Kitabı oku: «Traumzeit für Millionäre», sayfa 9

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Innovation Elektrizität

Die österreichische Elektroindustrie steht im Schatten der deutschen. Werner von Siemens oder Emil Rathenau überstrahlen Johann Kremenezky oder Béla Egger. Dabei waren die Errungenschaften der österreichischen Elektropioniere kaum geringer als die ihrer deutschen Konkurrenten, in der Wechselstromtechnik, bei Glühbirnen, in der Röhren- und Telefontechnik. Acht Millionäre sind zur Elektroindustrie zu zählen, davon sieben jüdische. Gerade die Elektroindustrie war in besonderem Maße von öffentlichen Aufträgen abhängig. Die Bevorzugung nichtjüdischer Anbieter im öffentlichen Sektor mag eine Rolle gespielt haben, dass die Siemens-Gesellschaften in Österreich so große Bedeutung erlangten. Georg von Siemens und die Deutsche Bank finanzierten die Kommunalisierung des Wiener Gasnetzes. Siemens erhielt dafür die Elektrifizierung des Wiener Straßenbahnnetzes übertragen.

Johann Kremenezky hatte in Wien (wie Emil Rathenau in Berlin) die elektrische Beleuchtung eingeführt. 1884 gründete er die Gesellschaft Kremenezky, Mayer & Co. Sie übernahm eine bereits bestehende Glühlampenfabrik der Londoner Brush Electrical Engineering Company. 1896 wurde das inzwischen auf 800 Beschäftigte angewachsene Werk an die Nürnberger Schuckert-Werke verkauft. Kremenezky blieb technischer Direktor, schied aber drei Jahre später aus, wobei er die Glühlampenfabrikation herauskaufte und sie bis zum Ersten Weltkrieg auf rund 1.500 Beschäftigte ausbaute. Seine Fabrik (später Tungsram) war damals die größte ihrer Art in Europa. 1930 zog sich der inzwischen 80-jährige Kremenezky zurück und verkaufte sein Unternehmen an die Watt AG bzw. deren Muttergesellschaft, die Vereinigte Glühlampenfabriks AG in Neupest, die ihren Namen auf Vereinigte Glühlampenfabriken Johann Kremenezky AG änderte.159

Béla Egger, Gründer und Verwaltungsrat der Vereinigten Elektrizitätsgesellschaft, hatte als Mechaniker und Telegraphentechniker begonnen. Zusammen mit Johann Kremenezky wurden verschiedene Fabriken gegründet, die 1897 in die Vereinigte Elektrizitäts AG umgewandelt wurden. Seine Söhne Ernest, Friedrich und Adolf setzten das Werk fort. Vielleicht fehlte die nötige Konsequenz. Nach 1918 fehlte der große Markt. Und weil sie jüdisch waren, versank zuletzt alles in der nationalsozialistischen Vernichtungswut.

Der vielseitigste österreichische Erfinder um 1900 war zweifellos Carl Auer von Welsbach. Er brachte Österreich zweimal an die Spitze des technologischen Fortschritts in der Beleuchtungstechnik, einmal mit dem Gasglühlicht, das zweite Mal mit der Metallfadenlampe. Auer von Welsbach war für den Reichtum der Brüder Gallia verantwortlich. Adolf Gallia war Auers Patentanwalt. Moriz Gallia, dessen Gattin durch Gustav Klimt berühmt geworden ist, war sein Direktor für Österreich, Wilhelm für Ungarn.

Auch das Telefon wurde immer wichtiger: Der k. k. Oberbaurat Hubert Gottlieb Dietl, ein nahezu vergessener österreichischer Erfinder, erzielte sein hohes Einkommen von 119.915 Kronen aus der Entwicklung des automatischen Telefonwählsystems, mit dem 1905 erste Versuche in Wien für zunächst 200 Teilnehmer gestartet wurden und das ab 1914 im Wiener Telefonnetz systematisch eingesetzt wurde. Robert von Lieben machte kein Studium und keine Universitätskarriere. Man muss ihn aber als den wichtigsten und bis heute einflussreichsten Erfinder unter den Wiener Millionären des Jahres 1910 anführen. Geld hatte er nicht nötig. Die mütterliche Wohnung war das prachtvolle Palais Todesco gegenüber der Staatsoper, die väterliche Wohnung das Palais Lieben an der Ringstrasse gegenüber der Universität, sein Labor das Sommerhaus in der Hinterbrühl samt nahe gelegener Mühle, wo er eine Dynamomaschine aufstellte. Er installierte die elektrische Beleuchtung und konstruierte ein Haustelephon. Seine große Erfindung waren die Lieben-Röhren, die Grundlage der Verstärkerentwicklung und der Radio- und Fernsehtechnik. 1912 wurde das Lieben-Consortium gegründet, bestehend aus den Firmen Siemens und Halske, AEG, Telefunken und Felten & Guillaume, um die Rechte an den Lieben-Patenten zu vermarkten. Für die Patentrechte erhielt Lieben die riesige Summe von 100.000 Mark und verdiente noch an zusätzlichen Lizenzgebühren für jede einzelne Röhre und jedes Gerät. Er starb bald darauf am 20. Februar 1913 nach schwerer Krankheit im Alter von 34 Jahren. Hugo v. Hofmannsthal schrieb ihm einen wunderschönen Nachruf in der Neuen Freien Presse.160

Papier und Schreibwaren

Die Papiermaschine und der Holzschliff machten die Papierindustrie zu einer der leistungsfähigsten Exportbranchen der Habsburgermonarchie. Daran hing nicht nur die Buch- und Zeitungskultur. Die geistige Emanzipation führte zu einer Explosion der Schriftkultur. Doch ohne billiges Papier wäre dies nicht möglich gewesen. Nach 1860 wuchs die Papierindustrie zur Großindustrie. Von den ca. 160 Papierfabriken der Monarchie waren nach 1918 ca. 30 Prozent und von den 331 Holzschleifereien ca. 37 Prozent in Deutschösterreich situiert. Wir finden unter den Millionären die großen Namen der österreichischen Papierindustrie und so gegensätzliche Lebensläufe vereint wie die der Bunzl und der Hamburger, der Tennenbaum und der Musil von Mollenbruck.

Auch wenn es das Telephon schon gab, zahllose Telegramme aufgegeben wurden, Funk und Radio schon in den Kinderschuhen steckten und Sascha Kolowrat, der Sohn von Leopold Filip Graf Kolowrat-Krakowský, die ersten Filme drehte, so war das Fin de Siècle doch die große Zeit der Briefe. Theodor Theyer war der Briefkönig Wiens: Er lieferte Papier für die verschiedensten Arten von Korrespondenz, vom kaufmännischen Geschäftsbrief im nüchternen Quart und schmucklosen Kuvert bis zum duftigen Billet-doux. Sein Programm umfasste Korrespondenzkarten und Briefpapier in verschiedensten Ausführungen und Farben, für den Jagd- und den Jockeyclub, mit Firmenbildern, Künstlerköpfen, Musikzeilen, Jagdtrophäen und Wappen, auf Oxforder Leinen, Vieux Saxe oder Japan-Papier, in Altwiener Art und Art Deco, Bildpostkarten, Kondolenz- und Glückwunschpapiere. Theyer produzierte um 1910 nahezu 10.000 Motive.161

Die Stahlfedern zum Schreiben der Briefe und der unzähligen Akten lieferte Karl Brandauer. Sein Unternehmen hatte Standorte in Wien und in Birmingham. Das englische Monopol für Stahlschreibfedern mit Mittelloch und Schlitzen wurde von dem aus Ulm nach Wien zugewanderten Carl Kuhn und dessen Schwiegersohn, dem aus Württemberg stammenden Carl Brandauer, nicht nur erfolgreich durchbrochen. Brandauer gelang es sogar, ins Zentrum der englischen Metallindustrie nach Birmingham vorzustoßen. 1862 gründete er dort seine eigene Federnfabrik. Die Federn wurden in Birmingham erzeugt, die Federhalter in Wien. Mit ansprechenden Modellen aus Metall, Elfenbein, Perlmutter, Glas oder Holz wurde den Produkten aus England eine exquisite und wienerische Note verpasst. Exportiert wurde vor allem nach Deutschland, England, Russland und in die Balkanländer. Wegen des 1. Weltkriegs musste die gesamte Produktion wieder in Wien zusammengefasst werden. Das englische Werk war verloren. Doch erst unter dem Nationalsozialismus wurde 1938 die „Carl Kuhn AG. Erste Österreichische Schreibfedern- und Federhalterfabrik“ aufgelöst.162 Die englische Firma besteht unter anderen Eigentümern weiter und pflegt das Brandauer-Erbe liebevoll.

Kreise um Wittgenstein

Die Konsumgüterindustrien beanspruchten vor 1914 etwa 50 Prozent der Wertschöpfung der österreichischen Industrie. Aber die Beschleunigung kam zuletzt immer mehr vom Produktionsgüterbereich. Die „schwersten“ Industriellen waren naturgemäß die Schwerindustriellen. An 37. Stelle des Einkommensrankings findet man den Eisenindustriellen Karl Wittgenstein. Doch würde man alle Mitglieder der Familie Wittgenstein zusammenzählen, würden sie ziemlich gleichauf mit den Gutmann an die dritte oder vierte Stelle vorrücken. Karl Wittgenstein und seine Geschwister konnten auf dem riesigen Vermögen aufbauen, das der aus Deutschland zugewanderte Hermann Wittgenstein in weniger als 20 Jahren geschaffen hatte. Alle seine Kinder, mit Ausnahme der etwas behinderten Clothilde, die als einsame Morphinistin in Paris endete, darunter die drei Söhne Paul, Louis und Karl, gehörten 1910 zu den tausend größten Steuerzahlern der Habsburgermonarchie. Hermann Wittgenstein hatte ihnen als Immobilienhändler, Generalpächter der Esterházyschen Güter und Partner der Figdorschen Handels- und Bank-Firma ein riesiges Vermögen hinterlassen. Paul und Ludwig führten die väterlichen Unternehmen im Immobilienhandel und der Güterverwaltung weiter, Karl baute sich in der Eisenindustrie ein neues Betätigungsfeld auf. Die Töchter waren ausgezeichnete Partien.163 Die Enkel ragten durch ihre musischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten heraus. Von den Urenkeln kennt man nur noch „Wittgensteins Neffen“, dem Thomas Bernhard ein literarisch-skurriles Denkmal gesetzt hat.164

Hermann Wittgensteins jüngster Sohn Karl war als Achtzehnjähriger 1865 aus dem Elternhaus ausgerissen und mit einem gefälschten Pass und ohne Geld nach Amerika gegangen, wo er sich zwei Jahre in verschiedensten Stellungen, als Nachhilfelehrer, Kellner oder Schiffssteuermann, durchschlug. Nach der Rückkehr absolvierte er in Wien ein paar Semester Technikstudium und arbeitete als Konstrukteur, bis ihn Paul Kupelwieser, der Schwager seiner Schwester Berta, 1872 in das Walzwerk Teplitz/​Teplice holte. 1877 war er dort bereits Generaldirektor, 1884 hatte er die Aktienmehrheit der Böhmischen Montan-Gesellschaft, 1885/​86 übernahm er auch die Prager Eisenindustriegesellschaft und 1897 war er nach der Erringung der Kontrolle über die Alpine Montangesellschaft Herr des größten Eisenkonzerns der Habsburgermonarchie. Doch schon ein Jahr später legte er nach einer dreimonatigen Weltreise alle seine operativen Funktionen nieder und zog sich völlig in das Privatleben zurück. Seit 1906 an Krebs erkrankt, starb er am 20. Jänner 1913.


„Eisenfressende Bestie“ oder liebender Familienmensch? Karl Wittgenstein und seine Frau Leopoldine, geborene Kallmus. Foto: K. u. k. Hofatelier Adèle, um 1900.

Karl Wittgenstein war sicher nicht jener Selfmademan, als der er gerne hingestellt wurde oder sich auch selbst stilisierte. Das Riesenvermögen, das schon sein Vater Hermann den Kindern hinterlassen hatte, vergaß er gerne zu erwähnen. Alle seine Geschwister waren bereits Millionäre. Der Amerikaaufenthalt hat ihn tief geprägt, wohl auch wegen der harten Arbeit, mit der er sich durchschlagen musste, viel stärker aber durch den Sozialdarwinismus und Räuber-Kapitalismus, den er dort kennen gelernt hatte. Gut aussehend, sportlich, ein blendender Fechter und Reiter, musikalisch, witzig, ein entschlussfreudiger Techniker und brillanter Geschäftsmann, hätte er es doch ohne das ererbte Geld und das noch wichtigere Netzwerk nicht schaffen können. Neben ihm blieb wenig Luft zum Leben. Seine Entschlusskraft war gewaltig. Wie er dem Fürsten Fürstenberg zuvorkam, um sich die Rechte am Thomasverfahren, dem Schlüssel zur modernen Verwertung der böhmischen Eisenerze, zu sichern, ist ein Beispiel seines enormen Verhandlungsgeschicks und Durchhaltevermögens. In einer feuchten Tafelrunde, Punkt Mitternacht, in der Minute, als die Sperrfrist abgelaufen war, schlug er zu.165 Man hat ihm oft Rücksichtslosigkeit vorgeworfen, wie er sich Mehrheiten sicherte, die Börse manipulierte, Unternehmen sanierte und wegrationalisierte, das Eisenkartell einsetzte und den vielen kleinen Eisenerzeugern und Eisenverarbeitern das Leben immer schwerer machte.166 Wittgenstein war ein Meister des Umgangs mit den Instrumenten des organisierten Kapitalismus. Er hatte es verstanden, einen Kreis verlässlicher Weggefährten um sich zu scharen, Max Feilchenfeld in der Escomptegesellschaft, Anton Kerpely als Generaldirektor der Alpine, Georg Günther in der Böhmischen Montangesellschaft, Wilhelm Kestranek bei der Prager Eisenindustrie. Wittgenstein hat sie alle reich gemacht. Es war ein Weg über viele Leichen. Die Alpine Montan Gesellschaft war, als er sich 1896 die Aktienmehrheit erkämpfte, ein kriselndes Unternehmen. Er betrieb ein scharfes Rationalisierungsprogramm und verzehnfachte den Börsenwert. Die Feilenhauer, Nagelschmiede und Sensenwerke zerbrachen unter seinem Druck.167 Karl Kraus, nie um eine sarkastische Pointe verlegen, schrieb über seinen engsten Weggefährten, den Stahlmanager Kestranek, der von hünenhafter Gestalt war, unter Ausnutzung der feinen Unterschiede der deutschen Rechtschreibung: „Er ist aus Eisen und stahl.“168

Die aus einer alten Frankfurter Handelsfamilie stammenden Brüder Albert und Emil Böhler hatten 1870 mit der k. k. privilegierten Gussstahlfabrik des Freiherrn Mayr-Melnhof in Kapfenberg einen Alleinvertretungsvertrag für deren Stahlprodukte ausgehandelt. 1872 erwarben sie das Puddlings- und Walzwerk Bruckbacherhütte bei Waidhofen/​Ybbs und 1894 das Gussstahlwerk in Kapfenberg. Bis 1875 waren auch die jüngeren Brüder Otto und Friedrich als zusätzliche Gesellschafter eingetreten. 1899 wurde das Unternehmen, inzwischen weltberühmt für seine Edelstahle und Schmiedeprodukte, in eine AG umgewandelt. Mit Friedrich Böhlers Tod im Jahre 1914 endete die eigentliche Geschichte von Böhler als Familienunternehmen. In der Hyperinflation nach 1918 geriet das Unternehmen immer mehr in den Einflussbereich des Deutschen Stahlvereins. Der starke Mann im Unternehmen war bis 1938 der von Friedrich Böhler eingesetzte Otto Friedländer, dem dieser mehr vertraute als seinen Neffen, der aber wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten sofort entfernt wurde. Gleichzeitig war dies das Ende der Familiengesellschaft. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs, vor der endgültigen Verstaatlichung, war die Familie Böhler nur mehr mit etwa 8 Prozent beteiligt.169

Krupp ist auch in Österreich ein klingender Name. Die österreichischen Krupp waren zwar nicht so reich wie ihre deutschen Verwandten. Bertha Krupp hatte 1910 das höchste Einkommen Deutschlands. Arthur Krupp lag in der österreichischen Einkommensskala nur an dreißigster Stelle. Sein Einkommen von 906.012 Kronen war nur ein Zwanzigstel der Einkünfte von Bertha Krupp. Hermann Krupp, der Sohn von Friedrich Krupp und jüngere Bruder von Alfred Krupp, war 1843 nach Österreich gekommen, um hier seine neue Technik des Walzens von Besteck zu etablieren. Er tat sich mit Alexander Schoeller zusammen. Krupp brachte die Technik, Schoeller das Kapital. Die beiden waren zu je 50 Prozent am neuen Unternehmen beteiligt. Zu den Kunden des gewalzten, silberähnlichen und relativ billigen Bestecks zählten Hotels, Eisenbahnverwaltungen und Schifffahrtslinien. Der Ruhm des Unternehmens stammte aber weniger von den billigen Massenwaren als von den hochwertigen und hochpreisigen Essbestecken, wie sie zum Beispiel Kaiserin Elisabeth für ihr Korfuer Achilleon bestellt hatte. Arthur Krupp war von seiner Mitwelt für einen Geldverdiener von nahezu amerikanischem Zuschnitt gehalten worden. Er trieb in seiner Blütezeit den Aufwand eines Nabobs. Sein Geltungsbedürfnis war groß, wenn auch altruistisch. Seine Bautätigkeit, seine überbordenden Feste und Einladungen und seine Jagdleidenschaft lagen in „einer großzügig angelegten Natur“ seines Charakters begründet.170 Schon in der Wirtschaftskrise des Jahres 1900 geriet die Berndorfer Fabrik trotz ihres äußeren Glanzes in eine schwere Zahlungskrise, in der Friedrich Alfred Krupp, der seine Beteiligung erhöhte, dem österreichischen Vetter noch einmal aushalf.171 Nach 1901 steckten bereits namhafte Summen aus Essen im Berndorfer Unternehmen. 1915 musste das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden: Arthur Krupp verfügte über 17 Prozent, die Essener Krupp über 20 Prozent; 47 Prozent war der Anteil der Credit-Anstalt, der Rest entfiel auf die übrigen Familienangehörigen.

Arthur Krupp verstand sich wie seine deutschen Verwandten als patriarchalischer und sozial engagierter Unternehmer. Wie in Essen sollte auch in Berndorf eine Musterstadt entstehen. Mit Blick auf das Unternehmen und die Stadt ließ er seine repräsentative Villa errichten. Für die Arbeiter und Angestellten gab es werkseigene Wohnhäuser und ein neobarockes, von den renommierten Theaterarchitekten Helmer und Fellner errichtetes Arbeitertheater, für die Schüler 1909 zwei Schulen mit den Klassenzimmern in den wichtigsten Kunststilen vom alten Ägypten bis zum napoleonischen Empire – mit etwa 3 Millionen Kronen die teuerste Schulausstattung der Welt –, für den Gottesdienst eine neugotische evangelische und eine neubarocke katholische Kirche, für die Verköstigung eine Ausspeisungshalle für mehr als 1.000 Personen, für die Versorgung eine Konsumanstalt mit Fabriksökonomie, Bäckerei, Schweinemastanstalt und Meierei mit mehr als 250 Kühen sowie Schlachthaus und Wurstfabrik. Haus- und Firmenarchitekt war der dem Späthistorismus verpflichtete Ludwig Baumann. Krupp hielt nichts von modernen Architekten wie Adolf Loos oder Otto Wagner und auch nichts von moderner Demokratie. Sein Führungsstil war autoritär. An der Spitze des Unternehmens müsse einer stehen, der „rücksichtslos den Leuten die Schädel an einander schlägt“.172 Nach dem Zerfall der Monarchie und der Umstellung auf Friedensproduktion kamen immer mehr wirtschaftliche Schwierigkeiten. So zog sich Krupp langsam aus seinem Imperium nach Wien und in die Natur in seinem Jagdgebiet in der Walster zurück. Erst 1936 kehrte er nach Berndorf zurück, wo er 1938, wie auf seiner Todesanzeige zu lesen stand, „reich an Erfolgen und reich an Kummer und Sorgen“ verstarb.

Hugo Noot wurde in Löhnen bei Wesel (Nordrhein-Westfalen) geboren, kam als Handlungsreisender 1863 nach Wien und trat in die Dienste des Steyrer Gewehrfabrikanten Josef Werndl, in dessen Auftrag er Geschäftsabschlüsse in Konstantinopel tätigte und sich für Studien über die Waffenherstellung in den USA aufhielt. Gemeinsam mit Friedrich Vogel gründete er 1872 in Wartberg im Mürztal und im benachbarten Mitterdorf ein eigenes Eisen- und Stahlwerk zur Herstellung von Heeresausrüstungen. Von 1891 bis 1919 war Noot Präsident der Krainischen Eisen-Industriegesellschaft in Laibach, die nicht nur Stahlwerke in Assling (Jesenice) und Feistritz besaß, sondern in Servola bei Triest eine am Meer gelegene, moderne Hochofenanlage errichtete. Auch ein weiterer Großaktionär und Verwaltungsrat der Krainischen Eisenindustriegesellschaft, der Financier Karl von Born, war aus Berlin nach Wien gekommen.

Erst mit Blick auf die Liste der Wiener Millionäre wird deutlich, dass in Österreich mit seiner traditionsreichen Eisenindustrie der überwiegende Teil der finanziell wirklich erfolgreichen Eisen- und Metallindustriellen aus Deutschland kam, Böhler, Krupp, Noot, Born, Bleckmann, Haardt, Brevillier und Urban. Auch die Gesellschafter der Rudolf Schmidt & Co Oesterreichische Schmidtstahlwerke AG, die Feilen- und Werkzeugstahlfabrikanten Rudolf Schmidt und Hugo Rosenthal, stammten aus rheinländischen Schmiedefamilien. Anton Knips kam aus Sachsen. Zusammen mit der Altwiener Familie Krassl und der Eisenhandelsfirma C. T. Petzolt & Co führte er die Eisenwerke AG Rothau-Neudeck mit ca. 3.000 Beschäftigten. Und auch die Famile Schoeller, die ja mit ihrem Stahlwerk in Ternitz und ihrer anfänglichen Beteiligung in Berndorf mit der Eisen- und Metallindustrie eng verbunden war, stammte aus dem Rheinland. Wenn man die deutschen Wurzeln von Rothschild und Wittgenstein ebenfalls dazunimmt, kommt man zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Spitzen der österreichischen Eisenindustrie weitgehend von Deutschland geprägt waren, und das in einem so alten Eisenland wie Österreich.

Rüsten für den Krieg

Das Wettrüsten, das im beginnenden 20. Jahrhundert einsetzte, wenn auch in Österreich in geringerem Umfang als bei den übrigen europäischen Mächten, bescherte den Industriellen naturgemäß fette Gewinne, nicht nur den Waffenerzeugern und Munitionsfabrikanten, sondern auch den sonstigen Heeresausrüstern.173 Karl Škoda lenkte den von seinem Vater Emil aufgebauten Konzern immer mehr ins Rüstungsgeschäft. Er war nach Wien übersiedelt, um die Kooperation zwischen Pilsen und Wiener Neustadt zu einem umfassenden Rüstungskonzern voranzutreiben. Er baute die Škoda-Werke zur Waffenfabrik aus, fädelte eine enge Zusammenarbeit mit Austro-Daimler ein und zählt auch zu den Gründern der Oesterreichischen Flugzeugfabrik AG in Wiener Neustadt. Das spektakulärste Produkt waren die 30,5 cm großen Mörser mit den mit Radnabenmotoren angetriebenen Zugmaschinen. Nach Ende des Krieges wurde das Unternehmen in tschechisch-französischen Besitz übergeführt (Schneider-Creusot). Škoda übersiedelte ganz nach Österreich und widmete sich seinem Großgrundbesitz.174 Wie Škoda in Pilsen mit Geschützen wurde Werndl in Steyr mit Gewehren reich. Die beiden Werndl-Töchter konnten aus den Erträgen der Gewehrfabrik, die ihr Vater aufgebaut hatte, mit ihren adeligen Ehepartnern ein unbesorgtes, arbeitsfreies Einkommen genießen.

Zwischen Wien und Wiener Neustadt entwickelten sich die Zentren der österreichischen Munitionserzeugung. Viktor Alder erzeugte Granatenzünder und gilt als Erfinder der Leuchtspurmunition. Begonnen hatte sein Vater mit der Herstellung von Fliegenpapier (des sogenannten Fliegenfängers oder Insektenstreifens). Späteres Herzstück der Erzeugung von Alder waren aber die Schießbaumwolle und die Zündkapsel-Herstellung für die Hinterlader.175 Die Brüder Roth (im Wiener Slang die „Kapselroth“) waren Munitionsfabrikanten, ähnlich wie Mandl und Keller in Hirtenberg und Enzesfeld. Die Roth AG leitete für das von Hans Ritter v. Dahmen auf der Basis von Ammoniumnitrat und Aluminium erfundene Ammonal ab 1909 im Pulverwerk Felixdorf die Großproduktion in die Wege und entwickelte daraus im Ersten Weltkrieg das Toluol-Ammonal.

Aber nicht nur die Waffenproduzenten, sondern auch jene, die für die sonstige Ausrüstung verantwortlich waren, konnten sich großer Aufträge erfreuen, die Erzeuger von Uniformen, Schuhen, Menageschalen, Feldschmieden und Feldküchen, Riemen und Pferdegeschirr. Karl Franz Schaller war Blasbalg-, Feldschmiede- und Werkzeugfabrikant. 1857 hatte Josef Schaller ein Fabriksprivileg für eine von ihm erfundene transportable Feldschmiede erhalten. 1907 lieferte die Firma die Packsättel für MG-Tragtiere. Diese Schmieden und Sättel wurden von 27 Auslandsstaaten übernommen. Budischowsky lieferte die Schuhe. Wilhelm Beck war mit Uniformen reich geworden. Die farbenfrohen Uniformen prägten nicht nur das Militär. Auch jeder Beamte musste seine Beamtenuniform haben, ebenso wie jeder Briefträger, Schaffner oder Lakai. Auch die Kutscher, Chauffeure, Portiere und Hausknechte wurden in Uniformen gesteckt. Wilhelm Beck, der 1849 in der Langen Gasse im 8. Wiener Bezirk mit dem Verkauf von Herren- und Knabenkleidung aus eigener Erzeugung begonnen hatte, hatte mit dem Einstieg ins Uniformgeschäft die richtige Entscheidung getroffen. Mit der Uniformpflicht für Staatsbeamte war plötzlich ein hoher Bedarf entstanden. Am Stephansplatz im neuerbauten Palais Equitable hatte man einen entsprechend noblen Standort gefunden. Das Geschäft war für seine repräsentative Eleganz und Ausstattung bekannt und zählte bald zu den Sehenswürdigkeiten Wiens. Die Firma war eine der bedeutendsten ihrer Branche in ganz Österreich-Ungarn. Um 1900 beschäftigte sie circa 60 Beamte und 5.000 - 6.000 Mitarbeiter und fing an, Geschäftsbeziehungen ins Ausland aufzubauen. Vertretungen gab es in Belgrad, Sofia und Konstantinopel, eigene Filialen in Lemberg, Czernowitz, Pressburg, Josefstadt und Innsbruck. Mit dem Kriegsende und dem Zusammenbruch der Monarchie kamen schwere Zeiten für das Unternehmen. Die Abschaffung der Uniformpflicht für einen großen Teil der Beamten brachte das endgültige Ende.


Qualitätsnachweis als öffentliches Spektakel: Ein Safe von Franz Wertheim besteht 1857 in Istanbul die Feuerprobe. Gemälde von unbekannter Hand.

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22 aralık 2023
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