Kitabı oku: «Die Magie von Pax», sayfa 5

Yazı tipi:

Mary war anscheinend auch bei einer Extrastunde mit ihrem Mentor Herrn Must, (da muss man sich eigentlich fragen, warum die Mentoren den Samstag nicht einfach zu einem normalen Unterrichtstag erklärten!) aber Bea saß noch unten in der verlassenen Mensa und hatte mir einen Teller Nudeln gesichert.

Dankbar drückte ich sie, dann setzte ich mich zu ihr an den Tisch.

»Hast du Yu Weiß gesehen?«, fragte ich sie und Bea nickte. » Er hat hier gegessen. Ich hab mich schon gefragt, warum Merl eine Extrastunde ohne deinen Mentor einschieben kann. Dafür, dass er so jung ist ... Er kann ja eigentlich noch kein ausgebildeter Mentor sein, oder?«

Ich dachte an die vielen Male, die Yu Weiß mich schuldbewusst angeschaut hatte, wenn ich auf der verschwitzten Matte lag. »Ich glaube, dass Merl mehr Macht hat, als eine normale Rotkutte«, sagte ich langsam.

»Wenn er überhaupt eine Rotkutte ist«, warf Bea ein. Wir redeten weder über meine Magie, noch über Marys gebrochenen Arm. Ich sah natürlich die verwirrten und teilweise auch verängstigten Blicke, die Bea mir zeitweilen zuwarf, wenn sie glaubte, dass ich es nicht sah, aber ich versuchte sie nicht zu beachten.

Denn ich glaube wirklich nicht, dass ich mich zu dem Zeitpunkt mit meinen Kräften hätte auseinander setzen können.

Den Sonntagmorgen hatten wir mentorenfrei (auch ohne Extrastunden!) und schlenderten ein bisschen in der Stadt herum. Bea zog uns zu ihrem Lieblingskesselladen, in dem sie auch ihren Goldkessel erstanden hatte (Quandri, die diese Woche mit dem Bewachen von Mary betraut worden war, blieb augenverdrehend vor dem Laden stehen und murmelte etwas wie »Vergeudung von vielversprechenden Fähigkeiten«).

Danach kauften wir Mary rote Kleidung und deckten sie mit einer weiteren roten Robe ein, was zwar nicht wirklich viel war, aber zu mehr reichte unser Geld nicht. Mary sah zwar nicht wirklich glücklich aus, als wir mit unzähligen Tüten aus dem Bekleidungsgeschäft kamen, aber ich war mir sicher, dass sie sich an die rote Farbe gewöhnen würde.

Es war schon ziemlich nervig, dass Quandri uns die ganze Zeit folgte, weil wir so über nichts wirklich reden konnten. Deshalb schwiegen wir die meiste Zeit des Weges oder unterhielten uns über Marys Schulstunden. Herr Must war sehr beeindruckt von ihrem Wissen und förderte Mary wo er nur konnte, weshalb sie ihn vergötterte. Als wir wieder im Schülerhaus ankamen, war es schon fast Zeit für die nächste Stunde und mein Magen verkrampfte sich vor Angst.

»Du schaffst das«, Bea umarmte mich noch einmal, bevor wir uns alle auf den Weg zu unseren Mentoren machten. Ich ging so langsam durch die Gänge, dass ich mir nicht sicher war, ob man es überhaupt als gehen bezeichnen konnte und überlegte die ganze Zeit, wie ich Yu Weiß die ganze Geschichte eigentlich erzählen sollte. Schließlich betrat ich den Trainingsraum, aber Yu Weiß war noch nicht da. Ich atmete durch und versuchte mich ernsthaft auf den Kampfsport zu konzentrieren – heute war Schwertkampf dran. Merl sagte nichts dazu, wenn mein Schwert mir aus der Hand flog und durch die Luft wirbelte, aber er verkniff jedes Mal ein bisschen mehr das Gesicht, um nicht lachen zu müssen (sodass er am Ende aussah, als hätte er lauter Falten). Yu Weiß kam ein paar Minuten später, setzte sich unter die Wand mit den Waffen und schaute uns nachdenklich zu. Je näher das Ende der Stunde rückte, desto nervöser wurde ich. Als es klingelte, fiel mir mein Schwert aus der Hand und ich hob es verlegen wieder auf. Merl schüttelte belustigt über meine Tollpatschigkeit den Kopf und hängte unsere Waffen an die Wand, dann verschwand er.

»Ähm …«, machte ich wenig hilfreich, als Yu Weiß aufstand und auf mich zukam. »Ja, Sofia?«

»Ich muss Ihnen etwas erzählen!«, platze ich heraus. Wir setzten uns auf die Matten, und ich stotterte mir was zusammen. Erst erzählte ich von meinem Aufenthalt auf dem Dach (und das ich schon vor Jahren den Weg nach oben gefunden hatte), dann von den Schwarzkutten und dem Erdbeben, dem Sturm, dem Regen und dem Feuer, meinen Sturz vom Dach und auch, wie ich es Bea und Mary erzählt hatte. Es tat gut, alles loszuwerden, auch wenn sich Yu Weiß’ Gesicht mit jedem Wort mehr verfinsterte. Dann berichtete ich von Marys List, dem Feuer an den Bettdecken, (die immer noch entsetzlich stanken) dem Windstoß, der sie ins Bad befördert hatte, dem Verrücktspielen des Wassers und schließlich auch (mit schuldbewusster Miene) von ihrem gebrochenen Arm.

»Die Götter können es nicht gewesen sein, nirgendwo war etwas Goldenes zu sehen«, schloss ich schließlich. »Also … also muss ich diese Fähigkeiten haben.«

Als ich geendet hatte, trat Schweigen ein. Yu Weiß sah mich mit einem tief bekümmerten Gesichtsausdruck an und seufzte tief.

»Was soll ich denn jetzt machen?!«, fragte ich verzweifelt und kämpfte mit den Tränen.

»Du gehst jetzt in dein Zimmer und ruhst dich aus«, sagte Yu Weiß eindringlich. »Wir müssen uns später noch einmal unterhalten. Ich werde erst einmal dafür sorgen, dass alle Ein- und Ausgänge der Schule bewacht werden und ich muss ihnen Bescheid sagen. Ich wusste ja, dass es passiert. Trotzdem …« Ohne ein weiteres Wort stand er auf und schritt zur Waffenwand. Dort nahm er ein paar Dolche, Schwerter und Pfeile und Bögen heraus und verließ vor sich hinmurmelnd den Raum. Geschockt blieb ich auf den Matten sitzen und starrte ihm hinterher, ohne ihn gefragt zu haben, wen er mit »ihnen« meinte.

Ich konnte doch nicht einfach in mein Zimmer gehen und so tun, als wäre nichts gewesen! Und was hatte er schon gewusst? Ich wurde nicht daraus schlau, was er gesagt hatte.

Ich weiß nicht, wie lange ich dort saß und die Gedanken über mich hereinbrachen, irgendwann konnte ich aufstehen und stolperte durch die Gänge und die Wendeltreppe hoch in unser Zimmer (an der griesgrämigen Quandri vorbei, die vor der Tür hockte). Bea und Mary warteten schon mit fragenden Gesichtern auf mich. Ich setzte mich auf mein Bett, rückte von der nach Rauch stinkenden Bettdecke ab und seufzte tief. »Eigentlich hat er gar nichts dazu gesagt«, gab ich zu und erzählte von unserem Gespräch.

Mary und Bea hatten auch keine Ahnung, was sie dazu sagen sollten. »Er hat gesagt, er muss sich mit dir noch einmal darüber unterhalten, dass heißt, er kommt noch einmal darauf zurück. Yu Weiß will sicher nur erst einmal die Schule sichern«, überlegte Mary und ich stimmte ihr zu. Natürlich wollte sich mein Mentor, der Schulleiter, erst einmal um die Bedrohung durch die Schwarzkutten kümmern. Aber von was wusste er Bescheid? Und wem wollte er sagen, was passiert war?

Weil ich nicht wusste, was ich jetzt machen sollte, folgte ich einfach Yu Weiß’ Rat und blieb in meinem Zimmer.

Während Mary und Bea ihre Hausaufgaben hinter sich brachten, nahm ich mir wahllos Bücher von Marys Bett und begann sie zu lesen (wobei das meiste allerdings zu hoch für mich war, sodass ich es nach wenigen Seiten wieder weglegte). Danach schaute ich mich im Bad um. Bea, Mary und ich hatten es noch immer nicht ganz geschafft, alle Pfützen zu beseitigen, auch wenn das Wasser von der Dusche und des Waschbecken wieder nur herauskam, wenn man den Hahn aufdrehte (was mich im Moment jedenfalls beruhigte, ich konnte mich nicht auch noch mit spinnenden Wasserhähnen herumschlagen).

Beim Abendessen sah Merl mich die ganze Zeit beunruhigt an und ich hoffte, dass Yu Weiß ihm nichts von dem erzählt hatte, was ich ihm anvertraut hatte, auch wenn es auf mich so wirkte, als hätte er es gemacht. Warum sonst sollte Merl mich anstarren, als würde ich den »Rotkuttensalat« auf dem Kopf stehend essen?

Yu Weiß tauchte während des gesamten Abends nicht am Lehrertisch auf und ich suchte vergeblich auch noch mal im Trainingsraum und in seinem Büro nach ihm. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen. Als ich im Bett lag und schon fast eingeschlafen war, hörte ich Mary und Bea wispern. Eigentlich wollte ich nur schnell einschlafen, aber als ich meinen Namen hörte, horchte ich auf.

»Ich hab keine Ahnung, warum Sofia so viel Macht hat. Aber es ist eindeutig zu viel. Sie weiß überhaupt nicht, wie man Magie benutzt, geschweige denn, wie man damit umgeht«, sagte Mary beunruhigt.

»Sofia ist anders, das ist sie schon die ganze Zeit«, flüsterte Bea. »Aber ich bin mir sicher, dass sie das hinkriegt.«

»Solange sie mir nicht noch mal den Arm bricht«, wisperte Mary.

Ich räusperte mich und die beiden verstummten.

»Bist du noch wach?«, fragte Bea, aber ich antwortete nicht.

»Gute Nacht, Bea«, flüsterte Mary, dann senkte sich endlich Stille über unser Zimmer.

Ich wusste nicht, weshalb, aber plötzlich erwachte ich mitten in der Nacht. Verwirrt öffnete ich die Augen, setzte mich vorsichtig auf und warf einen Blick durchs Zimmer. Der Mond schien herein, sodass alles in ein merkwürdig weißliches Licht getaucht war. Bea und Mary lagen schlafend in ihren Betten und auf dem Boden stapelten sich Bücher, (von Mary) Kessel und Kräutersalben (von Bea) und Keksdosen (von mir). Ich wollte mich gerade wieder hinlegen, als ich hörte, wie jemand die Wendeltreppe nach oben lief.

In Richtung der Schlafräume der Mädchen?! Mitten in der Nacht?! Ich beschloss aufzustehen und nachzusehen, doch ich hatte kaum die Beine aus dem Bett geschwungen, als sich die Tür zu unserem Zimmer leise öffnete. Ich wirbelte herum und entspannte mich, als ich Yu Weiß in der Tür stehen sah.

»Wir müssen los«, sagte er lautlos und deutete auf meinen Schrank. »Pack dir ein paar Sachen ein und komm nach unten in die Mensa.«

Verwirrt sah ich ihn an. »Wohin?«

»In das Schülerhaus der Blaukutten.«

»Was?!«, flüsterte ich entsetzt. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er mich tatsächlich hier wegbringen wollte. Ich lebte hier seit mehr als zehn Jahren und durch Bea war das Schülerhaus zu meinem zu Hause geworden. Außerdem waren Bea und ja, auch Mary – sie beide waren meine Freunde.

»Warum?«, wisperte ich. Yu Weiß verdrehte leicht genervt die Augen und winkte mir dann. Ich folgte ihm aus dem Zimmer und auf die Wendeltreppe, so dass wir weit genug von den Schlafräumen entfernt waren, um normal reden zu können.

»Du bist eine Blaukutte, Sofia, und auch noch eine besondere. Ich dachte, dir wäre klar, dass du nicht hierbleiben kannst?«, sagte Yu Weiß.

»Aber … meine Freunde. Das hier ist mein zu Hause«, sagte ich eindringlich.

Yu Weiß schaute mich ernst an. »Aber dein zu Hause kann dich nicht beschützen – im Moment nicht. Nicht vor Schwarzkutten und auch nicht vor dir selbst. Dir ist schon klar, dass du deine Freunde verletzen oder so töten kannst, wenn du nicht lernst, die Magie zu beherrschen?« Sein Vorwurf hing in der Luft; schließlich hatte ich Marys Arm gebrochen. (Aber ich wusste ja nicht, dass sie es war! Es hätte jede andere Schwarzkutte auf dieser Welt sein können, die mich hätte töten wollen – weshalb auch immer.)

»Aber …«, fing ich hilflos an, doch Yu Weiß schüttelte abschließend den Kopf. »Du kannst zurückkehren, Sofia«, sagte er. »Doch erst musst du lernen, deine Magie zu kontrollieren.« Ich wusste, dass er Recht hatte (das hatte er eigentlich immer). Aber dennoch sträubte sich alles in mir dagegen, das Schülerhaus der Rotkutten zu verlassen.

»Sofia«, Yu Weiß und schob mich sanft in Richtung meines Zimmers. »Ich werde ihnen erklären, dass du weg musst, aber glaub mir, es ist besser, wenn ihr keine Zeit habt, euch zu verabschieden.« Ich nickte. Da hatte er schon wieder Recht – nicht, dass es mir dadurch leichter fallen würde.

Ich warf mir meine rote Robe über und packte wahllos ein paar Kleidungsstücke in meinen Rucksack. Ansonsten gab es wenig Dinge, die ich mitnehmen wollte (von dem ganzen Zimmer samt Bea und Mary jetzt mal abgesehen). Ein paar Keksdosen und Bücher packte ich ein, dann warf ich noch einen Blick auf meine schlafenden Freunde. Nie, wirklich nie hätte ich gedacht, dass mein Leben sich so plötzlich ändern könnte.

»Danke«, flüsterte ich leise und konnte nicht verhindern, dass mir ein paar Tränen über die Wangen rollten. Entschieden wischte ich sie weg, dann schloss ich die Tür hinter mir. Ich würde zurückkommen, sagte ich mir immer wieder, als Yu Weiß mich nach draußen in die kalte Nachtluft führte. Trotzdem fühlte es sich an wie ein Abschied, als ich noch einmal zu dem großen Betonklotz hochblickte.

Eine Kutsche parkte ein paar Straßen weiter. Ich war erst wenige Male in meinem Leben mit einer Kutsche gefahren, aber dieses Mal erfüllte es mich nicht wie sonst mit Freude. Yu Weiß stieg ein, aber ich blieb draußen stehen und warf einen Blick auf die verlassenen Straßen. In manchen Häusern brannte Licht und ich dachte, dass meine Eltern wahrscheinlich auch noch wach wären und ihrer Arbeit nachhingen (sie waren praktisch süchtig danach). Ich seufzte tief. Der Gedanke an meine Eltern half mir gerade überhaupt nicht weiter.

Yu Weiß rief ungeduldig aus dem Inneren der Kutsche nach mir und ich stieg ein. Die Kutschte setzte sich sofort in Bewegung und ich zog die grünen Vorhänge zu – ich wollte das Schülerhaus einfach nicht noch mal sehen.

» Merl ist gestern Abend nach dem Essen schon vorgefahren, um alle auf deine Ankunft vorzubereiten«, sagte Yu Weiß nach ein paar Minuten endlosen Schweigens.

»Was?! Merl ist eine Blaukutte?« Okay, es war nicht wirklich abwegig, ich hatte mich schließlich schon von Anfang an über sein plötzliches Erscheinen und die Fähigkeit zu Kämpfen gewundert. Trotzdem – ich hatte die letzten Wochen mit einer Blaukutte gekämpft. Obwohl, ich war ja selbst eine. (Das vergaß ich immer.)

»Sind Sie auch eine …?«, fragte ich Yu Weiß zögerlich.

»Ich bin Direktor des Schülerhauses der Rotkutten«, sagte er nur. »Und dein Mentor.« (Ach ne! War ja nicht so, als ob mir das unbekannt wäre! Aber meine Frage beantwortete er wie immer natürlich nicht!)

»Ähm … Sie sagten Schülerhaus der Blaukutten«, sagte ich langsam und ärgerte mich darüber, dass Yu Weiß meine Frage überhaupt nicht beantwortet hatte. »Aber ich dachte, dass es nur ganz wenige Blaukutten gibt?«

»Das stimmt. Es gibt vielleicht dreißigtausend Rotkuttenschüler. Allein in deinem Schülerhaus sind über zweihundert Schüler. Bei den Schwarzkutten gibt es siebentausend Schüler, bei den Blaukutten hingegen gibt es nur etwa achthundert. In deinem Schülerhaus sind deshalb nur dreißig Schüler.«

»Dreißig? Von der ersten Klasse bis zu den Mentorenjahrgängen? Oh«, sagte ich leise und lehnte meinen Kopf gegen die Kutschenwand.

Ich musste wieder an Bea denken und konnte nicht glauben, dass ich sie und alles, was ich kannte und schätzen gelernt hatte, jetzt zurücklassen musste.

Ich hoffte nur, dass Yu Weiß Bea und Mary die ganze Geschichte so erzählte, dass sie der Wahrheit entsprach: Also dass ich nicht weg gewollt hatte.

Ich musste eingenickt sein (schließlich war es ja auch mitten in der Nacht!), denn als Yu Weiß mich wach rüttelte, hatte die Kutsche angehalten.

Draußen dämmerte es bereits, es schien früher Morgen zu sein. Wir stiegen aus, und ich konnte nicht anders, als zu staunen. In der Luft wirbelten überall kleine, blaue Magiefünkchen umher. Die Straße war frisch gepflastert und nirgendwo lagen Dreck, geschweige denn Pferdeäpfel herum. All die Villen, die die Straße säumten, sahen aus, als hätten sie hunderte Goldmünzen gekostet. Das Beeindruckendste aber war das Haus, vor dem wir standen (also ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob man bei dieser Größe noch von Haus sprechen kann).

Allein der Garten war schon riesig – und gepflegt (also der Teil, den man sehen konnte, denn zwei Wege führten um das Haus herum zum hinteren Teil des Gartens). Das Gras war gestutzt und die Blumen und Blüten beugten sich direkt über einen Schotterweg, der auf das Schülerhaus zuführte.

Das Schülerhaus war einfach nur riesig. Es sah aus wie ein großes Schloss mit unzähligen Türmen und kleinen Nebenanbauten. Außerdem war es aus einem rötlichen Stein gebaut worden, sodass es, wenn der Mond und die ersten Strahlen der Sonne darauf schienen, wunderschön glitzerte. Für diesen Moment hatte ich das Schülerhaus der Rotkutten, meine Magie und sogar Bea vergessen. Ich starrte einfach nur dieses fantastische Gebäude an und versuchte, den Anblick in mich aufzunehmen. Jedes Türmchen war für sich mit Gold verziert worden und wurde von bläulichen Magiefunken umschwebt.

»Erstaunlich, nicht wahr?«, fragte Yu Weiß. Ich war so auf das Gebäude fixiert gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie er neben mich getreten war. »Erstaunlich« traf es noch nicht einmal annähernd, aber ich nickte trotzdem zustimmend.

»Bist du bereit, Sofia?«, fragte er ernst.

»Ehrliche Antwort? Nein, nicht im Geringsten.« Ich folgte Yu Weiß in das Schülerhaus.

Kapitel 5

Die Eingangshalle war gigantisch. Der Boden glänzte vom Marmor und an der Decke hing ein riesiger, goldener Kronleuchter. Ich stöhnte lautlos auf, als ich um die dreißig Schüler an den Wänden lehnen sah, neben ihnen stand eine ganze Horde von Lehrern und Mentoren, wobei manche eher wie Kampftrainer als wie Humanisten aussahen mit ihren umgeschnallten Schwertern und Dolchen. Die meisten Schüler sahen sehr müde aus, aber es schien ja auch sehr früh am Morgen zu sein (und außerdem bezweifelte ich, dass ich nach ein paar Stunden Schlaf in der Kutsche besser aussah).

Yu Weiß schob mich vor die Menge und nickte ein paar Mentoren freundlich zu. Merl hob die Hand, blieb aber neben einem jüngeren Jungen stehen und schien sich mit ihm leise zu unterhalten.

Tatsächlich sah ich nur wenige Schüler in meinem Alter. Da waren Merl, zwei tuschelnde Mädchen und ein großer, kräftiger Junge, der abseits mit ein paar der jüngeren Schüler an der Wand lehnte und mich skeptisch musterte, ansonsten schienen alle jünger zu sein.

Einer der Mentoren trat auf mich zu und schüttelte erst mir, dann Yu Weiß die Hand. Er war schlaksig, groß, hatte eine getönte Brille in die hellen Haare geschoben und einen festen Händedruck. »Ich bin Ricklef Cordis, der Schulleiter des Schülerhauses der Blaukutten. Es freut mich, dass du bei uns bist, Sofia Winters«, sagte er höflich.

Fieberhaft versuchte ich mich an den Gruß der Blaukutten zu erinnern (Kuttenkunde war nicht gerade eines meiner Lieblingsfächer gewesen), aber schließlich erinnerte ich mich, legte zwei Finger meiner rechten Hand aufs Herz und verbeugte mich leicht. Erleichtert stellte ich fest, dass die übrigen Mentoren und Schüler mich ebenfalls auf diese Art begrüßten.

»Jeder bekommt einen Mentor zugewiesen, schon ab dem sechsten Lebensjahr«, erklärte Ricklef Cordis mir. »Bei dir ist das leider etwas komplizierter, da es niemanden gibt, der wie du alle Elemente beherrschen kann. Allerdings gibt es wenige, die von der Göttin mit zwei Elementen betraut worden sind. Kaschmir und ich werden dich lehren, deine Elemente zu beherrschen.« Ein kleiner Mann trat vor und führte den Blaukuttengruß durch. Angespannt tat ich es ihm nach und musterte meinen (zweiten) Mentor dann. Sein Gesicht war merkwürdig zerknautscht und Narben zogen sich quer darüber, aber er lächelte freundlich.

»Ich selbst werde dich neben zwei Elementen auch in Magietheorie und Geschichte unterrichten«, erklärte Ricklef Cordis. »Ehrlich gesagt, denke ich, dass du in diesen beiden Fächern, wie auch in der Übung mit den Elementen, viel aufzuholen hast.«

Es war eine höfliche Art mir zu sagen, dass ich im Moment eigentlich gar nichts konnte – na ja, immerhin war er ehrlich. Ich nickte leicht. »Nun denn. Ihr geht am besten alle wieder zum Unterricht«, sagte er zu den Schülern und Mentoren, die – einschließlich Kaschmir – aus der Eingangshalle verschwanden. Nur ein Mädchen blieb noch an der Wand stehen. Es war eines derjenigen in meinem Alter, mit abstehenden, roten Locken, das mir freundlich zuwinkte.

»Amanda Hock wird dich ein bisschen herumführen und dir dein Zimmer zeigen«, Ricklef Cordis wandte sich an Yu Weiß. »Yu, schön dich zu sehen. Du bleibst doch sicher zum Essen?«

Yu Weiß nickte und warf mir einen beruhigenden Blick zu (anscheinend wirkte ich ziemlich nervös). Die beiden Mentoren verschwanden aus der Eingangshalle in einen Flur.

»Hey, ich bin Amanda«, grinste sie mich an. »Ich kann übrings Feuer beherrschen.«

Ich lächelte gezwungen, als Amanda mich aus der Eingangshalle führte. Es schloss sich ein langer Flur an, von dem links ein Speisesaal abzweigte (der überhaupt nichts mit der Mensa im Schülerhaus der Rotkutten zu tun hatte). Lange Tische und Bänke waren ordentlich in Reihen aufgestellt und glänzten. An dem rechten Tisch hatten Yu Weiß und Ricklef Cordis Platz genommen, vor sich überladene Teller mit Fleisch, Kartoffeln und Gemüse (und damit meine ich nicht dieses einen Würgreiz hervorrufende »Gemüse« aus der Rotkuttenmensa, sondern frische Bohnen, Paprika, Weißkohl und Fenchel).

Vorne an der Fensterseite stand, ein bisschen erhöht, ein mit Tischtüchern verdeckter Tisch, auf dem dann wahrscheinlich das Buffet stand.

Yu Weiß lächelte uns freundlich zu, als Amanda mich wieder aus dem Speisesaal führte. Rechts vom Flur zweigte die Bibliothek ab. Tonnen von Büchern waren in engen Regalen aufgestellt und es roch angenehm nach altem Papier. Das würde Mary gefallen, dachte ich und sofort krampfte sich mir der Magen zusammen. Zwischen den Reihen waren Ledersessel und Sofas aufgestellt, und hinter einem Tresen winkte uns eine ältere Frau mit hochgestecktem, weißem Haar freundlich zu.

»Das ist Antonia, die Bibliothekarin. Die Bibliothek hat praktisch alle Bücher über Magie und anderes Wissen, nur ein paar alte sind in der Weserstraße 4 untergebracht und die Stadtbibliothek gibt es natürlich auch noch«, Amanda machte eine wegwerfende Handbewegung, als würden wir nicht über Millionen Bücher, sondern über das Wetter sprechen. Allerdings, überlegte ich, während ich ihr den Flur entlang folgte, wäre ich, wenn ich mit dem ganzen Schnickschnack hier aufgewachsen wäre, sicher auch ein bisschen arrogant. Man konnte ihr also keinen wirklichen Vorwurf machen.

Wir stiegen eine Treppe in den zweiten Stock hinauf, in dem sich die Schlafräume der Mädchen, Jungen und Mentoren befanden, aber Amanda führte mich zuerst in den dritten Stock, wo das Trainingszentrum lag. Kaum traten wir durch die Tür, waren wir mitten drin im Kampfgeschehen. Wir betraten eine Turnhalle, in der junge Schüler mit ihren Mentoren fochten; teilweise waren es Schwertkämpfe, manche kämpften aber auch ohne Waffen oder mit Stäben. Mit offenem Mund starrte ich Siebenjährige an, die ihren Mentoren die Beine wegtraten oder um sie herumwirbelten. Amanda zog mich weiter, ohne zu bemerken, wie erstaunt ich war.

Als nächstes betraten wir einen Waffenraum – und das war nicht zu vergleichen mit der Waffenwand in dem Trainingsraum der Rotkutten. Alles war übersäht mit Waffen; wirklich überall lagen Schwerter und Dolche, Pfeile und Köcher, Lanzen und Messer herum.

»Jedem Schüler gehört ein Regal«, sagte Amanda schulterzuckend und deutete auf eines am Anfang, auf dem »Hock, Amanda«, stand. Ein Schwert, eine handvoll Dolche und Messer und ein Köcher mit Pfeilen lagen sorgsam aufgereiht auf dem Regalbrett. »Ist noch ein bisschen wenig, ich kämpfe lieber ohne Waffen«, sagte sie entschuldigend. (Ich war mir sicher, dass ich sie anstarrte, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank.) Nach der Turnhalle folgte eine Art überdachte Laufbahn, auf der Schüler ihre Runden drehten, mit lauten Rufen von ihren Mentoren angefeuert.

»Hinter dieser Laufbahn kommen die Übungsräume für das Erlernen der Elemente, aber da sollten wir jetzt nicht reingehen, falls gerade was schiefläuft«, sagte Amanda. »Sie sind feuerfest und dafür da, dass wir unsere Macht entfalten können, ohne dass wir irgendjemanden verletzen.«

Wir liefen durch die Laufbahn und die Turnhalle zurück zu den Treppen und betraten schließlich im vierten Stock das sogenannte »Erholungszentrum«. Heißer Dampf schlug mir entgegen, als wir die Tür öffneten. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit konnte ich nur die Umrisse der Becken erahnen.

»Das ist das Erholungszentrum, auch EZ genannt. Wir haben hier Bäder, Saunen, Whirlpools und so ‘nen Zeugs«, sagte Amanda wenig beeindruckt.

Als letztes zeigte sie mir die Schlafräume. Mein »Zimmer« war so groß wie die Mensa im Schülerhaus der Rotkutten. Ich hatte wirklich alles; ein großes Badezimmer mit allen möglichen Badewannen, ein riesiges Himmelbett, ein großes Bücherregal, ein Sofa, einen Tisch und ein Fenster, aus dem ich direkt auf die hintere Seite des Gartens schauen konnte.

»Das Zimmer rechts von dir ist frei, im Zimmer daneben wohne ich. Auf der anderen Seite, links neben dir, wohnt Merl«, sagte Amanda grinsend. »Cool, dass es noch ein Mädchen in meinem Alter gibt. Vanessa ist nämlich echt anstrengend. Das ist die etwas kräftigere mit den blonden Locken.«

»Ach«, sagte ich und ließ mich auf mein Himmelbett fallen. Ich sank so tief ein, dass ich mich erst mühsam wieder nach oben arbeiten musste.

»Die Bettwäsche ist blau, aber wenn du möchtest, kannst du auch andere Farben haben«, informierte Amanda mich. »Ich habe mir eigene herstellen lassen, mit einem Bild von Feuer und meinem Namen.«

»Ach«, machte ich noch einmal und konnte einfach nicht glauben, dass ich jetzt hier wohnen sollte. Es war so anders als das Schülerhaus der Rotkutten. Und wenn alle Schüler so waren wie Amanda – na dann gute Nacht.

»Willst du vielleicht erst einmal duschen und dich umziehen? Im Schrank hängt neue blaue Kleidung. In einer Stunde hole ich dich ab, okay?«

Ich nickte und war dankbar, als sie verschwunden war.

Ich zog mir eine Leggins und ein T-Shirt an, dann warf ich mir die Robe über und betrachtete mich im Spiegel. Es war ungewohnt, blaue Kleidung zu tragen. Aber es war ein sanftes blau, das mich beruhigte. In diesem Moment sah ich tatsächlich aus wie eine Blaukutte, auch wenn ich mich nicht wie eine fühlte.

Ich legte die blaue Kleidung auf den Waschbeckenrand, ließ die vier Badewannen erst einmal links liegen und sprang unter die Dusche. Ich war das eintönige, langsame Tröpfeln aus der Rotkuttendusche gewöhnt und quiekte erschreckt auf, als ein breiter Wasserstrahl auf mich niederschoss. Das Wasser war weich und warm und ich duschte länger als je im Schülerhaus der Rotkutten.

Ich hatte mir gerade die Haare gefönt, als es an der Tür klopfte. Schnell rannte ich aus dem Bad und öffnete.

Amanda grinste mich an. »Ich hätte nicht erwartet, dass du schon fertig bist«, gestand sie, während wir die Treppen nach unten in Richtung Speisesaal liefen. »Ich brauche in diesen Bädern immer Stunden!«

Sie betrachtete mich verstohlen, und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich gedacht, dass ihr Blick bewundernd gewesen wäre. Das war lächerlich. Sie war doch die Blaukutte, die ihr Element beherrschen konnte, die kämpfen konnte, ich nur das Mädchen, das nie wirklich zu einem Stamm dazugehört hatte.

Nervös strich ich mir das Haar aus der Stirn, als wir den Speisesaal betraten. Die Mentoren saßen an den Tischen rechts, die Schüler auf der anderen Seite. An einem der Tische konnte ich Yu Weiß neben Ricklef Cordis und Kaschmir erkennen. Neben ihnen saß eine junge Frau mit blonden Haaren, die Amanda und mich freundlich anlächelte. »Likor, meine Mentorin«, erklärte Amanda mir. »Nett, aber im Unterricht knallhart.«

Ein paar der Schüler hatten schon ihre Teller beladen, aber manche schwatzten auch noch mit ihren Freunden. Das Mädchen mit den lockigen Haaren in meinem Alter saß neben Merl und dem Jungen, der einsam an der Wand gelehnt hatte. Sie winkte uns zu, und wir setzten uns zu ihnen an einen breiten Tisch.

»Hey! Ich bin Vanessa«, sie strahlte mich an. »Toll dich zu sehen. Ernsthaft – du kannst alle vier Elemente beherrschen?«

Ich nickte.

»Bei Lucis, Van! Nur weil sie die Macht aller vier Elemente von der Göttin bekommen hat, kann sie die Elemente noch nicht beherrschen. Keine Ahnung, wo die mit ihren Gedanken war«, murmelte der andere Junge und bedachte mich mit einem herablassenden Blick.

»Liam«, zischte Merl wütend und schaute mich entschuldigend an. »Er kommt nicht damit klar, dass es manche gibt, die mehr Elemente beherrschen als er.«

»Ohmeingott«, quietschte Vanessa, als Liam Merl anfunkelte, und bombardierte mich mit Fragen, wie das Schülerhaus der Rotkutten gewesen war. (Ich begann zu verstehen, was Amanda mit »anstrengend« gemeint hatte.)

Amanda rettete mich, indem sie meinte, dass wir uns dringend etwas zu Essen holen mussten. Das Buffet war wirklich unglaublich, auch wenn ich nur wenige der Speisen kannte, die dort auf edlen Goldrandtellern lagen (also man kann auch übertreiben!). Ich nahm mir einfach ein bisschen Nudelsalat, Gemüse und ein Stück Fleisch, dann setzte ich mich wieder neben Amanda.

»Warten wir mal deine erste Stunde ab, Sofia Winters!«, Liam spie meinen Namen geradezu aus.

»Ach halt doch deine Klappe!«, giftete Amanda. »Du bist doch sowieso nur neidisch!«

Als Liam aufgegessen hatte, verschwand er zu einem Tisch, an dem jüngere Schüler saßen, und wir alle seufzten erleichtert auf.

»Er ist ein ziemlicher Idiot. Du solltest ihn einfach ignorieren. Ich glaube, er hat Minderwertigkeitskomplexe, weil er sich immer gewünscht hat, etwas Besonderes zu sein«, Merl zuckte mit den Schultern und deutete auf die Mentoren.

»Die Mentoren der älteren Schüler sitzen übrigens alle an einem Tisch, während die der jüngeren sich zu ihren Schülern setzen«, erklärte er mir. »Der Große mit dem groben Gesicht, der neben Kaschmir sitzt, ist mein Mentor Salt. Bisweilen ist er ganz schön hartherzig. Yest, Liams Mentor, ist aber noch merkwürdiger – der kleine, mit dem weißen Bart und den vielen Falten im Gesicht. Er spricht praktisch nie ein Wort.«

»Der dicke Mann daneben ist mein Mentor Frost«, fügte Vanessa grinsend hinzu.

»Also«, sagte sie gedehnt. »Merl hat dich ja im Kämpfen unterrichtet. Aber was machen denn die anderen Rotkutten den ganzen Tag? Muss doch ein langweiliges Leben sein, wenn man nur Telekinese beherrschen kann! Lassen die nur Gegenstände fliegen?«, sie kicherte und ich verdrehte genervt die Augen.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
390 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783957448361
Telif hakkı:
Автор
İndirme biçimi: