Kitabı oku: «Die Krieger des alten Japan», sayfa 7
Das Turnier im Tempel von Kashima
Im Jahre 1511 erreichte eine Botschaft des Shôguns Ashikaga den Tempel von Kashima. Der Shôgun verlangte, daß man den besten Vertreter der »sieben Schulen von Kantô« nach Kyôto entsandte, damit er dort im Zweikampf gegen den Meister der Kaiserstadt antrat. Die »acht Schulen aus Kyôto« standen in klassischer Rivalität zu den Kampfkunstschulen aus der Gegend um Edo, d. h., aus der Region Kantô. Der Herr von Kashima beschloß daraufhin, ein Auswahlturnier zu organisieren. Am dafür festgelegten Tag kamen zahlreiche Samurai nach Kashima, die gewillt waren, die Herausforderung anzunehmen und um die Ehre zu streiten, Kashima in Kyôto zu vertreten. Der Tempel, in dem es sonst sehr ruhig zuging, füllte sich mit Zuschauern, die teilweise von sehr weit her angereist waren, um dem Schauspiel beizuwohnen. Jede Kampfkunstschule aus der Region Kantô stellte einen Kandidaten. Die Zweikämpfe versprachen äußerst spannend zu werden.
Dem 23jährigen Urabe Tsunetaka, einem älteren Halbbruder Takamotos, wurde die Ehre zuteil, die Schule seiner Familie zu repräsentieren. Doch die Dinge liefen nicht so ab, wie sie geplant worden waren. Von den ausgewählten sieben Kandidaten standen am Tag des Turniers lediglich vier auf dem Kampfplatz. Zwei der Anwärter waren am Abend zuvor in Streit miteinander geraten und hatten sich gegenseitig getötet. Und Tsunetaka wurde an der Teilnahme durch einen hinterhältigen Angriff gehindert: Kaum hatte er sich zu Bett begeben, sprang einem Schatten gleich ein Angreifer aus seinem Versteck und hieb ihm den rechten Arm ab. Bevor Tsunetaka in Ohnmacht fiel, konnte er noch um Hilfe rufen, was ihn wahrscheinlich vor einem zweiten, tödlichen Schwerthieb bewahrte. Natürlich konnte er unmöglich am Turnier teilnehmen. Aber als er aus seiner Ohnmacht erwachte, bat er ohne zu zögern darum, daß Takamoto unverzüglich an seiner Stelle zum Kandidaten berufen würde, damit er die Ehre der Familie und ihrer Schule verteidige.
Einer Überlieferung zufolge war es bei dieser Gelegenheit, daß der neuernannte Meisterkandidat der Familie Tsukahara, Takamoto, den Namen Bokuden erhielt. Eine andere spricht allerdings davon, daß erst viele Jahre später Takamoto selbst diesen Namen für sich wählte.
Der hinterlistige Angreifer war über die Berufung Takamotos bereits auf dem Laufenden, denn noch in derselben Nacht versuchte er, den neuen Kandidaten auf die gleiche Weise aus dem Felde zu schlagen wie seinen Bruder. Doch Bokuden schlief nicht. Er war überzeugt, daß der Angriff auf seinen älteren Bruder nur deshalb hatte erfolgreich sein können, weil dieser einen Moment lang seine Aufmerksamkeit hatte erlahmen lassen. All seine Sinne waren angespannt. Plötzlich spürte sein hellwacher Geist den sakki, die schreckliche Tötungsabsicht im Bewußtsein des Meuchelmörders, der sich zusammengekauert im Schatten verbarg. Er erahnte den metallischen Blitz, der aus dem Dunkel auf ihn geschleudert wurde, mehr, als daß er ihn sah, und warf sich zur Seite. Schon stand er kampfbereit, das blank gezogene Kurzschwert in der Hand. Der Angreifer stieß erneut mit seiner Lanze zu, doch er verfehlte ihn. Der Schatten des Angreifers verschwand in den Tiefen des Gartens des Hauses der Tsukahara, aber Bokuden konnte für einen Augenblick im Mondschein seine Silhouette erkennen. Mit einer knappen Bewegung schleuderte er sein Schwert in deren Richtung und traf den Flüchtigen an der linken Wade. Dennoch gelang es diesem, unerkannt zu entkommen. Bokuden setzte die Verfolgung nicht fort, er war sich sicher, ihn am nächsten Tag erkennen zu können. Er hatte guten Grund zu der Annahme, daß es sich um denselben Angreifer handelte, der wenige Stunden zuvor seinen Bruder so feige überfallen hatte. Der Morgen graute bereits. Das Turnier versprach in der Tat außerordentlich interessant zu werden.
Der Vormittag war den Opferzeremonien für die Götter und den rituellen Reinigungen vorbehalten. Die Turnierkämpfe würden am Nachmittag beginnen. Der Turnierplatz im Tempelhof war durch einen Bambuszaun von den Zuschauern abgetrennt. Es wurden zahlreiche Wetten abgeschlossen. Die Regeln waren einfach. Derjenige, der aus einem Kampf als Sieger hervorgehen würde, blieb in der Einfriedung und kämpfte daraufhin mit dem nächsten Gegner. Aus Sicherheitsgründen sollten die Zweikämpfe mit dem Holzschwert ausgefochten werden. Als sein Name aufgerufen wurde, begab sich Bokuden festen Schrittes in die Mitte des Turnierplatzes. Aber als sein Gegner, ein Kämpfer namens Ogano Sadamichi, von der anderen Seite her den Platz betrat, stutzte er einen Augenblick lang. Ogano hinkte leicht. Er versuchte es sichtlich zu verbergen, aber dem aufmerksamen Blick Bokudens entging nicht, daß er das linke Bein ein wenig nachzog. Es konnte niemand anders sein, als der nächtliche Angreifer! »Ich verlange, daß der Kampf mit dem echten Schwert geführt wird!« rief Bokuden zur allgemeinen Verblüffung laut aus.
Die Schiedsrichter versuchten ihm begreiflich zu machen, daß niemand hier Interesse an einem Kampf auf Leben und Tod hatte, aber Bokuden beharrte auf seinem Willen. Er wollte seinen Bruder rächen, der, wie er fest glaubte, von Oganos Hand verstümmelt worden war. Er erklärte den Umstehenden den Grund für seine Forderung und verlangte, daß Ogano seine linke Wade entblöße. Oganos Gesicht wurde bleich, und er verlangte Genugtuung für diese unerhörte Beleidigung. So sollte der Kampf denn also mit scharfer Klinge ausgefochten werden! Die Schiedsrichter bewahrten die Fassung und willigten schließlich ein. Die Zuschauer verstummten, ergriffen von der Dramatik der Ereignisse. Bokuden blickte haßerfüllt auf seinen Gegner, während jener leicht auf seinem verletzten Bein schwankte. Einer von ihnen würde sterben.
Samurai mit Lanze.
Ogano ging mit erhobenem, gegen die Brust Bokudens gerichtetem Schwert vor, während letzterer den Abstand mit kleinen Gleitschritten aufrechterhielt und sehr langsam das Schwert schräg über seine rechte Schulter hob. Die Spannung war nahezu unerträglich. Plötzlich ergriff Bokuden die Initiative und verkürzte den Abstand, der ihn von seinem Gegner trennte. Sofort griff Ogano an, und genau das war es, was Bokuden gewollt hatte. Bokuden drehte sich zur Seite, parierte und schlug zurück. Ogano verspürte einen scharfen Schmerz im Ellbogen. Er stürzte zu Boden und sah zu seinem Entsetzen, daß dort bereits sein rechter Unterarm in einer Blutlache lag. Ogano wurde vom Turnierplatz getragen und zu den Seinen gebracht, wo seine Wunde versorgt wurde. Doch eine derartige Entehrung vermochte er nicht zu ertragen. Kaum, daß man ihn allein gelassen hatte, beging er nach allen Regeln den rituellen Selbstmord, seppuku.
Nun waren noch vier Kontrahenten im Spiel. Higuchi Mitsuyoshi, der den Nen-ryû praktizierte, Matsumoto Masanobu Naokatsu, Bokudens alter Lehrer, der im Turnier den Shin-ryû vertrat, Kamei Shinjûrô, ein Kämpfer mit der Lanze (yari) aus dem Muhen-ryû, den man den »Phönix der Lanze« nannte, und schließlich Bokuden, der für den Shinkage-ryû eingeschrieben war, da er am Turnier als Schüler Kamiizumi Nobutsunas teilnahm. Jeder der vier galt als herausragender Meister, und die Zuschauer durften einen Wettkampf ersten Ranges erwarten. Zunächst wurden Kamei Shinjûrô und Higuchi Mitsuyoshi aufgerufen. Bokuden beobachtete sehr aufmerksam ihren Kampf, denn gegen den Sieger würde er möglicherweise antreten müssen. Große Überraschungen gab es nicht. Kamei Shinjûrô setzte seine Lanze mit großem Geschick ein, und Higuchi Mitsuyoshi wehrte die Angriffe nicht minder geschickt ab. Doch sein bokken war gegenüber der Lanze einfach zu kurz, und all seine Ausweichmanöver bewahrten ihn nicht davor, das Gleichgewicht zu verlieren und zu Boden zu fallen. Er hatte versucht, seinem Gegner allzu nahe zu kommen, und das hatte sich als taktischer Fehler erwiesen. Bokuden dachte, daß es klüger gewesen wäre, die Lanze von Kamei Shinjûrô anzugreifen, statt ihren Träger zu attackieren.
Samurai mit Schwert.
Tatsächlich wurde er als nächster in die Umzäunung gerufen. Entschlossen ging er in Bereitschaftsstellung. Shinjûrô begann sogleich, ihn mit der Lanze anzugreifen, mit Stößen und fegenden Schlägen, doch es gelang ihm, allen Angriffen auszuweichen. Plötzlich schlug Bokuden mit außerordentlicher Gewalt sein bokken gegen den Lanzenschaft, so daß dieser glatt zerbrach. Wie ein Wirbelwind drehte er sich um die eigene Achse und griff Shinjûrô von der Seite an. Aber in diesem Moment ereignete sich etwas Seltsames. Vor den wie versteinert dastehenden Zuschauern schwang sich Shinjûrô, seinem Namen »Phönix der Lanze« gerecht werdend, auf den Rest seiner Waffe gestützt, vertikal in die Höhe und über den Vorhang hinweg, hinter dem die Kandidaten darauf warteten, den Turnierplatz zu betreten, bevor Bokuden ihn auch nur mit seinem bokken berühren konnte. Ein großer Tumult brach aus. Die Zuschauer schrien vor Begeisterung, aber es gab auch Wutschreie von jenen, die mit hohem Einsatz auf Shinjûrô gewettet hatten. Doch Shinjûrô kam nicht auf den Turnierplatz zurück. Man raunte, daß er eine Technik, die den Namen »Flug des Tengu« (Tengu tobi kiro-no-jutsu) trug, eingesetzt hatte. Die Schiedsrichter diskutierten kurz miteinander und erklärten darauf Bokuden zum Sieger.
Ein Kampf blieb noch zu bestehen. Bokuden mußte gegen Matsumoto Masanobu antreten, und dieser war nicht irgend jemand. Nicht nur, daß Matsumoto doppelt so alt war wie er und sein Ruf als vollendeter Krieger unerschütterlich war – er war einst sein Lehrer gewesen und Schüler seines Vaters! Bokuden hatte ihm vieles zu verdanken, und das Bewußtsein davon machte die Angelegenheit für ihn nicht einfach. Dennoch fand der Kampf statt, und er war von Anfang bis Ende vom Geiste gegenseitigen Respekts durchdrungen. Matsumoto verfügte über größere technische Erfahrung, Bokuden über die Energie der Jugend. Plötzlich zerbrach Bokudens bokken unter einem Schlag der gegnerischen Waffe. Er warf den Rest des Holzschwertes zu Boden und verlangte, daß der Kampf unbewaffnet, mit bloßen Händen fortgesetzt würde. Dies war eine in solchen Situationen verbreitete Praxis. Matsumoto, der ein ehrenhafter Mann war, warf sofort seine eigene Waffe weg. Die beiden Männer ergriffen einander und rollten über den Boden. Dem 44jährigen Krieger ging bald der Atem aus. Mit einer raschen Bewegung setzte Bokuden Matsumoto seine Handkante an die Kehle. Wäre es eine Klinge gewesen, so wäre Matsumoto ein toter Mann gewesen. Die Schiedsrichter erklärten, daß Matsumoto den Kampf mit dem Schwert gewonnen habe und Bokuden den unbewaffneten Kampf. Das Ergebnis sei deshalb unentschieden. Matsumoto jedoch erklärte edelmütig seinen ehemaligen Schüler zum Gewinner. Auf diese Weise wurde Tsukahara Bokuden zum Meisterkandidaten gekürt, der zum Turnier, das bald in der Kaiserstadt Kyôto stattfinden sollte, antreten würde.
Die feinste Klinge Japans
Es gab sehr viele Schwertkämpfer in Kyôto, seit zu Anfang des 14. Jahrhunderts der Sitz der Militärregierung, des Bakufu, von Kamakura dorthin verlagert worden war. Kyôto war seither das politische und kulturelle Zentrum des Landes und auch Hauptstadt der Kampfkünste. Die Legende besagt, daß die »acht Schulen von Kyôto« auf den buddhistischen Mönch Kiichi Hogen zurückgingen, der im 11. Jahrhundert eine besondere Schwertkampfkunst entwickelt haben soll. Weiter heißt es, daß er diese Kunst acht Mönchen vom Berg Kurama gelehrt habe, von denen jeder in der Folge eine eigene Schule gründete. Sämtliche Schwertkämpfer aus Kyôto gehörten einer dieser Schulen an. Alle acht Schulen vermittelten eine Kampfkunst auf gleichermaßen hohem Niveau. Auch in Kyôto gab es demzufolge ein Auswahlturnier in Vorbereitung des großen Wettkampfes. Es fand im Garten des Ministers Hosokawa statt. Am Ende standen sich der 47jährige Okamoto Shunko und der 31jährige Ochiai Yoshitsugu gegenüber. Es gab in diesem letzten Kampf keinen klaren Sieger, aber die Schiedsrichter erklärten schließlich Okamoto Shunko zum Gewinner. Diese Entscheidung wurde durch den darüber in höchstem Maße erzürnten Ochiai angefochten, aber seinem Einspruch wurde nicht stattgegeben.
Somit war entschieden, daß Okamoto Shunko in den Tempelgärten von Kiyomizu (Kiyomizu-dera) in Gegenwart des Shôguns Ashikaga Yoshitada gegen Bokuden zum Zweikampf antreten würde. Am Tag der Entscheidung drängten sich zahlreiche Vasallen des Shôguns und angesehene Persönlichkeiten aus Kyôto um den Turnierplatz, der durch Stoffbahnen von den Zuschauern getrennt war. Die beiden Meisterschaftskandidaten erschienen. Sie verneigten sich ehrfurchtsvoll vor dem Shôgun, dann vor den Schiedsrichtern und nahmen schließlich wenige Meter voneinander entfernt Bereitschaftshaltung ein. Bokuden sah seinen Gegner, der vom Alter her sein Vater hätte sein können, zum ersten Mal. Er konzentrierte sich auf seine Atmung und versuchte, seine Aufmerksamkeit nicht vom gegnerischen bokken fesseln zu lassen, das völlig bewegungslos im Raum zu stehen schien. Als er plötzlich angriff, war es, als hätte sein Schwert die Entscheidung hierfür gefällt, der Regel entsprechend, daß das Schwert gleichsam aus der Oberfläche eines ruhigen Gewässers hervorbrechen möge. Okamoto parierte den Schlag, wie Bokuden es erwartet hatte. Aber der junge Kämpfer hatte den Schlag nicht mit vollem Einsatz geführt, so daß er sein bokken blitzschnell zurückziehen und unmittelbar darauf einen heftigen Schlag auf die gegnerische Waffe ausführen konnte. Das bokken Okamotos zerbarst, und Bokuden, der seine Waffe vollendet unter Kontrolle hatte, setzte energisch deren Spitze an den Hals des Gegners. Der Kampf war beendet. Er war nun unangefochten der beste unter den Schwertkämpfern Japans, und der Bericht von dem Kampf verbreitete sich in Windeseile in der Stadt und bald auch im ganzen Lande.
Bokuden beschloß, für einige Zeit in Kyôto zu bleiben. Seine Berühmtheit war bereits so groß, daß er regelmäßig von den Persönlichkeiten der Stadt eingeladen wurde. Auch führte sein Ruf schon sehr bald verschiedene Schwertkämpfer zu ihm, die ihn darum baten, von ihm unterrichtet zu werden. Es heißt, daß die Erfindung des Bambusschwerts auf ihn zurückgeht, auch wenn manche Chronisten sie Kamiizumi Hidetsuna, der eine Generation später auf den Plan trat, zuschreiben. Das Bambusschwert, fukuro-shinai, bestand aus Bambuslamellen, die in eine Lederhülle gestopft wurden. Es war dafür bestimmt, das bokken für die Trainingskämpfe im dôjô zu ersetzen. Die Schläge wurden durch die verhältnismäßig flexible Klinge gedämpft. Diese Erfindung erlaubte sehr harte Trainingspraxis, ohne daß dabei schwere oder gar tödliche Unfälle, wie sie beim Umgang mit dem bokken oft vorgekommen waren, in Kauf genommen werden mußten.
Mit 23 Jahren war Bokuden bereits eine Persönlichkeit ersten Ranges. Keinem, der ihm beim Fechten zusah, konnte sein ausgeprägtes Gespür für den Kampf entgehen. Exemplarisch hierfür ist die folgende verbürgte Begebenheit. Eines abends war er bei Rokkaku, einem hohen Herrn, zum Abendessen geladen gewesen. Nachdem er sich verabschiedet hatte, begleitete ihn ein Diener zum Ausgang, der sich am Ende eines langen Korridors befand. Plötzlich befiel ihn ein deutliches Gefühl drohender Gefahr. Es äußerte sich in einem anhaltenden Schauder entlang seiner Wirbelsäule. Ohne auch nur einen Augenblick nachzudenken, zog er in dem Moment, als er an einem großen Wandschirm vorüberging, sein Kurzschwert, das wakizashi. Seine Bewegung war kaum wahrnehmbar, aber der leichte Stoff zerriß und färbte sich sofort mit Blut, und es war ein dumpfes Geräusch hinter dem Schirm zu vernehmen. Der Diener rief sogleich um Hilfe, und man entdeckte hinter dem Schirm die in sich zusammengesunkene Gestalt eines schwarzmaskierten Mannes, dessen Körper von der Schulter bis zum Bauch aufgeschlitzt war. Die Verblüffung wuchs noch mehr, als man den Leichnam als den des Ochiai Yoshitsugu identifizierte, jenes Kämpfers, der so vehement gegen den Sieg Okamoto Shunkos Einspruch erhoben hatte. Er hatte die Kränkung, daß der Fremdling Bokuden die örtlichen Meister deklassiert hatte, nicht ertragen können. Als man Bokuden fragte, warum er denn nicht daran gedacht habe, sein katana zu verwenden, das über eine längere Klinge verfügte, antwortete er ganz selbstverständlich, daß er wohl intuitiv daran gedacht haben mußte, daß auf diese Entfernung und in einem solch engen Korridor sein Langschwert nicht geeignet gewesen wäre, denn es wäre ihm nicht einmal die Zeit geblieben, es zu ziehen.
Der Kenshi
Bokuden war zum unangefochtenen Meister geworden. Er galt nun als kenshi, als »Heiliger des Schwerts«, dessen Fähigkeiten die der gewöhnlichen Sterblichen überstiegen. Die Schnelligkeit, mit der er seine Techniken ausführte, und dies stets vollkommen beherrscht und auf natürlichste Weise, grenzte ans Wunderbare. Er war das Gesprächsthema in Kyôto. Natürlich waren auch etliche Frauen in den schönen jungen Mann verliebt, der so voll Kraft und Anmut war. Nachdem er sechs Monate lang in der Stadt geweilt hatte, entschloß er sich dennoch, sie zu verlassen, nicht ohne zu versprechen, wiederzukommen. In dieser Zeit geschah es, daß er Yuki kennenlernte, die Tochter eines Priesters im Tempel von Kashima.
Dies ereignete sich während eines Festessens, das im Frühjahr anläßlich des Kirschblütenfestes stattfand. Bokuden saß am selben Tisch wie Okamoto Toshinao, der Sohn Okamoto Shunkos, den er während des Turniers von Kyôto besiegt hatte. Toshinao war während des Turniers nicht in Kyôto gewesen, und er hatte nicht begreifen können, wie es möglich gewesen war, daß sein Vater den Zweikampf verloren hatte. Er hatte daraufhin Bokuden zum Kräftemessen herausgefordert, doch dieser hatte ihn im friedlichen Wettstreit klar besiegt. An jenem Tage sah er seine Chance für eine Revanche gekommen, und dies vor einem großen Publikum. Unverhofft erhob er sich von der Tafel und ging in den Garten zu einem Kirschbaum. Alle Blicke folgten ihm. Man sah kaum, daß er eine Bewegung gemacht hatte, aber alle hatten seinen kraftvollen kiai61 vernommen. Verblüfft sahen die Gäste, daß Toshinao in der Linken einen abgetrennten Zweig des Kirschbaums hielt und in der Rechten sein katana, während Blütenblätter auf ihn herabschneiten. Toshinao begab sich zu einer jungen Frau und überreichte ihr den Zweig mit den folgenden Worten: »So ist es am Hofe von Kyôto Brauch, wenn ein Mann der schönsten Frau einer Gesellschaft die Ehre erweisen will.« Dabei warf er einen kurzen, selbstgefälligen Blick auf Bokuden, während die Höflinge ihm für seine Glanzleistung applaudierten.
Bokuden fühlte sich genötigt, es Toshinao gleich zu tun, auch wenn es ihm widerstrebte. Nach einigem Zögern zuckte er mit den Schultern und begab sich ebenfalls zu dem Baum. Man vernahm kaum seinen kiai, den er mit sehr tiefer Stimme ausstieß. Schon steckte sein Schwert wieder in der Scheide, und er hielt einen Kirschzweig in der rechten Hand. Kein einziges Blütenblatt taumelte zu Boden. Vor einer Zuschauerschaft, die vor Ergriffenheit stumm war, überreichte er Yuki, in die er verliebt gewesen war, seit er sie zum ersten Male gesehen hatte, den Blütenzweig.
Zutiefst verärgert beschloß Toshinao, die Schmach mit Blut zu bereinigen. Als der Abend kam, verbarg er sich im Garten und wartete den Einbruch der Nacht ab. Das Schicksal schien ihm zu lächeln, denn während des Abends verließ Bokuden die Festgesellschaft und ging in den Garten, um sich ein wenig an die frische Luft zu begeben. Er setzte sich auf einen Stein, um die Sterne zu betrachten. Kaum hatte er Platz genommen, kam ein zahmes Reh zu ihm und ließ sich von ihm den Kopf streicheln. Aber sein außerordentliches Gespür für drohende Gefahr ließ ihn auch diesmal nicht im Stich. Er fühlte plötzlich, wie dem Dunkel des Gartens ein leichter, unerklärlicher Windhauch entströmte. Ohne etwas zu sehen, wußte er ohne den geringsten Zweifel, daß sich vor ihm jemand befand, der bereit war, mit seiner Lanze einen tödlichen Stoß gegen ihn zu führen. Plötzlich erklang das Geräusch von Metall, das auf Stein schlägt. Toshinao hatte seine Waffe fallenlassen. Das Schwert, daß Bokuden mit der linken Hand gezogen hatte, hatte ihn von oben nach unten aufgeschlitzt. Die rechte Hand Bokudens, der noch immer auf dem Stein saß, hatte unterdessen ruhig auf dem Hals des Rehs gelegen.
Eine andere Geschichte über den berühmten kenshi erzählt davon, wie er im Gebirge dem Samurai Asakura Shûzen begegnete. Ein unerbittlicher Kampf entspann sich, und Bokuden geriet ernsthaft in Bedrängnis. Schließlich ließ er sich absichtlich vom wakizashi Shûzens an der linken Schulter treffen, um Gelegenheit zu einem entscheidenden Gegenschlag zu bekommen. Mit einem Rückhandschwertstreich trennte er daraufhin seinem hartnäckigen Gegner das Haupt vom Rumpf.
Auch wenn er diesen Kampf gewonnen hatte, so ging ihm an jenem Abend doch der Gedanke durch den Kopf, daß es im Lande wahrscheinlich etliche Samurai gab, die zwar kaum bekannt waren, aber deren kämpferische Fähigkeiten tatsächlich so groß waren, daß seine Schwerttechnik ihn nicht sicher vor bösen Überraschungen schützen würde. Er grübelte lange darüber nach, und das Gesicht Aizu Ikôsais trat vor sein inneres Auge. Dieser Mann von 65 Jahren war Schiedsrichter bei seinem letzten Kampf in Kyôto gewesen. Er hatte ihm dafür gratuliert, daß es ihm gelungen war, den Mordversuch Ochiai Yoshitsugus, der hinter dem Wandschirm auf ihn gelauert hatte, vereitelt zu haben. Er erinnerte sich an die Worte, die er zu ihm gesagt hatte, und deren Sinn er bisher nicht vollständig hatte begreifen können: »Seid nachsichtig gegenüber dem, was ich Euch sagen werde, denn nur ein alter Mann, wie ich es bin, darf es sich erlauben, solches zu sagen. Es ist sehr gut, daß es Euch gelungen ist, die Mordabsicht von Ochiai zu erfassen. Das hat Euch zweifelsohne das Leben gerettet. Aber Ihr seid noch nicht zum höchsten Wissen gelangt, denn hättet Ihr die Mordabsicht früher wahrgenommen, dann hättet Ihr nicht nur Euch selbst, sondern auch Ochiai das Leben retten können. Ihr müßt wissen, in meinem Alter zieht man es vor, zu handeln, ohne zu töten.«
Das ist es, dachte Bokuden. Er brauchte noch etwas anderes als seine Geschicklichkeit. Aizu Ikôsai hatte es auf den Punkt gebracht. Jener hatte ihm anvertraut, daß er sich in seiner Jugend in eine Höhle auf der Insel Kyûshû zurückgezogen hatte, um dort zu meditieren und für sich allein zu trainieren. Es hieß, daß Aizu Ikôsai dort echte Erleuchtung erfahren hatte, die zweifelsohne auf das Eingreifen einer Gottheit zurückzuführen war. In der Folge hatte er seine eigene Kampfkunstschule gegründet, das Kage-ryû, die Schule des Schattens. Nachdem ihm all diese Gedanken und Erinnerungen durch den Kopf gegangen waren, faßte Bokuden einen Entschluß. Auch er würde sich in die Einsamkeit zurückziehen, und zwar für nicht weniger als tausend Tage!
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