ihrer Schönheit geblendet, machte Kiyomori sie zu seiner Mätresse und verschonte die Kinder. Was sollte er von der Zukunft schon fürchten? Yoritomo, dessen Mutter von höherem Rang als Tokiwa gewesen war, wurde nach Izu verbannt, wo er unter strenger Aufsicht stand. Die anderen Kinder durften zunächst bei Tokiwa bleiben.


Flucht der Tokiwa Gozen mit ihren Kindern durch den Schnee. Holzschnitt von Utagawa Kuniyoshi.

Kiyomori war es gelungen, im Ergebnis des Krieges seine Familie zu den höchsten Würden gelangen zu lassen. Er ließ sich zum Regierungschef unter einem Marionettenkaiser ernennen. Weitere Schlüsselpositionen der Macht besetzte er mit seinen Kindern. Mit der Zeit wurden die Taira den letztendlich mehr beneideten als gehaßten Fujiwara-Aristokraten immer ähnlicher. Ihre Lebensweise verfeinerte sich, und sie führten ein eleganteres Dasein. Manche gingen so weit, sich Ahnennachweise zu kaufen, um als Adlige auftreten zu können.

Der Taira-Klan verweichlichte, und er wiegte sich in trügerischer Sicherheit. Dieses Gefühl der Sicherheit wurde zum ersten Mal erschüttert, als der junge Thronfolger Mochihito in der Folge einer dunklen Palastintrige, in die auch Kaiser Go-Shirakawa verwickelt war, versuchte, mit Hilfe der überlebenden Minamoto die Macht zu ergreifen. Die Minamoto hatten sich in mehreren Provinzen erhoben. Minamoto Yorimasa brachte den Thronfolger in Sicherheit und versperrte den Truppen der Taira mit nur 300 Samurai den Weg. Er hatte hierfür die Brücke über den Fluß Uji in der Nähe des Biwa-Sees ausgewählt. Yorimasa hatte den Belag in der Mitte der Brücke entfernen lassen, und als die Taira im nebligen Morgengrauen angriffen, stürzten viele von ihnen durch die Öffnung in den Tod. Diese Finte und zahllose Heldentaten der Aufständischen kostete Hunderte der Taira-Ritter das Leben. Aber deren Übermacht war so überwältigend, daß die Minamoto von vornherein chancenlos waren. Die Rebellen wurden vernichtend geschlagen. Yorimasa, der durch einen Pfeil verletzt worden war, beging, auf seinem Fächer sitzend, im nahegelegenen Tempel Byôdô-in rituellen Selbstmord.25

Erneut triumphierte Taira-no-Kiyomori, und er begann, an seine Unbesiegbarkeit zu glauben. »Wer kein Taira ist, besitzt kein menschliches Antlitz«, verkündete der von Ruhm und Macht Trunkene. Es schien, daß er das Land fest im Griff hatte. Ein sehr wirksames Instrument seiner Schreckensherrschaft war eine aus etwa 300 jugendlichen weiblichen Pagen, den kamuro, bestehende Einheit. Die kamuro trugen rote Uniformen, und ihre Aufgabe bestand im Spionieren und Denunzieren. Jeder, der durch sie des kleinsten Zeichens des Ungehorsams oder der Unzufriedenheit gegenüber dem allmächtigen Herrschaftsklan überführt wurde, wurde unverzüglich verhaftet.

Kiyomori überließ Tokiwa Gozen schließlich seinem Schatzmeister, Fujiwara-no-Naganari, welcher sie heiratete. Von da an verlief das Leben der Dame Tokiwa sehr traurig, denn sie mußte mit ansehen, wie die drei bei ihr verbliebenen Söhne Yoshitomos einer nach dem anderen in ein Kloster geschickt wurden. Dies geschah auf Befehl Kiyomoris, der damit der Gefahr der Blutrache vorbeugen wollte. Ihr jüngster Sohn, Ushiwaka, wurde im Alter von sieben Jahren ins Kloster Kurama-dera geschickt. Zu jener Zeit ahnte er noch nichts von seiner wahren Herkunft, er hielt sich für einen leiblichen Sohn Naganaris.

Während seiner Novizenschaft in der Obhut der Mönche des wilden Kurama-Gebirges galt er zunächst als verschlossener Einzelgänger. Doch eines Tages offenbarte ihm ein alter Mönch, daß er der neunte und letzte Sohn des Minamoto-no-Yoshitomo sei und daß es seine Pflicht sei, dessen Andenken zu rächen. Der junge Ushiwaka war von dieser Enthüllung überwältigt, und unter Tränen schwor er Rache für das vergossene Blut der Minamoto, das Blut der Seinen. Sein wahres Wesen konnte sich nun frei entfalten. Er war von unabhängiger, unzähmbarer Natur, und die klösterliche Disziplin widerstrebte ihm. Es war ihm unmöglich, irgendeine Form von Autorität anzuerkennen. Der Legende nach lehrten niemand anders als die berühmten Tengu26, diese mysteriösen Wesen, die im Gebirge hausten, Ushiwaka bei seinen zahllosen Streifzügen durch die Wälder die Kunst des Umgangs mit dem Schwert sowie die Kunst des Kampfes mit bloßer Hand und mit dem eisernen Fächer (tessen).

Von der Gewißheit getrieben, dem Ruf seines Schicksals folgen zu müssen, verließ Ushiwaka um das Jahr 1174 Kurama-dera und begab sich nach Norden. Wenig ist wirklich bekannt aus diesem Lebensabschnitt des künftigen Yo­shitsune, doch dieser Mangel an Wissen erwies sich als reicher Nährboden für Legenden. Bis zum Jahr 1180, in dem es ihm gelang, sich mit Yoritomo zu verbünden und von dem an sein Leben Gegenstand der Geschichtsschreibung ist, sind nur Hypothesen möglich über das, was sich ereignet haben mag. Es ist schwer vorstellbar, daß der halbwüchsige Ushiwaka sich ganz allein auf einen so langen und gefährlichen Weg bis zur nördlichen Spitze der Insel Honshû gemacht hat. Man sagt, daß Kichiji, ein Goldhändler, der von der wahren Identität Ushiwakas erfahren hatte, eines Tages nach Kurama-dera kam und dem Jungen anbot, ihn heimlich nach Hiraizumi, der Hauptstadt der Provinz von Mutsu (Ôshû) zu bringen, bis zu welcher der Einfluß der Taira nicht reichte. Es heißt auch, daß das Angebot des Händlers nicht ganz uneigennützig gewesen sein soll und er sich davon eines Tages großen Vorteil erhoffte.


Yoshitsune bei den Tengu. Zwei Holzschnitte eines Triptychons von Utagawa Kunisada.

Hiraizumi konnte es an Reichtum und Eleganz mit Kyôto aufnehmen. Der dort lebende Herrscher war Fujiwara-no-Hidehira, der auf der Seite der Minamoto stand. Hier würde Ushiwaka in Sicherheit sein. Es wird auch berichtet, Ushiwaka habe auf seinem Weg dorthin in Owari (Nagoya) Rast gemacht, um den Tempel von Atsuta-jingû zu besuchen, wo er aus dem Munde des Tempelvorstehers von der Existenz seines älteren Halbbruders Yoritomo erfahren haben soll. Jener Tempelvorsteher soll es auch gewesen sein, der ihn beschwor, Yoritomo aufzusuchen und sich mit ihm zu vereinen, damit die Brüder den Klan der Minamoto um sich scharen könnten. Es könnte auch in jener Nacht gewesen sein – oder aber, anderen Berichten zufolge, ein Jahr später in Mutsu –, daß Ushiwaka zur gempuku-Zeremonie27 zugelassen wurde und dabei seinen Männernamen, Yoshitsune, erhielt, unter dem er berühmt werden sollte. Auch soll es während dieser Reise gewesen sein, daß er sich auf recht ungewöhnliche Weise mit dem Werk »Die Kunst des Krieges« vertraut gemacht hat. Um Zugang zu dem seltenen Werk des chinesischen Strategen Sun Tsu28 zu erhalten, das sich im Besitz eines Taira-Herren befand, verführte er dessen Tochter und besuchte sie während 16 aufeinanderfolgenden Nächten. Dabei soll er auch die Zeit gefunden haben, das berühmte Traktat zu studieren.

Benkei, ein Gefährte fürs Leben

Einst reiste der junge Yoshitsune auch durch Kyôto, wo er Benkei29 kennenlernte. Benkei, dessen Name untrennbar mit dem Yoshitsunes verbunden ist, ist eine weitere legendäre Persönlichkeit der japanischen Mythologie. Er soll der Sohn eines Bonzen30 aus dem Tempel von Kumano in der Provinz von Kii gewesen sein, es heißt aber auch, er sei ihn Wahrheit der Sohn eines Tengu, dem seine Mutter auf einem Waldweg begegnet ist. Nicht weniger als drei Jahre soll die Schwangerschaft seiner Mutter gedauert haben, und als er schließlich zur Welt kam, soll er schon lange Haare und all seine Zähne gehabt haben. Aufgewachsen ist er im Tempel Enryaku-ji, dessen Hütern er anvertraut worden war. Man verlieh ihm dort aufgrund seiner spontanen und gefährlichen Streiche den Spitznamen »Dämonenkind« (oniwaka-maru). Als er Bonze wurde, nahm er den Namen Musashibô an. Aber mit einer Körpergröße von acht Fuß31 war er ein höchst ungewöhnlicher Mönch, und er hatte zudem den Ruf, die Kraft von Dutzenden Männern zu haben.

Es gibt in Japan noch heute Gegenstände, die mit seiner Person in Beziehung stehen, wie z. B. einen Kessel und eine Glocke, die im Tempel von Mii-dera aufbewahrt werden. Hiermit hat es folgende Bewandtnis. Benkei hatte den Tempel Enryaku-ji verlassen, da er ein zurückgezogenes Leben in einer kleinen Einsiedelei anstrebte. Eines Tages befiel ihn jedoch der unwiderstehliche Drang, den seiner Ansicht nach allzu trübseligen Mönchen von Mii-dera einen Streich zu spielen. Er begab sich dorthin, und man gewährte ihm das Gastrecht. Eines Nachts zerschnitt er den Strick, an dem die Bronzeglocke hing, deren klarer Klang im ganzen Land bekannt war. Er lud sich die außerordentlich schwere Glocke auf die Schultern und trug sie ins Gebirge. Dort wollte er die Gemeinschaft von Mii-dera im Morgengrauen damit überraschen, daß er die gestohlene Glocke zum Klingen brachte. Er stellte sie zu Boden und schlug mit einem jungen Baum, den er ausgerissen hatte, gegen sie. Der Klang war natürlich kläglich. Benkei geriet darüber in Zorn und stieß die Glocke mit dem Fuß, so daß sie unter großem Getöse zu Tale rollte. Die empörten Mönche verlangten von Benkei, daß er die Glocke zurückbrachte und wieder dort aufhing, wo sie hingehörte. Für einen Kessel voll Bohnen war Benkei denn auch gern bereit, dies zu tun.

Später befand sich dieser furchterregende Kriegermönch (Yamabushi) in Kyôto. Seine Beschäftigung bestand darin, jedem, der die Gojo-Brücke passieren wollte, das Schwert abzunehmen. Er hatte den Schwur geleistet, mit dem Erlös aus dem Verkauf von tausend auf diese Weise entwendeten Schwertern einen Tempel wiederaufzubauen. Die Legende erzählt, daß eines Nachts die Zeit gekommen war, daß er das tausendste Schwert erwartete. Er trug eine schwarze Rüstung, die seine stahlharten Muskeln bedeckte und hielt eine naginata32 in der Hand. Der riesenhafte, breitgebaute Mann versperrte den Durchgang wie eine feste Mauer. Er spähte mit furchteinflößendem Blick unter seinen dichten Augenbrauen hervor in die Finsternis. Plötzlich vernahm er den zarten Klang einer Flöte und sah, wie sich ihm die grazile Silhouette eines Jungen näherte. Der Junge war in einen recht unförmigen Umhang gehüllt, und er schlenderte unbekümmert vor sich hin. Benkei hatte jedoch nur Augen für das wundervolle Schwert, das aus dem Umhang des Reisenden hervorragte und dessen lackierte Scheide im Mondschein schimmerte. »Das ist genau das, was ich brauche, um meine Sammlung zu vollenden«, murmelte er vor sich hin. Er machte einen gewaltigen Satz, senkte die Hellebarde und rief: »Bürschchen, gib mir dein katana, und ich lasse dich deines Weges ziehen!«

Yoshitsune, der noch nicht einmal zu ihm aufgeblickt hatte, beendete sein Flötenspiel und richtete schließlich den Blick auf die riesenhafte Gestalt, die im Mondschein vor ihm aufragte. »Ach, Ihr seid es, der Schwertdieb. – Ihr müßt verrückt sein, wenn Ihr glaubt, daß ich Euch mein katana aushändige. Ihr solltet lieber schlafen gehen«, antwortete er mit sanfter Stimme.

Benkei stand vor Verblüffung der Mund offen. »Was für ein dummes und überhebliches Bürschchen!« dachte er. Wütend darüber, daß seine Bedrohung nicht ernst genommen wurde, wirbelte Benkei seine Hellebarde einmal herum und stieß sie nach vorn. Zu seinem größten Erstaunen vollbrachte es der Jungen, dem Stoß auszuweichen, hinter seinen Rücken zu gelangen und ihm einige Male mit dem tessen33 auf den Rücken zu schlagen. Immer wieder versuchte Benkei, Yoshitsune zu treffen, aber dieser hielt ihn regelrecht zum Narren. Man sagt sogar, daß selbst die Tengu erfolglos versuchten, ihm in dieser Nacht zu helfen, damit er zu seinem tausendsten Schwert gelangte.

Doch schließlich stieß Benkei versehentlich seine naginata so tief in das Holz eines Brückenpfeilers, daß sie steckenblieb. Halb besinnungslos vor Zorn versuchte Benkei, die Waffe zu befreien, als plötzlich der Jüngling seinen Umhang abwarf. Er war in eine rote Rüstung gekleidet. »Es reicht«, sagte Yoshi­tsune und zog das Schwert. »Ihr benötigt offenbar wirklich eine Lektion.«

Der Kampf war schnell und kurz. Der Riese sank verwundet auf die Knie, verblüfft über solch eine unglaubliche Geschicklichkeit in der Kunst des Kämpfens, und erwartete den Gnadenstoß. »Ich bitte nur um eines«, keuchte er, »sagt mir Euren Namen, junger Herr!«

»Ich bin Minamoto-no-Yoshitsune«, erwiderte der Jüngling und reichte ihm die Hand. »Eure Wunde muß behandelt werden«, fügte er hinzu.

»Nun, Minamoto-no-Yoshitsune, lasset mich den Rest meiner Tage an Eurer Seite verbringen!« rief Benkei, indem er sich rückhaltlos vor seinem Besieger zu Boden warf. Und so geschah es. Von diesem Tage an war Benkei der Schatten Yoshitsunes. Bis zu seinem letzten Tag sollte er seinen Meister aufrichtig bewundern und ihm grenzenlos ergeben bleiben.

Tatsächlich gibt es über diese Zeit auch eine Legende, nach welcher Yo­shitsune einen Wegelagerer namens Ise-no-Saburô auf ähnliche Weise »bekehrte«. Doch dieser spielt in der weiteren Lebensgeschichte Yoshitsunes keine Rolle.

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23 aralık 2023
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ISBN:
9783938305508
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