Kitabı oku: «Traumzeit für Millionäre», sayfa 5

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HANDEL MACHT REICH

Nirgendwo machte man sein Vermögen so rasch wie im Handel. Riesige Vermögen wurden innerhalb kurzer Zeit aufgehäuft. 150 der 929 Millionäre oder 16,1 Prozent waren dem Bereich Handel und Verkehr zuzuordnen. Ihr Durchschnittseinkommen lag leicht über dem der Industriellen und der Rentiers, aber deutlich unter dem der Bankiers und der Großgrundbesitzer. Aber ihr Vermögen war sehr häufig sehr rasch errungen, oft innerhalb weniger Jahre. Die Liste der großen Vermögen, die in der österreichischen Geschichte durch Handel geschaffen wurden, ist lang: von den Großhändlern des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts Fries und Sina über die Getreide- und Wollhändler Ephrussi und Figdor und die Kohlenhändler Gutmann und Berl bis zu den Lebensmitteldetaillisten Meinl und Mayer und den Warenhauskönigen Herzmansky, Gerngroß, Esders oder Rothberger oder nach dem Ersten Weltkrieg dem Inflationsgewinnler Siegmund Bosel, der in seiner Handelsgesellschaft „Omnia“ mit buchstäblich allem handelte und in den wenigen Jahren der Kriegs- und Inflationswirtschaft bis 1924 den Aufstieg vom völlig mittellosen Schusterlehrling zum angeblich kurzfristig reichsten Mann Österreichs machen konnte.

Millionäre im Handel 1910


Kohlenhandel 17 17 100,0 18,034.601 1,060.859 6,9
Holzhandel 16 15 93,8 3,074.480 192.155 1,2
Eisen/​Metallhandel 12 7 58,3 1,976.710 162.226 0,7
Agrar/​Lebesmittel 17 12 70,6 3,001.863 176.580 1,1
Textil/​Warenhäuser 29 25 86,2 5,960.325 205.528 2,3
Handel, sonstiger 59 39 66,1 11,239.603 190.502 4,3
Handel insgesamt 150 115 76,7 43,257.582 288.384 16,4

Eigene Auszählung

Zwischen Bankhäusern und Handelshäusern ist schwer eine Grenze zu ziehen. Zahlreiche der berühmten Privatbankiers hatten ihr Vermögen im Handel gemacht. Auch die Grenze zwischen Handel und Industrie ist fließend. Handelshäuser gliederten sich Produktionsbetriebe an. Umgekehrt versuchten Produzenten sich mit eigenen Vertriebsstrukturen aus beengenden Umklammerungen zu lösen. Nirgendwo war auch die Spanne zwischen ganz reich und ganz arm so groß wie im Handel. Ganz unten waren die zahllosen Hausierer, Tandler, Greißler, ganz oben die Holz- und Kohlenhändler, die Getreidehändler, die Eisen- und Metallhändler und die Besitzer der großen Warenhäuser.98

Die Holz- und Kohlenhändler

„Hast du je einen armen Holzhändler gesehen?“, fragt Josephine in Johann Nepomuk Nestroys spätem Lustspiel Frühere Verhältnisse. Nestroys Holzhändler von Scheitermann ist der Vertreter eines Berufszweiges, dem bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zentrale Bedeutung zukam. Im Holz- und Kohlenhandel waren die Einkommensmöglichkeiten am spektakulärsten. Es waren riesige Summen, die umgesetzt wurden. Die Holzversorgung einer Stadt von der Größe Wiens war ein gewaltiges logistisches Problem. Um das Brenn- und Nutzholz von den naturgemäß dezentralen und abgelegenen Standorten in den Wäldern zu den stark zentralisierten Verbrauchsorten zu bringen, waren ein enormer technischer Aufwand und ein entsprechend hoher Kapitaleinsatz erforderlich: einerseits für die Errichtung und Erhaltung der Transportwege, der Riesen, Triften, Klausen, Schwemmkanäle und Flößereianlagen, andererseits zur Finanzierung der langen Umschlagzeiten. Da konnten sich leicht oligopolistische und monopolistische Strukturen etablieren.99

Die Holzhändler waren die Kolonialherren des Habsburgerreiches. Ihre Forste und Einflussgebiete zogen sich von den Wäldern Bosniens über Transsylvanien bis in die Bukowina hin, auf die Höhen der Karpaten oder des Tatragebirges. Drach, Engel v. Janosi, Groedel, Munk, Ortlieb, Eissler waren bekannte Namen. Die aus Bisenz (Bzenec) in Mähren stammende Familie Eissler betrieb den Holzhandel in drei verschiedenen Firmen: J. Eissler & Brüder, Josias Eissler & Söhne und die Bosnische Forstindustrie Eissler & Ortlieb. Von den mehreren hunderttausend Hektaren wurden jährlich mehrere tausend geschlagen. Auf Privatbahnen mit mehr als hundertfünfzig Kilometern Schienennetz und mit an die zwanzig Lokomotiven wurde das Holz gefördert. Arbeiter rodeten, fällten, schlichteten, verluden. In Kroatien besaßen die Eissler ein Gut, in Österreich hatten „J. Eißler und Brüder“ und ihre Gründung, die Holzbank, das Land ihren Einfluss spüren lassen, in Ungarn herrschte die Firma nach dem Zerfall der Monarchie als „Eissler es testvere“, als „Eissler i fratti“ in Rumänien und „J. Eissler bratri“ in der Tschechoslowakei. Heimito von Doderer hat dem Handelshaus und seiner „Holzbank“ in den Dämonen ein literarisches Denkmal gesetzt, Franz Theodor Csokor mit dem Schuss ins Geschäft die Tragödie der Ermordung des Firmenchefs durch seinen Cousin beschrieben.100

Mit dem Ende der Brennholzwirtschaft hatte der Holzhandel seine Struktur grundsätzlich umorientieren müssen. Nutzholz wurde zu einem Exportprodukt, das in großen Dampfsägewerken geschnitten und verarbeitungsbereit gemacht wurde. Die Holzhändler legten sich Parquettenfabriken und Fournierwerke zu. Die Papier- und Zellulosefabriken stiegen als neue Großverbraucher ein. Auch wenn diese bestrebt waren, sich eine eigene Versorgungsbasis aufzubauen, waren sie doch auf den Handel als Vermittler angewiesen.


Rangierte unter den reichsten Berlinern und Wienern zugleich: das Ehrengrab für den Kohlenhändler und Philanthropen Eduard Arnhold in Berlin-Wannsee.

Neben die Holzhändler traten die Kohlenhändler. Das Durchschnittseinkommen der 17 reichsten Kohlenhändler war mit über einer Million Kronen unter allen Branchen am höchsten. Der Aufstieg des Kohlenhandels begann in den 1850er Jahren mit der Fertigstellung der ersten Bahnverbindungen. 1831 waren in Wien nur 3.000 t Mineralkohle verbraucht worden, 1850 schon etwa 50.000 t und 1890 bereits 727.000 t. Der Wiener Kohlenverbrauch hatte sich nach 1850 in jedem Jahrzehnt etwa verdoppelt.101 Die großen Kohlenhändler zementierten ihre Machtbasis in einer Verbindung von Kohlenförderung, Transportwirtschaft und Großverbrauchern ein. Die größten unter ihnen, die Gutmann, kontrollierten ein weit verzweigtes Geschäftsfeld. Im Einkommensranking standen sie gleich hinter den Rothschild. Wilhelm Isaak Ritter von Gutmann hatte sich zu Beginn der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts im damals aufstrebenden Kohlengeschäft zu etablieren begonnen und in weiterer Folge zusammen mit seinem jüngeren Bruder David die Firma „Gebrüder Gutmann“ gegründet. Mit Anselm von Rothschild, der die wichtigste Kohlenbahn, die Nordbahn, dominierte, übten sie monopolistischen Einfluss auf die Wiener Kohlenversorgung aus und beherrschten ab 1872 mit Witkowitz, zur Hälfte geteilt mit Rothschild, auch die größte Eisenhütte der Monarchie. Innerhalb eines Vierteljahrhunderts bildeten die Gutmann eines der größten Wirtschaftsvermögen Österreichs und rückten zur zweitreichsten Familie der Stadt auf. Als David Ritter von Gutmann, der 1910 ein jährliches Einkommen von 3,541.097 Kronen versteuerte, 1912 verstarb, hinterließ er ein Nettovermögen von 19,368.192 Kronen. Zu den ganz großen Kohlenhändlern zählte auch die Familie Berl. Oskar v. Berl versteuerte 1910 ein Einkommen von 1,216.964 Kronen. Schon sein Vater war einer der größten Kohlenhändler Wiens gewesen und einer der Lieblinsgegner von Karl Kraus („der Kohlenwucherer Berl“ Fackel 59/​19, 1900). Karl Königer, Inhaber der Karl Königer & Sohn, versteuerte ein Einkommen von 908.332 Kronen. Josef Kaufmann war ebenfalls Gesellschafter der Firma Karl Königer & Sohn. Adolf Schramek, aus Lipnik in Mähren stammend, machte einen steilen Aufstieg im Wiener Kohlenhandel. In der Wiener jüdischen Gemeinde war er bekannt, weil er als Präsident des Tempelvereins „Am Volkert“ die große Synagoge in der Leopoldstadt, den vom Architekten Ignaz Reiser geplanten Pazmanitentempel (Pazmanitengasse 6), finanzierte. Julius Muhr, der 1910 mit einem Einkommen von 281.649 Kronen fast schon ein „armer“ Kohlenhändler war, starb am 9. April 1942 bei der Deportation nach Izbica. Der Macht des Kohlenhandels versuchte Karl Lueger nicht nur mit der Forderung nach Verstaatlichung der Nordbahn zu begegnen, sondern auch mit der Etablierung gemeindeeigener Kohlenhandelsfirmen.

Die Wiener Kohlenhändler teilten sich den Markt mit den preußischen Kohlenmagnaten. Der Berliner Unternehmer, Kunstmäzen und Philanthrop Eduard Arnhold, der fast den gesamten Handel mit schlesischer Steinkohle am Berliner Markt in seine Hand gebracht hatte, machte auch in Wien glänzende Geschäfte und versteuerte 1910 in Österreich ein Jahreseinkommen von 1,284.189 Kronen. Er zählte zu den fünf reichsten Berlinern und rangierte auch in Wien unter den zehn größten Einkommenssteuerzahlern. Eduard Arnhold gehörte zweifellos zu den bemerkenswertesten Figuren, nicht nur als Kohlenhändler, sondern auch als Kunstsammler und Mäzen. Sein Aufstieg vom mittellosen Lehrling des Kohlenhändlers Caesar Wollheim über die Prokura zum Teilhaber und schließlich zum unumstrittenen Chef einer eigenen Kohlenhandelsfirma, die er seinerseits an die Spitze der Branche katapultierte, war bemerkenswert.102 Karoline Wollheim, die Witwe des Berliner Kohlenhandelsmagnaten Caesar Wollheim, versteuerte in Wien 1910 ein Jahreseinkommen von 424.853 Kronen. Auch der preußische Kommerzienrat Fritz Friedländer-Fuld, Inhaber der gleichnamigen Kohlengroßhandlung in Gleiwitz, und Käthe Hegenscheidt, die Witwe von Rudolf Hegenscheidt, des Inhabers der Kohlenfirma Emanuel Friedländer und Compagnie in Berlin, waren unter den Wiener Spitzenverdienern zu finden.

Alles ist Handel

Eine Handvoll Wiener Großhändler waren die Speerspitze des Kapitalismus in der Habsburgermonarchie: Sie waren Bankiers, Industrielle, Großgrundbesitzer und Großhändler in einem. Auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich gab es im Jahr 1902 im Warenhandel ungefähr 80.000 Hauptbetriebe mit insgesamt etwa 180.000 Beschäftigten. Diese Zahl entsprach 4 Prozent aller Berufstätigen. Über 80 Prozent von ihnen waren hauptberuflich im Handel tätig, der Rest hatte im Handel nur eine Nebenbeschäftigung. 45 Prozent der Berufstätigen im Handel waren selbständig. Dies und die große Zahl von Betrieben bedeutet, dass der durchschnittliche Handelsbetrieb klein war: In gut 40 Prozent der Betriebe arbeitete nur eine (in der Regel selbständige) Person. Unter den ohnehin nicht sonderlich zahlreichen Großbetrieben des Landes mit tausend Beschäftigten oder mehr gehörten kaum welche zum Handel. Im Unterschied dazu findet man unter den Speditionen auch große Unternehmen wie Schenker & Co. mit etwa 1.300 Mitarbeitern im Jahr 1913.103

Die Struktur des Handels erklärt sich aus der Struktur der Wirtschaft. Nahezu zwei Drittel der Bevölkerung der Habsburgermonarchie waren noch in der Landwirtschaft und verstanden sich überwiegend als Selbstversorger, die nur beim Verkauf ihrer Produkte, von Getreide und Vieh, mit dem Handel in Kontakt kamen und alle heiligen Zeiten auf den Jahrmärkten sich einige städtische Konsumgüter nachschafften. 1902 gab es im Gebiet der späteren Republik Österreich ungefähr 3.500 Viehhändler, die fast ausschließlich als Betriebe mit ein bis zwei Personen wirtschafteten. Dazu kamen über 3.000 Betriebe, die mit anderen Rohprodukten, überwiegend Getreide und Futtermitteln, handelten. Auch diese Unternehmen waren zum größten Teil Kleinbetriebe und hatten insgesamt an die 6.000 Beschäftigte.104

Dass im Agrarstaat Österreich dem Lebensmittel- und Landesproduktehandel besondere Bedeutung zukam, braucht nicht zu verwundern. Eduard Bondy handelte mit Getreide, die Boschan mit Landesprodukten und Samen, Glatz mit Mehl und Kleie, Klein mit Gerste, die Strasser waren das führende Getreidehandelsunternehmen Ungarns, auch ein Pferdehändler ist unter den Millionären, mehrere Weinhändler, ein Bierhändler, ein Milchhändler, ein Futterwarenhändler. Gabriel Bader handelte mit Spiritus und Melasse, die Familie Bauer mit Leder, die Schütz mit Pelzen. Sie waren allesamt jüdisch. Dennoch ist die Vorstellung, der Getreidehandel befinde „sich ausschließlich in den Händen der Juden“, wie es Karl Lueger im Reichsrat 1890 formulierte, als Klischeebild anzusehen, in dem sich alte Ängste vor Kornwucher und Hunger mit dem Antisemitismus jener Zeit mischten.

Im Einklang mit der österreichischen Industriestruktur haben sich einheimische, international tätige Rohstoffhändler vor allem auf den Bereich des Metallhandels konzentriert, wenngleich sich die Aktivitäten teilweise auch mit dem Agrar-, Chemikalien-, Baustoff- und Brennstoffhandel überschnitten. Die Bergmann handelten mit Buntmetallen (Zinnoxyd-Comptoir), die Brukner und die Frankl mit Eisen, die Kraus mit Ultramarin. Gustav Benda, Inhaber der Firma Waldek, Wagner & Benda (auch Waldeck, Wagner und Benda geschrieben) vertrieb ein großes Sortiment an Maschinen, Gummiwaren, Armaturen und Fittings, aber auch Chemikalien wie Schwefel und Borax, Farben und Brennstoffe. Willibald Petzolt, Inhaber in dritter Generation einer aus den kleinen Anfängen einer Gemischtwarenhandlung im 7. Bezirk herausgewachsenen Werkzeug- und Metallwarenhandlung, beherrschte 1910 den Metallmarkt der k. u. k. Monarchie. Heute wird das traditionsreiche Unternehmen in sechster Generation von Frau Christine Del Monte-Petzolt geführt. Alte, bis heute bestehende Traditionen repräsentiert auch die Fa. Neuber. Wilhelm Neuber, der als Praktikant in einer Wiener „Material-, Spezerei- und Farbwarenhandlung“ das Drogistengeschäft von Grund auf gelernt hatte, erwarb 1865 eine „Bürgerliche Gemischtwarenhandlung“ und baute aus einer kleinen Farbwarenhandlung einen Handels- und Produktionsbetrieb für Farben und Farbstoffe auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Industriebetrieb als Neuber AG von der Großdrogerie getrennt, die in Familienbesitz verblieb.105


Verwaltung, Erzeugungsbetriebe und Lagerräume unter einem Dach: das neu erbaute Hauptquartier von Julius Meinl in der Nauseagasse in Ottakring, um 1913.

Die bekannteste Handelsmarke des alten Österreichs schuf Julius Meinl. Der Name Meinl verkörperte über mehr als ein Jahrhundert das perfekte Beispiel für patriarchalisches Unternehmertum: Der stets gleich bleibende, wie bei Herrschern oder Päpsten nur durch die römische Zahl unterschiedene Vorname „Julius“, von I bis inzwischen V, signalisiert eine Kontinuität, die es im Geschäftsleben nur in Ausnahmefällen gibt. Im Jahr 1862 hatte dieser erste Julius Meinl auf dem Wiener Fleischmarkt ein Geschäft für „täglich frisch gebrannten Kaffee“ eröffnet. Vierzehn Jahre später war er in der Großen Depression bankrott gegangen. Er gab aber nicht auf. 1877 startete er neu. Ende der 1890er Jahre war die Firma in ein neues Haus am Fleischmarkt übersiedelt, das mit seiner Marmorfassade bereits als typisches Meinl-Geschäft erkenntbar war. Zielpublikum war die wohlhabende Gesellschaft. Bei Kriegsausbruch 1914 hatte das Unternehmen 115 Filialen, davon 44 in Wien, zehn in Budapest, fünf in Prag, je drei in Lemberg, Brünn und Graz sowie zwei in Triest. Insgesamt beschäftigte der Konzern mehr als 1.100 Personen. In seinem Geschäftsbereich war Meinl unumstritten die Nummer eins. Als Julius Meinl II. 1913 den Betrieb übernahm, war Meinl nicht mehr nur eine Handelskette für Kaffee und Tee, sondern ein breit gefächerter Lebensmittelkonzern. Mit dem Zerfall der Habsburgermonarchie war kein Einschnitt verbunden. Zwischen 1919 und 1933 wurden durchschnittlich elf bis zwölf neue Geschäfte pro Jahr eingerichtet. Das Unternehmen wurde um ein Margarinewerk, eine Likörfabrik, eine Ölproduktion und eine Konservenfabrik erweitert, ein Sparverein wurde gegründet und eine Bank übernommen, ebenso die Geschäfte der „Brüder Kunz“, des größten Konkurrenten im Lebensmittelsektor. 1937 war das Unternehmen in acht Staaten tätig, verfügte über 493 Filialen und beschäftigte etwa 3.000 Leute, ca. die Hälfte davon in Österreich. Überall, in Wien, Berlin, Prag, Triest, Budapest, Warschau, Kattowitz und Zagreb warb Meinl mit demselben Schriftzug und dem Meinl-Mohr als Logo, mit einheitlich dekorierten Schaufenstern und einer einheitlichen Fassadengestaltung. Auch die NS-Zeit und der Zweite Weltkrieg konnten die Erfolgsgeschichte des Unternehmens nicht stoppen. Erst Julius Meinl V. beendete die Handelstradition des Hauses und verlegte sich mit durchaus zweifelhaftem Erfolg ganz auf das Bankgeschäft.106


Beginnt 1890 mit der Sekterzeugung: die Weinkellerei von Johann Kattus in Döbling, der 1898 zum „k. u. k. Hoflieferanten“ ernannt wird.

Wien war ein guter Platz für Luxuswaren aus aller Welt: Johann Kattus war zwischen 1880 und 1914 der bedeutendste Kaviarhändler der Welt, mit Umsätzen pro Jahr von bis zu 200.000 kg. Er hatte als Reisender für verschiedene Weinhändler begonnen und um 1857 eine Spezereiwarenhandlung für Wein, Kaffee, Tee, Südfrüchte, Spirituosen, Champagner und Kaviar gegründet. In Astrachan am Kaspischen Meer eröffnete er eine Kaviarfaktorei, von der aus die Kaiserhöfe in Wien und Sankt Petersburg, deutsche Fürstenhöfe und amerikanische Hotels beliefert wurden. 1890 wurde die eigene Sekterzeugung aufgenommen. Kattus kreierte die Marke „Hochriegl“, benannt nach seinem besten Weingarten. 1898 wurde er zum k. u. k. Hoflieferanten ernannt. Auch Wilhelm Pollak zählte mit der von seinem Vater gegründeten k. u. k. Hof-Weinhandlung Emanuel Pollak & Sohn und der Fa. Joh. Stifft & Söhne zu den größten Weinhändlern der Habsburgermonarchie. Robert Schlumberger, der Sohn eines schwäbischen Brücken- und Straßenbaudirektors, hatte in Reims die Schaumweinproduktion gelernt und begann in Wien, wohin er wegen seiner Heirat übersiedelt war, mit Versuchen, diese in Österreich zu etablieren. Er mietete dazu den Vöslauer Maitalkeller des Grafen Moritz Fries. Er schaffte es, sein Unternehmen mit seiner Marke „Vöslauer Goldeck“ zum Lieferanten der wichtigsten Höfe Europas zu machen. Im Jahr seines Todes als „Edler von Goldeck“ für seine Verdienste noch mit einem Adelstitel geehrt, hinterließ er seinen drei Söhnen Robert (II.), Otto und Gustav Schlumberger von Goldeck ein florierendes Unternehmen.107

Franz X. Mayer war der Chef des Großhandlungshauses Fa. Gebrüder Mayer, Präsident des Großhändler-Gremiums und Verwaltungsrat der Kathreiner Malzkaffee Fabriken AG. Auch der k. u. k. Hoflieferant Franz Josef Stiebitz, Chef der Firma Alois Stiebitz et Comp., war eine bekannte Persönlichkeit im Wiener Gourmetbereich. Der aus Mähren stammende Joseph Stiebitz hatte 1818 das „Schwarze Cameel“ übernommen, eine schon seit dem 17. Jahrhundert unter diesem Namen bestehende Gewürzkrämerei. Stiebitz expandierte in den Feinkosthandel und richtete eine Weinstube samt Schwemme ein. 1901 wurde das Haus Bognergasse 5 komplett neu gestaltet und dem Lokal von Portois & Fix sein heutiges Aussehen im Wiener Jugendstil verpasst.108 Stiebitz machte das Schwarze Kameel zu einer Mischung aus Feinkosthandlung, Buffet und Restaurant, gerade recht für die Bedürfnisse seiner noblen Kundschaft.

Man vermisst unter den Millionären sicher manche der traditionsreichen Hoflieferanten, von den Käsehändlern Gebrüder Wild oder dem Hoffleischhauer Ludwig Weisshappel bis zu den Wiener Schmuck- und Juwelierhäusern Köchert und Rozet & Fischmeister. Sie besetzten zweifellos eine führende Position im Altwiener Bürgertum. Für ein Millioneneinkommen waren sie dennoch zu klein. Der Juwelen- und Edelsteinhändler Bernhard Hirsch durchstieß diese Schranke. Er war um 1876 nach Wien gekommen und etablierte hier das von seinem Vater in Pest gegründete Geschäft Leopold Hirsch & Sohn. Ob Julius Bellak mehr Uhren- und Schmuckhändler oder mehr Bankier war, ist schwer zu sagen. Dasselbe gilt für die Zirner, die als Juweliere begannen, ein Bankhaus führten und in das feine Modehaus Ludwig Zwieback auf der Kärntner Straße einheirateten.

Für den Buchdruck und den Buchhandel war die Habsburgermonarchie lange Zeit kein guter Boden. Im Vormärz behinderte die Zensur eine freie Entwicklung. Weil die Habsburgermonarchie bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts an den Abkommen gegen Nachdruck nicht teilnahm, gaben erfolgreiche Autoren häufig Verlegern an deutschen Standorten den Vorzug. Im 19. Jahrhundert wurde die Wertschöpfungskette in der Buchproduktion durch die Weiterentwicklung der Papiererzeugung, der Schnell- und Rotationspressen und mechanischen Setzmaschinen vervollkommnet, was eine entsprechende Entwicklung des Verlagswesens und Buchhandels ermöglichte und einer Reihe berühmt gewordener Verleger und Buchhändler eine Chance gab, zum Beispiel Georg Freytag, Alfred Hölder oder Franz Pichler.

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22 aralık 2023
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