Kitabı oku: «Anna das Mädchen aus Dalarne», sayfa 4

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Als Mutter und Tochter von Jobs-Erik in ihre Kammer zurückgekehrt waren, wollte Anna, sie sollten jetzt zu der Mutter Ingeborg im Rishof gehen, sie sollte die nächste sein, die von dem großen Wunder Bescheid erhielt. Aber davon wollte die alte Berit nichts hören.

Allerdings lag der Rishof dicht beim Jobshof, und allerdings hatte die nachbarliche Freundschaft niemals öffentlich einen Bruch erlitten, so daß die Leute etwas davon wußten; aber sie war doch immerhin nicht so gut, wie sie hätte sein sollen.

Mutter Ingeborg war Witwe, und obgleich sie den besten Hof in Medstuby zu eigen hatte, ging es ihr doch recht sorgenvoll, weil kein Mann auf dem Hofe war und sie für alle Außenarbeit gedingte Leute haben mußte. Ihr einziges Streben und Trachten ging dahin, den Hof so lange zu halten, bis ihre Söhne erwachsen wären, denn dann würden ja alle Schwierigkeiten von selbst verschwinden. Und wer ihr zu diesem Ziele verhalf, das war in allererster Linie ihre Schwester Karin. Der ganze Ort wußte, daß sie das Geld für die Löhne und Steuern ins Haus schaffte. Aber die Ris-Karin hatte kein so großes Glück mehr beim Handel gehabt, seit Anna Svärd mit dem Ranzen auf dem Rücken umherzog. Und es war den Leuten vom Rishof wohl anzumerken gewesen, daß sie gegen die Leute des Jobshofs feindselig gesinnt waren, vor allem gegen Anna und ihre Mutter.

Als nun Mutter Svärd mit diesen Bedenken herausrückte, sagte indes die Tochter, es sei nun an der Zeit, dieser Feindschaft ein Ende zu machen, und gerade deshalb wolle sie hinüber zu Ris-Ingeborg. Die Mutter könne ja zu Hause bleiben, wenn sie keine Lust dazu habe, aber sie selbst werde jedenfalls hingehen.

Nun ja, sie setzte ihren Willen durch, und Mutter Svärd ging mit. Sie dachte, sie könne am Ende doch von Nutzen sein.

Anna Svärd war ganz bestürzt, als sie auf dem Rishof in die große Stube hineinkam. Sie war in den letzten Jahren nicht mehr auf dem Hofe gewesen, und so hatte sie vergessen, wie schön es da war. Jede Fläche an der Wand, die nicht von den Schränken oder der hohen Standuhr verdeckt wurde, war mit biblischen Malereien geschmückt. Mitten auf der Leinwand sah sie Joseph, der in einer vierspännigen Kutsche mit Kutscher und Diener seinem Vater Jakob entgegengefahren kam, und über dem breiten Fenster zeigte sich eine kleine Jungfrau Maria, die sich vor dem in goldstrotzender Uniform und einem Dreispitz auf dem Kopfe dicht vor ihr stehenden Engel des Herrn verneigte. Anna Svärd nahm sowohl das erste wie das andere Bild für eine gute Vorbedeutung. Es war ihr lieb, wenn sie an solche Menschen erinnert wurde, denen durch Gottes Wundermacht aus ihrer Niedrigkeit herausgeholfen worden war.

Mutter Ingeborg auf dem Rishof war eine schöne und friedliebende Frau. Sie gehörte zu denen, die es verstehen, alles schön um sich herum zu gestalten. Fast immer war sie mit einer zierlichen Handarbeit beschäftigt. Jetzt eben saß sie am Tisch und hatte einen Fausthandschuh, den sie mit kleinen Blättern benähte, über die Hand gezogen.

Es lag vielleicht etwas Zurückhaltung in ihrem Benehmen, aber von dem abgesehen, empfing sie die alte Berit und deren Tochter ganz wie sonst. Sie ging ihnen entgegen, gab ihnen die Hand und forderte sie auf, sich auf der Bank unter dem Fenster niederzulassen. Dann setzte sie sich wieder an den Tisch und nahm ihre Arbeit von neuem auf.

Zuerst herrschte eine Weile vollkommenes Schweigen, und Anna dachte, nun überlegte Ingeborg wohl, ob die beiden Gäste erwarteten, zum Kaffee eingeladen zu werden. Aber das kam ihr gewiß gar nicht gelegen. Sollte sie die zum Kaffee einladen, die ihrer Schwester den Verdienst wegnahmen?

Nachdem eine passende Zeit verstrichen war, begann Anna das Gespräch, indem sie erzählte, sie sei auf dem Heimwege mit Karin zusammengetroffen, und so habe sie gemeint, sie wolle im Rishof hereinschauen, um Grüße von Karin zu bestellen und zu berichten, daß diese frisch und gesund sei.

»'s mir sehr recht, daß sie g'sund ist«, sagte Ingeborg, »'s Wichtigst' von allem ist G'sundheit.«

»Ja, die ist für alle notwendig«, beeilte sich Mutter Svärd zu bekräftigen; »ganz besonders für den, der auf der Landstraß' 'rumstreifen muß.«

»Da hast du recht, Berit«, stimmte Ingeborg zu.

Danach trat eine Pause in dem Gespräch ein, und Anna dachte, nun frage sich Ingeborg wieder, ob sie den beiden Gästen Kaffee anbieten müsse. Aber dazu konnte sie sich nicht überwinden. Sie war ja nur mit einem Gruß von der Schwester gekommen. Zum Kaffeeanbieten gehört mehr.

Darauf sagte Anna Svärd, sie wäre nicht so mitten am Nachmittag gekommen und hätte Ingeborg in der Arbeit gestört, wenn sie nicht noch etwas anderes als nur einen Gruß zu bringen hätte. Als sie sich trafen, sei Karin von Norden her gekommen mit ihrem Ranzen noch ganz voller Waren, während sie, Anna, von Süden her schon alle ihre Waren verkauft gehabt habe. Deshalb habe sie Karin ihren ganzen Vorrat abgekauft, und als sie sich trennten, sei Karin eiligst nach Karlstadt aufgebrochen, um sich neuen Vorrat zu kaufen, ehe sie sich nach den Jahrmärkten begab.

Die beiden Schwestern, Karin und Ingeborg, hatten das gemeinsam, daß sie blaurot im Gesicht wurden, wenn sie erregt waren. Und jetzt hörte Ingeborg zu mit einem Gesicht so rot wie ein blühender Heidehügel. Sonst aber merkte man ihr nicht an, ob sie von der Nachricht besonders ergriffen war. Nur mit ein paar Worten sagte sie, es sei ja gut, daß Karin Anna getroffen und ihre Waren an sie habe verkaufen können,

»'n größeres Glück war's aber doch woll für Anna, daß sie sich auf 'm Heimweg wieder Vorrat kaufen konnt'«, warf Mutter Svärd ein.

Es fiel nicht leicht, das Gespräch in Gang zu erhalten. Wieder trat Schweigen ein, und Anna Svärd dachte in ihrem Herzen, nun überlegte Ingeborg, ob sie den Gästen nicht doch Kaffee anbieten müßte. Aber sie hatte keine rechte Lust dazu. Das Mädchen vom Jobshof war ja doch nur gekommen, um damit zu prahlen, daß sie der Alten vom Rishof hatte aushelfen können. Nein, sie konnte sich nicht entschließen, dieses Mädchens wegen den Kaffeekessel aufzusetzen.

Doch nun erklärte Anna, daß sie nicht nur deswegen auf den Rishof herübergekommen sei. Denn seht, bei dem Kaufe hatte sie etwas dazubekommen, das nicht ihr gehörte. Die beiden Händlerinnen hatten nicht so genau nachgesehen, sondern einfach alles, was in Karins Ranzen war, herausgenommen und es in Annas hineingesteckt. Aber am nächsten Tag, als Anna ihre Waren in einem Bauernhaus ausbreitete, siehe, da steckte ein Fünftalerschein in einem seidenen Tüchlein.

Zugleich griff Anna in die Tasche und zog den Fünftalerschein heraus. Sie strich ihn glatt und legte ihn auf den Tisch vor Ingeborg hin. Da wurde die Frau vom Rishof noch röter im Gesicht als vorher.

»Aber 's ist doch fast nit möglich, daß d' Schwester so nachlässig mit 'm Geld umgeht?« sagte sie. »Sie läßt doch gar nie 'nen Fünftalerschein offen im Ranzen lieg'n. Es g'hört ihr vielleicht gar nit.«

»Ja, 's wäre möglich«, erwiderte Anna. »Der Fünftalerschein hat vielleicht schon vorher in dem seid'nen Tuch g'legen. Ich glaub' fast auch, daß sie gar nix davon gewußt hat.«

Jetzt endlich legte Ingeborg ihre Arbeit weg. Sie schaute Anna verwundert an.

»Aber wenn du meinst, Karin wiss' nix von dem Schein, dann hätt'st ihn ja b'halten können. Du hatt'st ja alles kauft, was in dem Ranzen war'.«

»Mir aber g'hört er jedenfalls nit«, versetzte Anna Svärd. »Und ich möcht' dich bitten, ihn aufz'heben, bis d' Karin heimkommt.«

Darauf erwiderte Ingeborg nichts, und Anna Svärd dachte, nun frage sie sich abermals, ob sie nicht doch gezwungen sei, den Gästen Kaffee anzubieten, sowenig sie auch die beiden leiden könne.

Kaum hatte Anna diesen Gedanken zu Ende gedacht, als Ingeborg sich auch schon entschlossen hatte.

»Ich möcht' euch gern mit Kaffee aufwart'n«, sagte sie. »Aber zu meiner Schand' muß ich g'stehn, daß ich gar kein' echten Kaffee im Haus hab'; 's wird nur so 'ne Malz-Zichorienbrüh' werd'n.«

Damit stand sie auf und ging in die Küche. Der Kaffee kam dann auch nach einiger Zeit herein, und es wurden eine und auch zwei Tassen getrunken, aber Ingeborg war und blieb fortgesetzt zurückhaltend. Sie bewirtete die Gäste zwar mit dem Besten, was sie hatte, aber sie tat es widerwillig, das bemerkten die beiden wohl.

Erst als alles vorüber war, machte Anna ihrer Mutter ein kleines Zeichen, und nun begann die Alte sofort.

»Anna ist 'n bißchen genierlich, es selbst zu sag'n«, fing sie an. »Aber 's ist was Wunderbares g'schehen. Sie soll drunten im Wärmland 'nen Pfarrer heiraten.«

»Was sagst!« rief Ingeborg. »Soll sie heiraten? Dann wird sie woll nit …«

Sie stockte, weil sie sehr zartfühlend war. Sie wollte nicht merken lassen, daß sie gleich daran dachte, welchen Vorteil das für sie selbst haben könnte.

Aber Mutter Svärd antwortete auf die nur halb ausgesprochene Äußerung. »Ne«, sagte sie, »d' Anna wird nimmer mit'n Kramsack 'rumziehen. Sie kriegt 'nen Pfarrhof und Pferd und Kuh, Magd und Knecht.«

Ingeborg lächelte mit dem ganzen Gesicht. Das war eine herrliche Nachricht.

Sie stand auf und verneigte sich. »Ja, aber um's Himmels willen, warum hast's denn nit gleich g'sagt? Traktier ich 'ne künftig' Pfarrfrau mit Malzkaffee! Bleibt doch da, ich will gleich untersuch'n, ob ich nit doch irgendwo noch 'ne Tüte richtig'n Kaffee liegen hab'. Setzt euch, setzt euch, bitte, bitte!«

Die Frau Schultheiß

Als Anna Svärd einige Wochen daheim gewesen war, ging sie eines Tages mit ihrer Mutter nach dem Hofe des Amtsvorstandes Schultheiß Ryen, der eine kleine Strecke nördlich von Medstuby lag, und da baten sie um eine Unterredung mit der Frau Schultheiß. Sowohl Jobs-Erik als auch Ris-Ingeborg wußten von dieser Absicht und billigten sie. Ingeborg war jetzt ihre beste Freundin, und sie war eifrig darauf aus gewesen, daß Anna und ihre Mutter nach dem Schulzenhof gingen, wenn sie es nicht geradezu gewesen war, die den ganzen Plan ins Werk gesetzt hatte.

Mutter und Tochter kamen also auf den Schulzenhof; sie gingen durch die Küche ins Haus, was die alte Berit durchaus wollte, obgleich Anna meinte, eine künftige Pfarrfrau müßte eigentlich durch die Vordertür eintreten. Von der Küche wurden sie in die Küchenstube geführt, wo die Frau Schultheiß eben die auf einem großen Klapptisch ausgebreitete Wäsche zählte. Sie zog die Augenbrauen ein wenig hinauf, als die beiden eintraten, und sah nicht besonders erfreut aus. Die Geschichte, daß Anna Svärd einen Pfarrer heiraten werde, hatte sie natürlich auch schon gehört, und sie war klug genug, zu erraten, was die beiden Frauen von ihr wollten. Aber deshalb nahm sie sie selbstverständlich doch freundlich auf. Sie begrüßte sie, gab ihnen die Hand und bat sie, sich zu setzen, damit sie in aller Ruhe ihre Wünsche vorbringen könnten.

Mutter Svärd sollte das Wort führen, so war es im voraus bestimmt worden. Ris-Ingeborg hatte gesagt, so sei es am passendsten, und sie hatte die Mutter außerdem ermahnt, nicht zu viele Umschweife zu machen, sondern geradeswegs auf die Sache loszugehen. Anna Svärd saß also still dabei und hörte zu, während die alte Berit sagte, sie seien gekommen, um zu fragen, ob nicht Anna zu einer Art Ausbildung einige Monate auf den Schulzenhof kommen könnte. Sie solle einen Pfarrer drunten in Wärmland heiraten, und da müsse sie doch lernen, wie es in einem Herrenhause zugehe.

Frau Ryen war klein und beweglich; sie hatte kleine, scharfe Augen, war aber sonst durchaus nicht häßlich, sondern sah sehr liebenswürdig aus. Sie war außerordentlich lebhaft und konnte nie ganz still sitzen. Solange Berit redete, zählte sie nebenbei eine Beuge Handtücher durch. Sie verzählte sich nicht ein einziges Mal, sondern legte Dutzend um Dutzend auf die Seite. Und obgleich sie nur mit einem Ohr zugehört hatte, war sie gleich mit der Antwort parat.

»Ich habe schon von dieser Heirat reden hören«, sagte sie. »Aber die Sache gefällt mir nicht, und ich will nichts damit zu tun haben.«

Kann man sich verwundern, daß die beiden Gäste außerordentlich überrascht waren und kein Wort mehr hervorbrachten? Nun waren sie seit Annas Heimkehr die ganze Zeit vollauf damit beschäftigt gewesen, von Hof zu Hof zu gehen, um Kaffee zu trinken und das zu verhandeln, was zu Werbung und Hochzeit gehört. Wohin sie auch gekommen waren, überall hatten die Leute gesagt, dies sei das Vergnüglichste, was sie seit langer Zeit gehört hätten, und es sei eine Ehre für Medstuby, wenn ein Mädchen vom Orte zur Pfarrfrau erhöht werde. Ja, einige hatten geradeheraus gesagt, früher hätten sie sie nicht leiden können, weil sie Jobs-Erik allzu ähnlich sei und nur ans Geld gedacht habe. Jetzt aber sei sie wie ein umgedrehter Handschuh, nun sei sie so fröhlich und vergnügt, wie ein junges Mädchen sein solle. Wieder andere hatten sich hauptsächlich daran gehalten, daß Berit auf ihre alten Tage eine Heimat bei der Tochter haben werde. Aber überall hatte dieselbe Befriedigung geherrscht. Und nun kam die Frau Schultheiß, ja, die Frau Schultheiß selbst daher und sagte, sie wolle nichts mit dieser Heirat zu tun haben!

Frau Ryen sah, wie niedergeschlagen die beiden dasaßen, und da meinte sie wohl, sie müsse eine kleine Erklärung abgeben.

»Es ist nicht das erstemal, daß ein schönes Mädchen einen vornehmen Herrn heiratet«, sagte sie. »Aber solche Heiraten fallen selten gut aus. Du, Berit, solltest meiner Ansicht nach Anna raten, den Gedanken an diese Heirat aufzugeben.«

Als Frau Ryen das gesagt hatte, war es, als erwache Anna Svärd wie aus einem Traume. Während der letzten Tage waren die jungen Männer und die Mädchen aus Dalarne, die zur Sommerarbeit auswärts gewesen waren, allmählich wieder nach Medstuby zurückgekehrt. Von den jungen Mädchen, die fortgewesen waren, hatten einige Gartenarbeit übernommen gehabt, andere hatten in Stockholm die Leute über den Nordstrom hinübergerudert, viele hatten in den Brauereien Flaschen gespült; aber überall hatten sie immer nur die tägliche Arbeit gehabt, sonst hatten sie nichts erlebt. Als sie nun hörten, was einem alles draußen in der Welt begegnen konnte, da glänzten ihre Augen, und Anna mußte einmal ums andere erzählen, wie der junge Pfarrer auf der Landstraße auf sie zugekommen war, was er gesagt hatte und was sie gesagt hatte. Die jungen Dalburschen aber hatten den Bericht auf andere Weise aufgenommen. Bis jetzt hatten sie durchaus kein Wesen aus Anna gemacht, jetzt aber sagten sie, sie könnten nicht begreifen, wo sie ihre Augen gehabt hätten. Kaum war Anna mit einem von ihnen allein, als er auch schon herausstieß, falls den Pfarrer dort drunten in Wärmland der Reukauf ankomme, brauche sie sich deshalb nicht zu grämen. Der hier auf der Dorfstraße an ihrer Seite gehe, sei bereit, ihr vollen Ersatz zu bieten.

Aber hier kam nun die Frau des Schulzen daher und sagte, sie solle nicht an eine Heirat mit einem vornehmen Manne denken. Sie war wohl zu gewöhnlich für ihn. Ja, das meinte die Frau Schultheiß wohl.

Anna sagte kein Wort. Sie stand nur von der Bank auf, und Mutter Berit tat dasselbe. Die Frau Schultheiß schüttelte ihnen ebenso freundlich die Hand wie bei ihrer Ankunft und begleitete sie auch hinaus. Ob sie das tat, weil sie meinte, die Dienstboten brauchten es nicht zu sehen, wenn die beiden niedergeschlagen und entmutigt fortgingen, oder ob sie es aus einem andern Grunde tat, wußten die Gäste nicht; aber sie geleitete sie durch den Saal und den Flur, wodurch sie des Weges durch die Küche enthoben wurden.

Als Anna mit der Mutter auf der Landstraße dahinwanderte, dachten beide, dies sei das schlimmste, was ihnen geschehen konnte, nämlich die Weigerung der Frau Schultheiß. Wenn es die Pröpstin gewesen wäre, die ihnen einen solchen Bescheid gegeben hätte, dann hätte es nichts bedeutet. Aber seht, die Frau des Schultheißen war überaus hochgeachtet in Medstuby. Die Leute richteten sich in allem nach ihr. Wenn sie sah, daß ein Bursche und ein Mädchen füreinander paßten, dann verheiratete sie sie einfach miteinander, und damit war die Sache erledigt. Und wenn die Männer auf zwei benachbarten Höfen in Streit gewesen waren und darum prozessieren wollten, flugs war die Schultheißin da und zwang sie zu einem Vergleich.

Eigentlich hatte es ja gar nichts zu bedeuten. Frau Ryen hatte weder über Anna noch über deren Mutter Gewalt, jedenfalls aber meinte Anna jetzt, wenn die Frau Schultheiß nicht wolle, daß sie einen vornehmen Herrn heirate, dann sei auch die ganze Sache abgetan und erledigt.

All die Schwermut, die Anna durch ihre harten Kinderjahre im Gemüt saß, wollte aufs neue über sie herfallen; aber sie mußte doch bald genug wieder zurückweichen, denn am selben Tage noch bekam Anna einen Brief. Sie konnte ihn zwar nicht lesen, aber sie wußte ja, von wem er war. Sie trug ihn uneröffnet in der Tasche und dachte an ihn, der ihn geschrieben hatte.

Seine eigenen Eltern hatten ja auch gemeint, sie sei nicht gut genug für ihn, aber er hatte ihnen männlich widerstanden, und er würde es wohl auch mit der Frau Schultheiß in Ordnung bringen.

Am andern Morgen tat sie ganz dasselbe, was andere in Medstuby taten, wenn sie mit Briefen belästigt wurden: sie ging zum Kantor Medberg und bat ihn, ihr den Brief vorzulesen.

Der Kantor hielt sich eben im Schulzimmer neben der Küche auf. Da hatte er einen überaus großen Tisch, der die halbe Stube einnahm, und rings um den Tisch herum saßen kleine Burschen, die lesen lernten, ja geradezu Gedrucktes in Büchern!

Der Kantor nahm den Brief, schnitt vorsichtig das Siegel auf und warf einen Blick auf die Unterschrift. Diese war deutlich und klar, da war nichts dagegen zu sagen, und mit lauter Stimme las er alles vor, was in dem Briefe stand.

Es fiel ihm nicht ein, die Kinder hinauszuschicken; diese blieben sitzen und lauschten den schönen Liebesworten, die der Bräutigam schrieb. Es ist nicht unmöglich, daß der Kantor dachte, es sei nützlich für die Jungen, wenn sie hörten, wie leicht er über einen geschriebenen Text Herr wurde. Es hätte sich nicht gelohnt, wenn Anna ihn gebeten hätte, er solle warten und ihr den Brief ein andermal vorlesen, denn er hätte sie dann womöglich gleich aufgefordert, ihres Weges zu gehen und ihren Brief selbst zu lesen.

Während der Kantor vorlas, wollte Anna nur an das denken, was in dem Briefe stand; sie konnte es aber doch nicht lassen, dabei die Jungen zu beobachten. Selbstverständlich hatten diese ihren Spaß dabei. Mit feuerroten Gesichtern und aufgeblasenen Wangen saßen sie da auf ihren Stühlen und kämpften mit der Lachlust.

Seit dem Besuch auf dem Schulzenhof war Anna innerlich beunruhigt. Mit der früheren Freude und Sicherheit war es vorbei. Warum sollte sie sich verwundern, wenn die Jungen lachten? Sie war es ja nicht wert, daß der Bräutigam so an sie schrieb.

Ein paar Tage lang wartete sie und fragte sich nur, was sie antworten solle. Sie wollte ihm sagen, sie sei zu der Überzeugung gekommen, daß sie nicht für ihn passe und daß seine Eltern sehr recht gehabt hätten, er dürfe nicht mehr an sie denken.

Als sie fertig war und in Gedanken einen langen Brief aufgesetzt hatte, ging sie wieder zum Kantor Medberg. Sie war diesmal vorsichtig und kam am Nachmittag, wo die Jungen nicht da waren. Sofort ließ sich der Kantor an dem großen Tisch nieder, um nach ihrem Diktat zu schreiben, und es schien auch ganz gut zu gehen. Er ließ sie sagen, was sie wollte, und unterbrach sie nicht. Der gute Kantor führte die Feder mit Kraft und Nachdruck, und der Brief war im Handumdrehen fertig.

Danach las er ihr ihn vor; aber da mußte sie sich doch ein wenig verwundern. Seht, Kantor Medberg hatte in seinem Leben viele Liebesbriefe geschrieben, und was ein solcher eigentlich enthalten sollte, das wußte er besser als so ein Mädel, das noch nicht weiter gekommen war als bis zu dem ersten Brief. Und er kümmerte sich beim Schreiben nicht darum, was so ein armes, unerfahrenes Wurm ihm diktierte. Er hatte also so angefangen:

Es freue die Briefschreiberin zu hören, daß sich der Bräutigam bei guter Gesundheit befinde, was das Allerbeste von allem Guten sei, und darüber verbreitete er sich die ganze erste Seite lang. Alsdann sprach er davon, wie unsäglich sie sich nach ihm sehne, jeder Tag sei so lang wie ein Monat, jeder Monat wie ein Jahr. Und auch dieses schmückte er noch lang und breit aus. Zum Schluß versicherte er, der Bräutigam könne sich auf Treue verlassen, und ermahnte ihn zugleich, sie nicht im Stich zu lassen, denn dann würde sie viele kummervolle Nächte haben, so viele »als wie Nüss' am Baume sind oder Blätter an der Lind', wie der Sand am Meeresgrund, wie die Sterne ohne Zahl an dem hellen Himmelssaal«.

Als Anna den Kantor fragte, warum er nicht das geschrieben, was sie ihm diktiert habe, fragte er sie dagegen, ob sie glaube, er wisse nicht, wie ein Liebesbrief geschrieben werden müsse? Es gehe durchaus nicht an, einen Unsinn zu schreiben, wie sie ihn zusammengesetzt habe. Sie solle nur nicht vergessen, daß es ein Pfarrer sei, an den sie schreibe.

Damit mußte sie sich zufriedengeben; der Brief wurde zusammengefaltet, versiegelt und so, wie er war, abgeschickt. Aber was würde der Bräutigam denken, wenn er ihn erhielt? Anna Svärd fühlte ihre Unwürdigkeit und Niedrigkeit stärker als je vorher.

Zum drittenmal ging sie zum Kantor Medberg und fragte ihn, ob er ihr Unterricht im Lesen und Schreiben geben wollte. Er verhehlte ihr nicht, daß er sie für zu alt hielt, um so schwere Künste noch zu erlernen; doch Anna überredete ihn, sie doch einen Versuch machen zu lassen. Nun sollte sie am nächsten Vormittag zur gleichen Zeit wie die kleinen Bürschchen kommen.

Auf diese Weise kam es, daß Anna Svärd einige Wochen später an dem großen Tisch des Kantors mit dem Gänsekiel in der Hand und Papier vor sich nach Vorschrift schrieb: »Morgenstund' hat Gold im Mund.«

Es war eine verzweiflungsvolle Arbeit. Sie hielt den dünnen Gänsekiel mit ihrer ganzen Kraft fest, drückte die Spitze so stark auf, daß die Tinte in kleinen Tropfen aufs Papier spritzte, und zeichnete große, wunderliche Krakelfüße anstatt Buchstaben.

Auch in anderer Weise war es eine verzweiflungsvolle Arbeit. Denn sie hatte ja kein anderes Ziel im Auge, als dem Verlobten, sobald sie sich die schwer erworbene Gelehrsamkeit angeeignet hatte, zu schreiben, daß sie seiner unwürdig sei und daß er sich Anna Svärd aus dem Kopfe schlagen solle.

Aber obgleich sie sich für eine so traurige Sache anstrengte, könnte doch niemand sagen, sie habe nicht ihr Bestes getan. Sie setzte ihre ganze Kraft ein, wie wenn es sich darum gehandelt hätte, eine Tonne Roggen aufzuheben. Jedes Wort kostete sie eine fürchterliche Anstrengung, und sie mußte die Feder weglegen und sich verschnaufen, ehe sie ein neues begann.

»Die Feder muß lose und mit geraden Fingern gehalten werden«, sagte der Kantor. Aber sie fühlte, der Gänsekiel ließ sich nicht festhalten, wenn sie ihn nicht so zwischen die Finger preßte, daß die Knöchel an der Hand weiß hervortraten. Schließlich war sie der ganzen Sache vollkommen überdrüssig, und sie wollte schon auf und davon gehen, als die Tür sich öffnete und die Frau Schultheiß in das Schulzimmer hereintrat. Sie war ganz wie sonst, eifrig und beweglich, und gekommen, um mit Kantor Medberg die Angelegenheiten des Dorfes zu besprechen. Als sie nun Anna Svärd mitten unter den kleinen Jungen sitzen und so eifrig schreiben sah, daß die Tinte um die Feder spritzte, wurde ihr großes Interesse geweckt.

»Ach so«, sagte sie, »wie ich sehe, hast du dir die Pfarrfrau noch nicht aus dem Sinn geschlagen.«

Anna Svärd erwiderte nichts, aber der Kantor murmelte ein paar Worte, sie könne ja keine Pfarrfrau werden, wenn sie nicht wenigstens schreiben gelernt habe, sonst werde sie dieser Auszeichnung wohl verlustig gehen müssen.

Die Jungen grinsten aufs neue; aber die Frau Schultheiß warf ihnen einen Blick zu, der sie plötzlich ernst machte. Dann beugte sie sich über Anna vor und betrachtete deren Papier, wo die Schriftzeilen nach allen Seiten hinausstrebten wie die Pfähle an einem eingestürzten Gartenzaun.

»Was schreibst du da?« fragte die Frau Schultheiß. »Laß mich sehen! Morgenstund' hat Gold im Mund. Wart ein wenig! Gib mir die Feder!«

Sie lachte, neigte sich über den Tisch vor und überlegte mit dem Gänsekiel an den Lippen.

»Wie heißt dein Bräutigam? Ja so, Karl Artur. Schau her, dann wirst du sehen!« Und mit großen, runden Buchstaben setzte sie den Namen aufs Papier.

»Kannst du lesen, was ich geschrieben habe? Hier steht ›Karl Artur‹. Versuch es, diesen Namen zu schreiben. Du wirst sehen, es geht, wenn du ihn liebhast.« Hierauf drückte sie Anna die Feder wieder in die Hand, und dann nahm sie den Kantor mit in die Küche, um allein mit ihm zu reden.

Anna starrte den schönen Namen an, den Frau Ryen geschrieben hatte. Sie wollte ihn ganz nach Vorschrift schreiben, aber sie brachte es durchaus nicht zustande. Da warf sie die Feder weg.

Nach einer Weile kam Frau Ryen mit dem Kantor wieder in die Schulstube herein.

Da drinnen war es grabesstill. Die Jungen grinsten nicht mehr, aber sie beschäftigten sich auch nicht mit dem Abc-Buch. Sie beugten sich alle weit über den Tisch vor, um etwas Merkwürdiges zu betrachten, womit Anna beschäftigt war.

Lächelnd und glücklich arbeitete diese mit eifrigen Fingern. Als der Kantor mit Frau Ryen eintrat, versteckte sie ihre Handarbeit, an der sie nähte, unter dem Tisch.

»Her damit! Zeig es mir!« gebot Frau Ryen.

Und da bekamen alle ein Wunderwerk zu sehen. Anstatt Gänsekiel und Tinte hatte Anna aus ihrer Tasche Nadel und Faden genommen sowie einen kleinen Lappen, in den sie die Buchstaben hineingenäht hatte. Und siehe, sie waren ebenso wohlgeformt wie die der Frau Schultheiß; und in ihrer Freude darüber, daß sie den Namen des Geliebten sticken konnte, hatte sie ihn mit einem kleinen Blumenkranz umgeben.

Frau Ryen betrachtete die Arbeit und legte dann den Finger an die Nase, wie sie es zu tun pflegte, wenn sie etwas Wichtiges überlegen mußte.

»Ei, sieh mal an! Liebst du ihn doch so sehr?« sagte sie. »Das wußte ich nicht. Ich glaubte, du Kind dächtest nur an den Pfarrhof und an den Frauentitel. Du kannst morgen bei mir einziehen, dann will ich versuchen, einen ordentlichen Menschen aus dir zu machen.«

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