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Evangelikale auf dem Weg zu einem neuen missionarischen Paradigma

Zweifellos: Die Evangelikalen befinden sich auf dem Weg zu einem neuen missionarischen Paradigma. Doch was ist unter einem Paradigma zu verstehen und wie findet ein Paradigmenwechsel statt?

Ein Paradigma ist nach der Definition des Wissenschaftstheoretikers Thomas S. Kuhn eine Gesamtkonstellation von Überzeugungen, Werten und Verfahrensweisen, die von den Mitgliedern einer bestimmten Gemeinschaft geteilt werden (Küng 1999, 145). Kuhn schlägt vor, dass die wissenschaftliche Erkenntnis sich nicht kumulativ verändert, also nicht dadurch zu neuen Erkenntnissen zur Lösung eines Problems gelangt, indem sie immer auf alten Erkenntnissen aufbaut, sondern dadurch, dass sich neue Erkenntnisse durch Revolutionen Bahn brechen. So bewerten etwa einige wenige Wissenschafter ein Problem oder eine Fragestellung qualitativ anders als dies gemeinhin der Fall ist. Sie suchen nach einer neuen Lösung, nach neuen Denk- und Verfahrensweisen und geben so den Anstoß zu einem neuen Paradigma (Bosch 1991, 183–185).

Der katholische Theologe Hans Küng wendet in seinem Buch Das Christentum Kuhns Paradigmentheorie auf die Kirchengeschichte an und zeigt auf, wie sich in einem langen Prozess verschiedene kirchliche Paradigmen entwickelten. Er unterscheidet 6 Paradigmen:

1. Das urchristlich-apokalyptische Paradigma des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, welches die Zeit des Neuen Testamentes und die nachapostolische Periode umfasst.

2. Das altkirchlich-hellenistische Paradigma der frühen Kirche, das sich bis in die frühmittelalterliche Zeit erstreckte und durch den Frühkatholizismus und die Kirchenväter geprägt war.

3. Das mittelalterlich-römisch-katholische Paradigma, das bis zum Anbruch der Reformation galt und durch das Papsttum, die Machtentfaltung der katholischen Kirche und die scholastische Theologie dominiert war.

4. Das reformatorisch-protestantische Paradigma, das mit der Reformation einsetzte und sich auf die unbedingte Autorität der Bibel als Wort Gottes berief.

5. Das aufgeklärt-moderne Paradigma, welches mit der Aufklärung einsetzte, durch Vernunftdenken und Fortschrittsglaube charakterisiert war und die liberale Theologie hervorbrachte.

6. Das zeitgenössisch-ökumenische Paradigma, dessen Beginn auf die Mitte des 20. Jahrhunderts anzusetzen ist.

Küngs Modell ist aus mehreren Gründen hilfreich: Es ermöglicht die Darstellung einer geschichtlichen und theologischen Entwicklung, ohne bereits Urteile über die Richtigkeit dieser Entwicklung zu fällen. Die unvoreingenommene Beschäftigung mit der Kirche wird dadurch erleichtert. Es ermöglicht, die grundlegenden Konstanten und die entscheidenden Variablen der unterschiedlichen Paradigmen herauszuarbeiten. Und es ermöglicht die Wahrnehmung des kontextuellen Charakters eines bestimmten Paradigmas, indem die theologischen Entwicklungen in ihrem geschichtlichen Kontext erfasst werden (Küng 1999, 90).

Ein Paradigma ist kirchengeschichtlich gesehen eine umfassende theologische Überzeugung, welche eine bestimmte Weltauffassung als Grundlage und zur Folge hat. Küng (1994, 90) spricht auch von einer „epochalen Gesamtkonstellation“, welche ein Paradigma ausmacht. Zweifellos existieren verschiedene Mikroparadigmen zur selben Zeit. Sie können sich voneinander unterscheiden oder zusammen zu einem Makroparadigma beitragen (Küng bezeichnet die von ihm unterschiedenen Paradigmen als Makroparadigmen).

Beleuchtet man die evangelikale Theologie durch Küngs Brille, kann gesagt werden: Der Evangelikalismus bildet ein selbstständiges Mikroparadigma, das Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit den von Küng identifizierten Paradigmen aufweist. Die evangelikale Bewegung ist stark vom reformatorischen Paradigma geprägt. Der Evangelikalismus fußt auf der reformatorischen Vorrangstellung der Heiligen Schrift. Das Verhältnis zum Paradigma der Aufklärung ist distanzierter. Der Evangelikalismus unterscheidet sich insofern vom Vernunftdenken, als er sich erfolgreich gegen die liberalen Auswüchse einer aufgeklärten Theologie stemmte. Übernommen wurde der Fortschrittsglaube, der sich im 19. Jahrhundert in der Überzeugung niederschlug, das Evangelium habe einen weltweiten Siegeszug angetreten. Diese Fortschrittsgläubigkeit wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch eine pessimistische Eschatologie gebrochen und durch die beiden Weltkriege nachhaltig erschüttert. Wesentliche Elemente des reformatorisch-protestantischen und des aufgeklärt-modernen Paradigmas sind vom Evangelikalismus also aufgenommen worden und werden ihn weiterhin prägen. Parallel dazu deuten einige grundlegende Veränderungen, in denen sich der Evangelikalismus gegenwärtig befindet, den Eintritt in ein neues Paradigma an. Die These dieses Buch ist: Die evangelikale Missionstheologie befindet sich gegenwärtig im Übergang vom eurozentrisch-kolonialen Paradigma des Aufklärungszeitalters zum missional-ganzheitlichen Paradigma der Postmoderne. Ich werde den verbleibenden Platz in diesem Kapitel darauf verwenden das Charakteristische an diesem postulierten Umbruch zu skizzieren.

Europa und der Rest der Welt

Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das Christentum durch die Augen Europas definiert. Europa war das Christentum und das Christentum war Europa. Die aufgeklärte liberale Theologie Europas – und die evangelikale Theologie mit ihr – nahmen sich als neutrale Größe wahr, welche den christlichen Glauben für die ganze Welt definierte. Die Mission segelte im Windschatten der Unterwerfung der Völker und profitierte vom kolonialen Weltgefüge. Die Theologie in Europa vermochte sich eines Gefühls der Überlegenheit gegenüber anderen Kulturen nicht zu erwehren. Die evangelikale Theologie kämpfte zwar erfolgreich gegen die Auflösung traditioneller Glaubensinhalte, war von der Epoche der Aufklärung aber insofern angetan, als sie den Fortschrittsgedanken und die Überzeugung von der Überlegenheit der westlichen Kultur übernahm. Mission zeigte sich über weite Strecken auch als Kulturimperialismus.

Dieses eurozentrisch-koloniale Paradigma hatte seine ungebrochene Gültigkeit bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Mit der Entkolonialisierung bekam dieses feste Gefüge Risse. In den 1960er- und 70er-Jahren zeigte sich auf Kongressebene, dass die Stimmen aus dem Süden an Gewicht zunahmen. Historisch fassbar wird das durch den Kongress für Weltevangelisation in Lausanne, 1974. Waren die bis zu jenem Zeitpunkt stattfindenden Kongresse der Evangelikalen fast vollständig durch Vertreter aus Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika dominiert gewesen, nahmen in Lausanne die Vertreter aus der Zwei-Drittel-Welt erstmals als gleichberechtigte Partner teil. Die weltweite evangelikale Bewegung war in Lausanne repräsentativ vertreten. Von den 2500 Teilnehmern aus 150 Nationen stammte je die Hälfte aus dem Westen und aus der Zwei-Drittel-Welt (Hardmeier 2008, 25–26). Den Stimmen aus dem Süden wurde Gehör geschenkt und das führte dazu, dass die soziale Verantwortung und die politische Betätigung gleichermaßen wie die Evangelisation zur Pflicht der Christen gerechnet wurden. In der am Kongress verabschiedeten Lausanner Verpflichtung heißt es in Artikel 5:

Wir bekräftigen, dass Gott zugleich Schöpfer und Richter aller Menschen ist. Wir müssen deshalb seine Sorge um Gerechtigkeit und Versöhnung in der ganzen menschlichen Gesellschaft teilen. Sie zielt auf die Befreiung der Menschen von jeder Art von Unterdrückung … Wir tun Buße für dieses unser Versäumnis und dafür, dass wir manchmal Evangelisation und soziale Verantwortung als sich gegenseitig ausschließend angesehen haben. Versöhnung zwischen Menschen ist nicht gleichzeitig Versöhnung mit Gott, soziale Aktion ist nicht Evangelisation, politische Befreiung ist nicht Heil. Dennoch bekräftigen wir, dass Evangelisation und soziale wie politische Betätigung gleichermaßen zu unserer Pflicht als Christen gehören.

Was die kulturelle Überlegenheit des Westens betraf, fand man selbstkritische Töne. Die Artikel 5 und 10 der Lausanner Verpflichtung waren die beiden Artikel mit der nachhaltigsten Wirkung. In Artikel 10 heißt es:

Jede Kultur muss immer wieder von der Schrift her geprüft und beurteilt werden. Weil der Mensch Gottes Geschöpf ist, birgt seine Kultur Schönheit und Güte in reichem Maße. Weil er aber gefallen ist, wurde alles durch Sünde befleckt. Manches geriet unter dämonischen Einfluss. Das Evangelium gibt keiner Kultur den Vorrang, sondern beurteilt alle Kulturen nach seinem eigenen Maßstab der Wahrheit und Gerechtigkeit und erhebt absolute ethische Forderungen gegenüber jeder Kultur. Missionen haben allzu oft mit dem Evangelium eine fremde Kultur exportiert, und Gemeinden waren mitunter mehr an eine Kultur als an die Schrift gebunden.

Steuernagel (1988, 150–156) und mit ihm die meisten Vertreter aus dem Süden hielten die Lausanner Verpflichtung für eine ausgewogene Verlautbarung. Sie waren erstmal zufrieden damit, dass ihre ganzheitliche Sicht von Mission Beachtung gefunden hatte. Anders der überwiegende Teil der Vertreter aus dem Westen. Arthur P. Johnston (1984, 319) bedauerte, dass die Bedeutung der Evangelisation aus seiner Sicht abgeschwächt wurde. Die schärfste Kritik brachte der deutsche Missionswissenschafter Peter Beyerhaus (1984, 12–13) vor, als er von einer „verräterischen Aufgeschlossenheit“ von Teilen der evangelikalen Bewegung für die kontextuelle Theologie sprach.

Die Zerrissenheit der Evangelikalen in den Jahren nach Lausanne (vgl. Hardmeier 2008, 31–57) ist ein deutliches Indiz dafür, dass sich in der evangelikalen Theologie ein Paradigmenwechsel abzeichnete. Der Westen behielt einen Teil seiner Dominanz, doch die Stimmen aus dem Süden mit ihrem Ruf nach der Ganzheitlichkeit des Evangeliums wurden immer stärker. Ein Paradigma wird nicht über Nacht geboren. Eine Zeit lang existieren das alte und das neue Paradigma nebeneinander. Vertreter des alten Paradigmas verteidigen die Richtigkeit ihrer Sichtweise, während die Proponenten des neuen Paradigmas auf Veränderung drängen. Schließlich setzt sich das neue Paradigma durch; die Errungenschaften des alten Paradigmas verschwinden nicht völlig, sondern bleiben idealerweise erhalten. Mit dem Lausanner Kongress ist ein solcher Paradigmenwechsel eingeleitet worden.

Heilsverständnis

Kern des eurozentrisch-kolonialen Paradigmas ist ein individualistisches Heilsverständnis – darin zeigt sich der Einfluss der Moderne mit seinem im Individuum verankerten Denken – und als Folge davon ein bekehrungsorientiertes Missionsverständnis. Mission ist ein geografischer Begriff und wird inhaltlich weitgehend mit Evangelisation gleichgesetzt. Heil ist in diesem Paradigma eine ausschließlich persönliche Sache. Durch den Glauben an Jesus Christus erfährt der Mensch persönliches Heil. Zentraler zu verkündigender Glaubensinhalt ist der Sühnetod von Jesus Christus und seine Auferweckung aus den Toten. Das Heil wird unter dualistischen Gesichtspunkten betrachtet: Hier die unheilvolle Welt und die damit verbundenen Trübsale, dort das jenseitige Heil in einer perfekten neuen Schöpfung.

Das anbrechende missional-ganzheitliche Paradigma betrachtet biblisches Heil unter erweiterten Gesichtspunkten. Das Heilsverständnis des alten Paradigmas wird bejaht und erweitert. Zentral ist weiterhin die Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben aufgrund der gesühnten Schuld am Kreuz. Das Heil endet jedoch nicht an diesem Punkt; es schließt verschiedene Dimensionen ein. So gibt es neben der persönlichen Dimension eine soziale, gemeinschaftliche und kosmische Dimension des Heils. Das Heilsverständnis des alten Paradigmas wird übernommen und durch neue Gesichtspunkte zu einer ganzheitlichen Sichtweise von Heil erweitert. Damit setzt sich das ganzheitliche Heilsverständnis des anbrechenden Paradigmas nicht in Widerspruch zum alten Paradigma, sondern gestaltet es inhaltlich umfassender aus. Die evangelikale Bewegung hat sich von Anfang an durch ihr Schriftverständnis und aus diesem heraus durch ihr Heilsverständnis definiert. Dies umso mehr, als diese zwei Bereiche am stärksten liberalen Anwürfen ausgesetzt waren und verteidigt werden mussten. Es liegt auf der Hand, dass die Rede von ganzheitlichem Heil geeignet ist, alte Ängste neu aufkommen zu lassen. Wir werden uns deshalb in einem separaten Kapitel der Heilsfrage stellen (Kapitel 3).

Weltbezug

Der Weltbezug des eurozentrisch-kolonialen Paradigmas durchlief verschiedene Phasen. Im 19. Jahrhundert zeichnete sich die evangelikale Theologie durch eine ausgeprägte Weltzugewandtheit aus. Für Mission und Diakonie wurden enorme Kräfte freigesetzt. Das hatte einerseits mit dem oben beschriebenen Heilsverständnis zu tun, das auf Bekehrung angelegt war und so eine brennende Motivation für Mission und Evangelisation ergab. Anderseits wurde der Fortschrittsglaube der Aufklärung übernommen. Man rechnete noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts damit, dass das Evangelium sich auf einem weltweiten Siegeszug befinde. Stattdessen brachen der theologische Liberalismus, der Darwinismus und der Säkularismus auf breiter Front durch. Der Schrecken zweier Weltkriege erschütterte den Fortschrittsoptimismus nachhaltig. Fortan verlegte sich die evangelikale Mehrheit auf den Standpunkt, die Welt sei böse und das Ende sei nur noch eine Sache kurzer Frist. Das führte zwar vereinzelt zu intensiven missionarischen Bemühungen, dämpfte aber das soziale Engagement.

Im missional-ganzheitlichen Paradigma wird eine neue Beziehung zur Welt gesucht und in der geliebten Schöpfung gefunden. Der Auftrag der Kirche wird missional, das heißt von ihrem Sendungsauftrag ausgehend, gedacht. Mission umschreibt die gesamte Aufgabe, zu der die Kirche gerufen ist, und dazu gehören nicht nur die Evangelisation und die Mission, sondern auch die Verkörperung des Heils in der Koinonia (Gemeinschaft) der Kirche und die soziale Verantwortung. Eine neue Weltzugewandtheit tritt zutage, welche die Welt nicht in erster Linie als abgefallenen Sündenpfuhl betrachtet, sondern als von Gott geliebt und darum ganzheitlichen Dienstes wert.

Ich habe in diesem Abschnitt drei Unterschiede zwischen dem eurozentrisch-kolonialen und dem anbrechenden missional-ganzheitlichen Paradigma beschrieben. Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel, der wie folgt zusammengefasst werden kann:

Im alten Paradigma wird das Christentum durch die Brille des Westens definiert. Im neuen Paradigma werden vermehrt die Stimmen des Südens und der Armen gehört. Dies führt zu einer Vermenschlichung der Kirche im besten Sinn des Wortes, weil die Welt nicht mehr allein durch die Brille der Reichen gesehen wird, sondern stärker durch die Brille der Armen.

Das alte Paradigma besaß als theologischen Kern ein individualistisches Heilsverständnis und als Folge davon eine auf die geistlichen Bedürfnisse der Menschen ausgerichtete Missionspraxis. Das neue Paradigma ist ganzheitlicher Natur. Seine Vertreter integrieren die Weltgestaltung und die soziale Verantwortung in den Sendungsauftrag der Kirche. Sie glauben, dass die Kirche mit dem ganzen Reichtum des Evangeliums auf die ganze Bandbreite der menschlichen Bedürfnisse reagieren muss. Aus diesem Grund habe ich das neue Paradigma als ganzheitlich charakterisiert.

Im alten Paradigma wird die Welt unter dualistischen Gesichtspunkten betrachtet. Die Welt ist ein vorübergehender Schauplatz, aus dem möglichst viele Seelen gerettet werden sollen. Im neuen Paradigma wird in der Welt die geliebte Schöpfung Gottes erblickt, die nicht als sinkendes Schiff fahren gelassen werden soll. Die Kirche nimmt aktiv an der Weltgestaltung teil und strebt danach, alle Bereiche des Lebens auf den Willen Gottes hin zu verändern. Dieser Sendungsauftrag ist zentral für die Ekklesiologie (Lehre von der Kirche). Aus diesem Grund habe ich das neue Paradigma als missional definiert.

Das verbindende Element des missional-ganzheitlichen Paradigmas ist ein neuer Weltbezug. Die Kirche wird als im Dienst der Welt gesehen. Sie dient den Menschen mit dem ganzen Reichtum, der ganzen transformierenden Kraft des Evangeliums. Sie ist nicht von der Welt, aber in der Welt und für die Welt da. Ich werde diese Feststellung abschließend an je einem Beispiel aus der Mission, der sozialen Aktion und dem Gemeindebau untermauern.

Mission

Ein Beispiel für den ganzheitlichen Charakter des anbrechenden Paradigmas ist die Erklärung des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM) Schweiz zur integralen Mission, die am 17. November 2006 von den Mitgliedern angenommen wurde und das Jahresthema der AEM Schweiz 2006 war. In ihr spricht der AEM Vorstand ein für die evangelikalen Missionen im deutschsprachigen Raum bisher einmalig deutliches Bekenntnis zur integralen (gleichbedeutend mit ganzheitlich) Mission aus. Wesentlich angeregt wurde die Erklärung durch einen Vortrag des Peruaners Miguel Angel Palomino an der Jahrestagung vom 17.–18. März 2006 mit der Thematik „Verständnis des Evangeliums im Süden“. Die Erklärung begründet integrales Handeln von der Trinität her (Integrale Mission 2006):

Der dreieinige Gott als Schöpfer und Erhalter unserer Erde, als Lenker und Vollender der Geschichte, als Herr über den persönlichen und den gesellschaftlichen Bereich der Menschen, nimmt uns in sein umfassendes Heilshandeln hinein, das unsere persönliche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft genauso betrifft wie unsere leibliche, geistig-geistliche, emotionale, individuelle und gesellschaftliche Existenz. Dieses umfassende (ganzheitliche/integrale) Heilsverständnis soll unser persönliches Leben und unsere Missionsarbeit prägen.

Das Heilsverständnis wird vom alttestamentlichen Begriff des „Schalom“ her definiert (a.a.O.):

Integrale Mission zielt auf ‚heile Welt‘ (Shalom) im Bewusstsein, dass dieser Shalom erst im umfassenden Eingreifen Gottes durch die Wiederkunft seines Sohnes Jesus Christus verwirklicht werden wird. Wo Menschen Gott kennen lernen und wo sie menschenwürdigere Lebensbedingungen erhalten, wird bereits etwas von der anbrechenden Herrschaft Gottes, dem Shalom, sichtbar.

Zugleich wird festgehalten, dass die persönliche Evangelisation vorrangig bleiben muss (a.a.O.):

In der Vielfalt von Bemühungen um eine ‚gerechtere Welt‘ bleibt die auf Ewigkeit angelegte persönliche Beziehung zu Gott Grundlage und Ziel aller Aktivität. Der Mensch findet letztlich erst durch die Versöhnung mit seinem Schöpfer zu seiner ursprünglichen Würde. Jesus Christus hat diese Versöhnung durch seinen Tod am Kreuz möglich gemacht und der Mensch kann sie durch Glauben annehmen.

Schließlich wird ausgeführt, dass dies bedeutet, dass alle Tätigkeiten der AEM von einem integralen Verständnis getragen sein sollen, dass die AEM auch eine prophetische Rolle habe, welche die Entscheidungsträger in die Pflicht nehme, und dass die AEM bereit sei, für bestimmte Aktionen humanitärer und politischer Art mit Menschen und Organisationen zusammenzuarbeiten, die dem „zentralen Heilsverständnis“ der AEM „kritisch oder ablehnend“ gegenüberstünden, ohne dass dabei eine Verleugnung der christlichen Identität infrage komme. Der damalige Exekutivsekretär der AEM Schweiz, Martin Vögelin, gab mir in einem Gespräch am 23. Mai 2007 zu verstehen, dass die Erklärung des AEM-Vorstandes „definitiv mehr als ein Jahresthema“ sei; sie deute eine Erweiterung des evangelikalen Missionsverständnisses an. Während „konservative“ Evangelikale von der Erklärung überrascht gewesen seien, hätte die AEM breite Zustimmung erhalten.

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