Kitabı oku: «Sich und andere stärken», sayfa 2

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Bereits weiter oben wurde erwähnt, dass ein Schutzfaktor je nach Kontext und Person zu einem Risikofaktor für die Entwicklung werden kann. Auch führt nicht jeder Risikofaktor zu einer Entwicklungsgefährdung. Je nach persönlichen Eigenschaften kann ein Risikofaktor auch resilienzfördernd wirken.

Wir müssen im Auge behalten, dass es eine veränderliche Balance zwischen stresserzeugenden Lebensereignissen, die die kindliche Vulnerabilität verstärken, und schützenden Faktoren im Leben der Kinder gibt, die ihre Widerstandskraft stärken. Dieses Gleichgewicht kann sich in jedem Lebensabschnitt verschieben und ist auch abhängig vom Geschlecht des Kindes und dem kulturellen Kontext, in dem es lebt.

(Werner E. E., 2008, S. 27)

Das Maß und die Wechselwirkungen spielen eine zentrale Rolle und wirken bei jedem Menschen unterschiedlich. Die Darstellung zeigt das Zusammenspiel von risikoerhöhenden und risikomildernden Bedingungen nach Petermann et al (2004).


Abbildung 1: (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, Resilienz, 2014, S. 32)

Nachfolgend werden einige Risiko- und Schutzfaktoren in der Entwicklung von Menschen bis zur Adoleszenz ausführlicher beschrieben. Anschließend folgen einige Bemerkungen zu den Wechselwirkungen.

Risikofaktoren in der Entwicklung von Kindern

Grundsätzlich ist zu sagen, dass das Kindsein an und für sich bereits ein Risikofaktor sein kann, da Kinder von Erwachsenen abhängig sind und insbesondere von deren Wohlwollen und Beziehungskompetenzen. Kinder sind oftmals in ihrer Selbstbestimmung eingeschränkt und das Mitspracherecht wird ihnen je nach Umfeld mehr oder weniger zugesprochen. Viele Kinder verhalten sich dem Familiensystem gegenüber loyal und unternehmen oftmals größte Anstrengungen, sich anzupassen.

Allgemein wurden nachfolgende Risikofaktoren identifiziert. „Zu den Risikofaktoren, deren Einfluss auf die kindliche Entwicklung langfristig untersucht worden ist, gehören: wirtschaftliche Notlage der Familie, psychische Krankheit und Alkoholismus der Eltern, Missbrauch und Vernachlässigung der Kinder sowie Komplikationen bei der Geburt des Kindes“ (Werner E. E., 2012, S. 28). Nebst den oben genannten Risikofaktoren gibt es weitere, die in Bezug auf das jeweilige Entwicklungsalter von Kindern festgehalten wurden. Die nachfolgende Auswahl von Risikofaktoren, die beschrieben werden, möge einen Einblick geben:

1) physische Beeinträchtigungen, 2) Geschlecht eines Kindes, 3) Hochbegabung/Hochsensibilität, 4) Vernachlässigung, 5) Armut, 6) Trennung der Eltern, 7) Missbrauch/Misshandlung, 8) Migration/Flucht, 9) häufige Bindungsabbrüche, 10) Erziehungsstil, 11) traumatische Erfahrungen, 12) Suchtverhalten der Eltern, 13) biochemische und neurobiologische Aspekte, 14) Tabu-Themen, 15) Scham.

Physische Beeinträchtigungen

Viele Menschen kommen gesund zur Welt und können ihren Körper als gesund erleben und vielseitig einsetzen. Ihre Sinnesorgane sind ohne Beeinträchtigung. Nun gibt es Menschen, die mit körperlichen Beeinträchtigungen zur Welt kommen oder in ihrem Leben einen Unfall erleiden, bei dem plötzlich Körperfunktionen eingeschränkt werden. Diese Behinderungen sind ein Risikofaktor, weil die betroffenen Menschen viele Nachteile erleben und auf mehr Achtsamkeit und Fürsorge ihrer Mitmenschen angewiesen sind. Damit diese Menschen am Leben in der Gesellschaft partizipieren können, benötigen sie bestimmte Hilfsmittel sowie Anpassungen in der Lebensumgebung. Rauh (2008) erwähnt Erkenntnisse aus verschiedenen Langzeitstudien und hält fest:

Die Risiken wurden meist um die Geburt herum erfasst, wobei die biologischen Probleme sich nur auf diesen Zeitraum bezogen, die sozialen Probleme in der Regel von anhaltender Natur waren. Entsprechend ließen sich Nachwirkungen biologischer Risiken am deutlichsten in den ersten Lebensjahren des Kindes nachweisen und nahmen dann an Wirkung ab, während soziale Risiken sich oft über die Lebenszeit kumulierten und erhebliche Langzeitwirkungen aufwiesen.

(Rauh, 2008, S. 177)

Hier wird deutlich, dass es Krankheiten gibt, welche auf das gesamte Leben einschneidend wirken können. Sehr oft fällt es nicht auf, wenn ein Mensch eine chronische Krankheit hat und deshalb viel Verständnis benötigt, weil er rascher ermüdet. Diese Menschen müssen meistens Medikamente zu sich nehmen, die unterschiedliche Nebenwirkungen haben. Sie sind darauf angewiesen, dass die Mitmenschen, die für sie verantwortlich sind, dies wissen und gemeinsam nach Wegen zu suchen bereit sind, wie der (schulische) Alltag gestaltet wird, damit die Anforderungen an die Möglichkeiten angepasst sind. Gerade im Bereich der Schule ist das Wissen über Auswirkungen auf einen Körper durch Medikamenteneinnahme zu gering.

Geschlecht eines Kindes

Je nach Umfeld, in dem ein Kind aufwächst, kann das Geschlecht ein Risikofaktor sein, weil Erwachsene Erwartungen an Mädchen oder Jungen haben, die diese nicht erfüllen können. Forschungen zeigen, dass Jungen im Schulkindalter vulnerabler sind als Mädchen. „Die meisten Studien in Nordamerika haben gezeigt, dass Jungen verletzlicher sind als Mädchen, wenn sie chronischer und intensiver familiärer Disharmonie in der Kindheit ausgesetzt sind“ (Werner E. E., 2008, S. 27). Womit die erhöhte Vulnerabilität von Jungen zusammenhängt, ist meines Wissens noch nicht geklärt. Allenfalls könnten die hormonellen Entwicklungsunterschiede einen Einfluss haben. Vielleicht sind es auch die Erwartungen an Knaben, welche diese unter Druck setzen.

Hochbegabung/Hochsensibilität

Manchmal sind Hochbegabung und Hochsensibilität gekoppelt. Auch wenn dies nicht der Fall ist, so gibt es im Schulkindalter, manchmal auch schon vorher, herausfordernde Situationen zu bewältigen. Hochbegabung und Hochsensibilität können den Risikofaktoren zugeordnet werden.

Être surdoué n’est pas une garantie de résilience, ce n’est pas une force en soi. Au contraire, le fait d’être surdoué comporte plutôt des risques de fragilité.

(Siaud-Facchin, 2012, S. 220)

Hochbegabt zu sein gibt keine Garantie für Resilienz, es ist keine Stärke an sich. Im Gegenteil birgt die Hochbegabung eher das Risiko der Zerbrechlichkeit.

(übersetzt von François Cueff)

Die französische Psychologin Jeanne Siaud-Facchin hat viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit hochbegabten Kindern und ihren Familien.

Pourtant, malgré la médiatisation dont ils sont l’objet, malgré la demande des parents, désemparés devant les difficultés scolaires et psychologiques de leur enfant, les surdoués sont mal connus: mal connus des psy, mal connus des enseignants, mal connus des chercheurs. Dans le système scolaire, en dépit des textes de loi qui énoncent le devoir de l’école de s’intéresser à chaque élève dans sa différence, aucune formation spécifique n’est encore dispensée aux enseignants, et l’école avoue son impuissance à gérer et faire réussir cette catégorie d’enfants si différents.

(Siaud-Facchin, 2012, S. 19 f.)

Dennoch, trotz der Berichterstattung, die sie in den Medien geniessen, trotz dem Wunsch ihrer Eltern – hilflos gegenüber den schulischen und psychologischen Schwierigkeiten ihres Kindes – werden die Hochbegabten durch die Psychologen, die Lehrer und die Forschung verkannt. Im Schulsystem – trotz der Gesetzgebung, welche die Pflicht der Schule stipuliert, sich jedem Schüler in seiner Eigenartigkeit zu widmen – wird den Lehrkräften immer noch keine spezifische Ausbildung angeboten. Die Schule gibt die Unfähigkeit zu, diese Kategorie von andersartigen Kindern zu bedienen und zum Erfolg zu führen.

(übersetzt von François Cueff)

Hochbegabung wird mehr und mehr zum Thema, doch existieren teilweise Vorstellungen zu Hochbegabung, die den Betroffenen nicht gerecht werden. Karres (2016) schreibt: „Hochbegabung ist nicht nur ein kognitives Potenzial, sondern ist Teil der Persönlichkeit. Erst wenn diese angemessen berücksichtigt wird, kann sich das Potenzial entfalten“ (41). Hochbegabte Kinder können Schwierigkeiten in der Schule haben, wenn sie und ihre andere Art zu denken nicht angenommen werden.

Confronté à de multiples liens associatifs, à de nombreuses idées divergentes, il ne sait plus sélectionner et organiser l’information pertinente qui lui permettra de répondre précisément à la question posée.

(Siaud-Facchin, 2012, S. 104)

Konfrontiert mit mehrfachen assoziativen Verbindungen und zahlreichen auseinander laufenden Ideen, kann er die treffende Information nicht mehr auswählen und einordnen, welche ihm eine präzise Antwort auf die gestellte Frage ermöglichen würde.

(übersetzt von François Cueff)

Hochsensibilität ist ein Bereich, der noch nicht sehr lange erforscht wird. Betroffene Kinder werden manchmal nicht als solche erkannt, leiden jedoch unter den Umweltbedingungen, denen sie ausgesetzt sind. Erwachsene, die mit diesen Kindern im Alltag zurechtkommen wollen, stossen oftmals an ihre Grenzen.

Être surdoué, c’est penser dans un Système différent, c’est disposer d’une forme d’intelligence particulière. C’est aussi grandir avec une hypersensibilité, une affectivité envahissante, qui marquent la personnalité.

(Siaud-Facchin, 2012, S. 19)

Hochbegabt zu sein, heisst in einem anderen System zu denken und über eine besondere Form von Intelligenz zu verfügen. Es bedeutet auch, mit einer Hochsensibilität, einer überbordenden Affektivität aufzuwachsen, Eigenschaften, welche die Persönlichkeit prägen.

(übersetzt von François Cueff)

Hochsensible Menschen denken anders und fallen auf. Viele Kinder unternehmen enorme Anstrengungen, um sich anzupassen, weil sie nicht auffallen wollen. Diese Anpassungsleistung ist kräfteraubend. Hinzu kommt, dass diese Menschen durch ihre erhöhte Sensibilität verwundbarer sind. Reichert (2016) schreibt dazu: „Werden ihre Werte nicht ernst genommen, geringgeschätzt, ins Lächerliche gezogen oder gar negiert, sehen sie ihre Authentizität infrage gestellt und sind dadurch oftmals tief verletzt“ (S. 45).

Vernachlässigung

Wenn die Bedürfnisse von Kindern übersehen werden oder keine Bezugsperson Anregungen einbringt, fühlen sich Kinder einsam und allein.

Kinder brauchen für gesundes Wachstum ein ausgewogenes Maß an Stimulierung von außen, das sowohl ihr Explorationsbedürfnis als auch ihr Bindungsbedürfnis befriedigt. Es muss Zeiten der Aktion und Zeiten der Ruhe und der Erholung beinhalten. Während wir sexuellen Missbrauch und Misshandlung eher als Überstimulierung verstehen können, als ein zu viel an Reizen, ist Vernachlässigung eher eine Form der Unterstimulierung, also ein zu wenig an Reizen.

(Garbe, 2015, S. 45)

Vernachlässigung kann aus meiner Sicht unterschiedliche Ursachen haben: 1) Eltern sind sich nicht bewusst, dass das Kind Anregungen und einen achtsamen Umgang für eine gesunde Entwicklung benötigt, 2) Eltern haben keine Kraft, sich um das Kind zu kümmern, 3) Eltern sind verunsichert durch die Einmischung des Umfeldes in die Erziehung ihres Kindes, 4) Eltern haben hohe Erwartungen an ihr Kind und freuen sich deshalb nicht über seine Entwicklung, 5) Eltern sind mit dem Begleiten ihres Kindes überfordert.

Kinder, deren Bedürfnisse vom Umfeld nicht wahrgenommen werden, gelangen in einen Mangel. Garbe (2015) schreibt: „Vernachlässigte Kinder sind oft stille Kinder. Sie haben erfahren, dass es sich nicht lohnt, auf sich aufmerksam zu machen, weil sowieso keiner kommt“ (S. 46).

Wenn ein Säugling beispielsweise nicht mit ausreichend Flüssigkeit versorgt wird, so stellt dies bereits nach kurzer Zeit im Säugling einen lebensbedrohlichen Zustand dar, verbunden mit den psychischen Reaktionen innerer Panik. Ähnliche Wirkung kann unzureichende Kleidung, Nahrung und fehlende Betreuung haben. Auch ein Mangel an emotionaler Zuwendung, positiver körperlicher Berührung und kognitiver Anregung stellen Formen von Vernachlässigung dar, die bleibende neuronale Schäden hinterlassen können. Häufen sich diese Erfahrungen im Säuglingsalter, bilden sich neuronal innere Muster von erhöhter Stressbereitschaft aus. Diese haben umso mehr diffusen Charakter, je jünger das Kind ist. Der Säugling ist noch nicht in der Lage, die Quelle und den Grund seiner lebensbedrohlichen Situation zu erfassen. Mit zunehmendem Alter erkennt er aber die Bedingungszusammenhänge deutlicher, kann sie kognitiv einordnen und verstehen.

(ebd.)

Im Zitat oben wird deutlich, dass ein Mangel an emotionaler Zuwendung ebenso als Vernachlässigung betrachtet werden kann. Einerseits bedeutet dies, dass Kinder von den Bezugspersonen getadelt werden, wenn sie unerwünschte Emotionen zeigen. Andererseits kann es auch sein, dass die Bezugspersonen keine Emotionen zeigen, selbst keinen Zugang zu ihren Emotionen haben und nicht wissen, wie sie mit starken Emotionen umgehen sollen.

Eine sichere Bindung entwickelt sich aus einer Balance zwischen der kognitiven Komponente der Mustersuche (oder später Konzeptsuche) und der emotionalen Komponente der Gefühle. Klammert sich das Kind an die kognitive Information, etwa den gegebenen Zeitrhythmus, erhält aber keine Reaktion auf seine Gefühle oder sogar Abwendung auf seine negativen Gefühle (z. B. bei einer depressiven Mutter), dann beginnt es, seine eigenen negativen Gefühle zu hemmen und, im weiteren Entwicklungsverlauf, eine falsche Heiterkeit aufzusetzen, wenn es Zuwendung erfährt.

(Rauh, 2008, S. 186)

Dass auf Gefühle nicht eingegangen wird, hat oftmals mit der eigenen Sozialisierung der Mütter und Väter zu tun, die ebenfalls Gefühle unterdrücken mussten, weil es nicht gesellschaftskonform war. Eltern sind manchmal durch den anstrengenden Berufsalltag und die Herausforderungen in der Betreuung ihrer Kinder, insbesondere Neugeborener und Kleinkinder, so sehr herausgefordert, dass sie erschöpft sind und es ihnen deswegen nicht möglich ist, die (von ihnen selbst) gewünschte Aufmerksamkeit dem Kind gegenüber zu leben.

Forschende untersuchten Mütter und Kinder hinsichtlich ihrer Stressreaktionen. In der ersten Gruppe waren Mütter, welche ihren Kindern viel Zuwendung schenkten, die Mütter in der zweiten Gruppe kümmerten sich hingegen kaum um ihre Kinder. Dies hatte Folgen für die psychosomatische Gesundheit.

Die im ersten Jahr vernachlässigten Kinder dieser Gruppe reagierten stärker auf Stress als jene der anderen Gruppe; sie waren zudem ängstlicher und schüchterner, insbesondere Fremden gegenüber, und sie neigten zu deprimierten Gefühlen und negativen Affekten. Sie fielen aber auch durch eine merkwürdige Asymmetrie der Hirnströme im präfrontalen Kortex auf: Der Frontalkortex der rechten Hemisphäre war bei ihnen viel stärker aktiviert als der linke.

(Rüegg, 2009, S. 232f)

Die Ergebnisse zeigten zudem, dass die vernachlässigten Kinder bei Stress einen überhöhten Cortisolwert im Blut aufwiesen. Die Wahrscheinlichkeit, an stressbedingten psychosomatischen Störungen zu erkranken, ist somit höher. Eine weitere Forschergruppe wies nach, dass sich bei unsicher gebundenen Kindern die Oxytocin-Werte beim Spielen und Kuscheln kaum erhöhten – im Gegensatz dazu stiegen bei den sicher gebundenen Kindern in Spielsituationen die Oxytocin-Werte deutlich an.

Armut

Kinder, die in Armut aufwachsen, sind von ihrem Umfeld her Bedingungen ausgesetzt, die ihnen während der Freizeit geringere Möglichkeiten gestatten. Die Auswirkungen für das einzelne Kind können umso gravierender sein, wenn der Unterschied in der Umgebung zwischen Arm und Reich weit auseinanderklafft, weil ein Kind sieht, welche Möglichkeiten die Gleichaltrigen wahrnehmen können.

Die Erkenntnisse der Armutsforschung zeigen, dass Armut eine multidimensionale Lebenslage ist, die im Einzelfall sehr unterschiedliche Merkmale aufweisen kann. Kinder, die in Armutslagen aufwachsen, haben im Vergleich zu materiell und immateriell besser gestellten Gleichaltrigen, risikoreichere Ausgangsbedingungen. Die durch Armut erzeugte Risikokonstellation kann eine solche Intensität und Reichweite haben, dass dadurch sowohl das Wohlbefinden als auch die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder beeinträchtigt sein können. In Kategorien des Resilienzkonzeptes formuliert, haben wir es – je nach Ausprägung und Dauer der Armutslage – in der Regel mit einer ‚Kumulation von Risiken‘ zu tun. Außerdem stellt Armut in der entwicklungspsychologischen Betrachtungsweise ein ‚nicht-normatives Risiko‘ dar, im Gegensatz zu ‚normativen‘ Entwicklungsrisiken, die dem kindlichen Entwicklungsprozess inhärent sind.

(Zander M., 2010, S. 122)

Es will jedoch nicht bedeuten, dass Menschen, welche in Armut aufwachsen, vernachlässigt sind oder Gewalt erleben. Die Lebenssituation kann dies vom Umfeld her begünstigen – je nach Wohnort und Wohnsituation. Jedoch kenne ich persönlich einige Familien, welche wenig finanzielle Mittel zur Verfügung hatten und ihr Geld sehr überlegt ausgeben mussten, jedoch ihren Kindern viel Geborgenheit, Schutz und Autonomie vermittelten. Diese jungen Menschen wuchsen mit fürsorglichen und liebevollen Bezugspersonen auf. Dennoch bleibt Armut ein Risikofaktor für die Entwicklung.

Teilweise wird der Begriff Armut in erweitertem Sinne verwendet. Kinder, welche zwar materiell gut versorgt, jedoch sich selbst überlassen sind, werden manchmal ebenfalls als von Armut betroffen bezeichnet. Diesen Aspekt ordne ich der emotionalen Vernachlässigung zu. Wie oben im Zitat erwähnt, können armutsbetroffene Kinder von mehreren Risikofaktoren betroffen sein.

Trennung der Eltern

Die Trennung des Elternpaars kann für Kinder belastend oder erleichternd sein. Viele Kinder sind diesem Trennungsprozess ‚ausgeliefert‘, weil in den meisten Fällen die Erwachsenen über die weiteren Schritte entscheiden.

Die Scheidungssituation löst bei Kindern das Gefühl aus, in einer unberechenbaren und nicht gestaltbaren Situation zu leben. Ihr Glaube, ihr Leben in den wichtigen Bereichen der Familie mit gestalten zu können, Entscheidungen mit beeinflussen zu können und alters entsprechende Mitbestimmungsmöglichkeiten zugestanden zu bekommen, geht verloren. Weil auf der Paarebene eine Entscheidung gefallen ist, wird auch die Familie aufgelöst. Über die weitere Zusammensetzung der Familie bestimmen die Eltern aus Sicht des Kindes oft willkürlich und über seine Bedürfnisse hinweg.

(Aichinger, 2011, S. 172)

Die Gefahr, dass über die Bedürfnisse der Kinder hinweg entschieden wird, besteht vor allem dann, wenn die Eltern sich weder sehen noch miteinander sprechen wollen. Aichinger (2011) äußert sich zu weiteren möglichen Belastungen von Scheidungskindern: „Weiterhin werden Kinder auch mit neuen Partnern konfrontiert, ohne dass sie darauf Einfluss haben. Zwangsläufig und strukturell bedingt kommt es daher für Kinder zum Einbruch der Selbstwirksamkeitsüberzeugung“ (173). Für Kinder ist es herausfordernd, sich auf diese neuen Bezugspersonen einzulassen, insbesondere dann, wenn sie sich von diesen nicht angenommen fühlen.

Dass ein Elternteil die Familie verlässt, lässt ein Kind zweifeln, ob es wertvoll und geschätzt genug ist. Und sein Bemühen um den fehlenden Elternteil, seine Erfahrungen mit der Unzuverlässigkeit der Absprachen, dem Zurückhalten von Unterhaltsbezahlungen und dem Verlassenwerden (nach zwei Jahren hat ein Drittel der Kinder keinen Kontakt mehr zum Vater) kränken seinen Selbstwert. Auch die gegenseitigen Abwertungen der Eltern verunsichert es in seinem Selbstwert als Junge oder Mädchen. Und der ökonomische und soziale Abstieg vermittelt ihm das Gefühl der Unterlegenheit und des Ausgeschlossenseins. Kinder geraten unverschuldet in einen Trennungshaushalt, in dem das Risiko für eine prekäre wirtschaftliche Situation hoch ist.

(Aichinger, 2011, S. 174f)

Je nach Situation in einer Familie kann es für die Entwicklung von Kindern besser sein, wenn ein Elternpaar sich trennt, insbesondere dann, wenn ein Elternteil das Familienleben durch Gewalt oder Süchte belastet und nicht bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen. Für Kinder kann es belastend sein, jahrelang in einer familiären Disharmonie leben zu müssen (vgl. Wustmann Seiler, 2015, S. 49).

Missbrauch/Misshandlung

Leider gibt es auch heute noch Kinder, die regelmäßig geschlagen, auf der psychischen Ebene misshandelt oder gar sexuell missbraucht werden.

Heute unterscheiden wir zwischen psychischer und physischer Misshandlung. Schlagen mit Gegenständen, verbrennen, kneifen, schubsen, stoßen, festbinden, einsperren, zum Essen zwingen sind Formen physischer Misshandlung. Verbale und nonverbale Entwertungen, Missachtungen, Ausgrenzungen, Beschimpfungen und Bestrafungen durch Schweigen sind Formen psychischer

Misshandlung.

(Garbe, 2015, S. 41)

Psychische Gewalt ist sehr schwierig zu erfassen, da sie oft subtil und für Heranwachsende somit noch schwieriger einzuordnen ist als physische Gewalt. In Worte zu fassen, was empfunden und gefühlt wird, ist bei psychischer Misshandlung äußerst anspruchsvoll, weil der Wortschatz dazu oftmals fehlt. Dies trifft ebenso für sexuellen Missbrauch zu.

Qualitäten von Bindung und Bedrohung werden im Erleben des Kindes verzahnt mit Gefühlen der sexuellen Lust eines körperlich-sexuell ausgereiften Täters. Das Kind schwankt innerlich zwischen den Gefühlen der Scham und der Schuld und der Bedürftigkeit nach Bindung und Zuwendung hin und her. Diese neuronal gespeicherten Erfahrungen machen es vielen Opfern später nur schwer möglich, befriedigende Beziehungen zu sich selbst und zu Anderen aufzubauen, weil diese enge Verzahnung für sie nicht aufzulösen ist. Sie fühlen sich oft zerrissen zwischen ihrem Bedürfnis nach Nähe und ihrer Angst davor.

(Garbe, 2015, S. 44f)

Kinder, die unter solchen Bedingungen aufwachsen, sind enormen Belastungen ausgesetzt. Auch als Erwachsene leiden diese Menschen häufig.

Migration/Flucht

Flüchtlingskinder haben auf ihrer Flucht unter Umständen Traumatisierendes erlebt. Zudem sind viele von ihnen aus ihrem bekannten Umfeld gerissen worden, haben oftmals nicht einmal verstanden, was geschieht, sondern lediglich mitbekommen, dass die ganze Familie sehr rasch aufgebrochen ist und nach einer langen Reise in einem fremden Land angekommen ist. In diesem Land ist alles anders: Es gelten andere Regeln, die Eltern verhalten sich allenfalls anders als in der Heimat, alle Freunde sind weg und sie müssen zu Beginn in ‚Lagern‘ leben, in denen sehr viele Menschen wohnen. Sie müssen eine Schule besuchen, in der sie die anderen Kinder nicht verstehen, und werden allenfalls mit einer Schrift konfrontiert, deren Zeichen sie nicht kennen. Die Familie steht unter Druck, weil sie nicht weiß, ob sie im neuen Land aufgenommen wird und bleiben darf. Dieser Druck wird manchmal an die Kinder weitergegeben. Hinzu kommt, dass Eltern für ihre Kinder ein besseres Leben wollen und einige Kinder deshalb unter Leistungsdruck stehen. Zudem können nicht alle Flüchtlingskinder zusammen mit ihren Eltern fliehen. Garbe (2015) schreibt: „Kinder fliehen vor Bürgerkriegen, der Rekrutierung als Soldaten, Zwangsheirat oder Prostitution. So unterschiedlich ihre Geschichten sind, eines haben alle Flüchtlingskinder gemeinsam: die fehlende Zukunftsperspektiven in ihrer Heimat. Viele müssen ihr Land ohne ihre Eltern verlassen“ (S. 48 f.).

Häufige Bindungsabbrüche

Die Wichtigkeit einer stabilen Bindung zu Bezugspersonen wird wieder und wieder betont. Brisch (2008) schreibt: „Eine unsichere Bindungsentwicklung dagegen ist ein Risikofaktor, so dass bei Belastungen häufiger eine psychische Dekompensation droht oder Konflikte in einer Beziehung weniger sozial kompetent geklärt werden“ (S. 140). Ist eine Bindung an eine Bezugsperson, welche feinfühlig und wertschätzend reagiert, nicht gegeben, erlebt die Person wenig Geborgenheit, Sicherheit und Wertschätzung in ihren jungen Jahren.

Wird das Bindungsbedürfnis von Kindern nicht adäquat beantwortet, kann sich in der Folge auch das Explorationsbedürfnis des Kindes nicht ausreichend entwickeln. Wiederholen sich diese Erfahrungen mit verschiedenen Bindungs- und Betreuungspersonen im Laufe ihrer Entwicklung, gelingt es nicht, ein Grundvertrauen in die Welt aufzubauen. Schließlich kann das Bindungsverhalten zusammenbrechen. Jugendliche lassen sich nicht mehr auf Beziehung ein und sind damit schwer erreichbar und lenkbar. Sie werden schwierig und belastend für neue Bezugspersonen und schliesslich oft nicht mehr aushaltbar. Der Jugendliche erlebt sich als Wesen, welches niemand haben will.

(Garbe, 2015, S. 47)

Bowlby weist darauf hin, dass unsicher gebundene Kinder ein Risiko tragen. Ebenso kann die Situation, dass die primäre Bindungsperson weggeht, einen ernsten Risikofaktor darstellen. Zu lange und zu häufige Trennungen von der primären Bezugsperson lassen den Cortisolspiegel bei Säuglingen und Kleinkindern ansteigen, insbesondere dann, wenn die Betreuungspersonen häufig wechseln.

Längere Zeiten ohne Zugang zu einer Bindungsfigur im Rahmen der Tagesbetreuung stellen für die betroffenen Kinder wahrscheinlich ein entwicklungspsychologisches Risiko dar, ein Risiko, das zwar im Augenblick nicht als solches erkannt wird, das aber die Vulnerabilität der Kinder in Bezug auf später auftauchende soziale und emotionale Probleme möglicherweise erhöht. Eine Tagespflege in Kindertagesstätten ohne die gebührende Kontinuität der persönlichen Betreuung sollte als das erkannt werden, was sie ist: ein die emotionale Entwicklung hemmendes Unternehmen, und in Großbritannien nicht immer noch weiter gefördert werden.

(Bowlby, 2009, S. 222f)

Die Fachpersonen weisen hier auf die Wichtigkeit von Kontinuität in der Betreuung von Neugeborenen und Kleinkindern hin. Wenn ich daran denke, wie schlecht bezahlt die Frauen und Männer sind, welche in Kindertagesstätten arbeiten, so empfinde ich dies als ungerechtfertigt, da diese Menschen eine grundlegende Aufgabe übernehmen. Sie sind jene, die dafür sorgen, dass Menschen, welche nicht durch ihre Mütter und Väter betreut werden, sicher gebunden aufwachsen können.

Alles an uns – Gehirn, Geist und Körper – ist auf Zusammenarbeit in sozialen Systemen angelegt. Dies ist unsere wirksamste Überlebensstrategie, der Schlüssel zum Erfolg unserer Spezies, und genau dies fällt bei den meisten Formen psychischen Leidens aus. Wie wir im zweiten Teil dieses Buches gesehen haben, sind die neuronalen Verbindungen zwischen Gehirn und Körper von größter Bedeutung für das Verständnis menschlichen Leidens; allerdings darf man dabei die Grundlagen unserer menschlichen Existenz nicht ignorieren: Beziehungen und Interaktionen, die unseren Geist und unser Gehirn formen, wenn wir noch jung sind, und die unserem Leben Substanz und einen Sinn geben.

(Van der Kolk, 2016, S. 202).

Erziehungsstil

Der Erziehungsstil, sowohl in der Schule als auch zuhause, kann sich als Risikofaktor erweisen, wenn er von Drohungen, übermäßiger Kontrolle und Bestrafung geprägt ist. Krohne und Hock (1994) untersuchten Zusammenhänge zwischen Erziehungsstil von Eltern und der Entwicklung von Ängstlichkeit bei Kindern und hielten fest: „Durchgängig bestätigt wurde auch die Hypothese, dass die Ängstlichkeit des Kindes mit dem elterlichen Tadel, der Einschränkung und der Inkonsistenz der Erziehung zunimmt“ (S. 195). Erwachsene außerhalb des familiären Systems, von denen Kinder abhängig sind, wie beispielsweise Lehrpersonen oder Trainer, können durch oben genanntes Verhalten ebenso Ängste bei den Heranwachsenden auslösen. Ein autoritärer Erziehungsstil schafft häufig Situationen wie sie oben beschrieben sind. Aus diesem Grund gilt ein solcher als Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern.

Traumatische Erfahrungen

Wie sich traumatische Erfahrungen bei einem Menschen auswirken, ist von Person zu Person verschieden. Dies zeigen auch viele Beispiele von Holocaust-Überlebenden.

Traumatische Erfahrungen können ein Leben völlig verändern, nichts ist mehr so wie vorher. Wenn der Betroffene Glück hat, gibt es einen Anfang und ein Ende. Also ein Leben vor dem Trauma und eines danach. Die Erfahrung der Sicherheit konnte vorher gemacht werden. Als Ressource hilft sie, das Trauma zu überleben und ermöglicht im Idealfall nach Beruhigung wieder ein sich neu eröffnendes sicheres Leben schrittweise anzunehmen.

(Garbe, 2015, S. 22)

Die Folgen von traumatisierenden Entwicklungsbedingungen im Schulkindalter sind Schulversagen, Störungen des Sozialverhaltens, Dysphorie, Lustlosigkeit, depressive Symptome, Selbstwertproblematik, geringe soziale Kompetenz (vgl. Garbe, 2015, S. 37).

Gerade in ihrem Entwicklungsumfeld erfahren traumatisierte Kinder oft schon sehr früh, dass die Bindungsperson kein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermitteln kann. Angst, Schmerz und Einsamkeit werden so schnell als Normalzustand wahrgenommen. Erst wenn sie mit anderen Lebenswelten – z. B. der Besuch bei der Oma, der Nachbarin, im Kindergarten, in der Schule – in Berührung kommen und älter geworden sind, fangen sie an zu vergleichen, zu hinterfragen.

(Garbe, 2015, S. 23)

Mit der Traumatisierung gehen oftmals Hilflosigkeit und Ohnmacht einher. Menschen fühlen sich einer Situation ‚ausgeliefert‘. Hinzu kommen nicht selten Schuld- und Schamgefühle, welche vielen verunmöglichen über die Ereignisse zu sprechen, welche zur Traumatisierung geführt haben.

Die meisten Menschen denken, ein Trauma sei ein ‚psychisches‘ Problem oder gar eine ‚Gehirnstörung‘. Ein Trauma passiert auch im Körper. Wir erstarren vor Angst oder aber brechen zusammen, überwältigt und am Boden zerstört in hilflosem Entsetzen. Ein Trauma macht das Leben zunichte.

(Levine, 2010, S. 53)

Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (verzögerte, lang anhaltende Reaktion auf ein traumatisches Erlebnis) zeigen oftmals Verhaltensweisen, welche vom Umfeld nicht verstanden werden. Dies erschwert einen einfühlsamen Umgang mit den traumatisierten Menschen, was bewirkt, dass sie weiterhin in ihrer Ohnmacht bleiben und ein Gefühl der Einsamkeit erleben.

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