Kitabı oku: «Das Kind vom anderen Stern», sayfa 4

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12. Kapitel


In den Pausen hängt Iggy immer mit ein paar älteren Jungs rum, aber besonders zu mögen scheinen sie ihn nicht, denn einmal, als Iggy nicht dabei war, haben sie sich über seine Art zu reden lustig gemacht. Als ich nach dem Mittagessen über den Schulspielplatz geschlendert bin, hatte sich in der hintersten Ecke eine Gruppe aus Schülern versammelt, zumeist Jungs. Darunter auch einer oder zwei von Iggys sogenannten Freunden.

Iggy rief: »Verehrte Damen und Herren, darf ich vorstellen? Der Todesstrahl!«

Es folgte eine lange Pause.

Dann sagte jemand: »Nun mach schon!«

Und kurz darauf ein anderer: »Hey, guckt mal!«

Beifallsrufe erklangen, eine Rauchsäule stieg empor und alle stoben davon. Ich sah, wie Iggy sich die Brille wieder aufsetzte, und da wusste ich, was passiert war. Der Inhalt des Drahtmülleimers brannte lichterloh. Keine Ahnung, warum die Flammen gleich so in die Höhe schossen, aber durch die Hitze war wohl alles trocken wie Zunder.

Schon bald züngelten die Flammen so hoch, dass das Anschlagbrett aus Holz, von dem bereits die Farbe abblätterte, Feuer fing.

Nix wie weg hier, dachte ich und hatte mich schon erfolgreich unter die anderen Schüler auf dem Schulhof gemischt, als Mr Springham mit einem Feuerlöscher in der Hand im Mordstempo zum Mülleimer rannte.

»WER WAR DAS? WER AUCH IMMER DAS GETAN HAT, WIRD DAFÜR BÜSSEN!«

Nadia hat dann ihre Rachegelüste gestillt, indem sie überall rumerzählt hat, wie Iggy mit seinem Todesstrahl den Mülleimer in Brand gesteckt hat. Bald kam es dann auch den Lehrern zu Ohren. Daraufhin wurde Iggy mal wieder vom Unterricht suspendiert und die anderen, die zugesehen und ihn angefeuert hatten, mussten nachsitzen und bekamen Briefe nach Hause. Natürlich waren alle stinksauer, wodurch Iggy nicht unbedingt an Beliebtheit gewann.

Und Iggy selbst? Den habe ich danach kaum noch gesehen, obwohl wir im selben Dorf wohnen. Beste Freunde waren wir ja noch nie und nach der Sache haben Mam und Dad den Kontakt zu ihm verständlicherweise auch nicht gefördert.

Kurz vor Weihnachten trafen Tammy und ich ihn dann unten am See. Da hatte er ein Huhn dabei. Ein lebendiges!

Tammy hatte beschlossen, dass es das Steinweitwurf-Finale dieses Jahres werden würde. (Fünf Runden, der Verlierer muss dem Gewinner einen Muffin am Schulkiosk kaufen.) Nun stand es 2:2 und alles hing von meinem letzten Wurf ab. Ich holte weit aus, diesmal wollte ich sie unbedingt schlagen, doch mitten im Wurf rief jemand: »Suzy!« Das brachte mich total raus. Noch ehe der Stein im Wasser landete, wusste ich, dass ich verloren hatte. Wütend fuhr ich herum, um zu sehen, wer gerufen hatte. Tammy bog sich schon vor Lachen.

»Wer war …«, setzte ich an. Da tauchte Iggy am Ufer auf, im Arm ein rotbraunes Huhn. Er setzte es ab und entfernte sich ein paar Schritte, während das Huhn geduldig wie ein Hund wartete. Dann rief Iggy: »Suzy, komm!« Und daraufhin trippelte es doch tatsächlich zu ihm!

Tammy machte: »Ohhhhh!«, als wäre es ein süßes Kätzchen. Iggy bemerkte uns und kam rüber. Ich war noch immer sauer, dass ich seinetwegen das Spiel verloren hatte, und schnalzte leise mit der Zunge.

»Hühner sind schlauer, als man denkt«, sagte Iggy. »Wusstet ihr das schon? Suzy, sitz!«

Das Huhn blieb stehen und ließ sich nieder. Tammy schnappte erstaunt nach Luft und klatschte einmal in die Hände.

»Wo hast du das denn her?«, fragte ich argwöhnisch.

»Die, es ist eine Sie«, verbesserte mich Iggy. »Mein Vater meint, ich sollte mich um was kümmern. Damit ich lerne, ›Verantwortung zu übernehmen‹. Während seiner Entziehungskur hat er sich um Hühner gekümmert.« Dabei malte Iggy Anführungsstriche in die Luft. Für seinen Vater schämte er sich nicht die Bohne. »Als ob! Jedenfalls habe ich sie vor Tommy Natrass gerettet, der sie nicht wollte, weil sie nur winzig kleine Eier legt. Stimmt’s, Suzy?«

Als ihr Name fiel, schaute Suzy auf, als wäre sie ein Hund. Tammy und ich lachten beide. Tammy drückte meinen Arm und quiekte: »Wie niiiedlich!« Und auf dem Nachhauseweg summte sie ihr Lieblingslied Chicken Hop, diesen Oldie von einer Sängerin namens Felina, die schon lange tot ist. Nachmittags hatte Mam Hühnerpastete zum Tee gemacht. Tammy meinte, sie sei nicht hungrig.

So, das wär’s zu Iggy und Suzy. Bei unserer nächsten Begegnung habe ich ja dann Iggys Mutter fast die Finger mit dem Klavierdeckel gebrochen.

13. Kapitel


Es waren zwei Stunden vergangen, seitdem ich mit der Nachricht von Tammys Verschwinden hereingeplatzt war, und inzwischen wimmelte es im Pub von Leuten, die aufgeregt miteinander redeten oder telefonierten. Nach und nach trudelten auch die Suchtrupps ein, die alle Straßen nach Norden oder Süden und überall sonst in der Umgebung abgefahren waren, stets mit einem traurigen Kopfschütteln. Mam drückte mich fest an sich und dann musste ich ihr die ganze Geschichte noch mal von vorn erzählen.

Kurz darauf hielt ein Streifenwagen vorm Pub und zwei Beamte stiegen aus. Ich hatte schon gehört, dass die kleine Polizeiwache in Bellingham, dreißig Kilometer entfernt, über Weihnachten geschlossen war.

Dad nahm die Polizisten in Empfang.

»Ja, Sir, wir sind aus Hexam gekommen.«

»Sind Sie nur zu zweit?«, fragte Dad. Er trug noch immer die Spielzeugsoldatenuniform, aber keiner sagte was.

»Es ist Heiligabend, Sir. Da sind wir dünn besetzt. Aber wir haben die Autobahnpolizei um Hilfe gebeten, die werden gleich hier sein. Als Erstes müssen wir klären, womit wir es überhaupt zu tun haben.«

Und so begannen die Befragungen, die sich mit Unterbrechungen über die nächsten Tage hinziehen sollten. Leute kamen und gingen. Dad versuchte, alles im Griff zu haben. Ständig klingelte das Telefon: »Gibt es schon was Neues?« Und überall summten und bimmelten Handys.

Iggy und seine Mutter hatten uns viel Glück gewünscht und waren gegangen, nachdem Cora noch eine Weile mit geschlossenen Augen dagesessen und für gute Energie meditiert hatte. Nett eigentlich, wenn auch ein bisschen befremdlich.

Ich saß mit Gran in der Sofaecke, im Kamin brannte ein Feuer und Gran trank zitternd ihren Tee. Während ich den Polizisten, einer Frau, die offenbar das Sagen hatte, und ihrem jüngeren Kollegen, alles erzählte, machten sie sich Notizen.

Dann kam ich zu der Stelle mit dem Surren am See …

»Stopp mal, Ethan«, sagte die Polizistin, die ich ganz nett fand. »Was wolltest du denn überhaupt am Wasser?«

Ich zuckte die Achseln. »Ich bin einfach dem Weg gefolgt. Ich habe mich … gewundert. War besorgt, hatte Angst um Tammy. Und dann war da dieses Geräusch.«

Ich versuchte, das Geräusch nachzuahmen, aber es gelang mir nicht so recht. Die beiden Beamten sahen sich stirnrunzelnd an und machten sich Notizen.

»Schnellboot?«, fragte der Polizist seine Kollegin.

Sie überlegte eine Weile, bis ich sagte: »Ein Schnellboot war es auf keinen Fall.«

»Dann vielleicht eine Drohne?«

Eine Drohne könne es schon gewesen sein, meinte ich daraufhin. Aber wer würde schon im Dunkeln eine Drohne fliegen lassen?

»Gut, vielen Dank, Ethan«, sagte die Polizistin und stand auf. Sie wandte sich an ihren Kollegen: »Kareem, wir nehmen das Auto und sperren den Weg und das Ufer ab. Das ist ein möglicher Tatort.« Sie sprach in ihr Funkgerät. »Mike zwo Lima Bravo hier, gibt es ein Lebenszeichen von der Autobahnstreife, die wir für die vermisste Person in Kielder angefordert haben?«

»Sind in zehn Minuten bei Ihnen, Sergeant«, kam die prompte Antwort.

Dad fuhr mit einem Mann los, um den Irrgarten abzusuchen. Im Winter ist er eigentlich geschlossen, aber wenn man wollte, konnte man da problemlos reingelangen. Nur warum sollte Tammy das wollen?

Mam, die neben mir auf dem verschlissenen Sofa saß, drückte meine Hand so fest, dass es wehtat, aber ich gab keinen Mucks von mir.

Die Polizistin sagte: »Mrs Tait, ich würde mit Ethan gern noch mal zu der Stelle fahren, wo er das Fahrrad Ihrer Tochter gefunden hat. Haben Sie jemanden, der Ihnen so lange Gesellschaft leisten kann?«

»Ich bleib bei ihr«, sagte Gran. »Noch ein wenig Tee, Mel?«, fragte sie. »Oder hättest du lieber was Stärkeres?«

Mam nickte.

Draußen kletterte ich in den Streifenwagen. Kurz darauf holperten wir über den Waldweg, den ich vorhin genommen hatte. Eine kleine Menschenansammlung hatte sich an der Stelle eingefunden, wo Tammys Rad lag. Die Polizistin stieg als Erste aus und sprach die Leute an.

»Bitte machen Sie Platz. Wir müssen hier alles absperren. Fassen Sie nichts an.«

»Schon geschehen.« Ihr Kollege zeigte auf einen Mann im grünen Tarnanorak mit kurzem weißem Bart, der Tammys Rad aufgehoben hatte.

»Bitte legen Sie das wieder hin, Sir. Das ist ein Beweisstück, da müssen wir Fingerabdrücke nehmen.«

Scheppernd ließ er es zu Boden fallen.

Nur zu gern hätte ich gerufen: »He, passen Sie doch auf!«, aber die Leute bombardierten die Polizistin schon mit Fragen.

»Gibt es was Neues, Officer?«

»Kommt noch mehr Polizei?«

»Wird die Gegend abgesucht?«

Sie überhörte die Fragen geflissentlich und begleitete mich mit ihrem Kollegen die dunkle Böschung hinunter zum See, beide hatten Taschenlampen dabei. Doch bevor wir den kleinen Kiesstrand erreichten, brachte uns ein lautes, wütendes Knurren zum Stehen. Es raschelte im Gebüsch, etwas kam auf uns zugeschossen, bellte.

»Sheba! Sheba!«, rief jemand verärgert. Doch da war es schon zu spät, der Hund versperrte uns knurrend den Weg. Ich suchte hinter dem Polizisten Schutz, der ebenfalls zurückwich.

Nur der Sergeant hielt die Stellung und brüllte: »Rufen Sie Ihren Hund zurück! Hier spricht die Polizei!«

Da tauchte in der Dunkelheit ein Mann auf. Es war derselbe, der auch Tammys Rad in der Hand gehabt hatte. »Sheba! Komm her! Sheba! Sheba! She-baaa! Komm her!«

Irgendwann gehorchte der Hund und lief zu seinem Herrchen. Wir alle schienen im selben Moment aufzuatmen.

»Tut mir leid«, sagte der Mann. »Sie ist ein wenig …«

Die Polizistin schnitt ihm das Wort ab. »Bitte nehmen Sie Ihren Hund an die Leine, Sir«, sagte sie scharf. Und als der Mann zögerte: »Auf der Stelle!«

Es war eine große Schäferhündin mit einer Narbe über der Schnauze und einem zerrupften Schwanz. Sie machte Platz, während der Mann sie mit einem Strick anleinte. Ich kannte den Mann, also zumindest vom Sehen. Geoff Soundso. Er ist Wachmann in der Sternwarte oben im Moor. Manchmal kommt er mit seinem erwachsenen Sohn in den Pub.

»Gibt’s schon was von dem Mädchen?«, fragte Geoff. »Wir suchen hier unten nach ihr.«

Wir hatten den kleinen Strand erreicht, wo Geoffs Sohn stand und eine Zigarette rauchte. Argwöhnisch behielt ich die Hündin im Blick, die an dem Strick zog.

»Nein, Sir«, sagte der Polizist. »Und das ist jetzt ein Tatort. Bitte verlassen Sie das Gelände und fassen Sie auch nichts mehr an.« Er zückte sein Notizbuch. »Sagen Sie mir bitte noch, wie Sie heißen?«

Geoffs Sohn warf den Zigarettenstummel ins Wasser, wo er zischend erlosch. Dann blies er eine große Rauchwolke aus und fragte: »Wozu wollen Sie das wissen?«

Die Polizistin sah ihn verwundert an. »Das ist doch reine Routine. Haben Sie ein Problem damit?«

Geoff warf seinem Sohn einen scharfen Blick zu. »Überhaupt nicht, Officer. Wir helfen gern. Ich heiße Geoffrey Mackay. G-E-O-F-F-R-E-Y. Aus, Sheba! Und das ist Geoffrey Mackay junior …«

Während Geoffrey seine Angaben machte, lief ich ein Stück am Ufer entlang bis zum alten Holzsteg. Da sah ich es mit der Unterseite nach oben im schwarzen Kies liegen, halb vom Wasser überspült.

Das Schildchen von der Wodkaflasche, die ich eingepackt hatte: Miss Sheila Osborne.

14. Kapitel


Was jetzt kommt, ist super traurig. Ich will euch nur schon mal vorwarnen, denn es ist nicht besonders schön, von den Qualen anderer Leute zu lesen.

Dad, Mam, Gran und ich waren außer uns vor Angst um Tammy. Inzwischen war der Heiligabend schon in den ersten Weihnachtstag übergegangen, aber ans Feiern dachte keiner mehr. Geschlafen haben wir auch kaum. Und um zwei Uhr morgens trafen weitere Beamte aus Hexam ein.

Als es hell wurde, so gegen acht, hatte sich auf dem Parkplatz vom Stargazer ein riesiger Suchtrupp eingefunden. Angeführt wurde er von einem uniformierten Polizeiinspektor und einem Mann von der Northumberland Nationalpark-Bergwacht, der mit zwölf Freiwilligen aufgekreuzt war. Alle waren am Weihnachtsmorgen gekommen, um zu helfen.

Die Bergretter hatten einen Landrover mit Ausrüstung dabei. Und diese beiden Geoffreys waren auch mit von der Partie, dabei knurrte Sheba die drei gut erzogenen und in Rettungswesten verpackten Collies von der Bergwacht pausenlos an.

Irgendwann erstarb auch das Stimmengewirr in der Bar und es herrschte totale Stille, die lediglich vom Läuten der einsamen Kirchenglocke durchbrochen wurde, die die Leute in die kleine Kirche zum Weihnachtsgottesdienst rief. Ich stellte mir vor, wie der Pfarrer vor den leeren Bänken stand und sich wunderte, wo die Leute blieben. (Später habe ich ihn noch gesehen. Er hatte den Talar abgelegt und auch die Gottesdienste in den anderen drei Gemeinden abgesagt, um bei der Suche mitzumachen.)

Die erste Hälfte des Tages verging in einem wirren Durcheinander aus gegenseitigem Mutmachen und konkreten Aktivitäten. Am späten Vormittag verteilten wir uns oben im Moor und stapften mit Trillerpfeifen und Taschenlampen durch den Schnee. Iggy kam dazu, Gran in ihrem Winterlaufdress und Cora; ich glaube, so ungefähr das ganze Dorf war dabei. Alle waren sehr nett, ließen Mam in Ruhe, wenn sie weinte, und sagten zu mir: »Keine Bange, Junge, wir finden sie schon.« Der Fernseher in der Bar blieb ausgeschaltet, denn auf praktisch allen Kanälen liefen lustige Weihnachtsshows und danach war keinem zumute.

Das Wetter im Moor war über Nacht schlechter geworden. Es hatte wieder angefangen zu schneien, alle wussten, dass das keine guten Nachrichten waren. Wenn Tammy sich da irgendwo verlaufen hatte, wäre sie für eine eiskalte Nacht in den Northumbrischen Bergen nicht gut gerüstet, nicht mal mit ihrer neuen Winterjacke.

Dabei war das noch nicht mal unsere größte Angst, da gab es noch schlimmere Möglichkeiten, die aber niemand laut auszusprechen wagte, aus Furcht, sie könnten sich dadurch bewahrheiten.

Am Nachmittag, an dem wir sonst lustige Filme geschaut und Süßigkeiten gefuttert hätten, saß ich mit Mam in der Bar. Die Weihnachtsdeko und die ausgeschalteten Lichterketten am Baum kamen mir mit einem Mal komplett absurd und sinnlos vor. Als wir aus dem Fenster schauten, das Tammy und ich vor ein paar Wochen mit Kunstschnee besprüht hatten, fuhren gerade die Betreiber der kleinen Segelschule am anderen Ende des Sees mit ihrem Anhänger vor. Darauf befand sich ein kleines Boot mit Außenbordmotor.

Uns war klar, was das bedeutete. Es bedeutete, dass Tammy möglicherweise ins Wasser gegangen und nicht wieder herausgekommen war. Ertrunken. Sagen musste keiner was, doch als Mam in Tränen ausbrach, konnte ich mich auch nicht länger zusammenreißen. Gran saß neben uns, starrte vor sich hin und schüttelte traurig den Kopf.

»Da oben im Moor gibt es noch die Hütten der Schafhirten«, sagte Gran schließlich. »Die liegen ein wenig abseits, so weit sind wir heute gar nicht gekommen. Vielleicht ist Tammy …«

»Die Jungs von Natrass waren schon mit ihren Quads da oben«, antwortete Mam ausdruckslos.

Das Naheliegendste – wobei ich die Vorstellung kaum ertragen konnte – war für mich, dass Tammy entführt worden war. Aber warum, konnte ich mir absolut nicht erklären. Und Mam wohl auch nicht.

Die Stunden verstrichen …

Die Bergrettung kam zurück …

Die Polizei machte weiter mit ihren Befragungen, Polizeifahrzeuge rollten an, darunter auch ein Geländewagen …

Ein Krankenwagen kam, falls man Tammy fand und sie verletzt war …

Der Abend des ersten Weihnachtstages zog sich endlos hin. Dad kam mit ein paar Männern von der Bergrettung zurück und schenkte ihnen zum Aufwärmen Whiskey in der Bar aus. Er selbst genehmigte sich auch einen, dann noch einen und noch einen. Später verkrümelten sich manche nach Hause, zu ihren Angehörigen, dem kalt gewordenen Weihnachtsbraten und ihren kleinen Kindern, die nicht wissen durften, was los war, um ihnen das Fest nicht zu verderben.

Und dieser Tag ging quasi nahtlos in den nächsten über. Ich hatte das Gefühl, in einer Tragödie mitzuspielen, wie ich sie schon x-mal im Fernsehen gesehen hatte, nur diesmal war es echt.

Der Pub wurde zum Hauptquartier umfunktioniert. Komm nach Hause, Tammy–Poster wurden gedruckt und überall von Carlisle bis Newcastle aufgehängt. Ted von der Pension, dessen Bruder in Hexam eine Druckerei betrieb, ließ in Windeseile T-Shirts mit Tammys Gesicht anfertigen, die die Leute über ihren dicken Fleece-Klamotten trugen, als wir vor der Kirche Mahnwache hielten.

Am Boden stand Tammys Name aus Teelichtern, die Leute brachten Blumen und Kuscheltiere. Die älteren Kids aus dem Schulbus sangen Tammys Lieblingsweihnachtslied. Eigentlich ist es ein lustiges Lied:

»Do-do-do-do-do the Chicken Hop!

Da-da-da-da-dance like you can’t stop!

Do-do-do the Chicken Hop this Christmas!«

Der Pfarrer stimmte mit ein, aber es klang total schräg, auch ohne die alberne Choreografie dazu. Für ein fröhliches Lied war ich viel zu traurig, deshalb sang ich nicht mit, sondern stand bloß da und sah zu. Ich spürte, wie mich alle anstarrten, aber so, dass ich es nicht merken sollte.

Bald (bald? Mir kam es vor wie zehn Jahre) waren vier Tage vergangen und Tammy war immer noch verschwunden.

Und dennoch hatte ich tief in mir, so tief, dass ich selbst nicht wusste, ob ich es mir einbildete, das Gefühl, dass Tammy noch am Leben war. Irgendwo.

Nach vier Tagen der Hölle tauchte dann auf einmal Iggy Fox-Templeton mit seiner Angel bei uns auf, als wäre alles ganz normal, woraufhin alles noch unnormaler wurde, falls das überhaupt möglich war. Denn da sind wir dann dem seltsamen stinkigen Wesen, dieser Hellyann, begegnet, die behauptete, sie wüsste, wo Tammy ist, wir dürften es aber keinem sagen.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Aber wer hätte das in dem Moment schon?


HELLYANN
15. Kapitel


Wie ich auf die Erde gekommen bin, wollt ihr wissen? Die lange oder die kurze Fassung?

Ich mach’s mal kurz. Die lange Fassung müsst ihr euch im Lauf der Geschichte dann selbst zusammenreimen. Ob wir allerdings so weit kommen, kann ich nicht garantieren.

Hier also die kurze Fassung.

Ich, Hellyan, bin elf Jahre alt und stamme von einem anderen Planeten. (Keine Sorge, das wird sich später noch klären. Denkt daran, kurze Fassung!)

In meiner Welt werden Menschen wie ihr (ich bin nämlich kein Mensch) in Zoos ausgestellt. Das finde ich falsch, deshalb versuche ich, etwas dagegen zu unternehmen.

Und so hat sich mein Universum mit dem von zwei Jungs und einem Huhn gekreuzt.

Zur Übersetzung

Ich habe meine Geschichte in meiner Muttersprache geschrieben und Philip hat sie dann in eure Sprache übersetzt.

Mittlerweile weiß ich, dass Anthallanisch ganz anders klingt als eure menschlichen Sprachen. Für eure Ohren klingt es wie Grunzen, Quieken und Schnüffeln. Mein Erdfreund Ignatius Fox-Templeton (Iggy) meint, ich höre mich an wie ein »strangulierter Mops« und er und Ethan Tait haben daraufhin volle zweiundvierzig Sekunden lang gelacht.

Wenn es keine genaue Entsprechung in eurer Sprache gab, hat Philip, ein Roboter, etwas einigermaßen Passendes gewählt, damit der Erzählfluss nicht gestört wird.

(Übrigens ist Philip kein Roboter aus Stahl, der mit einem Gesicht und blinkenden Lichtern durch die Gegend rollt. Er ist viel mehr… Aber das werdet ihr alles noch erfahren.)

16. Kapitel


In vielerlei Hinsicht gleichen wir euch sehr. Angefangen damit, dass wir aussehen wie ihr. Nicht genau gleich, aber ziemlich ähnlich.

Ich habe einen Kopf, zwei Arme und zwei Beine und laufe aufrecht. Einen Schwanz habe ich zwar auch, aber das ist nicht so wichtig.

Trotzdem stechen einem natürlich erst mal die Unterschiede ins Auge.

Der Hauptunterschied ist wohl, dass wir viel, viel klüger sind als ihr. Wenn das unhöflich klingt, tut es mir leid, aber das ist eine Tatsache und Tatsachen sind wichtig. Für uns seid ihr so intelligent wie Iggys zahmes Huhn für euch. Deshalb finden die meisten von uns auch nichts dabei, euch im Zoo zu halten.

Mein Zuhause – mein Planet – liegt so weit entfernt, dass es in Kilometern ausgedrückt den Rest der Seite füllen würde. Die Zahl beginnt mit 950, dann folgen lauter Nullen:

950 000 000 000 000 000 000 …

… und so weiter bis zum Seitenende und vielleicht noch weiter. Bei so einer Zahl denkt man natürlich, uns würde bloß die räumliche Entfernung trennen, aber das sehen wir anders. Wir berechnen auch die Zeit mit ein (Raum und Zeit hängen nämlich zusammen, wie euer Albert Einstein schon vor über hundert Jahren herausgefunden hat). Außerdem ermöglicht uns die quantenmechanische Intra-Universalverschiebung »schneller als das Licht« zu reisen, was so aber in Wirklichkeit gar nicht zutrifft. Hat eher was mit Dimensionen zu tun, allerdings ist das für euch vorerst noch zu kompliziert. Ehrlich gesagt, verstehe ich es selbst nicht mal ganz, auch wenn ich das sonst nie zugebe.

Das ist ungefähr so, als würde ich euch bitten, mir euren Fernseher zu erklären. Könntet ihr auch nicht, oder? So geht es mir mit der Intra-Universalverschiebung. Ich benutze sie und verlasse mich darauf, ohne alle Einzelheiten zu kennen.

Unsere Welt ist sauber. Wir verfügen über unbegrenzte Energiequellen, die nichts verschmutzen.

Bei uns gibt es keine Konflikte. Und wir führen auch keine Kriege, denn wir haben alles, was wir brauchen, und der Mentor trifft für uns die Entscheidungen.

Bei uns gibt es keine Krankheiten, so war es auch schon vor dem Großen Brand, bei dem ein planetenweites Feuer Jahrzehnte gewütet und fast alles zerstört hat.

Wir sind die einzigen Lebewesen auf Anthalla, fast alle Tiere wurden schon vor Jahrhunderten erfolgreich ausgerottet, die restlichen kamen beim Großen Brand um. Die Funktionen, die einige niedere Wesen ausgeübt haben (wie das Zersetzen von Abfall und die Wachstumsförderung von Getreide), werden seither effektiv, sicher und hygienisch von synthetischen Robotern ausgeführt.

Im Vergleich zu euch haben wir ein kurzes Leben. Dreißig Jahre, gemessen an den Umdrehungen eurer Erde um eure Sonne, ist für uns alt, älter werden wir nicht.

Mit elf Jahren liegt schon ein Drittel meines Lebens hinter mir. Die Schule habe ich mit sieben beendet und lebe seither auf mich allein gestellt.

Heißt, mit elf Jahren bin ich quasi erwachsen, wie ihr sagen würdet.

Ich habe also als erwachsene Elfjährige euren Planeten besucht. Und zwar eine kleine Siedlung auf einer Insel namens Großbritannien.

Ein gefährliches Unterfangen. Und zwar nicht wegen der Intra-Universalverschiebung (»Raumfahrt« heißt es wohl bei euch). Das ist nichts Besonderes, auch wenn es der Mentor strengstens verboten hat. Nein, das Gefährliche daran war der Grund, aus dem ich zu euch gekommen bin.

Ich hatte nämlich eine Mission.

Die hochgradig gefährliche Mission, ein Mädchen aus einem Menschenzoo auf unserem Planeten, der zig Zillionen Kilometer entfernt liegt (die Zahl kommt von Iggy), zu retten und nach Hause zu bringen.

Wenn es mir nicht gelang – wenn ich also erwischt wurde –, würde ich wohl für den Rest meines Lebens in Schlaf versetzt werden. Das Menschenmädchen würde in seinem winzigen Gehege qualvoll sterben und seine Eltern und sein Bruder würden den Rest ihres Lebens in Elend verbringen. Das war etwas, das ich nicht zulassen konnte.

Und zwar, weil ich ein Herz habe, ein Herz und somit Gefühle.

Umso schlimmer, dass es mir nicht gelang, das Mädchen zu retten, und ich schließlich allein zur Erde gereist bin.

Ihr seht also, es ging schon mal nicht gut los mit meiner Mission …

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Hacim:
257 s. 12 illüstrasyon
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9783649640110
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