Kitabı oku: «Sich und andere stärken», sayfa 4
Das Modell der Kumulation ist eine Erweiterung des Interaktions-Modells. Es besagt, dass sich Risiko- und Schutzfaktoren kumulieren können. Dieselbe Belastung wird größer, wenn wenig risikomildernde Bedingungen vorhanden sind, und kleiner, wenn mehrere Schutzfaktoren vorhanden sind. „Die aufgezeigten Modellvorstellungen des Zusammenwirkens von risikoerhöhenden und -mildernden Bedingungen schließen sich gegenseitig nicht aus“ (Wustmann Seiler, 2015, S. 61).
Hingegen ist klar erwiesen, welche Risikofaktoren sich schädlich auf einen Menschen auswirken. In der Realität ist es leider der Fall, dass es Kinder gibt, die Risikofaktoren ausgesetzt sind und damit keinen Umgang finden oder daran zerbrechen. Aus diesem Grund ist es enorm wichtig, die Risikofaktoren zu kennen und diesen dementsprechend etwas entgegenzusetzen, das bei dem betroffenen Menschen schützend wirkt. Je nach Risikosituation und Entwicklungsphase sind die Wirkungen verschieden, d. h. dass Schutzfaktoren zu Risikofaktoren werden können und umgekehrt (vgl. Wustmann Seiler, 2015, S. 50 ff.).
Als Pädagogen können wir im schulischen Umfeld viel bewirken, wenn wir uns vertieft damit auseinandersetzen, welche Risikofaktoren und Schutzfaktoren das schulische Umfeld birgt.
Zu den wichtigsten Erkenntnissen der neueren Entwicklungspathologie gehört es, dass Risiko- oder Schutzfaktoren ein ‚Doppelgesicht‘ haben können. Das heißt, unter bestimmten Umständen kann der ansonsten ‚günstige‘ Pol eines Merkmals zu einer Störungsentwicklung beitragen und umgekehrt der ‚ungünstige‘ Pol eine protektive Funktion haben.
(Lösel & Bender, 2008, S. 64)
Das Rahmenmodell nach Kumpfer möchte einen Überblick verschaffen, der die Komplexität der Resilienzthematik veranschaulicht. Darin werden sechs Dimensionen hervorgehoben. Diese sind in Anlehnung an Wustmann Seiler (2015, S. 62 ff.) im Anschluss an die Abbildung erläutert.
Abbildung 2: Rahmenmodell von Resilienz (Wustmann Seiler, 2015, S. 65)
1 Stressor: das Gleichgewicht eines Menschen wird gestört und der Resilienzprozess wird ausgelöst.
2 Umweltbedingungen: Je nach Kontext, in dem sich ein Mensch befindet, gestaltet sich das Zusammenspiel von Risiko- und Schutzfaktoren unterschiedlich.
3 Personale Ressourcen/Resilienzfaktoren: Die Kompetenzen und erworbenen Fähigkeiten eines Menschen wirken hier hinein. Diese werden von unterschiedlichen Bereichen beeinflusst.
4 Anpassung/Fehlanpassung: Je nachdem wie ein Mensch mit dem Stressor umgegangen ist, erwirbt sich dieser Mensch neue Kompetenzen oder wird psychisch beeinträchtigt.
5 Transaktionaler Prozess zwischen Person und Umwelt: Die betroffene Person nimmt, beeinflusst durch ihre personalen Ressourcen, selektiv wahr, welche Art der Unterstützung (z. B. Empathie, Ablehnung) aus dem Umfeld kommt. Dadurch wird ein Resilienzprozess angeregt.
6 Resilienzprozess und Anpassungsmechanismen: Der interne Prozess eines Menschen führt zum Entwicklungsergebnis. Wie sich diese Prozesse gestalten, ist meines Wissens noch wenig erforscht.
Wustmann Seiler (2015) erwähnt die Problematik der konzeptionellen Unterschiede im Bereich der Resilienzforschung. Diese lassen Angriffsflächen am Resilienzkonzept offen und verunmöglichen den Vergleich der Ergebnisse verschiedener Studien. Dennoch sind sich die Forschenden darüber einig, dass es notwendig ist, dem Resilienzphänomen auf den Grund zu gehen.
Personelle Resilienzfaktoren
Die Resilienzfaktoren beziehen sich auf die personale Ebene. Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse (2014, S. 41) erwähnen, dass sechs Kompetenzen auf personaler Ebene besonders wichtig sind, und beschreiben sie als personelle Resilienzfaktoren. Diese können erworben und weiterentwickelt werden.
Abbildung 3: Resilienzfaktoren (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, Resilienz, 2014, S. 42)
Bei diesen sechs Faktoren handelt es sich nicht um voneinander unabhängige Konstrukte, sondern sie stehen in einem engen Zusammenhang. So ist z. B. die Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung ebenso wie eine gute Selbststeuerungsfähigkeit eine Voraussetzung zum Aufbau sozialer Kompetenzen usw. Eine getrennte Betrachtung ist aus analytischen Gründen sinnvoll, wird aber der Komplexität des Seelenlebens nur ansatzweise gerecht.
(ebd., S.41)
Nachfolgend wird jeder der personellen Resilienzfaktoren erklärt (vgl. Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2014).
Selbst- und Fremdwahrnehmung
Selbstwahrnehmung bedeutet, dass sich die Wahrnehmung, die ein Mensch von sich selbst hat, mit derjenigen von außenstehenden Personen vereinbaren lässt. Dies bedeutet, dass ein Mensch seine Emotionen, Gedanken und Handlungen ganzheitlich und adäquat wahrnehmen kann. Ebenso spielt die Selbstreflexion dabei eine wichtige Rolle. Bei der Fremdwahrnehmung geht es darum, andere Menschen so in ihren Gefühlszuständen wahrnehmen zu können, dass diese Einschätzung zu der Wahrnehmung des Gegenübers passt. Sich in die Sicht- und Denkweise des Gegenübers hineinversetzen zu können, gehört ebenso in diesen Bereich.
Konkret bedeutet dies, dass ich an mir wahrnehme, wenn ich wütend, traurig, fröhlich … bin oder ob ich gerade jetzt die Nase rümpfe, mit den Ohren wackle oder mit den Beinen zittere. Im Bereich der Fremdwahrnehmung geht es darum, dass ich den Schilderungen meines Gegenübers von etwas Erlebtem folgen kann und mich in seine Sichtweise hineinversetzen, seine Bewertung des Ereignisses nachvollziehen kann.
Selbstwirksamkeit
Als selbstwirksam erlebt sich ein Mensch, dem das Lösen eines Problems durch den Einsatz seiner selbstbestimmten Möglichkeiten gelungen ist. Dadurch gewinnt dieser Mensch Vertrauen in seine Fähigkeiten, ein bestimmtes Ziel erreichen zu können. Dieses Vertrauen hat ebenso Auswirkungen auf die Erwartungen, wenn eine Aufgabe angegangen wird. Menschen, die sich als selbstwirksam erleben, haben oftmals auch die Erwartung, die Situation beeinflussen zu können. Zudem können sie Ereignisse auf ihre Ursachen hin realistisch einschätzen.
Wenn eine Schülerin, welche sich häufig als selbstwirksam erlebt hat, eine schwierige Mathematikaufgabe erhält, so geht sie davon aus, dass sie diese lösen kann. Mit dieser Erwartung beginnt sie an der Aufgabe zu arbeiten und fragt entsprechend nach, wenn sie zusätzliche Informationen benötigt.
Selbstregulation
Bei der Selbstregulation geht es darum, innere Zustände regulieren zu können. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Gefühle und Spannungszustände, die aufrechterhalten, beruhigt oder intensiviert werden können. Je nach Situation ist das eine oder das andere gefragt, sodass das Verhalten den Umständen angepasst ist. So wird beispielsweise vor einem 100-Meter-Lauf die Intensität der Spannung anders reguliert als vor einer Feier mit Freunden. Hierzu wird ein Wissen zu möglichen Strategien und Handlungsalternativen benötigt, welche situationsangepasst und individuell wirkungsvoll sind.
Soziale Kompetenz
Diese Kompetenz beschreibt unterschiedliche Aspekte. Zum einen geht es darum, dass ein Mensch Kontakte aufnehmen, aufrechterhalten und auf eine angemessene Weise wieder beenden kann. Auch wird darunter verstanden, dass eine Person soziale Situationen einschätzen und adäquate Verhaltensweisen zeigen kann. Des Weiteren ist damit gemeint, sich in andere Menschen einfühlen zu können, anderen empathisch begegnen, sich selbst behaupten sowie Konflikte angemessen lösen zu können. Ein Wissen zu möglichen Strategien der Konfliktbewältigung sowie zum Thema Kommunikation gehört ebenso dazu. Ein wichtiger Aspekt der sozialen Kompetenz ist die Fähigkeit, sich Unterstützung zu holen, wenn dies nötig ist.
Problemlösefähigkeit
Darunter wird verstanden, dass ein Mensch komplexe, nicht eindeutig zuordenbare Sachverhalte erfassen und in eine Ordnung bringen kann, indem er auf sein vorhandenes Wissen zurückgreift. Daraus können Handlungsmöglichkeiten oder Vorgehensweisen entwickelt werden. Diese Handlungsweisen werden auf die Sachverhalte/Situation hin bewertet und dann, wenn sie als angemessen erscheinen, umgesetzt. Fähigkeiten, die dazu hilfreich sind: systematisch vorgehen, analysieren, abwägen, einschätzen, ausprobieren und umsetzen können. Unterschiedliche Problemlösestrategien können hinzugezogen und angewandt werden.
Adaptive Bewältigungskompetenz
Hier geht es darum, stressige Situationen angemessen einzuschätzen, zu bewerten und zu reflektieren sowie darauf mittels eigener Fähigkeiten in wirkungsvoller Weise zu reagieren, um die Stress-Situation zu bewältigen. In den meisten Fällen sind hier aktive Strategien gefragt, etwa sich Informationen zur Bewertung der Situation zu suchen, sich Unterstützung zu holen, eine direkte Auseinandersetzung mit dem Problem oder ein aktives Herangehen. Manchmal kann es auch angemessen sein, sich zurückzuhalten und zu beobachten. Hilfreich ist es auch hier, verschiedene Herangehensweisen und Strategien im Umgang mit Stress-Situationen zu kennen. Damit die Stressbewältigung gelingt, braucht es ein Verständnis für die Stresssituation und ein frühzeitiges Wahrnehmen solcher Situationen.
Wechselwirkungen
Zwischen den sechs personellen Resilienzfaktoren gibt es Wechselwirkungen sowie in konkreten Situationen ein Zusammenspiel der einzelnen Faktoren. Werden die einzelnen Faktoren gestärkt, so kann es dazu führen, dass ein Mensch in einer Stress-Situation angemessener reagieren kann als ohne die Auseinandersetzung mit den einzelnen Resilienzfaktoren. Das erfolgreiche Bewältigen einer Belastungssituation führt zu einem erhöhten Selbstwirksamkeitserleben. Dies beeinflusst wiederum den Attributionsstil eines Menschen.
Resilienz über die Lebensspanne
Neuere Forschungen betrachten auch die Entwicklungsaufgaben unter dem Aspekt der Resilienz. Jede Entwicklungsphase bringt Aufgaben mit sich und fordert Menschen heraus. Diese Phasen werden je nach Risiko- und Schutzfaktoren und den daraus entstehenden Wechselwirkungen auf unterschiedliche Weise bewältigt. In der Literatur werden fünf zentrale Prinzipien erwähnt, welche für die Entwicklung über die Lebensspanne wichtig sind:
Wechselwirkungen von Entwicklungsdeterminanten
Entwicklungsdynamik und Eigenaktivität
Kontinuität und Veränderung
Kontextgebundener Prozess der Passung
Bedeutung der Entwicklungspfade (vgl. Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2015, 31 ff.).
Rönnau-Böse und Fröhlich-Gildhoff meinen: „Die Betrachtung der Entwicklung von Resilienz über die Lebensspanne sollte sich an den o. g. allgemeinen Leitvorstellungen einer Entwicklungspsychologie der Lebensspanne orientieren“ (2013, S. 35). Dieses Konzept miteinzubeziehen ist hilfreich, weil es darum geht, mit Herausforderungen und Belastungen einen Umgang zu finden und diese erfolgreich zu bewältigen. Beeinflusst werden die Entwicklungsaufgaben unter anderem von biologischen Faktoren, gesellschaftlichen Vorgaben und individuellen Zielsetzungen. Deshalb gestalten sich die Entwicklungsaufgaben von Lebensphase zu Lebensphase verschieden. Ob ein Mensch resilient ist oder nicht, kann sich in verschiedenen Entwicklungsphasen unterschiedlich zeigen. Die Entwicklungsaufgaben über die Alterspanne gestalten sich wie folgt (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2015, S. 37f):
Lebensalter | Beschreibung der Entwicklungsaufgabe |
Aufgaben im Säuglingsalter | Aufbau sensomotorischer SchemataErster Aufbau von BindungsrepräsentationenAuf- und Ausbau von physiologischen und affektiven Regulationsfertigkeiten |
Aufgaben im Kleinkindalter (bis ca. 3 Jahre) | Aufbau eines differenzierten EmotionsspektrumsAufbau von frühen Denk- bzw. ProblemlösungskompetenzenErwerb von sprachlichen KompetenzenErster Aufbau kohärenter Selbst-Strukturen |
Aufgaben vonca. 3 bis ca. 6 Jahren | Entwicklung der Fähigkeit zur PerspektivenübernahmeAusbau von sozialen Kompetenzen (Konfliktlösefähigkeit, angemessene Selbstbehauptung; Fähigkeit, sich Unterstützung zu holen)Erster Aufbau von moralischen KompetenzenVorsichtige Lösung von den Bezugspersonen und erster Aufbau tragfähiger Beziehungen zu Gleichaltrigen und anderen ErwachsenenErwerb von Geschlechterrollenkompetenzen |
Aufgaben im Schulalter(ca. 7 bis ca. 12 Jahre) | Differenzierung des SelbstkonzeptsErwerb von schulbezogenen Fähigkeiten (Anpassung an die Normen der Schule, Bereitschaft zur Anstrengung, Aufbau schulbezogener Leistungsmotivation)*Ausbau sozialer Kompetenzen, besonders im Umgang mit Gleichaltrigen |
Aufgaben in der Adoleszenz(ca. 13 bis ca. 20 Jahre) | Erwerb von Kompetenzen zur Identitätsfindung (Geschlecht, Werte und Normen, Berufsorientierung, Partnerschaft)*Aufbau erster individueller Sinn- und ZielstrukturenErwerb eines stabilen Körper-Selbstkonzepts und sexueller KompetenzenErwerb von Kompetenzen zur Loslösung von den Eltern |
Aufgaben desErwachsenenalters(ca. 21 bis ca. 65 Jahre) | Berufliche Orientierung und möglicher Einstieg in eine berufliche Tätigkeit (Sicherung der eigenen wirtschaftlichen Kompetenz)Orientierung in der Partnerschaft (oder: Entscheidung gegen Partnerschaft)Entscheidung für oder gegen Familiengründung und dann ggf. verantwortliche Übernahme der ElternrolleNeuorientierung nach Beendigung der ‚engen‘ Elternphase (Lösung/Auszug der Kinder)Wahrung bzw. Ausbau sozialer BeziehungenEntscheidung für (oder gegen) Formen gesellschaftlichen/sozialen Engagements |
Aufgaben des ‚jungen‘ Alterns(ca. 65 bis ca. 80 Jahre) | Auseinandersetzung mit der Beendigung der ‚regulären’ BerufstätigkeitNeuorientierung hinsichtlich der Alltagsgestaltung und entsprechender Aktivitäten (gesellschaftliches Engagement, Übernahme von Großelternrolle, Pflege von Verwandten …) |
Aufgaben des ‚hohen‘ Alterns(ab ca. 80 Jahren) | Auseinandersetzung mit Verlusten im sozialen BereichAuseinandersetzung mit KrankheitAuseinandersetzung mit dem eigenen Tod |
Die Angaben in der Tabelle sind kulturspezifisch, hier auf unser westeuropäisch geprägtes Leben bezogen. In anderen Ländern und Kulturen gestalten sich einzelne Bereiche anders. Zudem zeigen neuere Forschungen zu den Entwicklungsaufgaben, dass sich diese Stufen nicht starr aufrechterhalten lassen. So gibt es neben diesem ‚klassischen‘ Konzept übergreifende, vom Altern unabhängige Entwicklungsthemen:
aktive Gestaltung der Beziehungen zu anderen Menschen
Sicherung und Stärkung des eigenen Selbstwerts
Entwicklung und Modifikation von Lebenszielen und Lebenssinn
Mitzuberücksichtigen sind Übergänge zwischen Altersphasen. Die Art und Weise des Gelingens dieser Übergänge hat Einfluss auf die individuelle Herangehensweise an neue Übergangssituationen (vgl. Rönnau-Böse & Fröhlich Gildhoff, 2015, S. 39 ff.). Bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben spielen verschiedene Systeme eine Rolle, beispielsweise Familie, Peers, Schule, Stadt/Dorf. Bronfenbrenner gibt mit seinem sozialökologischen Modell eine Übersicht, wie Individuen in ein soziales Netz eingebunden und wie sich die Wirkungsweise dieser ineinander verschachtelten Systeme gestalten könnte. In diesem Modell ist auch die Beeinflussung der verschiedenen Systeme durch das Individuum zu erkennen.
Abbildung 4: Systemtheoretische Betrachtung von Entwicklungsumwelten nach Bronfenbrenner (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2015, S. 44)
Um die Begrifflichkeiten in der Abbildung zu verstehen, werden diese kurz erläutert.
Mikrosystem | Die in Entwicklung begriffene Person kann in diesen Systemen leicht in die direkte Interaktion mit anderen treten. |
Mesosystem | Damit werden die Wechselbeziehungen zwischen den Lebensbereichen, an denen das Individuum direkt beteiligt ist, beschrieben. |
Exosystem | Dies sind Lebensbereiche, in denen Ereignisse stattfinden, die den Lebensbereich des Individuums beeinflussen, auf die es keinen direkten Einfluss nehmen kann. |
Makrosystem | Hier werden dem System zugrunde liegende Weltanschauungen und Wertevorstellungen beschrieben. |
Mittels dieses Modells wird ersichtlich, dass Interventionen einerseits auf der Mikroebene notwendig sind, andererseits jedoch die Zusammenhänge zu den anderen Ebenen mitgedacht werden sollten.
Mitzuberücksichtigen sind die Erkenntnisse der Hirnforschung. Ein Bereich darin ist die Entwicklung der exekutiven Funktionen, welche teilweise im Zusammenhang mit den personellen Resilienzfaktoren zu sehen sind.
Zur Einschätzung der Resilienz im Leben eines Menschen müssen zwei Dinge berücksichtigt werden: zum einen die Widrigkeitsexposition und zum anderen das Wohlergehen der Betroffenen währenddessen und hinterher.
(Masten, 2016, S. 29)
Resilienzförderung
Resilienzförderung wird einerseits präventiv betrieben, um Menschen zu stärken und ihre Denk- und Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, oder als Intervention durchgeführt, wenn sich Menschen bereits in widrigen Situationen befinden oder diese durchlebt haben. Bei Interventionen werden die Risikofaktoren minimiert und/oder die Schutzfaktoren erhöht. „Eine Entwicklung und Förderung der Resilienz kann nur gelingen, wenn sie kontinuierlich im Alltag verankert ist. Vieles von dem, was Eltern und Fachkräfte tun, fördert die Resilienz, ohne dass ihnen dies bewusst ist“ (Rönnau-Böse & Fröhlich-Gildhoff, 2015, S. 89).
Ziehen wir Bronfenbrenners Modell heran, so zeigt sich, dass einigen Entwicklungsrisiken, wie beispielsweise Wohnungsknappheit, Armut oder Arbeitslosigkeit, nur durch politische Entscheide wirkungsvoll begegnet werden kann. Die bestehenden Rahmenbedingungen sind wesentlicher Bestandteil für das Einschätzen der Möglichkeiten, wie Menschen unterstützt werden können. Beim Zusammenstellen von Interventions- oder Präventionsprogrammen zur Resilienzförderung ist es wichtig, das Entwicklungsalter und die Möglichkeiten innerhalb des Mikrosystems miteinzubeziehen. So wurden je nach Bedarf unterschiedliche Resilienzförderprogramme entwickelt. Um ein Präventions- oder Interventionsprogramm durchführen zu können, ist es notwendig, dass die Durchführenden ein Bewusstsein für ihre eigene Resilienz haben und für die damit zusammenhängenden Thematiken sensibilisiert sind.
Bestehende Resilienzförderprogramme
An dieser Stelle werden verschiedene Programme aus dem deutschsprachigen Raum vorgestellt. Diese werden oder wurden bereits durchgeführt und einige davon evaluiert. Die Programme sind zusammenfassend in der Tabelle beschrieben und im Anschluss ausführlicher erläutert. Diese Aufzählung ist nicht vollständig.
Programme, welche zur Intervention eingesetzt werden, sollten durch erfahrene und kompetente Fachpersonen durchgeführt werden, weil die Zusammenhänge sehr komplex sind. Bei den Programmen zur Prävention ist es sinnvoll abzuschätzen, wie intensiv an den Inhalten gearbeitet wird und wer die Zielgruppe ist. Je nachdem ist es hilfreich, als Team und/oder mit Beizug von Fachpersonen zu arbeiten.
Bezeichnung | Zielgruppe | BeschreibungQuelle |
EFFEKT | ElternKinder(Vorschulalter) | Das Kindertraining umfasst 15 Einheiten im Bereich der sozial-kognitiven Problemlösung und Problemlösefertigkeiten. Das Ziel des Elternkurses ist es, die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken. Mittlerweile gibt es auch eine Version für Menschen mit Migrationshintergrund (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 68 f.). |
Emotionstraining in der Schule | Schulkinder | Dieses Trainingsprogramm ist als Präventionsmaßnahme gedacht. Das Ziel ist es, die emotionalen Kompetenzen zu fördern (vgl. Petermann, Petermann & Nitkowsi, 2016). |
Fit for Life | Jugendliche(13 bis 21 Jahre) | Das Ziel ist es, die eigenen Stärken zu kennen und diese im Hinblick auf die Berufsfindung einsetzen zu können. Das Programm enthält zwölf Module. Es konnte eine Zunahme der sozialen Kompetenzen beobachtet werden (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 77 f.). |
Fit und starkfürs Leben | Kinder(1.–8. Klasse) | Es ist ein schulisches Programm, bei dem die Förderung der sozial-emotionalen Kompetenzen im Vordergrund steht. Eine Weiterbildung für Lehrpersonen wird auf freiwilliger Basis angeboten (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 73 f.). |
Geschichten | KinderJugendliche | Ausgewählte Geschichten enthalten eine Möglichkeit, über die Bewältigungsstrategien der Protagonisten zu sprechen. Es kann über anti-resilientes oder resilientes Verhalten nachgedacht werden (vgl. Wustmann Seiler, 2015, S. 129 ff.). |
Grundschule macht stark! | Kinder(1.–4. Klasse) | Es ist ein Resilienzförderprogramm, welches Inhalte zur Stärkung der Resilienzfaktoren hat. Lehrpersonen, welche mit dem Programm gearbeitet haben, konnten Entwicklungsschritte bei den Kindern beobachten (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 74 f.). |
Integrative Imaginationsarbeit | KinderJugendlicheErwachsene | In dieser Arbeit geht es darum, dass die Menschen mittels ihrer Imagination zu ihrer Kraft finden. Ausgebildete Personen können dies für die Präventions- und Interventionsarbeit nutzen (vgl. Lerch, 2017). |
KEKU | KinderJugendlicheErwachsene | KEKU = Körperübungen für Entspannung und Konzentration im UnterrichtIn diesem Programm geht es vor allem um Atemübungen und die Achtsamkeit gegenüber dem eigenen Atem (vgl. Jerabek, 1998). |
Kinderpsychodrama | KinderJugendliche | Das Kinderpsychodrama wurde zur Intervention entwickelt, damit Heranwachsende traumatische Ereignisse verarbeiten können. Mittlerweile gibt es Angebote zur Prävention (vgl. Aichinger, 2011). |
Konzept der neuen Autorität | KinderJugendlicheEltern | Dieses Konzept wurde zur Intervention konzipiert, wenn Gewalt in Familien vorherrscht. Im Fokus steht das gewaltfreie Zusammenleben von Kindern und Erwachsenen (vgl. Omer & von Schlippe, 2012). |
Lichtpunkt-Projekte | Kinder | Diese Projekte wurden 2008 gestartet, um benachteiligte und von chronischer Armut betroffene Kinder zu stärken. Es wurden 22 verschiedene Projekte lanciert (vgl. Zander, Alfert & Kruth, 2011, S. 513 ff.). |
Lubo aus dem All | Kinder(Kindergartenalter, 1.&2. Schuljahr) | Dieses Programm dient der Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen. Es wurde auf der Basis der Resilienzforschung entwickelt. (vgl. Hillenbrand et al., 2016). |
Meditation | alle Menschen | In diesem Bereich gibt es so viele unterschiedliche Praktiken, dass Menschen auswählen können, welche ihnen am besten entspricht. Wichtig ist hier die Regelmäßigkeit. |
Papilo | Kinder(Vorschulalter)ElternFachkräfte | Das Ziel dieses Programms ist es, Verhaltensauffälligkeiten zu vermindern, indem sozial-emotionale Kompetenzen gefördert werden. Das Programm wurde von 2003 bis 2005 durchgeführt (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 66 f.). |
Perik-Beobachtungsbogen | Kinder(Vorschulalter) | Der Beobachtungsbogen wird eingesetzt, um die emotionalen und sozialen Kompetenzen von Kindern einzuschätzen (Berndt, 2014, S. 165 ff.). |
Positive Peerkultur | KinderJugendliche | Es ist ein pädagogisches Arbeitskonzept, welches Kinder und Jugendliche durch verstärkte Partizipation und unterstützte Selbstverantwortung darin fördert, sich gegenseitig zu stärken (vgl. Opp & Fingerle, 2006). |
PRiK | Kinder(Kindergartenalter)ElternLehrpersonen | Kinder lernen, wie sie Belastungen bewältigen können. Es findet zusätzlich eine Vernetzung mit Vereinen und Einrichtungen der Umgebung statt. Ziel des Projektes ist es, den Kindern Wege aufzuzeigen, wie sie mit belastenden Situationen umgehen können (vgl. Fröhlich- Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 70 f.). |
Ressourcenaktivierung | Erwachsene | Ressourcenaktivierungsprogramme richten sich an Erwachsene, meistens im Bereich der Beratung und Therapie. In adaptierter Form können einzelne Übungen mit Heranwachsenden durchgeführt werden (vgl. Flückiger & Wüsten, 2008). |
Service Learning | KinderJugendliche | Zusammen mit Menschen aus der Umgebung wird ein gemeinnütziges Projekt entwickelt und umgesetzt (vgl. Seifert, 2011). |
Theaterpädagogisches Arbeiten | KinderJugendliche | Theaterpädagogische Kurse und Übungen verhelfen zu einer größeren Flexibilität, ermöglichen Perspektivenwechsel und erweitern die Verhaltensmöglichkeiten (vgl. Metzenthin, 1988). |
Trainingsprogramm zurResilienzförderung bei Risikokindern | Kinder | Dieses Trainingsprogramm wurde für nicht-resiliente Kinder entwickelt. Es beinhaltet die Themen Attribution, Gefühle, Kontrollüberzeugungen und Mobilisierung sozialer Unterstützung (vgl. Julius & Goetze, 1998). |
An dieser Stelle werden die Programme ausführlicher beschrieben, damit Interessierte einen Einblick erhalten, wo, zu welchem Zeitpunkt und von wem dieses Programm entwickelt und durchgeführt wurde.
EFFEKT
EFFEKT ist eine Abkürzung für Entwicklungsförderung in Familien: Eltern- und Kindertraining. Dieses Programm war in eine Studie zur Entstehung und Verfestigung von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern im Vorschulalter eingebettet. Dieses Kindertraining wurde in drei unterschiedlichen Durchführungsarten mit jeweils einer Kontrollgruppe durchgeführt. Das Kindertraining umfasst 15 Einheiten im Bereich der sozial-kognitiven Problemlösung und Problemlösefertigkeiten. Das Ziel des Elternkurses ist es, die Eltern-Kind-Beziehung zu stärken. Es fanden fünf Sitzungen im Wochenrhythmus statt. Das Programm wurde evaluiert und weiterentwickelt. Die Evaluation war in die Erlangen-Nürnberg-Studie eingebettet. Diese untersuchte umfassend die Entstehung und Verfestigung von Verhaltensauffälligkeiten (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 68 ff.). „Deutlich wurde außerdem, dass vor allem die Kinder von dem Training profitierten, bei denen zu Beginn des Trainings besonders große Probleme bestanden hatten“ (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 70).
Emotionstraining in der Schule
Petermann et al. (2016) haben ein Emotionstraining für Schulkinder erstellt. Das Programm umfasst 11 Sitzungen à 90 Minuten, die in einem wöchentlichen Abstand durchgeführt werden. Die Lernenden erhalten Hausaufgaben, die dazu dienen, das Gelernte im Alltag zu verankern. Das Förderprogramm enthält Übungen zum Emotionsverständnis, zum Emotionsbewusstsein, zur Empathie und zur Emotionsregulation, da diese vier emotionalen Kompetenzen für die Entwicklung von Menschen von Bedeutung sind. „Emotionen beeinflussen nicht nur das Lernen, sondern auch den Körper insgesamt. Dies kann anhand des Phänomens ‚Angst‘ verdeutlicht werden. Bei starker Angst vergisst man leicht alles um sich herum und das strukturierte Denken fällt schwer“ (Petermann, Petermann, & Nitkowski, 2016, S. 19).
Im Laufe des Lebens lernen Menschen ihre Emotionen zu regulieren. Emotionsregulation kann je nach Situation und Kontext (über)lebensnotwendig sein. Sie ist jedoch anspruchsvoll, wenn ein Mensch sehr belastet oder verletzt ist. „Die Emotionsregulation stellt die bekannteste Fähigkeit unter den emotionalen Kompetenzen da. Zu dieser Thematik wurde bislang am meisten geforscht. Ohne weitere Schlüsselkompetenzen ist die Emotionsregulation jedoch nicht gut funktionsfähig“ (Petermann, Petermann, & Nitkowski, 2016, S. 20).
Fit for Life
Dies ist ein Trainingsprogramm für Jugendliche im Alter von 13 bis 21 Jahren, das zum Ziel hat, den Teilnehmenden die eigenen Stärken bewusst zu machen, damit sie diese im Hinblick auf die Berufsziele einsetzen zu können. Die Wirksamkeit des Programms wurde untersucht und ergab eine signifikante Steigerung der sozialen Kompetenzen und sozialer Problemlösefähigkeiten (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 77 f.).
Dies geschieht mit Hilfe von zwölf Modulen:
Motivation,
Gesundheit,
Selbstsicherheit,
Körpersprache,
Kommunikation,
Fit für Konflikte,
Freizeit,
Gefühle,
Einfühlungsvermögen,
Lebensplanung,
Beruf und Zukunft,
Lob und Kritik.
(Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 77)
Fit und stark fürs Leben
Dieses Unterrichtsprogramm kann von der 1. bis zur 8. Klasse eingesetzt werden. Es sind in jeder Klasse 20 Unterrichtseinheiten von 60 bis 90 Minuten vorgesehen. Das Programm wird seit den 1990er-Jahren in vielen Schulen umgesetzt. Das Programm wurde auf seine Wirksamkeit hin geprüft und es zeigte sich, dass sich aggressives Verhalten verringerte, ängstlich-depressives Verhalten sowie delinquentes Verhalten abnahmen und die sozialen Kompetenzen der Lernenden stiegen (vgl. Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 73 f.).
Im Vordergrund stehen vor allem die Prävention hinsichtlich Gewalt, Aggression, Stress und Sucht. Ziel ist die Entwicklung von Lebenskompetenzen, konkret die Förderung von
Selbstwahrnehmung/Selbstwertgefühl,
Kommunikation,
Umgang mit Stress und negativen Emotionen,
kreativem und kritischem Denken,
Entscheidungsfähigkeit,
sozialen Kompetenzen (wie z. B. Empathie),
Problemlösefähigkeit und
Informationsvermittlung.
(Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2014, S. 73)
Geschichten
In vielen Kinder- und Jugendbüchern können Bewältigungsstrategien der Protagonisten gefunden werden. Das Lesen dieser Geschichten mit Blick auf diese Strategien und das Diskutieren darüber könnte die Lernenden neue Strategien entdecken lassen. Wustmann Seiler (2015, S. 129ff) weist darauf hin, dass anhand von Märchen und Geschichten resiliente und antiresiliente Verhaltensweisen veranschaulicht werden können, da sie einen Perspektivenwechsel ermöglichen, Verhaltensmodelle vermitteln und ablenkend oder entlastend wirken können. Sie erwähnt die Merkmale von resilienzfördernden Märchen und Geschichten, wie beispielsweise das Lösen des Problems durch den Protagonisten, das Im-Zentrum-Stehen der Bewältigung eines Problems, die Verantwortungsübernahme des Protagonisten, den Glauben des Protagonisten an die eigenen Fähigkeiten, das Problem lösen zu können. Als Alternative nennt Wustmann Seiler (2015, S. 131) die Möglichkeit, zusammen mit dem Kind eine Geschichte zu entwickeln, in der es um die Bewältigung einer schwierigen Situation geht.
Grundschule macht stark! – Resilienzförderung in Grundschulen
Dieses Programm wurde für die 1.–4. Klasse entwickelt und evaluiert. Es wurde von den Beteiligten positiv aufgenommen. Inhaltlich werden nachfolgende Themen bearbeitet: Gefühle, Fähigkeiten, Begabungen, Erfolge, gemeinsames Erleben, Förderung von Problemlösefähigkeit und adaptiver Bewältigungskompetenz.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.