Kitabı oku: «Die Magie von Pax», sayfa 3

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Als sie geendet hatte, schauten sich alle sprachlos an. »Das mit dem Fenster kann ich bestätigen«, ich räusperte mich. »Ich habe sie gestern Abend dort hocken sehen.«

Yu Weiß sah mich enttäuscht an, was eigentlich noch schlimmer war, als wenn er wütend geworden wäre. »Es war grob fahrlässig, das nicht zu erzählen«, stellte er fest, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber wieder auf Mary.

»Wir müssen darüber beraten, was mit dir geschieht«, sagte Yu Weiß nüchtern. »Du kannst nicht zu deinem Onkel, weil Kinder und Jugendliche ab ihrem sechsten bis zum achtzehnten Lebensjahr in Schülerhäusern leben und lernen müssen – ob nun bei den Schwarz- oder den Rotkutten. Quandri, könnten Sie Mary vielleicht vor die Tür geleiten, während wir uns beraten?«

Quandri sah mich erbost an; wahrscheinlich fragte sie sich, weshalb ich bleiben durfte (ehrlich gesagt fragte ich mich das auch!). Sie bedeutete Mary mit einer unwirschen Handbewegung, ihr zu folgen, dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss und hüllte uns in Schweigen. Es dauerte einige Zeit, bis der stellvertretende Schulleiter Herr Must seinen Vorgesetzten anblickte. »Ich weiß nicht, was Sie denken, Yu. Die Geschichte scheint sehr … verrückt zu sein. Zu verrückt, zu unglaublich, um wahr zu sein. Dennoch bezweifele ich, dass dieses Mädchen lügt. Ich würde ihr die Wahl lassen. Kehrt sie zurück zu ihrem Stamm, haben wir kein Problem. Will sie bei uns bleiben, müssen wir sie bewachen. Wir können nicht ausschließen, dass sie ein Spion ist und wir können uns nicht leisten, dass sie eine Horde Schwarzkutten auf uns hetzt.«

Yu Weiß nickte bedächtig und fuhr langsam mit der Hand über das Holz seines Schreibtisches, bevor er mich anblickte. »Was meinst du, Sofia?«

Ich starrte ihn perplex an. Wollte er jetzt wirklich von mir, einer magielosen, sechzehnjährigen Schülerin, eine Antwort für dieses Problem?!

»Ähm … ja. Also sie macht auf mich nicht den Eindruck einer Lügnerin und Herrn Musts Idee … finde ich gut«, stammelte ich.

Yu Weiß schaute uns zustimmend an. »Dann ist es beschlossen. Quandri, kommen Sie rein!«

Sofort öffnete sich die Tür, als ob Quandri nur darauf gewartet hätte, dass sie hereingerufen werden würde. Beas Mentorin setzte sich schnell, während sich Mary ziemlich erschöpft in einen der Ledersessel fallen ließ, kurz für einen Moment die Augen schloss und Yu Weiß dann ängstlich ansah.

»Wir haben beschlossen, dich selbst entscheiden zu lassen, in welches Schülerhaus du möchtest. Natürlich wäre das der Schwarzkutten für deine Fähigkeiten am besten geeignet, doch wir verwehren niemandem, der seinem Stamm den Rücken gekehrt hat – vor allem nicht dem Stamm der Schwarzkutten – die Hilfe«, sagte Yu Weiß langsam und schaute Mary abwartend an.

Ein Ausdruck unglaublicher Erleichterung breitete sich in ihrem Gesicht aus und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Schnell wischte sie mit dem Ärmel über ihr Gesicht. »Ich will – ehrlich gesagt würde ich lieber hier bleiben«, sagte sie mit zittriger Stimme.

Yu Weiß nickte. »Dann soll es so sein. Sei dir allerdings im Klarem darüber, dass deine Fähigkeiten hier nicht so leicht auszubilden sind, wie in einem Schülerhaus der Schwarzkutten. Mit Nekromantie hat niemand hier Erfahrungen, wir werden dich also nicht auf diesem Gebiet unterrichten. Außerdem wird dich immer jemand bewachen. Nimm es nicht persönlich, aber du bist immer noch eine Schwarzkutte. Nun denn – Sofia, wir sehen uns beim Nachmittagsunterricht. Mary, bleibst du bitte noch kurz hier? Wir müssen über deinen Mentor und über deinen Schlafraum sprechen.«

»Sie kann bei Bea und mir im Zimmer schlafen«, schlug ich vor, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte. Alle Blicke richteten sich auf mich und Herr Must hob überrascht die Augenbrauen.

»Na ja, sie kennt ja nur mich und außerdem haben wir auch nicht so viele Zimmer frei«, sagte ich verlegen, aber Yu Weiß nickte zustimmend.

Ich verließ hinter Quandri den Raum (die mich übrigens aus zusammengekniffenen Augen musterte. Das zum Thema patziges-Verhaltenvergessen).

Am Nachmittag ging ich mit einem mulmigen Gefühl zu der Unterrichtsstunde. Ich wollte Bea eigentlich nicht in den Klauen (okay, das war jetzt vielleicht etwas übertrieben) Quandris lassen, aber dennoch wurde mir bewusst, dass ich das Kampftraining ernster nehmen sollte, als ich es am Anfang getan hatte.

Yu Weiß war nicht alleine, als ich den großen Raum mit der Statue des Armet betrat (was er ja auch angekündigt hatte). Neben ihm stand ein Junge, etwa in meinem Alter, mit schwarzen Haaren und dunklen Augen. Er war groß und muskulös, aber seine Gesichtszüge waren weich – ein typischer Mädchenschwarm. (Isabell wäre ihm wahrscheinlich sofort um den Hals geflogen.) In seinen Händen hielt er ein dickes Buch – kein gutes Zeichen! Mein Mentor lächelte mir zu, als ich näher trat. »Das ist Merl Kerner. Er wird dich im Kämpfen unterrichten.«

Ich nickte Merl einmal kurz zu und erkundigte mich dann bei Yu Weiß nach Mary.

»Im Moment passt Herr Must auf sie auf. Mach dir keine Sorgen, Sofia.«

Yu Weiß setzte sich unter die Armetstatue, während Merl näher trat. »Also, wir werden erst einmal mit Taekgyeon anfangen. Das ist eine Kampftechnik, bei der unter anderem Tritte, Schläge und Sprünge eingesetzt werden. Das wichtigste beim Taekgyeon ist eigentlich, dass du immer in Bewegung bist, niemals stehen bleibst und dich fließend bewegst. Auf diesem Bild hier«, er klappte das Buch, das er in der Händen gehalten hatte, auf und deutete auf zwei in einander verknäulte Blaukutten, »zeige ich dir erst einmal den sogenannten Gyeot Chigi, auch gewundener Tritt genannt.«

Wir verbrachten die gesamte Stunde mit Theorie. Merl zeigte mir verschiedene Stellungen auf Arbeitsblättern und in Büchern und bläute mir ein, sie bis zum nächsten Tag nicht zu vergessen. Wir sprachen nur über Kampftechniken, und insgeheim fragte ich mich, wo Merl so gut kämpfen gelernt hatte. Es war nicht üblich, dass eine Rotkutte kämpfen lernte.

Als ich den Trainingsraum schließlich wieder verließ, schwirrte mir der Kopf von all denn Informationen und Techniken.

Als ich in mein Zimmer kam, saß Mary auf einer Matratze, die zwischen Beas und mein Bett gelegt worden war (sodass wir nur über die Betten zu unseren Schränken kamen). Auf der Fensterbank saß Herr Must mit einem Stapel Arbeiten vor sich und begann eifrig mit seinem roten Korrigierstift zu schreiben. Ich warf ihm einen mürrischen Blick zu. (Also ehrlich, musste er denn unbedingt in unser Zimmer, um Mary zu bewachen? Ein bisschen Privatsphäre wäre eigentlich wirklich nicht schlecht, auch vor Lehrern!)

»Hi«, sagte ich demonstrativ nur zu Mary, kletterte über mein Bett und hängte meine (jetzt einzige, schließlich hatte Bea die andere so zugerichtet, dass sie nicht mehr tragbar war) rote Robe in den Schrank. Wieder warf ich einen grimmigen Blick auf Herrn Must. Musste er denn unbedingt im Zimmer sein und mich in Leggins und T-Shirt sehen?!

»Wie geht’s dir?«

»Ganz gut, danke«, sagte sie und fügte schüchtern hinzu: »Ich habe gehört, dass du keine Magie hast. Stimmt das?« Ich verdrehte die Augen (also so langsam war ich das Thema wirklich leid).

»Ja, das stimmt«, sagte ich etwas patziger als beabsichtigt und schob deshalb noch hinterher: »Aber ich komme hier ganz gut aus, auch wenn ich keine Rotkutte bin. Das wird dir genauso gehen, Mary.« Damit machte ich mich auf den Weg zu Bea. Einerseits wollte ich sie wirklich sehen, andererseits konnte man sich nicht im Zimmer entspannen, wenn Herr Must direkt neben einem hockte. Insbesondere nicht, wenn ich eigentlich vorhatte zu Duschen. Aber darauf, dass der stellvertretende Schulleiter meinen Gesang (na ja, also das Gekreische des Huhns in mir, wie Bea es immer nannte) hörte, konnte ich getrost verzichten.

Kapitel 3

Die nächsten Tage zogen sich quälend langsam hin. Bea zog wieder in unser Zimmer ein und für Mary wurden ein Bett und ein Schrank gebracht, den wir aus Platzmangel ins Bad bringen mussten. Bea behandelte Mary wie eine Freundin, was wahrscheinlich daran lag, dass sie der Schwarzkutte ihr Leben zu verdanken hatte. Und ich – ich war einfach froh, nicht der einzige Freak hier zu sein. Mary war nett, aber ziemlich eigen. Sie saß die ganze Zeit im Zimmer und las irgendwelche Geschichtsbücher oder so einen Kram (freiwillig übrigens, das muss man sich mal vorstellen) und das besserte sich erst, als Herr Must ihr Mentor wurde. Die anderen Oberstufenschüler behandelten sie wie mich – hinter ihrem Rücken wurde getuschelt, ansonsten hielt sich die Lästerei in Grenzen. Hin und wieder kamen ein paar Sprüche à la »Komm mir nicht zu nah – Schwarzkutten sollen angriffslustig sein!«, aber es war nicht mehr, als ich die letzten Jahre hatte ertragen müssen.

Ich fragte Yu Weiß, ob es wirklich nötig wäre, dass ein Erwachsener in unserem Zimmer Wache hielt und er beschränkte es auf eine Wache vor der Tür und eine im Hof (die armen Lehrer!).

Die Abende verbrachten wir drei eigentlich immer mit Hausaufgaben. Während Mary Fragebögen über Magie, vor allem die der Rotkutten, ausfüllte, ließ Bea Gegenstände durch den Raum fliegen (die leider nicht immer dort landeten, wo sie sollten – ich sag nur blaue Flecke an meinen Beinen und ein grüner Farbklecks auf Marys neuer, roter Robe) und ich las Bücher über die verschiedensten Kampfstellungen.

Die ersten Stunden machten Merl und ich nur Theorie, aber danach fingen wir mit dem Kämpfen an und ich konnte nachvollziehen, dass Yu Weiß Merl als Trainer ausgewählt hatte, auch wenn er noch so jung war.

Bevor ich mich überhaupt nur bewegen konnte, hatte Merl mich schon zu Boden gedrückt. Er hatte viel Geduld mit mir, obwohl ich nicht wirklich besser wurde. Eigentlich wollte ich Bea nicht mit der ganzen Kampfgeschichte belasten, so kurz nach dem Angriff auf sie. Aber die Verletzungen vom Training konnte ich nicht auf ewig geheim halten, und so erzählte ich Bea und Mary schließlich von Merl und meinem (jetzt gebrochenen) Versprechen an Yu Weiß.

»Bei Armet!«, stöhnte Bea, die in ihrem Bett lag und mich mit enttäuschter Miene anstarrte. »Du hättest mir das wirklich erzählen sollen!«

»Sorry«, murmelte ich nur, schließlich hatte ich ihr erklärt, warum ich es zuerst verschwiegen hatte.

»Das ist merkwürdig«, bemerkte Mary, ohne den Blick von ihrem Buch abzuwenden.

Bea und ich schauten sie fragend an. »Na ja …«, sagte Mary gedehnt. »Es sieht ja so aus, als würden sie dir beibringen, dich zu verteidigen. Nachdem was du erzählt hast, übt ihr ja eher das Ausweichen als das Zuschlagen.«

Ich nickte zustimmend und musste feststellen, dass ich das so noch nicht betrachtet hatte. Mary legte ihr Buch über Göttergeschichte (sehr langweilig, ich habe das mal irgendwann vor ein paar Jahren gelesen) zur Seite und schaute uns ratlos an.

»Aber wenn sie dich wirklich vor den Schwarzkutten beschützen wollen – das gibt einfach keinen Sinn, Sofia. Ich war lange bei den Schwarzkutten, und ich kenne ihre Denkweise. Sie wollen Macht – die Macht der Blaukutten. Vor allem die neue Herrscherin Dite ist irgendeiner Sache auf der Spur, die angeblich mit der Macht der Blaukutten zu tun hat. Keine Ahnung, was sie genau plant, aber die Rotkutten interessieren sie generell nicht. Und du hast ja noch nicht einmal irgendwelche Magie.«

»Ich verstehe es ja auch nicht«, seufzte ich, griff unter mein Bett und holte die Keksdose hervor. »Und Merl wohnt jetzt hier im Schülerhaus – ich habe ihn gestern in der Mensa gesehen. So was gibt es doch gar nicht, oder? Wechsel zwischen den Schülerhäusern? Er ist doch sicher nicht nur hierhergekommen, um mich zu unterrichten!« Ich bot den beiden die Kekse an und nahm mir selbst einen, nachdem Mary abgelehnt und Bea zugegriffen hatte.

»Eigentlich gibt es solche Wechsel nicht. Du musst ihn uns unbedingt mal zeigen!«, quietschte Bea aufgeregt. »Bei Armet – ich wünschte, Quandri würde mich auch lehren, mich zu verteidigen. Stattdessen dieser ganze Pilzquatsch!« Sie verdrehte die Augen. »Und sie ermuntert mich die ganze Zeit dazu, Mentorin zu werden. Hallo?! Gerade ich!«

Mary und ich mussten grinsen. Bea konnte ich mir tatsächlich nicht als Mentorin vorstellen. In diesem Moment ertönte der Gong zum Nachmittagsunterricht. »Du musst unbedingt alles erzählen!«, rief Bea überschwänglich, als wir uns alle auf den Weg zu unseren Mentoren machten. Ich grinste sie an, aber in Wirklichkeit fragte ich mich, ob sie wirklich verstand, was Merl mir beibrachte. Natürlich – sie war nicht dabei. Aber wir trainierten nicht nur aus Spaß. Wir kämpften.

Merl ließ mich wie immer ein paar Runden um die Matten laufen, dann wärmten wir uns gemeinsam auf, bevor wir mit Nahkampf anfingen. (Ich muss wohl nicht sagen, dass ich jämmerlich verlor.)

»Ich möchte dir jetzt beibringen, wie du mit einem Schwert kämpfst«, sagte er nach der ersten Runde (ich keuchte übrigens schon jetzt, im Gegensatz zu ihm) und Yu Weiß, der sich an der Wand mit den Waffen niedergelassen hatte, stand auf und brachte uns zwei Schwerter, die er uns in die Hand drückte. Ich wog es in der Hand. »Das ist ja richtig schwer!«

Merl lächelte belustigt. Ich hatte das Gefühl, dass er viel älter war, als er aussah. Es schien so, als hätte er schon viel erlebt (wer bitte, konnte auch sonst so kämpfen?!).

Ich schaffte es gerade mal, das Schwert zu heben, während Merl damit so leicht durch die Luft wirbelte, als würde es nicht mehr als eine Feder wiegen. Nach ein paar Minuten des Ausprobierens erklärte er mir meine Schwachstellen (ziemlich viele!).

»Deine linke Seite ist völlig ungeschützt, wenn du kämpfst«, er zeigte mir, wie man sich deckte und gleichzeitig andere Schläge abwehrte. »Das Wichtigste beim Schwertkampf ist für dich, dass du nie frontal angreifst und auf keinen Fall direkt gegen die Klinge des Angreifers schlägst. Dafür hast du einfach zu wenig Kraft, und das Schwert würde dir aus der Hand fliegen.«

»Danke auch«, schnaubte ich, wusste aber, dass er Recht hatte. Als es zum Ende der Stunde klingelte, hängte Merl sein Schwert an die Wand und verschwand aus dem Trainingsraum. Ich seufzte tief, hievte mich (ehrlich gesagt ziemlich schwerfällig) von den Matten hoch und gab Yu Weiß mein Schwert.

»Wer ist Merl eigentlich? Warum ist er erst jetzt hier im Schülerhaus, wenn er doch so alt ist wie ich? Kommt er aus einem anderen Schülerhaus der Rotkutten?«, fragte ich meinen Mentor, nachdem er mein Schwert neben Merls an die Wand gehängt hatte. Yu Weiß sah mich verärgert an. »Du musst lernen zu wissen, wann man am besten keine Fragen stellt, Sofia«, sagte er nur und rauschte aus dem Raum. Ich blieb zurück – sprachlos und empört. Okay, es war vielleicht nicht ganz fair, dass ich so sauer auf meinen Mentor war, aber die grundlegendsten Fragen beantwortete er mir nicht – wie zum Beispiel, weshalb wir dieses hier machten. Und außerdem (fand ich) hatte ich sehr wohl das Recht, zu wissen, wer Merl war. Immerhin verbrachte ich viele Stunden am Tag dabei, von ihm auf die Matten geworfen zu werden.

Darüber beschwerte ich mich auch (wiederholt) bei Bea und Mary, als wir zu dritt am Tisch in der Mensa saßen und zu Abend aßen. (Luis hatte sich verzogen. Mit einem Freak hielt er es vielleicht Bea zuliebe aus, aber nicht mit zweien.) »Ich frag Yu Weiß morgen noch mal, vielleicht hat er dann bessere Laune«, sagte ich missmutig und stocherte in dem undefinierbaren Etwas auf meinem Teller herum. (Ehrlich gesagt erinnerte es mich eher an eine durchgeschmorte Glühbirne als an einen Rinderbraten.) »Das macht keinen Sinn, Sofia«, sagte Mary und warf Isabells Mentor, der mit griesgrämiger Miene am Nachbartisch saß, weil er die Wache für diese Woche hatte, einen genervten Blick zu. »Er wird es dir nicht sagen. Wenn du Antworten haben möchtest, musst du dich eher an Merl wenden. Oder – zu anderen Methoden greifen.« Bevor ich nachfragen konnte, was sie mit anderen Methoden meinte, kicherte Bea albern. »Du kannst dich ja an ihn ranschmeißen, Sofia. So schlecht sieht er wirklich nicht aus«, sie deutete (sehr!) auffällig an den Nachbartisch, wo Merl mit ein paar anderen Jungs saß. Ich senkte schnell den Blick, bohrte Bea meinen Ellbogen in ihre Seite, damit sie aufhörte, ihn so anzustarren und bedauerte jetzt schon, dass ich den beiden gezeigt hatte, wer er war.

»Sehr lustig«, zischte ich. »Aber Mary, was meinst du mit anderen Methoden?«

»Du könntest rumschnüffeln«, sagte sie seelenruhig und piekste mit ihrer Gabel ein Stück der geschmorten Glühbirne auf. »Allerdings musst du sehr gut aufpassen – Yu Weiß ist schließlich nicht nur der Schulleiter, sondern auch dein Mentor.«

Ich starrte sie entgeistert an. Hatte sie mir gerade wirklich vorgeschlagen, in Yu Weiß’ Büro einzubrechen?! »Das grenzt an Selbstmord«, protestierte ich.

Mary zuckte mit den Schultern. »Dann kann ich dir auch nicht helfen.« Mit diesen Worten nahm sie eines der Bücher, die sie immer in ihrer Tasche mitschleppte, heraus und begann zu lesen.

Bea und ich wechselten einen Blick. Wir hatten uns noch nicht an Marys direkte Art gewöhnt, immer genau das zu sagen, was sie dachte.

In diesem Augenblick sah ich aus den Augenwinkeln, wie sich jemand an den Tisch der Jungen stellte und mit Merl zu reden begann. Ruckartig hob ich den Kopf und sah Isabell genau in die Augen. Sie warf mir ein überhebliches Grinsen zu, wandte sich dann wieder Merl zu und redete auf ihn ein.

Ich knurrte wütend und wollte gerade mein Tablett wegbringen, als ich sah, wie Merl sich von seinen Jungs verabschiedete, Isabell einen entschuldigenden Blick zuwarf (diese sah aus, als wäre die Welt untergegangen) und schnell aus der Mensa verschwand. »Bringt ihr das für mich weg? Ich bin gleich wieder da«, sagte ich abwesend zu Bea und Mary und lief Merl hinterher.

Als ich die Mensa verlassen hatte, konnte ich Merl zwar nicht sehen, aber ich riet einfach drauflos und schlug den Weg zu dem Trainingsraum ein. Ich blieb unsicher vor der Tür stehen (schließlich hatte ich keine Ahnung, was ich eigentlich machen wollte). Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt breit, doch niemand war zu sehen. Enttäuscht machte ich mich wieder auf den Weg zur Mensa und stieß fast mit Bea und Mary zusammen, die gefolgt von Isabells Mentor auf dem Weg in unser Zimmer waren.

Mitten in der Nacht hatte ich das erste Mal diese Kopfschmerzen. Ich wachte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und drückte meine Hände an die Schläfen. Mein Kopf pochte, als würde er gleich explodieren und ich wimmerte leise vor mich hin, um Mary und Bea nicht zu wecken. Ich wollte aufstehen und mir ein Glas Wasser aus dem Bad holen, aber kaum hatte ich meine Füße auf den Boden gesetzt, wurde mir so schwindelig, dass ich mich wieder aufs Bett setzten musste, um nicht umzufallen. Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß und nichts machen konnte, als so ruhig wie möglich zu sein und nicht zu schreien. Irgendwann ebbten die Schmerzen ab und ich torkelte ins Bad, um mir Wasser ins Gesicht zu spritzen. Die Kälte beruhigte mich, aber ich war viel zu nervös, um mich wieder ins Bett zu legen. Deswegen nahm ich das Buch über Kampftheorie, das Merl mir gegeben hatte und begann zu lesen. Als ich mir sicher war, dass die Kopfschmerzen vorerst weg waren, knipste ich das Licht aus und das Zimmer hüllte sich in Dunkelheit.

Dennoch war ich am nächsten Morgen zu verschlafen, um mehr als nur ein Augen zu öffnen. »Bei Armet, Sofia!«, rief Bea. »Du siehst ja schrecklich aus!«

»Danke«, murmelte ich und setzte mich vorsichtig auf. Mein Kopf schien bersten zu wollen. Mary war ins Bad gerannt und drückte mir jetzt einen kalten Waschlappen auf die Stirn.

»Sie ist total heiß«, sagte sie und flitzte aus dem Raum. Die nächsten Stunden verschwammen in einem Dunst aus Kopfschmerzen. Ich sah nur Schemen; Yu Weiß, der sich vergewisserte, dass ich noch lebte, (wobei ich mir zu dem Zeitpunkt nicht wirklich sicher war) Bea, die mir immer wieder einen neuen Waschlappen auf die Stirn drückte und die Krankenschwester, die meine Temperatur maß und mich in eine dicke Schicht von Bettdecken einwickelte.

Ich war im Dauer-Dämmerzustand, ehrlich gesagt konnte ich nicht sagen, wann ich gerade träumte und wann nicht. Richtig schlafen konnte ich allerdings auch nicht, denn das regelmäßige Pochen in meinem Kopf lenkte mich so dermaßen ab, dass ich mich auf nichts anderes konzentrieren konnte.

Irgendwann hörte ich, wie die Tür aufging. »Und dabei hatte ich heute so viel vor«, sagte eine bekannte Stimme – Merl. Er scherzte, aber ich hörte auch einen Ton Besorgnis heraus (wodurch ich selbst nicht gerade entspannter wurde).

»Tut mir leid, dass ich deine Trainingspläne durcheinander bringe«, murmelte ich mit aller Anstrengung.

»Ich will es dir einmal verzeihen«, sagte er und ich konnte fast sehen, wie Merl grinste.

Ich dämmerte wieder weg, und als ich das nächste Mal aufwachte, waren die Kopfschmerzen weg – einfach weg. Erstaunt setzte ich mich auf und schob den Waschlappen (der irgendwann einmal kalt gewesen war, jetzt aber die Temperatur meines Körpers angenommen hatte) von meinen Augen auf die Stirn, sodass ich etwas sehen konnte. Ich schwang meine Beine aus dem Bett und wollte aufstehen, doch das Zimmer drehte sich und ich musste mich wieder hinsetzen.

»Leg dich bloß wieder hin!«, Mary trat aus dem Badezimmer und drückte mich bestimmt wieder zurück in mein Bett.

»Aber – Mary, mir geht es wieder gut«, protestierte ich.

»Nichts da!«, sagte Bea, die auf ihrem Bett saß und Comics verschlang. »Deinetwegen haben wir heute frei – willst du dafür verantwortlich sein, dass ich mit Quandri Berge von Arbeit erledigen muss?«

Ich grinste und schloss die Augen. »Nein, natürlich nicht«, murmelte ich leise, wobei die letzten Worte wohl eher genuschelt waren, weil ich schon wieder wegdöste.

Als ich das nächste Mal aufwachte, fühlte ich mich kräftiger. Ich war alleine im Zimmer – Bea und Mary schienen beim Abendessen zu sein. Ich stand auf, warf mir meine rote Robe über und ging die Wendeltreppe nach unten in die Mensa. Yu Weiß warf mir einen besorgten Blick zu, erhob sich aber nicht vom Lehrertisch. Einen Vorteil hatte es auf jeden Fall, dass ich erst so spät zum Abendessen kam: Es gab keine Schlangen mehr. Ich nahm mir schnell einen Teller Nudeln und den Salat »Rotkutte«, den es eigentlich zu allem gab (keine Ahnung, was der mit Rotkutten zu tun hatte: Grünzeug, Paprika, Tomaten, Gurken und Käsestücke, übergossen mit einer grünlichen Kräutersoße) und setzte mich an unseren Stammtisch.

»Wie geht’s dir?«, fragten Mary und Bea gleichzeitig.

»Besser«, sagte ich und fing Merls fragenden Blick auf. Ich hob die Schultern – was wollte er? Merl wandte sich wieder seinen Kumpels zu und ich mich meinem Essen.

In der Nacht konnte ich nicht schlafen (kein Wunder, ich hatte ja den ganzen Tag verpennt) und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Isabells Mentor schlief tief und fest vor unserer Tür, sodass ich leicht an ihm vorbeikam. In den ersten paar Jahren, die ich hier war, hatte ich einen Lieblingsplatz entdeckt – das Dach. Dorthin zog ich mich immer zurück, wenn ich es mit den anderen Rotkutten nicht mehr aushielt. Ich lief durch die leeren Gänge zum Physiktrakt.

Im Physikraum stieg ich auf das Lehrerpult und öffnete die Falltür an der Decke, dann zog ich die Leiter nach unten und kletterte aufs Dach. Gerade nachts war es ein atemberaubender Ausblick: rechts von mir sah ich hinter ein paar Rotkuttenhäusern den dunklen Wald, der die Grenze zwischen dem Rot- und dem Schwarzkuttengebiet abgrenzte. Unter dem Dach konnte man schemenhaft den Hof erkennen. Sofort musste ich wieder an das Bild von Bea denken, wie sie dort auf dem Boden lag und ich erkannte, dass Mary eine Schwarzkutte war.

Ich zog mich die letzte Stufe auf das bewachsene Dach, umrundete einen der vielen Schornsteine und setzte mich vorne auf die Kante, sodass ich meine Füße baumeln lassen konnte. Ein leichter Wind wehte mir die Haare ins Gesicht und ließ die Bäume des Waldes leise rascheln.

In diesem Moment hörte ich ein Klappern – das Geräusch, dass die alte Leiter machte, wenn man aufs Dach stieg. Sofort war ich hellwach. Irgendwie spürte ich, dass dort niemand heraufstieg, den ich gerne hier oben hätte.

Erst dachte ich, es wäre Mary, die ihre Schwarzkuttenrobe angezogen hatte. Aber Mary war kleiner als diese Person und außerdem kamen sie zu sechst – Schwarzkutten! Mein panischer Blick glitt über das Dach, aber hier war nirgendwo ein Ausweg – ich saß in der Falle! Ich hatte nicht die geringste Ahnung, warum und wie die Schwarzkutten hier hoch gekommen waren, aber es interessierte mich im Moment auch nicht. Dass sie nichts Gutes im Schilde führten, war mir auch klar, ohne ihre genauen Beweggründe zu kennen. Die Gestalten kamen näher, und ich sah in ihren Händen Schwerter aufblitzen, die das Zeichen der Schwarzkutten waren. Hektisch rannte ich an der Kante des Daches entlang und schrie um Hilfe, aber ich wusste, dass meine Stimme weder zu den Schlafräumen der Lehrer oder Schüler vordringen würde, noch zu den anderen Häuser der Rotkutten.

Alleine, ohne irgendwelche Magie oder Waffen, stand ich nun sechs Schwarzkutten entgegen (also fabelhafte Aussichten!). Mein Herz pochte vor Angst, aber äußerlich war ich ganz ruhig. Eine der Schwarzkutten trat näher auf mich zu und hielt mir sein Schwert direkt vor mein Gesicht.

»Mitkommen«, blaffte er mit einer dumpfen Stimme, die durch seine Kapuze gedämpft klang. Ich wusste nicht, was in diesem Moment mit mir passierte. Hilflos hoben sich meine Arme und ich trat ein paar Schritte zurück. Die Schwarzkutte machte einen Schritt auf mich zu und packte mich grob am Ärmel. Ich spürte, wie Panikwellen durch meinen Körper schossen, Kälte und Wärme, Leichtigkeit und Schwere. Dann brach die Welt zusammen (na ja, so fühlte es sich wenigstens an). Ich konnte nicht genau sehen, was passierte. Irgendwie schien die Luft zu rötlich zu glühen, während Regen und Sturm eingesetzt haben mussten. Ich konnte die Schwarzkutten nicht mehr sehen – aber irgendwie sah ich sowieso nur noch bunte Farbtupfer vor meinen Augen. Dann bebte die Erde und ich machte erschreckt einen Schritt nach hinten – über die Dachkante hinaus ins Nichts.

Der Flug nach unten kam mir merkwürdig langsam vor. Vor meinen Augen flimmerte es die ganze Zeit und als ich sanft unten auf dem Boden aufkam, knickten meine Beine unter mir weg. Ich sank dem Boden entgegen und hatte das Gefühl, jetzt ernsthaft verrückt zu werden. Meine Arme und Beine zitterten wie verrückt, als ich versuchte, mich wieder aufzurichten und an dem zwanzig Meter hohen Dach emporblickte. Wo war ich noch mal? Moment – da waren diese … diese Leute gewesen … Meine Gedanken wurden immer unklarer, und mein Gesicht donnerte heftig auf den Boden, als mir schwarz vor Augen wurde.

Ich erwachte mit dem Gesicht auf der Erde im Hof – genau dort, wo Mary und ich Bea hingelegt hatten.

Die Sonne war gerade dabei aufzugehen, und tauchte das Schülerhaus in ein gespenstisches Licht. Dann fiel mir wieder ein, dass ich auf dem Dach gewesen war. Vorsichtig stand ich auf und meine Erinnerungen kamen auf einen Schlag zurück: Das Flimmern in der Luft, der Regen, der Sturm, das Erdbeben. Hatten die anderen davon gar nichts mitbekommen? Und wo waren die Schwarzkutten? Verwirrt stolperte ich ins Schülerhaus und die Wendeltreppe nach oben in unser Zimmer – doch weder Bea noch Mary waren da. Ich machte auf dem Absatz kehrt und lief – nun ehrlich besorgt – die Treppe wieder nach unten. Da sah ich Licht in der Mensa, und als ich näher trat bemerkte ich, dass alle sich eingefunden hatten, wirklich alle. Die Mentoren saßen bei ihren Schülern, während die jüngeren Kinder mit ihren Freunden an Tischen zusammengekauert waren. Yu Weiß saß auf (!) einem der Tische und sprach ruhig und gefasst zu den anderen. Vorsichtig trat ich näher und sah, wie Bea und Mary mich zu einem Tisch winkten, an dem schon ein paar zehnjährige Mädchen in Nachthemden saßen und dem Weinen nahe zu sein schienen.

»Wo verdammt noch mal warst du?«, zischelte Bea mir zu. Ich hatte keine Ahnung, was ich von dem Geschehenen halten, geschweige denn, wie ich es in Worte fassen sollte (ehrlich gesagt zweifelte ich wirklich an meinem Geisteszustand), also zuckte ich nur mit den Schultern und wandte mich Yu Weiß zu.

»Ja, es gibt selten Erdbeben, Ilse. Das ist aber kein Grund zur Besorgnis und sicher kein Vorbote zum Weltuntergang«, sagte er nachdrücklich zu einer jüngeren Schülerin, die sich klammheimlich die Tränen aus dem Gesicht wischte. Sie klammerte sich verängstigt an ihre Freunde und schien nur bedingt beruhigt durch Yu Weiß’ Worte zu sein. »Meine Eltern sagen, dass Erbeben von den Göttern kommen«, murmelte sie.

»Nun, die Götter haben in allem ihre Finger mit drin«, sagte Yu Weiß sanft und richtete sich dann an alle, sodass das leise, unruhige Geflüster zwischen den Schülern erstarb. »Das Erdbeben und auch der Sturm sind kein Grund zu Sorge, meine Lieben. Ihr könnt wirklich wieder ins Bett gehen.« Die meisten Schüler erhoben sich, aber ich hörte, wie viele von ihnen ängstlich »Armet sei bei uns« murmelten. Das Erdbeben schien sie wirklich verschreckt zu haben. Mein Magen drehte sich um, als ich an das dachte, was auf dem Dach passiert war. Ich hatte keine Erklärung für so etwas – die Götter mussten ihre Finger im Spiel haben. Aber selbst ich wusste, dass Armet so etwas nicht geschafft hatte. Hylos, der Gott der Schwarzkutten, oder Lucis, die Göttin der Blaukutten, musste das Erdbeben verursacht haben.

Bea riss mich aus meinen Gedanken, indem sie mich am Handgelenk fasste und mit den Schülermassen aus der Mensa drängte.

Kaum waren wir in unserem Zimmer, platzte Bea heraus: »Wo warst du, Sofia? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!«

Ich ließ mich auf mein Bett sinken und überlegte, was ich erzählen sollte. Ich sah meine beste Freundin nachdenklich an. Sie war immer für mich da. Bei der Frage ob ich Mary vertrauen könnte, war ich mir zwar noch sehr unschlüssig, aber sie kannte sich mit Schwarzkutten am besten aus. Wenn jemand eine Erklärung hatte, dann sie. Ich seufzte noch einmal und ließ mich auf mein Bett fallen.

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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
390 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783957448361
Telif hakkı:
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