Kitabı oku: «Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen», sayfa 9

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c) Vorsprung

Neben der dynamischen und der progressiven Ebene der Innovation lässt sich ihr eine normative positiv-kompetitive Dimension entnehmen.283 Individuen streben nach Vorteilen gegenüber anderen, indem sie bessere Ausgangspositionen erhalten oder über mehr Kapazitäten verfügen können. Diese Vorteile haben einen sozialen und vergleichenden Bezug. Sie werden als Vorteile wahrgenommen, weil den Betrachtern, also Nachfragern oder Benutzern, der vorherige Zustand sowie die Veränderung und Entwicklung über einen Vergleich bewusst wird.284 Gleichzeitig wird ihnen neben den erweiterten Handlungsspielräumen eine zusätzliche Nutzbarkeit zugesprochen. Dies gilt besonders für die dargestellten Neuheiten und Entwicklungen in der Internet-Industrie. Einher mit dem Vorsprung geht also das Wissen über unterschiedliche Veränderungsarten oder –geschwindigkeiten und damit eröffneten unterschiedlichen Entscheidungsspielräumen.

Entscheidungsoptionen können dabei zum einen auf der unternehmerischen Entscheidungsebene liegen und zum anderen auf der Nachfrager- oder Nutzerebene. Unternehmer könnten sich im Rahmen einer Innovation veranlasst sehen, strategische Entscheidungen über Vertrieb, Preis oder Ausrichtung ihrer Produkte und Leistungen zu treffen, um hieraus Vorteile zu erzielen. Für Nachfrager kann der Vorsprung und das damit dargestellte Angebot als besonders begehrenswert erscheinen. Die Nachfrager könnten sich auf die Entscheidungen des Unternehmers einlassen oder sie mitgestalten, zum Beispiel durch die Verhandlung über Bedingungen. Für diejenigen ohne den Vorsprung könnte sich daraufhin ein Anreiz ergeben, ebenso Neuheiten zu entwickeln, die als Innovation eingeordnet werden, also den Innovator zu verfolgen.

d) Verdrängung und Exnovation

Neben dem positiv-kompetitiven Bezug hat der Innovationsbegriff eine negativ-kompetitive Komponente.285 Diese ebenso normative Begriffskomponente äußert sich in dem Risiko nachlassenden Interesses an nicht- oder nicht-mehrinnovativen Angeboten, aber auch in einem auf diese Bewegung abzielenden Auftreten der Unternehmen. Indem Unternehmen oder Nachfrager ihre durch eine Innovation erweiterten Handlungsoptionen ausnutzen, könnten sich diese Entscheidungen unmittelbar oder mittelbar auf andere, herkömmliche Angebote auswirken. Das nachlassende Interesse gegenüber diesen kann dazu führen, dass ein Angebot in seiner Präsenz bei den Nachfragern sinkt oder aber mit einer im Vergleich schlechteren Kostenstruktur für das jeweilige Unternehmen verbunden ist. Damit verbunden sind mögliche wirtschaftliche Nachteile für den Abgehängten. Diese können sich in einer Verdrängung von der vorherigen Position äußern, ebenso wie den vollständigen wirtschaftlichen Verlust der wettbewerblichen Stellung in einem bestimmten Segment. Dies kann zur Folge haben, dass sogar in der Wertung seiner Nachfrager vorher sehr hoch angesehene Produkte oder Leistungen nicht mehr nachgefragt werden. Die negativ-kompetitive Komponente der Innovation hängt also eng mit Pfadabhängigkeiten und ihrer Vermittlungsfunktion zusammen.286

Diese Verdrängung ist einerseits aufgrund einer für die verdrängten Unternehmen unvorhergesehenen Veränderung denkbar.287 Dem gegenüber stehen Szenarien, in denen sich Veränderungen lange im Voraus ankündigen oder sogar von den wirtschaftlich beteiligten Akteuren vorhersehbar sind, gar gefördert oder gesteuert werden. Jedoch kann auch hier eine Verdrängung erfolgen, weil Unternehmen sich aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sehen, sich an geänderte Umstände anzupassen.

3. Kategorische Abgrenzungen

Allgemeine Regeln im Sprachgebrauch können nicht nur für den Versuch einer sprachlichen Eingrenzung im Sinne einer positiven Begriffsdefinition herangezogen werden. Vielmehr bieten sich Untersuchungen im Hinblick auf die sprachlichen Ausdrücke Idee, Invention und Imitation an, die in ihrem Sprachgebrauch eine Nähe zur Innovation haben.288 Als Vorstufe menschlich veranlasster Schöpfungen stehen innere gedankliche Vorgänge.289 Diese können das Wissen über eine Veränderung oder Pläne über neue Handlungsoptionen beinhalten. Diese gedanklichen Vorgänge können zwar neu, fortschrittlich oder in sonstiger Weise kreativ sein. Solange sie nicht umgesetzt werden, fehlt es an einer Schöpfung. Der Begriff Invention beschreibt zwar im Allgemeinen eine schöpferische Tätigkeit im Sinne einer fortschrittlichen Veränderung, die nicht wettbewerblich nach außen adaptiert wird und dadurch wahrnehmbar ist.290 Ihr kommt keine nach außen gerichtete Wirkung zu.291 Schließlich lässt sich die Innovation über das kompetitive Element von der Imitation abgrenzen. Denn wo eine Schöpfung Fortschritt bedeutet, kann es Verfolgung geben, indem die Schöpfung bestmöglich nachgemacht wird. Innovation und Imitation sind Gegenbegriffe mit jeweils unterschiedlicher Bedeutung, die sich erst durch diesen Bezug zueinander erschließt.292 Der Imitation fehlt es an dem Element der Neuheit. Sie ist dagegen stark von den kompetitiven Anreizen der Innovation getrieben, indem der Imitator durch sie die Vorsprünge des Innovators einzuholen versucht und sich gegen die eigene Verdrängung im Wettbewerb wehrt.293 In rechtlicher Hinsicht ergänzt werden kann das Kartellrecht in Bezug auf Innovationen in besonderer Weise durch das Immaterialgüterrecht, als dass es Schöpfungsleistungen im weiteren Sinne und den jeweils dafür geltenden Bedingungen zusätzlich schützt und einer persönlichen wie auch wirtschaftlichen Verwertung zugänglich macht, aber diese auch gegenüber Dritten vor Beeinträchtigungen schützt.294

Als Gegenbegriff zur Innovation lässt sich im Wettbewerb die Tradition beschreiben. Ihrem Wortlaut nach handelt es sich um weitergegebene Entscheidungen, die von ihrem Empfänger akzeptiert werden. Das Gegenbegriffliche ist darin zu sehen, dass eine Innovation sich mit der Zeit zur Tradition wandeln kann. Etwas ist dann nicht mehr innovativ. Das Aufeinandertreffen von Innovation und Tradition kann außerdem zu Entscheidungskonflikten darüber führen, welchem dieser Umstände der Vorrang eingeräumt werden soll. Gleichberechtigt steht die Erkenntnis, dass Innovation Nährboden für Tradition sein kann.295

Weitere systematische Abgrenzungen kommen im Hinblick auf die rechtspolitische Ausrichtung und die jeweilige Anwendung der Ergebnisse in Betracht. Innovation kann einerseits materieller Gegenstand kartellrechtlicher Betrachtungen sein, sodass es um die Untersuchung des Verhältnisses von „Innovation und Kartellrecht“ geht. Andererseits können Entwicklungen neuer methodischer und rechts-dogmatischer Ansätze untersucht werden, also „Innovation im Kartellrecht“. Hierbei könnte sich im Hinblick auf die angesprochenen wechselnden Sprachgebrauche besondere Probleme im Hinblick auf das der Innovation immanente Element der Veränderung ergeben.296 Schließlich könnten mit „Innovation durch Kartellrecht“ mögliche innovationsfördernde Ansätze des Kartellrechts untersucht werden.

Diese lassen sich im Wesentlichen in drei verschiedene Überlegungsstränge einordnen. Zum einen könnte aus dem geltenden Kartellrecht lediglich ein Effekt, nicht aber ein Grundsatz der Innovationsförderung entnommen werden. Dieser Ansatz bezieht sich vor allem auf die klassischen Wettbewerbstheorien sowie konventionelle Ansätze der kartellrechtlichen Methode. Dies wird zunehmend infrage gestellt, unter anderem durch den sogenannten „more economic approach“, der begrifflich von Vertretern der EU-Kommission geprägt wurde.297 Hieraus könnte sich zum anderen ergeben, dass bereits das geltende Kartellrecht mit seinen Auslegungsmöglichkeiten die Innovationsförderung zulässt oder sogar (mit-)bezweckt. Einher geht hiermit erneut die Frage nach dem rechtstheoretischen Begründungsaufwand für die Einbeziehung wissenschaftlicher industrieökonomischer oder wirtschaftstheoretischer Erkenntnisse. So könnte die Auslegung einerseits eine „unmittelbare“ Einbeziehung ermöglichen, andererseits eine eigenständige rechtswissenschaftliche Begriffsauslegung erfordern.298 Als drittes lassen sich die Möglichkeiten zusammenfassen, die sich von konventionellen kartellrechtlichen Begründungsansätzen lösen und darauf aufbauend sowohl Argumentationsstoff für eine grundsätzliche methodische Umwälzung im Bereich der Plattformen liefern als auch mögliche sektorspezifische Anpassungen im Sinne einer Regulierung in Erwägung ziehen.299

Auch ist eine Abgrenzung zur Verwendung des Begriffs „Wachstum“ erforderlich. So gehört ein „ausgewogenes Wirtschaftswachstum“ gemäß Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 S. 2 EUV zu den Zielen der Europäischen Union und sowohl das europäische wie das deutsche Kartellrecht dienen der Wahrung eines Wirtschaftswachstums. Wachstum meint in diesem Zusammenhang in einem größeren Zusammenhang eine „Entwicklung des Wirtschaftslebens“.300 Dieses wird bei einer wettbewerblich relevanten Veränderung häufig gegeben sein. Wirtschaftliches Wachstum ist nicht in jeder Situation gleichlautend mit Veränderung oder Fortschritt im Wettbewerb. So kann Wachstum durch die selbstständige Vermehrung eines bestimmten Reichtums eintreten, ohne dass es in wettbewerblicher Hinsicht zuvor zu einer Veränderung gekommen ist. Wachstum bedarf nicht zwingend eines Fortschritts, sondern kann in hier gesamtwirtschaftlich zu verstehender Weise auch auf anderem Wege erzielt werden. So könnten außerhalb des Wettbewerbsrechts stehende Umstände zu einer Wohlfahrtssteigerung führen, ohne dass es in wettbewerblich relevanter Weise zu einer Veränderung oder zu einem Fortschritt gekommen ist. Im Umkehrschluss könnten in wettbewerblicher Hinsicht relevante Veränderungen oder Fortschritte bestehen, die nicht zu einem Wirtschaftswachstum führen. Damit zeigt sich bereits die globale und stark politische Betrachtungsweise des Wachstumsbegriffs, der in einem Zusammenhang mit den anderen Zielen der Europäischen Union gelesen werden muss.

251 Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 51f.; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, 2016, S. 11 (14). 252 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 191. 253 Vertiefend die Darstellung bei ebenda, S. 191ff. 254 Eifert, in: Hoffmann-Riem, Innovationen im Recht, 2016, S. 35, S. 44. 255 Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2018, Rn. 152. 256 Hierzu zusammenfassend ebenda, Rn. 155d. 257 Podszun, in: Surblytė, Competition on the Internet, 2015, S. 101 (107f.); Lepore, The Disruption Machine, The New Yorker v. 16.6.2014, https://www.newyorker.com/magazine/2014/06/23/the-disruption-machine (abgerufen 14.12.2019). 258 Dahlmann, Das innovative Unternehmertum im Sinne Schumpeters: Theorie und Wirtschaftsgeschichte, 2017, Fn. 29. 259 Adolf, in: Hilty/Jaeger/Lamping, Herausforderung Innovation, 2012, S. 25 (33); siehe aber auch die Abgrenzung zwischen Innovationsbegriff i.w.S. und dem für die innovationswissenschaftliche Literatur maßgeblichen Innovationsbegriff i.e.S. bei Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 191. 260 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, S. 11 (12); Hoffmann-Riem, Der Staat 2008, S. 588 (589); Kurz, Wirtschaftsdienst 2017, S. 785 (788f.). 261 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, S. 11 (12). 262 Allerdings bezieht sich auch bereits Schumpeter im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Entwicklung auf die „Problemlösung“, wohl aber eher zur Erklärung der wirtschaftlichen Entwicklung als historisch nachvollziehbarer Erklärung, Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1993, S. 89; auch Hoffmann-Riem erkennt dabei einen wirtschaftswissenschaftlichen Innovationsbegriff an, ohne dabei auf ein Problem abzustellen, vgl. Hoffmann-Riem, AöR 2006, S. 255 (257). 263 Andere Darstellungen finden sich bei Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 24; Rammert, in: Howaldt/Jacobsen, Soziale Innovation, 2010, S. 21 (29ff.). 264 Ebenda, S. 21 (29). 265 Adolf, in: Hilty/Jaeger/Lamping, Herausforderung Innovation, 2012, S. 25 (36). 266 Zum deskriptiven Begriff Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2018, Rn. 177. 267 Sidak/Teece, JCLE 2009, S. 581 (603). 268 Grundlegend zur Ausnutzung der Innovation im Wettbewerb Clark, Competition as a dynamic process, 1961, S. 178, hierzu Albach, JBE/ZfB 1989, S. 1338: „Innovation ist durch Wettbewerb gefilterte Kreativität.“. 269 Holzweber, in: Maute/Mackenrodt, Recht als Infrastruktur für Innovation, 2019, S. 41 (43). 270 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 26. 271 Ähnlich auch Holzweber, in: Maute/Mackenrodt, Recht als Infrastruktur für Innovation, 2019, S. 41 (43). 272 Weiterführend Hauschildt, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, S. 29 (33), der eine gradmäßige Messung diskutiert. 273 Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 51. 274 Anders Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, S. 11 (12); Hoffmann-Riem, Der Staat 2008, S. 588 (589); Schumpeter verwendete das „Problem“ wohl lediglich zur Erklärung der wirtschaftlichen Entwicklung als historisch nachvollziehbaren Prozess, nicht aber als bedingungsgebenden Umstand. 275 Vgl. bereits Arndt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, 1952, S. 37, der dies aus dem „schöpferischen Wettbewerb“ entnimmt; ähnlich auch wiederum Kurz, Wirtschaftsdienst 2017, S. 785 (788ff.). 276 A.A. vgl. bei Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 52, der die Innovation als wirtschaftliche Umsetzung einer Innovation beschreibt, was zu einem engen und an eine erfinderische Tätigkeit gekoppelten Verständnis der Innovation entspricht, die unter wettbewerblichen Gesichtspunkten nicht vertretbar erscheint. Stattdessen können auch andere Aspekte als die bloße wirtschaftliche Verwertung einer Erfindung zu einer Anerkennung als Innovation führen, zum Beispiel „trendiness“ oder „coolness“, vgl. auch Kommission, Entsch. v. 3.10.2014 – COMP/M.7217 (Facebook/WhatsApp), ABl. C 417, 4, Rn. 89; dies scheint auch Wolf anzuerkennen, indem er für eine inhaltliche Innovationshöhe ausspricht, vgl. Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 53 mit Verweisen auf Albach, JBE/ZfB 1989, S. 1338; Albach, JBE/ZfB 1993, S. 123 (129f.). 277 Vgl. Wieddekind, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, 2002, S. 134 (151), der hier von einer „endogenen“ Erzeugung der Innovation aus dem System des Marktes heraus spricht; siehe schon Albach, JBE/ZfB 1989, S. 1338; Albach, JBE/ZfB 1993, S. 123 (129f.). 278 Eine derartige Signifikanzschwelle fordert jedenfalls Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schneider, Rechtswissenschaftliche Innovationsforschung, 1998, S. 11 (12). 279 Adolf, in: Hilty/Jaeger/Lamping, Herausforderung Innovation, 2012, S. 25 (32). 280 Rammert, in: Howaldt/Jacobsen, Soziale Innovation, 2010, S. 21 (32). 281 Adolf, in: Hilty/Jaeger/Lamping, Herausforderung Innovation, 2012, S. 25 (29); Im Ergebnis so auch Neef, in: Hilty/Jaeger/Lamping, Herausforderung Innovation, 2012, S. 65 (70f.), wenn auch dieser zunächst Innovation als Ergebnis des Wettbewerbsprozesses und einer mehrheitlichen Anerkennung sieht, was sich im Rahmen des dort vertretenen statischen Gleichgewichtsverständnisses bewegt. Dies muss für ein allgemeines Verständnis der Innovation nicht zwingend sein. Ausreichend ist jeweils bereits die subjektiv-individuelle Bereicherung für Einzelne, wenn diese daraus Wert schöpfen können. In einem nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob und inwiefern eine qualitative Bewertung der Innovation selbst in kartellrechtlichen Sachverhalten möglich ist. 282 Dass dies bei einer Vielzahl der mittlerweile bereits etablierten Innovation nicht der Fall ist, lässt sich an einem Beispiel aus der Unterhaltungsindustrie verdeutlichen. Für den Anbieter bestimmter Inhalte mag es zwar unter anderem darum gehen, Gewinne zu erwirtschaften oder ein bestimmtes Thema zu diskutieren. Insofern könnten als zu gering empfundene Gewinne unter ein derart weites Problemverständnis fallen. Es wäre aber zu weit gegriffen, den fehlenden Diskurs über das Thema oder nicht ausreichend hohe Gewinne als Problem darzustellen. Noch plakativer kann dies durch die Sichtweise des Nutzers von Medieninhalten veranschaulicht werden. Wollte man tatsächlich auf ein Problem und seine Lösung für den Nutzer abstellen, könnte man also zu dem Schluss kommen, durch Unterhaltung werde das Problem der Langeweile gelöst. Dies lässt sich auf die weiteren bereits dargestellten Entwicklungen in der Internet-Technologie übertragen. 283 Zum normativen Begriff Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 2018, Rn. 180. 284 Rammert, in: Howaldt/Jacobsen, Soziale Innovation, 2010, S. 21 (32f.). 285 Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 51. 286 Simonis, in: Sauer/Lang, Paradoxien der Innovation, 1999, S. 149 (152). 287 Belleflamme/Peitz, Industrial Organization, 2010, S. 481f. unterscheiden hierbei zwischen drastischen und nicht-drastischen Innovationen; ähnlich Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 54. 288 Adolf, in: Hilty/Jaeger/Lamping, Herausforderung Innovation, 2012, S. 25 (28ff.); anders dagegen sehen Grundmann/Möslein, ZfPW 2015, S. 435 (440) hier begriffliche Übereinstimmungen. 289 Albach, JBE/ZfB 1989, S. 1338. 290 Zimmerlich, Marktmacht in dynamischen Märkten, 2007, S. 30; Vgl. hierzu Kurz/Sturn, Schumpeter für jedermann, 2012, S. 119, die bei der bloßen Erfindung in Bezug auch Schumpeter bereits kein „wirtschaftliches Gewicht“ sehen; vgl. zudem Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 52, der die Erfindung als technische Lösung eines Problems und demgegenüber die Innovation als wirtschaftliche Umsetzung einer Erfindung beschreibt. Letzteres ist allerdings ebenso zu kurz gegriffen, da nicht allein die Erfindung Grundlage der Innovation ist. 291 Haucap/Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 2013, S. 136; vgl. Wolf, Kartellrechtliche Grenzen von Produktinnovationen, 2004, S. 52; Hornung, Grundrechtsinnovationen, 2015, S. 337ff. 292 Adolf, in: Hilty/Jaeger/Lamping, Herausforderung Innovation, 2012, S. 25 (36). 293 Meessen, JZ 2009, S. 697 (698). 294 Holzweber, in: Maute/Mackenrodt, Recht als Infrastruktur für Innovation, 2019, S. 41 (45), der Immaterialgüterrechte als „geronnene Innovationsleistungen“ bezeichnet, wobei dieser Vergleich aufgrund der biologischen Besonderheiten des Blutgerinnungsprozesses wiederum in rechtlicher Hinsicht eine Angrenzung erlaubt. Denn als solche sind Immaterialgüterrechte jedenfalls mit Ablauf der Neuheit keine Innovationen mehr, sondern lediglich einfachgesetzlich ausgestaltete Ausformungen des Freiheitsrechts auf Eigentum. 295 So schon von Hayek, in: Kerber, Die Anmaßung von Wissen, 1996, S. 76 (85). 296 Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7, Rn. 13ff. 297 Ebenda, Rn. 17. 298 Vgl. hierzu bereits Wieddekind, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, 2002, S. 134 (141). 299 Teilweise auch bewusst verächtlich als „Hipster Antitrust“ bezeichnet, vgl. die Übersicht bei Khan, JECLaP 2018, S. 131; Khan, YLJ 2017, S. 710; Dorsey/Rybnicek/Wright, CPI AC 2018, S. 21 (22); In der US-amerikanischen Debatte über Wettbewerbspolitik und Kartellrechtsdogmatik der Internet-Plattformen wird dieser Ansatz vor allem als Durchbrechung des Konzepts der Konsumentenwohlfahrt angesehen, die im Folgenden noch vorgestellt wird. Da dieser vor allem aus Gründen unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Ausrichtungen nicht in der harten Form in Europa angewendet wird, lässt sich die derzeitige wissenschaftliche Auseinandersetzung in den USA nicht in der dort vorliegenden Kontradiktion auf die europäische Kartellrechtsdogmatik und – politik übertragen. 300 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 3 EUV, Rn. 23.