Kitabı oku: «Handeln mit Dichtung», sayfa 19

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4.4.2.2 Der Prosa-Kommentar

Alle erhaltenen Ht-Versionen weisen einen Kommentar auf, der formale und stilistische Besonderheiten in den Gedichtstrophen diskutiert. Jede Kommentarversion weicht in unterschiedlichem Masse von den Aussagen des Gedichts ab. Für R sind es mindestens zehn Stellen, sieben davon sind auch in U zu finden.1 Meist handelt es sich um Unstimmigkeiten in der Prosabeschreibung des Verses. Pálsson bestimmt diesen Fall als „[…] a good example of the commentator struggling to describe a phenomenon for which the language of his time did not have the necessary resources.“2 Vergleicht man die sprachtheoretischen Diskussionen von Ht und Skpm, so zeigen sich ebenfalls begriffliche Unterschiede, die in den verschiedenen Versionen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Das kann der langen Verfassungszeit des Gesamtwerks geschuldet sein, denn nach langjähriger Schreibpause haben sich Konzepte verständlicherweise weiterentwickelt. Pálsson weist darauf hin, dass es trotz des grossen Interesses an grammatica und Rhetorik im mittelalterlichen Island keine einheitliche Terminologie dazu gegeben hat, sondern die Begriffe arbiträr benutzt worden sind.3 Es könnte aber auch bedeuteten, dass der Kommentar von einem anderen Verfasser als demjenigen des Gedichts stammt. Die These, dass nicht Snorri Sturluson den Kommentar geschrieben hat, wird diskutiert.4 Für diese Arbeit ist sie jedoch nicht zentral, da die beiden Texte in U klar gemeinsam konzipiert worden sind. Die Zusammengehörigkeit des Gedichts und des Kommentars zeigt sich im Seitenlayout und der Integration der skaldischen Strophen in den Prosatext. Wie in Skpm werden Strophen direkt im Fliesstext der Prosa integriert, sie sind nicht sichtbar davon abgesetzt. Ht beginnt mit dem Kommentar, erst nach ca. einer halben Seite Prosatext wird die erste Strophe eingefügt. Zu Beginn wird im Stil eines gelehrten Dialogs über die verschiedenen Möglichkeiten und Bedingungen der Versmasse informiert.

Für eine Übersicht über die verschiedenen metrischen Definitionen in Ht ist hier nicht der richtige Ort.5 Im Fokus stehen die verschiedenen Verfahren, die zu den Definitionen führen und sie als bedeutungsvoll inszenieren. Ht ist nicht wie z.B. Háttalykill eine reine Aufzählung verschiedener Versformen, sondern eine ars metrica, die die aufgezählten Versmasse bewertet, kategorisiert und durch Benennung definiert.6 Um möglichst alle Phänomene und Dimensionen des zu Beschreibenden zu erfassen, werden verschiedene Kategorien und Unterkategorien aufgestellt.

Die gelehrten Bezeichnungen in Ht beruhen auf einem Balanceakt zwischen Innovation und Tradition, was sich in den teilweise inkonsistenten Definitionen zeigt, wie oben bereits in Bezug auf das Inhaltsverzeichnis festgestellt worden ist. Tranter sagt über diesen Prozess des Ausbalancierens:

Um ein System der Kategorisierung überhaupt erstellen und anwenden zu können, ist es zuerst notwendig, ein schlüssiges, in sich konsistentes Bezeichnungssystem zu entwickeln. Dies geschieht am leichtesten, wenn die analysierte Metrik bislang ohne bewusste Kategorisierung auskam. So war zum Beispiel Sievers in der glücklichen Lage, dass für die germanische Langzeile kein Bezeichnungssystem vorhanden war […]. Im Isländischen war dies jedoch keineswegs der Fall. Im Háttatal sehen wir also einen ständigen Dialog zwischen Snorris Vorstellungen der schriftbasierten Kategorisierung und einer schon vorhandenen mündlichen Benennungstradition.7

Aus heutiger Sicht ist es interessant zu sehen, wie in Ht (und den anderen Texten der P-E) die richtige Einordnung der neuen Wissensbestände diskutiert und in Frage gestellt worden ist. Uns liegt nicht das Endprodukt eines Diskurses vor, sondern eine Zwischenstufe, die Einblick in die Reflexion sprachtheoretischer Fragen ermöglicht. In der von Text zu Text bzw. von Handschrift zu Handschrift unterschiedlichen Terminologie zeigt sich der lange Denkprozess, den der gelehrte dichterische Diskurs durchläuft. Die Überlieferungssituation der P-E-Handschriften macht deutlich, dass bis ins nächste Jahrhundert weiter an der richtigen Benennung einzelner Versmasse o. ä. gearbeitet wurde:

The Codex Regius of Snorra Edda preserves a text of Háttatal written around the middle of the first half of the fourteenth century. A second, apparently contemporary hand […] has added the following technical terms: „mala háttr“ (st. 95), „stakarþar lag“ (st. 98 — the prose text has „stikkalag“), and „galldra lag“ (st. 101). The Utrecht manuscript dubs the verseform of stanza 54 (which in the prose is ascribed to the poet king Ragnarr lóðbrok) „Ragnarsháttr“ and that of stanza 11 „fjórðungalok.“ The latter name is also preserved in the Uppsala manuscript of Snorra Edda but not within the text of Háttatal itself.8

Im jeweiligen Text sollen die neuen Definitionen als relevant und sinnvoll dargestellt werden, doch in U ist es gerade die Verwendung verschiedenster Verfahren der Sinnstiftung, die sichtbar machen, wie unfest die Definitionen noch sind.

Gleich zu Beginn von Ht zeigen sich auch intertextuell Verbindungen zu den Ausführungen des 2. GTR: Wie der Traktat beschäftigt sich natürlich auch die Verslehre Ht mit Silbe und Reim: „Stafasettning gerir mál allt. En hljóð greinir þat at hafa samstǫfur langar eða skammar, harðar eða linar, ok þat er setning hljóðsgreina er vér kǫllum hendingar.“9 (Die Schreibweise macht alle Sprache. Und ein Laut unterscheidet sich durch lange oder kurze Silben, durch harte oder weiche, und das ist die Beschaffenheit der lautlichen Unterscheidung, die wir Reim nennen.) Die Vertiefung dieser Aussage könnte mit ein Grund sein, weshalb der 2. GTR Ht vorangestellt worden ist.

Die darauffolgende erste Strophe des Gedichts wird wie bereits in den vorangehenden Texten durch die Formel „Sem er hér kveðit“10 (So wie hier gedichtet ist) eingeleitet. Eine zusätzliche Hervorhebung im Fliesstext erfährt die Strophe durch die Rubrik „Dróttkvæðr háttr i“11 (Versmass der Hofdichtung i). Wie wichtig der Text dieses Versmass erachtet, macht nicht nur dessen Positionierung an erster Stelle des Gedichts deutlich. Am Ende der Ausführungen zur ersten Strophe ist zudem eine deutliche Wertung angefügt: Þessi er dróttkvæðr háttr. Með þessum hætti er flest ort þat er vandat er. Þessi er upphaf allra hátta svá sem málrúnar eru fyrir ǫðrum rúnum.“12 (Dies ist das Versmass der Hofdichtung. Mit diesem Versmass wird meist gedichtet, was vorzüglich ist. Es ist der Ursprung aller Versmasse, so wie die Sprachrunen vor allen anderen Runen sind.)

Die formalen Eigenheiten von dróttkvæðr háttr werden davor ausführlich besprochen, wobei sich der Text die medialen Gestaltungsmöglichkeiten der Handschrift zunutze macht. In einem ersten Schritt wird die ganze Strophe angeführt:

Lætr sá er Hákon heitir, hann rǿkir lið, bannat jǫrð kann frelsa, fyrðum, friðrofs, konungr, ofsa. Sjálfr ræðr allt ok Elfar, einn stillir sá milli gramr of gipt at fremri Gandvíkr jǫfurr landi.13

He that is called Hákon causes peace-breaking arrogance to be banned to men; he takes care of troops; the king knows how to free the land. Himself, this ruler alone controls the land and all the way between Gandvík and the Elfr, the sovereign, the prince so much the greater in good fortune.14

König Hákon wird seinem Rang entsprechend als erster gepriesen. Mit einem etwas grösseren Leerraum als im Fliesstext normal ist, folgt auf die Strophe der zugehörige Prosakommentar. Nach einer allgemeineren Erklärung zu den verschiedenen Stäben und Silben der Strophe werden bestimmte Einzelheiten besonders hervorgehoben. Anstatt nun z.B. die Verszeilen durchzunummerieren, um so auf Beispiele verweisen zu können, wiederholt der Text die jeweilige Zeile: „Ef hǫfuðstafr er samhljóðandi þá skulu stuðlar vera inn sami stafr, sem hér er: Lætr sá er H(ákon) h(eitir), h(ann) r(ǿkir l(ið), b(annat).“15 (Wenn der Hauptstab ein Konsonant ist, dann müssen die Stützen (aus) denselben Buchstaben sein, so wie hier: Lætr sá er H(ákon) h(eitir), h(ann) r(ǿkir l(ið), b(annat).) Diejenigen Zeilen, die relevant sind, werden nochmals genannt. Da sie bereits durch die vollständige Strophe zu Beginn bekannt sind, werden die Wörter teilweise nur abgekürzt geschrieben, was in der Handschrift so aussieht: Lætr sá er h. h. h. r. l. b.

Abbildung 13:

Kommentar Ht (DG 11 4to, 48v)

Es ist durchaus möglich, dass die Strophe auch ausserhalb des schriftlichen Textes als bekannt vorausgesetzt wird. In der Überlieferung innerhalb der P-E-Versionen wird das Gedicht jedoch deutlich in einen schriftlichen Kontext verlagert: Der Kommentar ist sich seiner Schriftlichkeit bewusst und arbeitet mit Verweisen nach vorne und hinten im Text. Der didaktische Charakter des Textes wird durch die nummerierte Auflistung (die Zahlen sind dabei ausgeschrieben) verschiedener Kategorien sichtbar.16 Dadurch wird ein medialer Rahmen geschaffen, der auch die ursprünglich skaldischen Strophen in einen deutlichen Zusammenhang mit der Schriftlichkeit stellt. Bis auf die Formeln, die die Strophen einleiten, fehlen Hinweise auf eine (fingierte) Mündlichkeit. Anders als man es aus vergleichbaren skaldischen Zitaten kennt, wird z.B. am Anfang des Gedichts keine Aufführungssituation inszeniert: In der Strophe spricht kein Skalde den Herrscher (und das Publikum) an und bittet um Gehör. Ob es eine solche stereotype Einleitungsstrophe zu Ht einmal gegeben hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Dass sie in den Versionen der P-E fehlt, zeigt aber, dass das Gedicht nicht zwingend als der mündlichen Dichtung angehörig verstanden wird.

Einzig eine fast nicht sichtbare Illustration verweist möglicherweise auf eine mündliche Dimension:17 Unterhalb der Anfangsrubrik von Ht wird der Fliesstext durch eine grosse grüne Initiale H eingeleitet. In diesem grünen H (für das Fragewort hvat (was)) ist mit rot ganz fein eine Illustration eingefügt. Sie ist nicht gut zu erkennen, aber es könnte sich um einen menschlichen Kopf handeln. Wäre es tatsächlich ein Kopf, so könnte man ihn evtl. als „Sprecher“ des folgenden Lehrdialogs fassen.18

Abbildung 14:

Anfangsrubrik und Initiale Ht (DG 11 4to, 48r)

Im Anschluss an die Anfangsrubrik wird Ht durch mehrere Rubriken und durch Grossbuchstaben am Rand ausserhalb des Textes gegliedert. Wie auch in den anderen Texten in U sind einzelne Abschnitte durch die rot hervorgehobenen „Titel“ markiert. Die Rubriken in Ht sind häufig verblasst, wo man sie noch lesen kann, zeigt sich, dass jeweils die Bezeichnung des folgenden Versmasses oder eine bestimmte Eigenheit davon als Rubrik gewählt worden ist: „Hér segir um refhvǫrf“19 (Hier wird von refhvǫrf gesprochen) oder „Hér segir hversu skipta skal hættinum“20 (Hier wird davon gesprochen, wie man das Versmass verändern kann). Wie sich bereits in der Lektüre von Skpm gezeigt hat, können auch in Ht die Rubriken vom Fliesstext abweichen. Das ist zum Beispiel bei der Rubrik „Rekit iij“21 der Fall: Die darauffolgende Strophe illustriert nach Pálssons Meinung das Versmass tvíkent. Die Strophe steht ohne Prosakommentar da, direkt darauf folgt die nächste Rubrik. Es könnte sein, dass die Rubrik durch einen Abschreibefehler an diese Stelle gekommen ist, oder dass der Schreiber durch seine Vorlage nicht ausreichend informiert war und so einen bestehenden Fehler abschreibt oder aus Unverständnis der Kommentarvorlage diese Stelle auslässt.

Die Rubriken stehen in einem sonderbaren Verhältnis zum Verzeichnis am Anfang von Ht. Beide sind auf den ersten Blick Orientierungshilfen für den Rezipienten.22 Eine Zusammenstellung aller Rubriken könnte den Ausgangspunkt für ein Verzeichnis darstellen, doch das Verzeichnis vor Ht weist wie oben beschrieben mehr Versmassbezeichnungen auf als in Rubriken und Fliesstext genannt sind. Lasse Mårtensson vergleicht die Bezeichnungen in allen drei Textsorten und kommt zum Ergebnis, dass sie dort, wo alle drei eine Bezeichnung aufweisen, meist ähnlich, aber nicht übereinstimmend gebraucht werden.23 Mårtensson fasst zusammen:

Detta förhållande ger sannolikt också svaret på vilken funktion Ö [= Översikt] fyller inom ramen för DG 11. Det som finns i Ö men saknas i HtU [= Huvudtext] är majoriteten av de namn på versmått som förekommer, och sannolikt finns Ö med som en komplettering avseende dessa. Med detta antagande stämmer också de grafiska grepp som har tillgripits för att framhålla namnen, d.v.s. de inleds med majuskel/kapitäl. Det skall dock, som tidigare framhållits, noteras att detta avser funktionen i DG 11, och det behöver inte vara det ursprungliga syftet med förlagan till Ö.24

Dieses Verhältnis gibt wahrscheinlich auch die Antwort darauf, welche Funktion Ö [= Übersicht] im Rahmen von DG 11 erfüllt. Was sich in Ö findet, aber in HtU [= Haupttext] fehlt, ist die Mehrheit der Namen der vorkommenden Versmasse, und wahrscheinlich ist Ö eine Ergänzung diesbezüglich. Mit dieser Annahme stimmen auch die zur Betonung der Namen verwendeten grafischen Ansätze, d.h. sie werden mit Majuskeln/Kapitalen eingeführt. Es ist jedoch zu beachten, dass sich dies, wie bereits erwähnt, auf die Funktion in DG 11 bezieht, und es muss nicht der ursprüngliche Zweck der Vorlage für Ö sein.

Zusätzlich zu der Tendenz, mit Hilfe des Verzeichnisses Vollständigkeit anzustreben, lässt sich ein weiteres Phänomen beobachten, das bereits aus anderen Texten in U bekannt ist. Sowohl die Rubriken als auch die Marginalien, die einen Abschnitt gliedern helfen, sind wichtige Marker der gelehrten Schriftlichkeit. Mit dem Verzeichnis wird eine weitere Bedeutungsschicht aus eben diesem Bereich an den Text angefügt, auch wenn die Inhalte nicht ganz übereinzustimmen scheinen. Die gelehrten Formen stiften Bedeutung und helfen so dem Werk Sinn zu verleihen.

Um die Betrachtung der handschriftlichen Besonderheiten von Ht in U abzuschliessen, soll kurz noch das Ende des Textes und damit das Ende der Handschrift selbst in den Blick rücken: Es gibt keine Illustrationen innerhalb des Textes von Ht. Ganz am Schluss jedoch, nachdem der Text mit der 56. Strophe in der Mitte des Blattes aufhört, finden sich zwei grosse Figuren auf der unteren Blatthälfte, die wahrscheinlich wie die anderen Figuren in der Handschrift später hinzugefügt worden sind. Es handelt sich um einen Mann und eine grössere Frau, die mit einer Handgeste aufeinander zeigen und eine eigentümliche Körperhaltung aufweisen.

Abbildung 15:

Schlussblatt Ht (DG 11 4to, 56r)

Aðalheiður Guðmundsdóttir bestimmt auch diese beiden Figuren aufgrund der Körperhaltung als Tänzer.25 Neben den zwei Figuren auf Blatt 56r steht am Rand das Wort ſuð. Der erste Buchstabe ist nicht eindeutig zu bestimmen, Thorell deutet das Wort als „enträgen begäran“ (dringliche Bitte).26 Inwiefern die Illustration sowie das Wort mit dem Text von Ht zusammenhängen, ist ebenfalls schwer zu sagen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch eine eingehendere Analyse des letzten Handschriftenblattes, das einen kurzen, scheinbar nicht zu Ht oder P-E gehörigen, Text aufweist.27

Es konnte bislang gezeigt werden, wie die Skaldik in Ht in den Bereich der Schriftlichkeit integriert worden ist. Durch die Aktualisierung der Skaldik als schriftliche Kunst ist es möglich, auf einer Metaebene über sie zu sprechen. Neben den Definitionsversuchen finden sich im Kommentar auch zahlreiche Wertungsaussagen, die bestimmte dichterische Phänomene als herausragend, andere als nicht mehr zeitgemäss bestimmen. In Ht finden sich von allen Texten der P-E am meisten solche wertenden Kommentare. Häufig geht es darum, den Klang eines Gedichts durch poetischen Effekt zu verschönern, so z.B. bei der Umschreibung durch sog. sannkenningar (wahre Beschreibungen): „En þó fegra‹r› þat mjǫk í kveðandi at eigi sé jammjǫk eptir þeim farit.“28 (Und doch verschönert es den poetischen Effekt/den Klang des Gedichts auch wenn sie nicht genau so befolgt werden.)29 Ein Beispiel für eine korrigierende (aber nicht unbedingt negative) Wertung zeigt sich in der Behandlung von Versmassen alter Dichter:

Nú skal rita þá háttu er fornskáldin hafa kveðit, ok eru nú settir saman þótt þeir hafi ort sumt með háttafǫllum, ok eru þessir hættir dróttkvæðir kallaðir í fornkvæðum, en sumir finnast í lausavísum […].30

Nun sollen diese Versmasse geschrieben werden, welche alte Dichter gedichtet haben, und sie wurden nun zusammengesetzt, obwohl einige mit metrischen Fehlern gedichtet worden sind, und diese Versmasse in alten Gedichten sind als Versmasse der Hofdichtung benannt, und einige davon finden sich in losen Strophen […].

Da diese eigentlich fehlerhaften Strophen überliefert sind (direkt im Anschluss an den obigen Kommentar wird ein Zitat von König Ragnarr loðbrók gebracht), müssen sie in den gelehrten Diskurs eingearbeitet werden. Die Funktion der Bedeutungsstiftung von alten und damit ehrwürdigen Strophen wird höher bewertet als die nicht regelkonforme Metrik.

An einigen Stellen glaubt man im (ansonsten sehr unpersönlich gehaltenen) Kommentar auch die Stimme eines Lehrers zu hören, der seine Schüler anweist, sorgfältig vorzugehen und nicht zu früh aufzugeben:

Nú er til þessa háttar vant at vinna ǫll orð gagnstaðlig, ok eru hér því sum orð dregin til hǿginda. En sýnt er þat í þessi vísu at orðin munu finnast, ef vandlega er at leitat, ok mun þat sýnast at flest frumsmíð stendr til bóta.31

Nun ist es schwierig für diese Versform alle Worte mit gegenteiliger Bedeutung zu finden, und deshalb sind hier manche Worte gedehnt um zu passen. Aber es ist gezeigt, dass in dieser Strophe die Worte gefunden werden, wenn sie sorgfältig gesucht werden, und es wird klar sein, dass die meisten ersten Versuche Verbesserung ertragen.

Trotz aller kleinteiligen Einordnungen und Definitionen versucht der Kommentar auch eine Art umfassende Poetik der Skaldik zu bieten. In Bezug auf dróttkvæðr háttr und die dichterische Umschreibung mit kenningar heisst es nämlich:

Nú er dróttkvæðr háttr með fimm greinum ok er þó enn sami háttr réttr ok óbrugðinn ok er optliga þessar greinir samar eða allar í einni vísu ok er þat réttr. Kenningar auka orðafjǫlða. Sannkenningar fylla og fegra mál. Nýgervingar sýna kunnǫstu ok orðfimi.32

Nun ist das Hofversmass mit fünf Varianten [präsentiert worden], und doch ist dasselbe Versmass richtig und ohne Veränderung und häufig sind diese Varianten alle in einer Strophe und das ist normal. Kenningar vergrössern den Wortschatz. Die wahren Umschreibungen füllen und verschönern die Sprache. Metaphern/Allegorien zeigen Kunstfertigkeit und Eloquenz.

Praktisch dieselben Möglichkeiten wurden im Verfasserkommentar in Skpm genannt: Das Werk soll genutzt werden um die Sprache der Dichtung zu verstehen, den Wortschatz zu vergrössern und verhüllte Sprache zu entschlüsseln.33

Thomas Krömmelbein liefert diesbezüglich eine interessante Analyse von Ht, in der er im Gedicht mindestens einen Aspekt umgesetzt sieht, der im Verfasserkommentar statuiert wird:

Das Ht. ist auch Beispieldichtung für jenes ‚Verbergen in der Dichtung oder in Geheimnissen […]‘, von dem Snorri zu Beginn der Skáldskaparmál spricht. Diese Definition, die sich ausdrücklich auf das künstlerische Verfahren der Kenningsprache bezieht, meint, dass das Gemeinte der jeweiligen Kenning verschlüsselt wird (und somit im Text verborgen bleibt), wobei die Mythen- und Heldensagen-Verweise der Kenninglieder (die sprachlich-begriffliche Auffüllung) Assoziationen evozieren, nämlich im Prozess des Entschlüsselns. Zusammen mit dem Klartext werden Bedeutungsräume errichtet, mit denen ein bewusst intendierter weitergreifender Sinn (Aussageabsichten) eingeholt wird. Der junge, zukünftige Skalde wird somit auch in den der skaldischen Dichtung eigenen Vorgang des Ver- und Enthüllens vermittels spezifischer Kenningsprache eingeweiht, mit dem der Aussagegehalt einer skaldischen Dichtung konstituiert wird.34

Krömmelbein führt weiter aus, dass die skaldische Bildersprache nicht nur eine stilisierende Funktion darstellt, sondern auch eine „demonstrative.“35 Dem ist zuzustimmen, man könnte den Begriff „demonstrativ“ auch durch „performativ“ ersetzen. Der Einsatz von bestimmten kenningar hat Wirkpotenzial, Krömmelbein demonstriert das einerseits am Beispiel von Dichtermet-kenningar, andererseits anhand von heroischen Herrscher-Umschreibungen:

So konstituiert die spezifische Einsetzung von Dichtermet-Kenningar die skaldische Berufungsformel […] und erweisen sich als mehr denn lediglich sich selbst genügende mythenabbreviierende Umschreibungen. Und die Bezeichnung Skúlis als niðr Skjǫldungs soll auch etwas mehr sein als eine ‚nur‘ heroisierende Charakterisierung; hier wird einer der Dichtungsadressaten an Heldenzeitpersonal angesippt.36

Im Entschlüsseln und Erfassen von Ht, d.h. Gedicht und Kommentar leistet der Rezipient die intellektuelle Arbeit, die traditionellerweise von dem Hörer skaldischer Dichtung verlangt wird. Dichtung alleine genügt zwar nicht mehr, sie braucht zusätzlich eine gelehrte Dimension. Dennoch birgt das Verstehen-Wollen der Dichtung eine intellektuelle Freude, oder so wird es zumindest in den Kommentaren (Gedichtkommentar und Verfasserkommentar) behauptet.

Die Diskussion über den Umgang mit der Terminologie wirft auch die Frage nach der Herkunft dieser Bezeichnungen bzw. auch nach möglichen intertextuellen Verbindungen auf. In der Forschung zu Ht werden dazu unterschiedliche Thesen diskutiert, die Grundfrage lautet dabei immer: Handelt es sich um eine einheimische Innovation (beruhend auf oraler Tradition) oder basiert Ht auf lateinischen Vorlagen?

Eine umfassende Analyse von Kristjan Árnason zeigt, dass der Kommentar zum grössten Teil auf innovativem einheimischem Denken aufbaut und keine Anleihen bei lateinischen Vorbildern macht.37 Das scheint nur auf den ersten Blick der These von Edith Marold zu widersprechen, die in den Bezeichnungen viele Lehnübersetzungen aus dem Lateinischen sieht:

Damit stehen wir vor dem unerwarteten Ergebnis, dass die Bezeichnungen für die seit langem angewandten Reimtechniken Lehnbildungen sind, die in Verbindung mit der Beschäftigung mit lateinischer Grammatik entstanden. Ob die Skalden des 10. Jh.s Bezeichnungen für ihre Reimtechniken hatten und wie sie lauteten, bleibt uns unbekannt. Es wäre allerdings auch zu überlegen, ob sie ihre Strophenformen und Reimgesetze nicht in Form von komplexen Lautvorstellungen quasi in sich trugen, die durch das Hören und Auswendiglernen von zahlreichen Strophen entstanden. Erst spätere Zeiten hätten versucht, so etwas wie eine poetologische Terminologie zu schaffen. Es dürfte jedoch nicht erst Snorri gewesen sein, der diese Bezeichnungen schuf. […] Es wäre aber auch zu erwägen, ob nicht die Strophenbezeichnungen erst bei der späteren Niederschrift des Gedichtes hinzugefügt wurden.38

Auch Marold sieht die Terminologie also als einheimische Innovationsleistung. Es ist aber wohl ihrer These zuzustimmen, dass diese Aktualisierungstendenz durch die Beschäftigung mit lateinischen gelehrten Texten ausgelöst worden ist. Das zeigt sich auch darin, dass weniger als die Hälfte der von Snorri dargestellten Formen bei anderen Skalden belegt sind. Bei den restlichen Formen handelt es sich um zeilenweise vorkommende Variationen, die von Snorri zu eigenständigen Formen erhoben werden, um Nachahmungen ausländischer Vorbilder sowie evtl. auch um von Snorri selbst erfundene Formen.39

Frühe einheimische Beschäftigung mit dichtungstheoretischen Fragen findet sich möglicherweise im Umfeld von Jarl Rögnvald Kali auf den Orkney Inseln. Der Text Hattalykill (Versmassschlüssel) bietet eine Übersicht über verschiedenste skaldische Versmasse, leistet jedoch keine theoretische Begriffsarbeit wie Ht. Tranter beschreibt den Text so:

Háttalykill mag als erster uns überlieferter Versuch gelten, die Formenvielfalt der spätant. Metriklehren auf die einheimische Dichtung systematisierend einwirken zu lassen. […] Das Gedicht ist vielleicht eher als ein erster Versuch zu betrachten, die einheimische Metrik mit einer der ant. Metrik vergleichbaren Formenvielfalt darzustellen.40

Aus der lateinischen Gelehrsamkeit sind mehrere Versmassschlüssel bekannt, die als Grundlage für nordische Versuche in der Volkssprache gedient haben könnten. Es können allerdings keine direkte Vorlagen zugeordnet werden. Inwiefern eine Verbindung zwischen Háttalykill und Ht besteht, lässt sich ebenfalls nur schwer feststellen. Zwar lässt die zeitliche Einordnung des Háttalykils ins 12.–13. Jahrhundert es zu, dass ihn der Verfasser von Ht gekannt haben könnte, doch beweisen lässt sich das nicht.

Für die Metriklehre von Ht sieht Tranter auch direkt klassische Texte als mögliche Vorlagen:

Das Gedicht zeigt implizit, der Kommentar explizit, den Einfluß spätant. Traktatenwesens: die Zahl der dargestellten Metren ist das dezimale Hundert, nicht das duodezimale; cf. Servius und die von Beda venerabilis erwähnten, nicht überlieferten libri centimetri, […].41

Die unklare Herkunftsgeschichte von Ht ist eine Folge des stetigen Ausbalancierens zweier verschiedener Kulturen. Die neuen medialen Möglichkeiten und die gelehrten Diskurse, die damit in den Norden kommen, führen dazu, dass die eigene Beschäftigung mit der Sprache in neue Bereiche ausgeweitet werden kann. Bestimmte Formen oder Modelle werden übernommen und auf die eigenen Bedürfnisse angepasst, während die einheimischen damit aus einer neuen Perspektive betrachtet und aktualisiert werden können. Stephen Tranter bezeichnet den so entstandenen Zwischenstatus als „cultural ambiguity of Ht.“42

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