Kitabı oku: «Die Köln-Affäre», sayfa 5

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10. Kapitel
Köln/Pantaleonsviertel

Es ist nichts schrecklicher als eine tätige Unwissenheit. (Goethe)

Einen Tag nach jenem abgebrochenen Mordversuch saßen wir auf der Terrasse meines gemütlichen Pfarrhauses von St. Pantaleon bei einem Glas Weißwein zusammen und diskutierten die Situation. Wir, das waren ich, Monsignore Dr. Peter Diefenstein, meines Zeichens Pfarrer von St. Pantaleon und mein Freund Markus Bassler, Pastor der in unmittelbarer Nähe liegenden Johanniskirche. Er war von gleichem Alter wie ich, wirkte aber jünger, wie ich neidlos zugeben musste. Die noch in reichem Maße vorhandenen blonden Haare und die kräftigere Figur ließen ihn jünger und dynamischer erscheinen.

Neben ihm saß seine Frau Doris, die inzwischen viel von ihrer einstigen Strahlkraft eingebüßt hatte. Gesicht und Körper ausgezehrt, die Hände fahrig, die Frau wirkte krank, versuchte aber, sich unbeschwert zu geben.

Die Basslers hatten ausführlich Bericht erstattet und ich hatte konzentriert zugehört. Zu der Frage, wie man Anne Mundorf helfen konnte, gab es verschiedene Antworten, und keine konnte richtig überzeugen. Unsicherheit beherrschte den Raum.

„Man sollte das Jugendamt einschalten“, meinte ich, „die Eltern sind offenbar überfordert und der Vater scheint ein besonders schlimmer Finger zu sein.“

„Ja, ist er, ein wahres Ekel“, meinte Bassler, „aber das Jugendamt? Bis sich das um die Sache kümmert, ist das Mädchen schon in Syrien und hat sich der IS angeschlossen.“

Er hatte offenbar keine gute Meinung von der städtischen Behörde, und diese Meinung basierte auf unguten Erfahrungen, die er mit der Behörde gemacht hatte.

„Aber ohne die Einwilligung der Eltern können wir nichts tun“, meinte Doris Bassler lakonisch und nippte an ihrem Glas. Sie versuchte, die Schmerzen in ihrem Leib, die ihr wieder seit Tagen zu schaffen machten, so gut wie möglich zu ignorieren. „Und wenn wir die Polizei einschalten“, meinte ich lahm, „ich kenne da jemanden, der uns vielleicht helfen könnte.“

In das Schweigen hinein, das nun herrschte, klingelte Basslers Handy. Bassler blickte entschuldigend um sich, dann drückte er die Taste.

„Ja, Bassler.“

Während er konzentriert zuhörte, verdüsterte sich seine Miene zusehends.

„Wir sind im Pfarrhaus von St. Pantaleon. Kennen Sie das? Gut, können Sie zu uns kommen, wir diskutieren ihr Problem gerade. Und bringen Sie den Zettel mit. Bis gleich.“

Er legte auf. Doris Bassler und ich blickten ihn fragend an.

„Das war Frau Mundorf“, sagte er und leerte sein Glas mit einem Zug.

„Und?“, kam es wie aus einem Munde.

„Anne ist weg. Abgehauen. Sie hat einen Zettel da gelassen. Ich hab der Mutter geraten, hierhin zu kommen. War doch in Ordnung, Peter, oder?“

Ich nickte und machte eine ausholende Handbewegung.

„Selbstverständlich. Wir müssen ihr helfen. Ihr Mann wird ihr keine große Hilfe sein.“

Ich schenkte Wein nach und wir hingen unseren Gedanken nach, bis es schon nach wenigen Minuten klingelte. Von der Merowingerstraße bis hierhin dauerte es höchstens fünfzehn Minuten, und länger hatte die Besucherin auch nicht gebraucht. Sie musste gelaufen sein.

Meine Haushälterin hatte sich schon in ihr kleines Zimmer zurückgezogen, also ging ich herunter um die Tür zu öffnen, und kam mit Frau Mundorf zurück, einer Frau, die Basslers kaum wiedererkannten.

Verhärmt hatte sie schon lange vorher ausgesehen, aber jetzt standen Furcht und Entsetzen in ihrem Gesicht. Das dünne graue Haar trug sie dieses Mal nicht als Zopf, sondern es hing strähnig am Kopf herunter und rahmte ein Gesicht ein, das von Kummer und Not entstellt war.

Schwer atmend ließ sie sich in den Sessel sinken, den ich ihr angeboten hatte, griff in ihre Louis-Vitton-Tasche und kramte einen Zettel hervor.

Sie wedelte mit dem Zettel herum und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Sie ist weg“, keuchte sie, „heute, irgendwann in der Nacht ist sie abgehauen. Ich war auf Arbeit und Eduard, mein Mann, hat nichts gemerkt. Er hat geschlafen, wie immer. Wenn er nicht schläft, trinkt er oder er guckt irgendeinen Schwachsinn im Fernseher.“

Sie begann zu weinen und holte sich umständlich ein Taschentuch aus ihrer Tasche.

„Das hier, das hat sie dagelassen. Das ist alles nach sechzehn Jahren, was sie uns da gelassen hat.“

Sie reichte den Zettel herüber.

Liebe Mutter Ich bin jetzt weg. Ich werde jetzt das tun, was Allah, sein Name sei gepriesen, mir aufgetragen hat. Suche mich nicht, ihr werdet mich nicht finden. Ich werde eine Kriegerin Gottes sein und ihr könnt stolz auf mich sein.

Übrigens heiße ich jetzt Aabidah, das heißt Dienerin Allahs. Gib Guido einen Kuss, ihn werde ich vermissen, und dich auch, aber nicht deinen Mann, den ich nicht mehr Vater nennen werde.

Aabidah

Über Minuten herrschte Schweigen. Das musste erst verdaut werden.

Ich hatte der Frau inzwischen ein Glas Wein geholt, das sie hastig herunterschluckte.

Dann begann Bassler mit leiser Stimme. „Wir müssen die Polizei informieren!“

„Die Polizei? Wieso das denn?“

Die Stimme von Frau Mundorf klang leicht hysterisch.

„Ich habe von Fällen wie diesem schon mehrfach gehört“, meinte ich, „es besteht die Gefahr, dass sich Anne äh … radikalisiert hat und sich entweder im Ausland einer terroristischen Organisation anschließt oder hier im Inland Anschläge begeht. Das muss verhindert werden!“

„Und was meint Anne, wenn sie von dem Mann spricht, den sie nicht mehr Vater nennen will?“, warf Doris Bassler ein.

Elke Mundorf schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht, aber vielleicht“, sie stockte und rang nach Luft, „vielleicht hat Eduard sich nicht immer so benommen, wie man es von einem Vater erwarten müsste.“

„Sie meinen, er hat sie … missbraucht?“

Basslers Miene verzog sich vor Ekel.

„Ich weiß es nicht“, hauchte Elke Mundorf tonlos, „aber ich würde es nicht ausschließen.

Er hat sich so verändert, vor allem seit er arbeitslos ist. Jahrelang hat er beim Schutz- und Wachdienst gearbeitet. Er hatte einen Wagen, fuhr nachts herum und sicherte Objekte und so.

In seiner Uniform hat er richtig gut ausgehen, so … stattlich. Einmal ist er von einem Einbrecher niedergestochen worden, aber das hat er gut verkraftet. Er hat den Typ trotz der Verletzung verprügelt und der Polizei übergeben. Ein tapferer Mann! Ein guter Mann!

Aber dann hat er angefangen zu trinken, Gott weiß, warum. Er wurde unpünktlich und kam besoffen zur Arbeit. Und dann, dann haben sie ihn entlassen. Von heute auf morgen. Und ab da hat er sich verändert. Ich erkenne ihn gar nicht wieder. Das ist nicht der Mann, den ich einmal geheiratet habe!“

Sie seufzte tief auf und schielte nach dem leeren Weinglas. Während ich das Glas sofort wieder füllte, sagte ich: „Es gibt bei der Stadt Köln eine Beratungsstelle für moslemische Frauen und Mädchen, die Gefahr laufen radikalisiert zu werden. Ich habe mit dieser Stelle schon einmal zusammengearbeitet und könnte den Kontakt herstellen.“

Mein Vorschlag wurde angenommen und während die Runde auseinander ging, nahm sich Doris Bassler vor, endlich einen Arzt aufzusuchen, denn die Schmerzen in ihrem Leib nahmen unerträgliche Formen an.

11. Kapitel
Köln-Sülz

Man jagt den Fuchs nicht in seinem Bau. Dieses alte Sprichwort aus dem Talmud hat sich auch die CIA zu Eigen gemacht.

Jedenfalls verfügt die Agency in vielen Städten der Welt über ein Sicheres Haus, Häuser, die entsprechend ausgerüstet und überwacht werden und den Agenten im Bedarfsfall eine geschützte Rückzugsmöglichkeit bieten. Die Feldagenten sprechen auch gerne von ihrem Fuchsbau. Der Unterhalt für diese Häuser bedeutet einen gewissen logistischen Aufwand und ist mit erheblichen Kosten verbunden, besonders wenn man bedenkt, dass es ein solches Netz von Häusern auf der ganzen Welt geben muss.

Seit der Senat die Mittel für die Agency ohne Erbarmen gekürzt hatte, waren viele dieser Häuser aufgegeben worden. Und deshalb gab es in Köln ein solches Haus nicht.

Stattdessen hatte die Agency im Kölner Stadtteil Sülz ein kleines Apartment angemietet, das dieser Funktion immerhin nahe kam, aber nicht über die logistischen Faktoren wie zum Beispiel eine ständige Besetzung verfügte, die eigentlich nötig wären um absoluten Schutz zu garantieren.

Immerhin stand es allen Agenten, die im Rheinland tätig waren, in Notfällen wie diesem als Rückzugsort zur Verfügung. Und der Stadtteil Sülz hat immerhin den Vorteil, dass er in der Nähe der Universität liegt und viele Studenten dort leben. Das bringt eine große Fluktuation mit sich, was dazu führt, dass der eine den anderen kaum kennt, weil der ja nach einigen Semestern wieder ausgezogen ist.

Das Apartment lag in einem Haus, das über zwanzig Wohneinheiten verfügte, alle mit zwei, höchstens drei Zimmern. Die Mieter waren früher vielfach Damen des horizontalen Gewerbes, inzwischen hatte sich das Klientel zunehmend in eine akademische Richtung verändert, es waren überwiegend Studenten, die hier in der Nähe der Universität eine durchaus nicht preiswerte Bleibe gefunden hatten.

Die Wohnung selbst war mit schlichten Möbeln aus schwedischer Produktion eingerichtet, verfügte über zwei kleine Schlafräume, eine winzige Küche und einen Wohnraum, der in einem gesicherten Schrank ein ausreichendes Waffenarsenal beinhaltete.

Das Namenschild lautete auf Schmitz, ein Name, den in Köln nahezu jeder Dritte zu tragen scheint und insofern an Unverfänglichkeit kaum zu überbieten ist.

Vor diesem Haus in der Paul-Schallück-Straße hielt am späten Abend ein Taxi.

Eine junge Dame stieg aus, bezahlte den Fahrer und belohnte ihn für seine radikale Fahrweise mit einem strahlenden Lächeln. Sie klingelte bei Schmitz und wartete, bis eine vertraute Stimme sich meldete.

„Ja?“

„Ich komme von den Zeugen Jehovas!“

„Haben Sie den Wachturm dabei?“

„Neueste Ausgabe!“

„Okay!“

Der vereinbarte Erkennungscode, der besagte, dass beide Parteien ohne Druck handelten und kein gewaltsames Eindringen Dritter zu befürchten war.

Wills erkannte die Stimme sofort. Ein Schmunzeln machte sich auf seinen Lippen breit.

Thyburn ignorierte den Aufzug und stieg die wenigen Treppen in den ersten Stock hinauf. Dieses Stockwerk ist wichtig, weil es neben den üblichen Wegen einen weiteren Fluchtweg durch den Garten ermöglicht, falls, na ja, falls das Haus doch nicht so sicher ist. Der Garten selbst verdiente diesen Namen eigentlich nicht.

Ungepflegt und ohne Blumenschmuck, zwei in die Jahre gekommene Liegestühle standen auf dem mit Unkraut durchsetzten Boden, der sonst kaum Grün aufwies. In der einen Ecke verdorrte eine Hortensie, in der anderen befand sich ein verrosteter Container, der mit Gartenabfällen gefüllt war und den Eindruck erweckte, dort schon seit Baubeginn zu stehen.

Ein lachender Peter Wills empfing den Ankömmling.

„Mirinda! Ich freue mich ehrlich, dich zu sehen.“

Der Agent strahlte und nahm seine Kollegin herzlich in die Arme. Die beiden Agenten hatten vor einem halben Jahr in München erfolgreich zusammengearbeitet und im Auftrag der Firma einem Altnazi ein wichtiges Dokument abgenommen. Mirinda Thyburn war auch damals ihrem Kollegen zur Hilfe geschickt worden, weil die ursprüngliche Kollegin, Cathy Meywether von einem Mossad-Agenten getötet worden war. Nach erfolgreicher Mission hatten sie eine kurze, aber stürmische Liebesaffäre und sich danach aus den Augen verloren. Die Agency hatte sie in ganz verschiedene Teile der Welt geschickt und nun sahen sich seit einem halben Jahr zum ersten Mal wieder.

Wills führte sie in das behagliche kleine Wohnzimmer und sie setzten sich auf die beiden Sessel gegenüber dem Fenster.

„Gut siehst du aus, Kollegin!“

Er hielt ihre Hand und betrachtete sie von oben bis unten.

„Du hast deinen Charme auch nicht verloren, Peter“, entgegnete Thyburn.

„Denkst du manchmal noch an München?“

„Woran? An den alten Hackler, den wir hochgenommen haben?“

„Ja, an das und das, was nachher passiert ist? Ich fürchte, wir haben uns da äh …wenig professionell verhalten. Gut, dass Langley davon nichts mitbekommen hat.“

„Ich bereue das nicht Peter. Es war … schön.“

„Ja, Mirinda, war es. Wir standen nach der gefährlichen Sache in München unter Adrenalin und haben ein Ventil gesucht. Sex ist eines der Ventile in solchen Situationen.“

Thyburn sah ihn überrascht an.

„So hast du das damals gesehen. Ich war dein … Ventil?“

Wills lachte laut auf und schüttelte den Kopf.

„Sei nicht albern. Ich wollte es genau wie du und ich habe es nie bereut. An diesem Abend hatte ich plötzlich Gefühle für dich entwickelt, die mir vorher fremd waren. Ernste Gefühle, nicht oberflächlich. Es ging mir nicht um … Sex!“

„Nicht?“

„Nein, und wer weiß …?“

Er vollendete den Satz nicht und schlug sich gegen die Stirn. „Sorry, was bin ich für ein lausiger Gastgeber. Du hast bestimmt Durst? Wasser oder was Stärkeres? Und was zu essen?“

„Gegessen habe ich was im Flieger, aber Wasser wäre prima.“ Er stand auf, holte eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und zwei Gläser aus dem Schrank. Er goss die Gläser ein und holte seine Zigaretten raus.

„Du rauchst? Seit wann rauchst du denn?“

Thyburns Miene drückte mittleres Entsetzen aus.

„Seit unserem Einsatz in München. Nur ein paar am Tag. Stört es dich?“

Mirinda Thyburn schüttelte den Kopf, obwohl sie Rauchen hasste.

„Geht schon!“

„Prima! Aber jetzt sollten wir uns unserer neuen Aufgabe widmen.“

„Okay, was liegt an?“

Wills blies den Rauch in kleinen Wolken zur Decke und brachte sie in kurzen Worten auf den neuesten Stand.

Thyburn brachte ein verlegenes Hüsteln zustande und wedelte den Rauch mit grimmiger Miene von ihrem Gesicht weg.

„Und auf dich wurde geschossen? Hast du eine Ahnung von wem?“

Aus Thyburns Stimme klang echte Sorge.

Wills fasste sich an den Kopf. „Donnerwetter, das weißt du auch schon.“

„Klar, glaubst du, ich komme unvorbereitet?“

Er schüttelte den Kopf. „Beiger Anzug, Sommerhut. Das ist alles.“

Er drückte seinen Glimmstängel aus.

Es war dunkel geworden. Wills stand auf und knipste eine kleine Stehlampe an.

Thyburn bemühte sich, ein Gähnen zu unterdrücken.

„Du bist müde! Gott, was bin ich für ein Gastgeber. Du wirst müde sein und bestimmt hast du Hunger.“

„Nein!“

Thyburns Stimme klang entschieden.

„Ich habe im Flugzeug genug geschlafen und gegessen. Alles gut! Wie geht es weiter?

Ich denke, die Agency erwartet von uns, dass wir diesen Typ mit dem Sommerhut finden, oder? Kann es sein, dass er auch für die beiden anderen getöteten Agenten in Warschau und Köln verantwortlich ist?“

Wills nickte. „Ja, in Langley wird das vermutet.“

„Aber wer könnte das sein? Offenbar hat es ja nichts mit eurem Auftrag hier zu tun.“

„Nein, wohl kaum. Dazu kommt: Wer immer das ist, er muss Informationen haben, die eigentlich nur ein Insider hat, und zwar Insider ganz oben.“

„Du meinst einen Maulwurf in der Agency? In der … Chefetage?“

„Überleg mal! Wer kann wissen, dass Peterson in Berlin aktiv war, Rush und ich hier eingesetzt sind und die Agentin Dudek in Warschau Urlaub machte? Wer hat solche Informationen? Ich nicht und du auch nicht.“

Sie machte eine kurze Pause

„Kanntest du Peterson oder Dudek übrigens?“

„Nein, nur dem Namen nach. Aber du hast Recht. Das kann nur jemand wissen, der über unsere Einsatzlisten verfügt.“

„Und den werden wir finden, Ich hab auch schon eine Idee.“ Er griff nach seinem Handy und gab eine bestimmte Tastenfolge ein.

12. Kapitel
Langley/Virgina CIA-Zentrale

Spionieren ist eine schöne Sache, man verschafft sich die Genüsse des Diebes und bleibt dabei ein ehrlicher Mann. (Nestroy)

„Guten Tag. Central Intelligence Agency, Langley. Zentrale. Was kann ich für Sie tun?”

Eine weibliche, etwas rauchig klingende Stimme meldete sich aus der fernen Heimat.

Zu viele Zigaretten und zu viel Whiskey, wahrscheinlich blond wie Marilyn mit leicht verlebten Zügen und einem grell rot geschminkten Mund lautete Wills Schnelldiagnose.

Er musste ein guter Menschenkenner sein, denn wenn er sie gesehen hätte, hätte er seine Diagnose voll und ganz bestätigt gefunden.

„Feldagent Peter Wills.“

„Ihren Code bitte!“

Keine Verbindung ohne den persönlichen Code, mit dem ein Feldagent seine Authentizität nachwies.

„Code 27476-G.“

Kurze Stille, der Code wurde in der Liste der Feldagentengesucht.

„Ihr Anliegen, Agent Wills.“

„Ich möchte SAD-Direktor Sanders sprechen.“

„Einen Augenblick, Agent Wills.“

Es knackte in der Leitung und wenig später füllte die sonore Stimme von Horacio Sanders den Hörer.

„Agent Wills, Sie leben also noch?“

„Ja, Sir, wieso äh …“

„Ich habe natürlich von dem Mordversuch an Ihnen gehört.“

„Aber das habe ich erst gestern Abend Agent Bernardini gemeldet.“

„Und zehn Minuten später wusste ich es. Er hat mich zu Hause angerufen und beim Barbecue gestört“, das Schmunzeln war durch den Hörer zu ahnen.

„Sie sollten wissen, Agent, dass in meiner Abteilung nichts passiert, was ich nicht zehn Minuten später weiß. Ob der Hausmeister furzt, die Sekretärin neue Brüste oder die Telefonistin ihre Tage hat, ich weiß es.“

Wills grinste. Der Alte hatte prinzipiell Recht. So war er. Aber in diesem Fall schien er doch nicht alles zu wissen, und das war gut so!

„Und, ist Ihre Verstärkung schon eingetroffen?“

„Jawohl, Sir, Agentin Thyburn sitzt neben mir.“

„Gut, gut! Wenn nötig, werde ich Ihnen noch jemanden schicken. Was kann ich für Sie tun?“

„Sir, ich brauche eine Liste aller Personen in der Agency, die Zugang zu unseren Einsatzplänen haben.“

„Zugang zu den Einsatzplänen?“

Sanders räusperte sich. „Agent Wills, Sie wissen, dass Sie dazu keine Zugangsberechtigung haben, das liegt weit über Ihrer Gehaltsklasse. Wozu beim Allmächtigen brauchen Sie die denn?“

Wills schilderte in kurzen Worten seine Vermutung und wartete die Reaktion ab.

In Langley herrschte zunächst Schweigen.

„Ein Maulwurf? Ehrlich gesagt, der DCI hat so etwas angedeutet“, sagte Direktor Sanders, „aber es ist eine beschissene Vorstellung zu glauben, dass hoch oben in unseren Reihen jemand ist, der mit dem Killer zusammenarbeitet und unsere Leute zum Abschuss freigibt.

Und was für ein Motiv sollte der Mann haben? Geld, Rache, Ideologie?“

„Mann? Es könnte auch eine Frau sein, oder?“

„Natürlich, Agent Wills, natürlich.“

„Und das Motiv? Ich weiß es nicht, Sir, aber ich habe in meinen Jahren bei der Agency gelernt, dass es die abenteuerlichsten Motive für Schurkereien dieser Art gibt und dies scheint mir im Augenblick der einzige Weg zu sein das herauszufinden.“

„Gut, Mann, ich will eine Ausnahme machen und hoffe, dass es nicht meinen Kopf kostet.

Sie sollen Ihre Liste kriegen, auf dem üblichen Weg über unser Konsulat in Düsseldorf. Sie dürfen sie einsehen, aber das Konsulat verlässt sie nicht. Ich vertraue auf Ihre absolute Diskretion und Ihr Gedächtnis. Wenn die Liste in die falschen Hände gelangen würde, nicht auszudenken“, dröhnte Sanders.

„Und wie gesagt, ich werde Ihnen weitere Hilfe schicken.“

„An wen haben Sie gedacht?

„Weiß ich noch nicht!“

„Okay, danke.“

Wills dachte an die Liste, die bald vor ihm liegen würde.

Nur anschauen, nicht anfassen!

Wills versprach es und das Gespräch, das wie üblich auf einer abhörsicheren Leitung geführt worden war, war beendet.

13. Kapitel
Köln-Sülz

Verrat ist immer eine Frage der Definition (Talleyrand)

Wills blickte Thyburn triumphierend an.

„Wir kriegen die Liste.“

„Sanders?“

„Ja!“

„Kriegen sie?“

„Na ja, zumindest darf ich einen Blick drauf werfen. Und wahrscheinlich kriegen wir noch jemanden zur Unterstützung.“

„Aha! Kann nicht schaden.“

„Ich werde mir alle Namen in mein phänomenales Gedächtnis einprägen.“

„Und dann?“

„Dann werden wir Namen für Namen durchgehen und hinter jedem Namen ein Motiv notieren, wenn uns eins einfällt. Wir sortieren die aus, die wir ausschließen können und irgendwann werden wir bei einem hängen bleiben. Und den schnappen wir uns und Gott sei ihm gnädig!“

„Wenn ein Maulwurf in der Firma diese Liste hat, dann weiß er auch, dass ich jetzt hier bin, oder?“

„Natürlich, aber worauf willst du hinaus.“

„Ich werde der Lockvogel sein.“

„Lockvogel?“

„Dich hat der Killer schon versucht umzubringen, ohne Erfolg. Dann wird er es jetzt bei mir versuchen. Aber …“

„Pscht!“

Wills legte seine Finger plötzlich auf den Mund. Er deutete zum Fenster.

„Jemand im Garten! Leg dich auf den Boden, vom Garten aus kann man dich nicht sehen“, flüsterte er. Thyburn glitt augenblicklich auf den Boden.

Er stand auf, ging in die Hocke und schlich sich zum Fenster. Draußen war es fast stockdunkel, ein blasser Mond erhellte den Garten schemenhaft.

Eine Gestalt war mehr zu ahnen als zu sehen, ganz in schwarz, den Kopf mit einer Sturmhaube verhüllt. Sie stand auf dem Container und hielt etwas Längliches, Glänzendes in der Hand.

Und dann ging alles ganz schnell.

„Deckung“, schrie Wills und warf sich hin.

Thyburn nahm Deckung hinter dem Sessel und griff nach ihrem Pistolenhalfter. Keinen Moment zu früh! Sekunden später peitschte eine Serie von Schüssen durch die Luft und durchschlug das Fenster. Die Projektile gruben sich in Wand und Möbel oder prallten ab. Ihre Querschläger sausten unheilvoll durch die Luft.

„Kalaschnikow!“, schrie Wills.

Er robbte über den Boden und griff nach seiner SIG Sauer Scorpion. Obwohl der Kugelhagel andauerte, hob er die Hand über den Fensterrand und gab in schneller Folge vier Schüsse ins Dunkle ab. Ein Schmerzensschrei verriet, dass zumindest eine der Kugeln ihr Ziel gefunden hatte. Der Kugelhagel endete abrupt. Ein Geräusch, als sei jemand von dem Container gesprungen, dann wurden auch schon Fenster geöffnet und Schreie tönten durch die Nacht.

„Was war das?“

„Welches Arschloch ballert hier rum? Silvester ist doch vorbei!“

„Idiot, das waren Schüsse!“

„Ruft die Polizei!“

„Bist du verletzt?“ Wills robbte hinter den Sessel, wo Thyburn kauerte. Sie war blass und zitterte leicht.

„Nein, alles gut!“ Sie deutete auf den Sessel, der zahlreiche Kugeln abgefangen hatte.

„Aber du blutest!“, aus Wills Stimme klang echte Besorgnis.

„Querschläger, nichts Besonderes“, murmelte die Agentin und wickelte sich ein Tuch um den Arm.

„Wir müssen abhauen. Sofort! In fünf Minuten sind die Cops da und ich möchte ihnen nicht erklären müssen, warum wir offensichtlich das Ziel des Anschlags waren.“

Thyburn hatte ihre Tasche noch gar nicht ausgepackt, Wills aktivierte sein GPS, raffte in aller Eile die wichtigsten Sachen zusammen und Minuten später hasteten sie die Treppe hinab und drängten sich durch die Mitbewohner, die im Treppenhaus standen und das Geschehen aufgeregt diskutierten. Zwischen Hysterie und Neugier waren hier alle Reaktionen zu finden.

In dem Durcheinander fiel es gar nicht auf, dass es zwei Mitbewohner besonders eilig zu haben schienen, den Tatort zu verlassen.

Und keine Sekunde zu früh!

Die Polizeiwache Rhöndorfer Straße war vom Ort des Geschehens nur fünf Minuten entfernt, und länger dauerte es auch nicht, bis zwei Streifenwagen mit Blaulicht und durchdringender Sirene vor dem Haus hielten. Da standen die beiden Agenten schon auf der anderen Straßenseite und beobachteten aus sicherer Entfernung das Geschehen.

Fünf Beamte, darunter zwei Frauen mit langen blonden Zöpfen sprangen heraus und trafen auf eine Schar aufgeregter Hausbewohner, die ihnen in wildem Durcheinander einen verworrenen Ablauf schilderten. Und während zwei Beamten sich anschickten, den Garten mit Taschenlampen zu durchsuchen, begannen die anderen, die verworrenen Zeugenaussagen aufzunehmen.

„Wir haben genug gesehen“, sagte Wills lakonisch, „wir hauen ab!“

„Das war knapp“, flüsterte Thyburn. „Gut, dass deine Ohren in Ordnung sind.“

„Nicht nur meine Ohren“, grinste er etwas anzüglich.

„Aber das beweist meine Theorie. Der Unbekannte kennt nicht nur unseren Aufenthaltsort, sondern er weiß auch, dass du hier bist. Er wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, aber der Bursche wird langsam unvorsichtig. Das war jetzt schon der zweite Anschlag, der ihm misslungen ist. Und ich schwöre, den dritten wird er nicht überleben!“

Aber darin sollte sich der gute Agent irren!

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