Kitabı oku: «Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen», sayfa 10
II. Wettbewerbstheoretische Innovationserklärungen
In der Wirtschaftstheorie finden sich zahlreiche Einordnungsversuche zur Innovation.301 Diese lassen sich unterschiedlich vor allem nach dem Verständnis von Innovation und Wettbewerb einordnen. Während Innovation in den klassischen Wettbewerbstheorien einen exogenen Faktor darstellt, wird Innovation in jüngeren Konzepten als endogener Umstand einer Erklärung des Phänomens Wettbewerb und seiner Dynamik miteinbezogen.302 Dabei sind die hieraus folgenden Annahmen und Konsequenzen höchst unterschiedlich, wie dies bereits früh im angloamerikanischen Sprachraum zur wettbewerbstheoretischen und – rechtswissenschaftlichen Innovationsforschung diskutiert wird303 und sich im Hinblick auf eine kartellrechtliche Bewertung zeigen wird. Denn wenn Innovation einen exogenen Wirtschaftsfaktor darstellen würde, könnte aus dieser Annahme der Schluss gezogen werden, dass es sich bereits nicht um einen Wettbewerbsbestandteil handelt. Zudem besteht ein Konflikt mit dem bei klassischen Wettbewerbstheorien angenommenen wesentlichen Gleichgewicht in der Form eines vollkommenen Marktes. Umgekehrt erklärt eine Anerkennung von Entwicklung, Veränderung und Innovation als endogener Wirtschaftsaspekt nicht seine konkrete wettbewerbliche Bedeutung und mögliche Begriffsverwendung. In dieser Debatte lässt sich deshalb zwischen statischen und dynamischen Erklärungsansätzen unterscheiden.304 Innovation als Bestandteil oder Ergebnis des Wettbewerbs kann aber nur aus einem diesen selbst umschreibenden Begriffsverständnis heraus erklärt werden. Da Wettbewerb begrifflich den entscheidenden Anknüpfungspunkt und Schutzzweck im Kartellrecht bildet, orientiert sich eine Auslegung des Innovationsbegriffs an einem Verständnis des Wettbewerbs. Dieses Verständnis muss ein rechtliches sein.
1. Statische Erklärungsansätze
Maßgeblich für die klassischen Wettbewerbstheorien ist das Werk „Wohlstand der Nationen“ von Adam Smith.305 Zusammengefasst kann dieser Theoriestrang als eine Abkehr von dem vorher vorherrschenden Konzept des Merkantilismus und Hinwendung zum Liberalismus beschrieben werden, also individuellen Freiheiten gegenüber staatlichen Eingriffen.306 Nicht der feudale Eingriff eines Herrschers, sondern die „unsichtbare Hand“307 in Form der wirtschaftseigenen Kräfte solle eine allgemeine wirtschaftliche Harmonie der handelnden Individuen untereinander herstellen, sodass eine individuelle Bedürfnisbefriedigung nach dem Leistungsprinzip möglich wäre.308 Der Markt hat also eine primäre gesellschaftliche Selbstkoordinierungsfunktion im öffentlichen Interesse.309 Dass die Wirtschaftsteilnehmer dies durch die Befriedigung ihrer eigenen, primär partikularen Interessen unterstützen, führt Smith auf einen „gewissen Hang der menschlichen Natur“ zurück.310
a) Gleichgewichtsdogma der klassischen Wettbewerbstheorien
Eine eigenständige Bewertung von Veränderung respektive Innovation kommt bei den klassischen Wettbewerbstheorien zunächst nicht unmittelbar vor.311 Die von ihren Vertretern zu untersuchenden statischen Harmoniezustände werden durch die tatsächlich bestehende Ausübung individueller Freiheiten und der hiernach daraus folgenden optimalen Faktorallokation gebildet, beschreiben also das Resultat eines Vorgangs, noch nicht aber den Vorgang selbst.312 Wettbewerb sei demnach anhand der bestmöglichen Güterverteilung und eines Gleichgewichts zu sehen.313 Externe Faktoren können hiernach wohl nur berücksichtigt werden, wenn sie entweder die Entscheidungen der Wirtschaftsteilnehmer beeinflussen oder sich auf die zu verteilende Gütermenge auswirken. Dies betrifft unter anderem leistungsbezogene Faktoren wie die Arbeitskraft oder eingesetztes Kapital, aber auch technischen Fortschritt, soweit sich nur durch diesen ein Wachstum erklären lässt.314
Ein Zustand des vollständigen Wettbewerbs liegt zusammengefasst vor, wenn das vorhandene Einkommen leistungsgerecht bei Vermeidung von Monopolgewinnen allokativ effizient verteilt wird.315 Dabei handelt es sich um ein hypothetisches Referenzkonstrukt, das zur Analyse und Bewertung der Auswirkungen auf Märkte herangezogen werden soll.316 Das Konzept geht von einer großen Anzahl rational zugunsten einer eigenen Gewinn- und Nutzenmaximierung handelnder Marktteilnehmer aus, sowie dass die zu verteilenden Güter homogen sind.317 Produktionsfaktoren und produzierte Güter wären danach beliebig teil- und bewegbar, gleichzeitig könnten Anbieter wie Nachfrager bei Veränderungen ihr Verhalten schnell umstellen. Der Markt wäre transparent und es lägen keine Zutrittsbeschränkungen oder staatliche Eingriffe in die Wettbewerbsbedingungen vor. Dynamik hat bei diesem Ansatz nur eine den Übergang zu dieser Ordnung beschreibende Bedeutung.
Eine Bedeutung als preistheoretischer Faktor gewinnen Veränderungen und Dynamik bei neo-klassischen Ansätzen.318 Auch noch hier ist Innovation kein eigenständiger wettbewerblicher Faktor, sondern lediglich ein exogener Umstand, der Unternehmen zu Anpassungen durch Forschungsausgaben veranlasst.319 Innovation würde hier als Faktor der Produktivitätssteigerung und des Wachstums des Sozialprodukts eingeordnet.320 Über die Richtung des Wachstums entscheiden die Marktteilnehmer, indem sie nach ihren Präferenzen Auswahlentscheidungen treffen.321 Über diesen Anpassungsprozess der Wirtschaftsteilnehmer als schlichter Reaktion auf Veränderungen hinaus bleiben neo-klassische Ansätze ebenso eine eigenständige wettbewerbliche Erklärung an sich schuldig.
b) Kritik am Konzept des vollkommenen Wettbewerbs
Problematisch an dem Konzept des perfekten Wettbewerbs ist zum einen, dass es sich rein auf einen Grundsatz der Verteilungs- und Preis-Effizienz bezieht und damit andere menschliche wie gesellschaftliche Phänomene mit dynamischem Marktbezug ausblendet, bzw. lediglich als externen Faktor berücksichtigt.322 Das dort angenommene öffentliche Interesse und die individuellen Interessen der Marktteilnehmer sind nicht immer kongruent.323 Anzweifeln lässt sich deshalb vor allem die Annahme, dass die Wirtschaftsteilnehmer grundsätzlich ein Harmoniebedürfnis hegten.324 Dabei könnte es nicht nur einen typisch menschlichen Hang zur individuellen Interessenbefriedigung mit positiven harmonisierenden Effekten auf den gesellschaftlichen Gesamtzustand geben. Stattdessen könnte es Umstände bei einzelnen Wirtschaftsteilnehmern geben, die zugunsten einer partikularen Bedürfnisbefriedigung Vorteile vor anderen Wirtschaftsteilnehmern verlangen. Würden diese Interessen nicht erfasst und angemessen gewürdigt, könnte der Markt zum Erschlaffen kommen.325 Damit einher geht der Einwand, ob die Modellierung eines Marktes unter der Bedingung der Freiheit von Unvollkommenheiten nicht unrealistisch ist, sodass sich ein in seinen Anforderungen zu hohes, aber nie richtig zu erreichendes Idealbild ergibt.326 Bereits früh wurde hieraus als Konsequenz ein Wechsel zum Konzept eines monopolistischen bzw. imperfekten Wettbewerbs in Betracht gezogen.327
Zum anderen blendet das Konzept des vollkommenen Wettbewerbs Bedürfnisse nach nicht-standardisierten Angeboten des Marktes aus.328 Neben individuellen Bedürfnissen der Nachfrager würden die Schaffenspotenziale der Anbieter missachtet. Denn so wie der Mensch einen Hang nach Neuem hat, muss diese Bedürfnisbefriedigung nach Vorsprüngen gegenüber konkurrierenden Unternehmen erfasst werden.329 Aus der Sicht der Nachfrager kann sich dies in dem Bedürfnis nach einem qualitativ hochwertigeren, schnelleren oder preisgünstigeren Produkt äußern. Ebenso haben Anbieter ein Interesse, sich von den Angeboten anderer Wirtschaftsteilnehmer abzugrenzen. In einem Modell vollkommenen Wettbewerbs haben Unternehmen aber geringere Anreize und Möglichkeiten zu Änderungen einzelner Parameter, sondern müssten die auf der Vollkommenheitsannahme basierenden Wettbewerbsbedingungen akzeptieren.330
Schließlich lassen sich auf vollständigen Wettbewerb abstellende Konzepte aufgrund des statischen Beobachtungsansatzes nicht mit dynamischen Umständen und Entwicklungen überein bringen.331 Effizienz wird lediglich im Hinblick auf ihren Verteilungsmechanismus untersucht, nicht jedoch in qualitativer oder dynamischer Hinsicht.332 Qualitative oder dynamische Umstände entsprechen ebenso den berechtigtermaßen einzubeziehenden Interessen der Wirtschaftsteilnehmer, Angebote nach ihren individuellen Präferenzen auswählen zu können, Produkte und Güter also nicht lediglich im Rahmen eines Ordnungsprozesses zugeteilt zu bekommen, sondern vielmehr selbstständig und selbstbestimmt auswählen zu können.333
2. Dynamische Erklärungsansätze
a) Schöpferische Zerstörung
Auf dem von Marx vorgeprägten Schlagwort der schöpferischen Zerstörung334 aufbauend formulierte Schumpeter seine Überlegungen zu dynamischen Wirtschaftsabläufen.335 Dies steht in einem Zusammenhang mit im 19. Jahrhundert zunehmenden Erklärungsversuchen über die Stellung des Menschen in einer sich verändernden Welt.336 Für Schumpeter spielt der Prozess an sich eine wesentliche Rolle bei der Erklärung wirtschaftlicher Zusammenhänge, insbesondere des Kapitalismus.337 Anders als Marx nimmt er diesen nicht als Bedingung für das Überwinden der Bourgeoisie im Zusammenhang mit einem Klassenkampf an, sondern erklärt mit ihm das Vorliegen wirtschaftlicher Entwicklungen überhaupt.338 Wirtschaft und Wettbewerb an sich ist damit immer auch Veränderung und Fortschritt.339 Veränderungen allein führten in einem dynamischen Wirtschaftssystem zu Profiten. Entscheidende Unterschiede bestehen zum einen im Hinblick auf die Endgültigkeit des Zerstörungsprozesses und zum anderen auf die zu handelnden Akteure. Kapitalismus zeichne sich nach Schumpeter selbst durch seinen evolutionären Charakter aus, der nicht primäre von bloßen Veränderungen der wirtschaftlichen Tätigkeit getrieben wird, sondern durch neue Konsumgüter, neue Märkte sowie neue Formen der industriellen Organisation.340 Dies erfolge danach im Wege einer in unsteten Stößen von innen heraus auftretenden „Mutation“, die nicht auf einen Idealzustand hinsteuere oder gar hinzuführen sei.341
Die wirtschaftliche Entwicklung und Veränderungen in Bezug auf Wettbewerb beschreibt Schumpeter mit der Bezeichnung „neue Kombinationen“.342 Arndt bezeichnet dies ähnlich als „neue Differenzierungen“ in einem „Wettbewerb der Bahnbrecher“.343 Erkenntnisse aus der empirischen Ökonomie veranlassten Bower/Christensen zu ihrer Annahme der sogenannten disruptiven Innovationen, die besonders häufig mit Plattform-Geschäftsmodellen in Verbindung gebracht werden.344 Auch das Bundeskartellamt nahm in einem Arbeitspapier den Fachbegriff der disruptiven Innovationen auf und stellte bereits einzelne Erwägungen hierzu an.345 Die EU-Kommission hat in einzelnen Entscheidungen vor allem auf der Endnutzer-Ebene das Vorliegen disruptiver Innovationen angenommen.346 Disruptive Innovationen stehen in einem engen Zusammenhang mit der schöpferischen Zerstörung des Wettbewerbs und Innovationen.347 Sie lassen sich durch mehrere Besonderheiten beschreiben, die als solche bereits Bower/Christensen zusammengetragen haben. Erstens handele es sich um technologische Veränderungen, die zunächst nicht von allen Konsumenten angenommen werden, jedoch für eine bestimmte Nutzergruppe jedenfalls ausreichen.348 So sind sie einerseits vor allem aufgrund höherer Kosten als bei einem bereits im Markt erfolgreich eingeführten Angebot für etablierte Unternehmen eher unattraktiv. Andererseits können sie zunächst aus der Sicht der Konsumenten in technischer Hinsicht einen schlechteren Leistungsumfang haben.349 Anekdotisch lassen sich hierfür die damals zunächst neuen Technologien für Videos in Mobiltelefonen anführen.350 Zu Beginn ihrer Markteinführung konnten diese noch nicht dieselben Leistungsmerkmale aufweisen, wie herkömmliche Kamera-Geräte. Zweitens ändern sich die Leistungsmerkmale der neuen Angebote sehr schnell, sodass die neue Technologie in bestehende Märkte eindringen kann.351 Disruptive Innovationen zeichneten sich nach Bower/Christensen dadurch aus, dass sie häufig nicht von Unternehmen ausgehen, die bereits einen Mainstream-Markt bedienen und sich dort etabliert haben.352 Stattdessen können sie vor allem von Außenseitern eingeführt werden. Nach Immerthal findet dieses Eintreten der Disruption im „blinden Fleck des Wettbewerbers“ statt.353 Disruptive Innovationen stehen deshalb besonders für die Unvorhersehbarkeit der schöpferischen Zerstörung. Insofern besteht die Bedeutung in ihrer technologischen, aber auch marktlichen und organisatorischen Umwälzung.354 Sie können in besonders intensiver Weise dazu beitragen, Marktstellungen angreifbar zu machen oder sogar aufzulösen. In Abgrenzung hiervon lassen sich nachhaltige Innovationen unterscheiden, die ausgehend von etablierten oder sich etablierenden Märkten annehmbare Veränderungen für deren Konsumenten bietet.355 In der kartellrechtlichen Fallpraxis sind die disruptiven Innovationen vor allem zur Beschreibung besonders stark wirkender Innovationen und dem Mittel zur wettbewerblichen Entfaltung von Außenseitern geeignet, wie dies zunächst häufig bei dem Auftreten digitaler Plattformen der Fall ist. Gleichzeitig deuten sie auf evolutorische Elemente im Wettbewerb hin.356 Ebenso lassen sich nachhaltige Innovationen im Zusammenhang mit dem wettbewerblichen Auftreten digitaler Plattformen sehen, da auch sie danach streben, über die Verdrängungsphase hinaus eine Internalisierungsphase zu erreichen. Bei dieser werden wettbewerbliche Errungenschaften in der Plattform etabliert, etwa indem sie als neue Marktbeziehungen im Plattformsystem dargestellt werden.
Die Zyklen dieser wettbewerblichen Mutationen mit ihren vielfältigen Ergebnissen neuer Kombinationen und der damit verbundenen Verdrängung sind grundsätzlich empirisch feststellbar.357 Die Abfolgen innerhalb des Prozesses der schöpferischen Zerstörung können ebenso grundsätzlich empirisch nachgewiesen werden.358 Nach einer frühen Darstellung bei Heuss beginnen sie regelmäßig mit einer Entwicklungsphase, der sich eine Expansionsphase anschließt.359 Ist ein Unternehmen innerhalb dieser beiden Phasen wettbewerblich erfolgreich, so entflieht es vor seinen Wettbewerbern und baut sich einen Vorsprung aus. Es wird dabei möglicherweise mit einer Stellung belohnt, die ihm in der sich anschließenden Phase eine Ausbeutung seiner Innovation erlaubt.360 Allerdings werden bereits die Wettbewerber versuchen, den wettbewerblichen Erfolg einzuholen, indem sie entweder das innovative Unternehmen nachahmen oder aber selbst mit einer anderen Innovation wettbewerblichen Druck aufbauen.361 Dies kann zu einem Abflauen oder Verblassen des bisherigen wettbewerblichen Erfolgs für das innovative Unternehmen führen. Der bereits angesprochene Wechsel zwischen Innovation und Tradition bzw. Aktion und Reaktion im Wettbewerb lässt sich damit als ein für den dynamischen Wettbewerb typischer Vorgang festhalten.362 Für die Zwecke dieser Untersuchung lassen sich daraus zwei wesentliche Aspekte entnehmen, nämlich erstens auf der Tatsachenebene, dass innovative Schöpfung eng einhergeht mit zerstörerischen Umständen, die gegebenenfalls in konkret zu entscheidenden rechtlichen Fällen zu berücksichtigen wären, und zweitens auf der Wertungsebene die für eine rechtliche Bewältigung erhebliche Frage, ob es auf der einen Seite eine Abwehrmöglichkeit vor diesen zerstörerischen Umständen und auf der anderen Seite einen Schutz von Schöpfungen geben kann. Die tatsächlichen zerstörerischen Umstände können sich dabei je nach individuellem Betrachtungsstandpunkt der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer als Krise oder Gelegenheit darstellen.363 Sie stehen für die Unvorhersehbarkeit menschlicher Lebensumstände.364
b) Unternehmerische Pionierleistungen
Eine zunehmende Bedeutung hat die Untersuchung der im Wettbewerb wirkenden unterschiedlichen Motivationen und Anreize gewonnen.365 So können die bereits angesprochenen Individualinteressen nicht stets als ein Bedürfnis nach Harmonie und Ausgeglichenheit gewertet werden. Vielmehr wird mit Veränderungen die Aussicht auf zukünftige höhere Profite und damit einhergehenden wirtschaftlichen Erfolg verbunden.366
aa) Motivation zur wettbewerblichen Selbstverwirklichung
Für Schumpeter lässt sich wirtschaftliche Entwicklung nicht allein mit dem Prozess der schöpferischen Zerstörung erklären. Diese werden nicht allein aufgrund eines politischen Bedürfnisses angestoßen, sondern auch und in wettbewerblicher Hinsicht ganz bedeutsamer Weise durch schöpferische Aktionen von Unternehmen.367 Der Unternehmer, bzw. die Unternehmung, sei ein Grundphänomen, mit dem wirtschaftliche Entwicklung und Innovation erklärt werden könne, da dieser das Neue durchzusetzen vermöge.368 Er lasse sich mit spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen und Fähigkeiten beschreiben, die sich darin äußern, dass er Unsicherheiten oder Widerstände nicht als Hinderungsgründe für seine Handlungen sieht, sondern (notfalls allein) voraus geht und erkundet, gleichzeitig aber andere Wirtschaftsteilnehmer motivieren kann seinen Entscheidungen zu folgen.369 Der innovative Unternehmer nimmt also Gelegenheiten innerhalb des Vorgangs der schöpferischen Zerstörung war. Damit wird wiederum erneut dem Konzept des vollkommenen Marktes eine Absage insofern erteilt, als dass kein vollkommen verteiltes Wissen besteht, sondern Wissensrückstände als in tatsächlicher Hinsicht typisch angesehen werden. Kirzner beschreibt dies als „begrenzte Realitätsnähe der allokativen Erklärung der menschlichen Entscheidungen“.370 Also liegt die wesentliche Eigenschaft des Unternehmers im Wirtschaftsbereich hiernach darin, dass er Wissen schafft, entweder indem er vorhandene Lücken schließt oder aber indem er völlig neues Wissen verfügbar macht.371 Der Unternehmer kann also am besten mit einem Pionier verglichen werden, der bislang unbekanntes Gebiet erkundet und auf seine Nutzbarkeit hin untersucht. Dabei verhält er sich nicht stets rational im Sinne des Konzepts vom vollkommenen Wettbewerb, da er Entscheidungen nicht nach objektiv vorhandenen Informationen trifft, sondern stark subjektiv geprägt ist von Erfahrungen und der Erwartung zukünftiger Profite.372 Seine Strategie oder sonstigen internen Abläufe sind in vielen Fällen nicht offensichtlich für den Wettbewerb.
Das Auftreten des Unternehmers im Wirtschaftsleben ist dabei davon geprägt, sich etwas Eigenes aufzubauen und sich selbst zu verwirklichen. So sieht Schumpeter den Willen zur Gründung eines privaten Reichs, den Siegerwillen und die Freude am Gestalten als mögliche Motivationen für den Unternehmer.373 Damit entspricht dieser Ansatz bereits einer rechtlich verwertbaren dynamischen Wettbewerbstheorie unter Einbeziehung von Innovation, da sie anders als die statischen Theorien nicht auf dem Konzept des vollkommenen Wettbewerbs aufbaut, bei dem ein allgemeines Gleichgewicht zu erreichen wäre und in das Partikularinteressen wettbewerbsdogmatisch einzufügen wären, sondern individuelle Bedürfnisse und deren potenzielle Diskonformität mit einem Gesamtwohl anerkennt.374 Dieser Ansatz rückt den Wirtschaftsteilnehmer in den Fokus möglicher Erklärungen. Wettbewerb kann hiernach nicht nur darin gesehen werden, dass sich seine Teilnehmer einem allgemeinen Anpassungsdruck fügen und ein wirtschaftliches Gleichgewicht anstreben.375 Wettbewerb ist hiernach auch, wenn sich Einzelne nicht einer gesamtpositiven Preisbilanz beugen, sondern eigennützig bessere Ergebnisse erzielen wollen und nach einer sogenannten First-Mover-Position mit den entsprechenden wirtschaftlichen Vorteilen streben.376 Gleichzeitig bedeutet der Verzicht auf die Verwendung der gegenwärtigen objektiven Informationen und stattdessen das sich Verlassen auf die eigene subjektive Motivation einen zusätzlichen irrationalen und typisch menschlichen Umstand, der im Konzept des vollkommenen Wettbewerbs noch mit der Rationalität der Wirtschaftsteilnehmer und der absoluten Steuerungsfunktion des Marktes übersteuert wurde.