Kitabı oku: «Der Mensch und seine Grammatik», sayfa 11

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2.4 Dynamische Aspekte eigenstruktureller HinweiseHinweiseigenstrukturell
2.4.1 Die Beziehunginstruktive Mittel der eigenstrukturellen Hinweise zueinander

Für unsere vorgestellten Interpretinnen sind auf der einen Seite die KasusKasus- und KongruenzmorphologieKongruenzMorphologie und auf der anderen Seite die Positions- und ReihenfolgeregelungenReihenfolge die eigenstrukturellen Instruktionsmittel und damit die zentralen Mittel, um Subjekt und Objekt, AgensAgens und PatiensPatiens identifizieren zu können. Ich möchte nun klären, wie wir das Verhältnis dieser Mittel zueinander präzisieren können. Es besteht nämlich das theoretischen Problem, dass wir die Leistung eines eigenstrukturellen Mittels in manchen Äußerungen einer Sprach(stuf)eSprach(stuf)e finden und in anderen Äußerungen derselben Sprache nicht. Das sehen wir schon daran, dass in den meisten Sprach(stuf)en sowohl morphologisch eindeutigeeindeutigmorphologisch als auch morphologisch mehrdeutigemehrdeutigmorphologisch Äußerungen vorkommen. Wenn wir unsere Paradigmabaukästen im Anhang betrachten, dann schwankt die Wahrscheinlichkeit, dass wir eine morphologisch mehrdeutige Äußerung aus ihnen konstruieren, stark in Abhängigkeit davon, in welchen Paradigmen wir uns zum Zusammensetzen unserer Äußerungen bedienen. Dennoch möchte ich später Sprach(stuf)en in Bezug auf die Verstehbarkeit ihrer Äußerungen hin untersuchen und untereinander vergleichen, und nicht nur einzelne Äußerungen untereinander. Dafür muss ich aber etwas Allgemeines darüber sagen können, wie sich die eigenstrukturellen Mittel in einzelnen Sprach(stuf)en zueinander verhalten. Deshalb möchte ich zunächst einige Beobachtungen zum wechselseitigen Verhältnis der eigenstrukturellen Mittel referieren. Die allgemeine Beobachtung, dass morphologische Markierungen und Reihenfolgeregelungen in Einzeläußerungen und Sprach(stuf)en nicht zufällig ausgeprägt sind, ist schon sehr alt. In welchem konkreten Verhältnis diese Mittel zueinander stehen, wurde auch immer wieder und jeweils unter verschiedenen historischen, theoretischen und methodischen Vorzeichen diskutiert. Im Folgenden habe ich einige prominente Äußerungen und Positionen zusammengetragen. Sie werden mir dazu dienen, einige wichtige Differenzierungen vorzunehmen.

2.4.2 Synchronische und diachronische, globaleglobale Betrachtungsweise und lokalelokale Betrachtungsweise, OfflineOffline-Betrachtungsweise- und OnlineOnline-Betrachtungsweise-Betrachtungsweisen

Das Verhältnis der eigenstrukturellen Mittelinstruktive Mittel zueinander kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Die häufigste Perspektive auf die eigenstrukturellen Mittel der MorphologieMorphologieinstruktive Mittel und der ReihenfolgeReihenfolgeinstruktive Mittel (Syntax) wird wahrscheinlich durch die folgende Beobachtung Keenans illustriert.

Syntactic (and morphological) processes which have the same ‘function’ covary in their distribution across languages. […] By covary we mean that the more a language has one of the processes the less it need have the other. By ‘have the same function’ we mean something like ‘code the same semantic or syntactic information’. […] The principle predicts then that the more we assign a language overt case marking the freer can be its basic word order and conversely.1

Ich werde versuchen, einen systematischeren Überblick über diese Perspektiven zu schaffen, indem ich sie in drei Spannungsfeldern verorte. Die Aussagen können erstens synchronische oder diachronische sein. Dabei werden jeweils Aussagen über ein oder viele Sprachsysteme getroffen und nicht direkt über einzelne Äußerungen. Sie können sich so auf einen Sprachzustand oder Sprachenvergleich in einem Zeitschnitt oder – historisch – auf verschiedene Zeitschnitte der gleichen Sprache oder Sprachfamilie beziehen. Zweitens können sich die Aussagen auf ganze Sprach(stuf)eSprach(stuf)en oder auf einzelne Äußerungen in ihnen beziehen, dann sind es sprachglobale beziehungsweise ‑lokalelokale Betrachtungsweise Aussagen. Und die Aussagen können drittens solche zur Offline- oder Online-Interpretation sein. Dann machen sie Aussagen zur Leistung der eigenstrukturellen Mittel aus der Perspektive der nicht prozessualen beziehungsweise aus der Perspektive der inkrementellen Interpretation.

Keenan nimmt in diesem Spektrum offensichtlich die synchronische, globale Offline-Perspektive ein. Und er expliziert so etwas wie einen Konsens: Wenn die beiden Mittel Leistungen erbringen, erbringen sie die gleiche Leistung, so dass die (relative) Anwesenheit des einen Mittels in einer Sprache die (relative) Abwesenheit des anderen erlaubt, aber nicht erfordert. Diese synchronische, globale Offline-Perspektive nehmen auch Hawkins, Kiparsky, Siewierska und Dixon ein.

It is plausible to argue that the case system of German is responsible for the greater clause-internal word order freedom of that language. Across languages the existence of rich surface case marking typically correlates with word order freedom of the kind we have seen in German. The reason most commonly advanced for this is that ‘fixed’ word order at the sentence level in a language like English encodes grammatical relations such as subject, direct object and indirect object, which are morphologically encoded in a case-marked language. And word order permutations are possible in a case-marked language since grammatical relations are recoverable morphologically.2

There is an obvious inherent asymmetry between position and morphology in that the property of linearity guarantees the availability of position as a potential licenser (whether recessive or dominant), whereas case and agreement may simply be lacking in the morphology. A language may lose its inflections but it cannot ‘lose its word order’ in the same sense: it must go on putting one word after another, even when it does not grammatically exploit or constrain word order. A corollary is that position is always ready to pick up the licensing function when morphology ceases to be able to handle it. Therefore, since θ-role assignment to arguments must be licensed by case features, loss of inflections automatically brings about a shift to positional licensing, with all the consequences that this entails.3

[N]either the presence of agreement nor of case marking is a sufficient condition for flexible order, nor does rigid order entail the absence of either form of morphological marking. There is nonetheless a relationship between the two phenomena, namely flexible order tends to be accompanied by the presence of overt agreement and/or case marking and lack of agreement and/or case marking tends to be accompanied by rigid or restricted order. […] [T]he relationship between word order flexibility and overt agreement marking, on the one hand, and lack of agreement marking and rigid and restricted order, on the other, is stronger than that between word order flexibility and case marking.4

There are three basic ways of marking the function of a core argument.

(i) Marking on an NP [b]y choice from a system of case affixes or clitics, or by an adposition […] which may be a separate word or a clitic […].

(ii) Marking by a bound pronominal [].

If both A and O have the same number and belong to the same gender or noun class, then some other mechanism needs to be brought in to distinguish them. This may be achieved by constituent order. Or, in some languages, an ergative or accusative case is optional, being used just to supplement bound pronouns when ambiguity would otherwise result.

(iii) Constituent order.5

Wir können wohl sagen, dass sie Keenan beipflichten würden. Hawkins, Kiparsky und Dixon machen aber dahingehend stärkere Aussagen, dass sie eine Abhängigkeitsrichtung zwischen den eigenstrukturellen Mitteln annehmen. Am prägnantesten drückt dies Kiparsky aus: In einer Sprache können die KasusKasus- und KongruenzmorphologieKongruenz „fehlen“, aber eine relative Reihenfolge zwischen Äußerungselementen kann niemals fehlen. Falls Erstere „fehlen“, können die Reihenfolgeregelungen die Leistung übernehmen anzuzeigen, was Subjekt und Objekt, AgensAgens und PatiensPatiens ist („grammatically exploit or constrain word order“). Falls die morphologischen Marker nicht „fehlen“, ist eine Reihenfolge folglich immer noch da, aber sie braucht interpretativ nicht für die Frage nach den syntaktischen Funktionen und den semantischen Rollen genutzt werden. Das ist der Grund, warum die Reihenfolge in Sprachen mit vorhandener KasusKasus- und KongruenzmorphologieKongruenz freier sein kann als in solchen Sprachen, in denen sie „fehlt“, denn in diesen instruieren verschiedene Reihenfolgen zu verschiedenen Identifikationen von syntaktischen Funktionen und semantischen Rollen. Siewierska schränkt außerdem ein, dass das von Keenan beobachtete Verhältnis von Morphologie und Reihenfolge zumindest in den Sprachen Europas eine starke Tendenz darstellt, dass es aber nicht so ausgeprägt sein muss, wie Keenans Aussage es nahelegt. So gibt es auch die selteneren Fälle, dass die Reihenfolge relativ strikt ist und morphologische Unterscheidungen dennoch stark ausgeprägt sind, sowie Fälle, bei denen relativ schwach ausgeprägte morphologische Unterscheidungen mit einer relativ freien Reihenfolge einhergehen.

Der Perspektivwechsel von der globalen synchronischen zur globalen diachronischen Betrachtungsweise liegt nun sehr nahe. Jede Sprach(stuf)eSprach(stuf)e weist mehr oder weniger Kasus- und Kongruenzmorphologie und mehr oder weniger Reihenfolgeregelungen auf. Beide Aspekte der sprachlichen Eigenstruktur sind historisch veränderlich. Wenn sie die gleichen instruktiveninstruktive Leistungen Leistungen für die Interpretation erbringen – nämlich anzuzeigen, was womit inWas steht womit in welcher Beziehung? welcher Beziehung steht –, sind beim Wandel des einen Mittels in einer Sprache Auswirkungen auf den instruktiven Wert des anderen zu erwarten, insbesondere dann, wenn sich eine Situation einzustellen droht, in der weder das eine noch das andere Mittel anzeigt, was womit in welcher Beziehung steht. Bei dem Vergleich verschiedener Sprachstufen einer Sprache hat man des Öfteren beobachtet, dass die Veränderungen der morphologischen Ausprägungen und der Reihenfolgeregelungen etwa zur gleichen Zeit stattfanden. Das deutete man so, dass die Veränderung des einen Mittels eine Veränderung des anderen Mittels nach sich ziehen musste, damit die Verstehbarkeitverstehen der Äußerungen gewährleistet blieb.

It has long been observed that the shift from an inflectional to a mainly isolating morphological type which affected several Indo-European languages took place at the same time as extensive syntactic restructuring, reflected in restrictions on constituent order […] and in the widespread use of analytic constructions. The apparent simultaneity of these two phenomena accounts for the general agreement found in traditional literature on the existence of a functionalist relation between case morphology and syntactic structures […].6

Wenn dem so ist, stellt sich natürlich die Frage nach UrsacheUrsachefür Sprachwandel und Wirkung: Der Wandel welchen Mittels hat dazu geführt, dass der instruktive Wert des anderen sich ebenfalls gewandelt hat? Erfordert der Verlust morphologischer Unterscheidbarkeit die interpretative Nutzung der Reihenfolge der Äußerungselemente? Oder macht die vorgängige Nutzung der Reihenfolge für die Interpretation die morphologischen Unterscheidungen entbehrlich? Oder ist der Zusammenhang gar nicht so direkt, wie er scheint? Die Gelehrten mit der diachronen, globalen Offline-Brille sind sich bezüglich dieser Frage bis heute nicht einig geworden. Dies illustrieren die folgenden Positionen, die ich chronologisch wiedergebe.

[…] Ibn Khaldûn (1332–1406) observed that Arabic word order was substituted for lost case endings in order to distinguish ‘agentAgens’ from ‘object’ (Owens 1988: 270). […] J. C. Scaliger (1540) […] believed that cases emerge because of ambiguity, to make clear the role of nouns in a sentence, since, he believed, nouns originally lacked inflection (Breva-Claramonte 1983: 62). Lamy (1675) observed that French fixed word order has the function of replacing lost inflectional endings (Scaglione 1981: 41). Herder (1772) also held the view that the adoption of fixed word order avoids structural ambiguity, ambiguity being related to the limitations of inflection.7

This brings us to the second of the major drifts, the tendency to fixed position in the sentence, determined by the syntactic relation of the word. We need not got into the history of this all-important drift. It is enough to know that as the inflected forms of English became scantier, as the syntactic relations were more and more inadequately expressed by the forms of the words themselves, position in the sentence gradually took over functions originally foreign to it.8

This, then, is the conclusion I arrive at, that as simplification of grammatical structure, abolition of case distinctions, and so forth, always go hand in hand with the development of a fixed word order, this cannot be accidental, but there must exist a relation of cause and effect between the two phenomena. Which, then, is the prius or cause? To my mind undoubtedly the fixed word order, so that the grammatical simplification is the posterius or effect. It is, however, by no means uncommon to find a half-latent conception in people’s minds that the flexional endings were first lost ‘by phonetic decay,’ or ‘through the blind operation of sound laws,’ and that then a fixed word order had to step in to make up for the loss of the previous forms of expression. But if this were true we should have to imagine an intervening period in which the mutual relations of words were indicated in neither way; a period, in fact, in which speech was unintelligible and consequently practically useless. The theory is therefore untenable. It follows that a fixed word order must have come in first.9

La réduction progressive de la flexion a eu en germanique les mêmes effets que partout ailleurs. Elle a conduit à employer l’ordre des mots comme un mode d’expression grammaticale et à développer l’usage des mots accessoires. En germanique commun, où la flexion était encore riche et variée, l’ordre des mots était souple et n’avait pas de valeur grammaticale. Aucune fonction grammaticale n’était marquée par la place du mot.

[Die fortschreitende Reduktion der Flexion hat im Germanischen dieselben Effekte gezeitigt wie auch überall sonst. Sie hat zur Verwendung der Wortreihenfolge als grammatisches Ausdrucksmittel und zur Entwicklung von Hilfswörtern geführt. Im Gemeingermanischen, in dem die Flexion noch reicher und vielseitiger war, war die Wortreihenfolge frei und hatte keinen grammatischen Wert.]10

There is a long tradition of attributing the fixing of word order (and the increase in the use of prepositions) in English to loss of case-marking distinctions or syncretism which led to a (nearly) complete absence of case morphology […]. However, these traditional treatments do not offer explanations of the specific mechanisms involved.11

The point that is important for our purpose is the question what consequences this morphological collapse [from the Old to the Middle English period – SK] had. After the collapse, it was no longer possible to identify the grammatical function of a noun by its case morphology. Therefore other ways had to be found to unambiguously express grammatical functions of nouns. In English two strategies came to be used, the replacement of case forms with prepositional phrases and the rigidification of word order. […] Whereas in earlier stages of English it was possible to perform operations that moved e.g. one of the objects or both over the subject [= scrambling – SK], this option ceased to be possible in Middle English. This is because in Old English movement chains could be reconstructed due to the presence of case marking at the noun phrases. After the loss of case endings, however, the only way to identify e.g. a noun phrase as direct object was by its position after the subject […]. [T]here are some problems with this scenario. The rigidification process seems to have set in already in the middle of the Old English period, when case morphology was still available. […] Also, the fact that it appeared with pronouns too, although they kept their case marking, suggests that the connection between rigidification and the loss of case marking is not as immediate as one might want to believe. […]

[Can] the decline in topicalization […] be explained by the general tendency toward rigid word order[?] […] [I]t is conceivable that the same argument that goes against scrambling could also apply to topicalization. […] An immediate objection to this explanation is the fact that topicalization is still grammatical today, whereas scrambling is not. […] We see that the explanation that topicalization went out of use because it interfered with the configurational marking of grammatical functions cannot be correct.12

Das Zitat Kiparskys weiter oben lässt sich ebenfalls als historische Stellungnahme interpretieren.

Wir können hier zunächst diejenigen ausmachen, die annehmen (beziehungsweise referieren), die morphologischen Unterscheidungen gingen zuerst verloren, woraufhin die Reihenfolge interpretativ genutzt würde (Ibn Khaldûn, Lamy, Herder, Sapir, Meillet, Allen). Das entspricht wohl auch am ehesten der Common Sense-Annahme, wie auch Jespersen nicht ganz ohne Nebentöne feststellte. Daneben erkennen wir diejenigen, die den umgekehrten Weg annehmen (Scaliger, Jespersen)13 und diejenigen, die skeptisch gegenüber einem direkten kausalen Zusammenhang zwischen beiden Mitteln sind (Allen, Speyer). Interessant in diesem Zusammenhang ist die Argumentation Jespersens, auf die ich noch mehrfach zurückkommen werde, wenn ich die Teilresultate der Studie diskutiere. Anders als die Meillet-Fraktion, die ihre Common Sense-Annahme anscheinend für evident oder nicht begründungsbedürftig hält, verteidigt Jespersen nämlich seine eigene Annahme gegen den Common Sense: Wenn dieser Recht hätte und die morphologischen Unterscheidungen zuerst reduziert würden und erst dann die Reihenfolge interpretativ genutzt würde, müsste man einen Sprachzustand als Zwischenstufe annehmen, in dem morphologische Unterscheidungen nicht mehr und die Reihenfolge noch nicht anzeigten, was womit in welcher BeziehungWas steht womit in welcher Beziehung? steht. Die Äußerungen einer solchen Sprach(stuf)eSprach(stuf)e wären unverständlich und nutzlos.

Während die bisher genannten Gelehrten eine globale Offline-Perspektive eingenommen haben und demnach die Leistung eines syntaktischen Mittels einer ganzen Sprach(stuf)e zugeschrieben haben, repräsentiert die folgende Aussage Martinets einen wichtigen Vorbehalt gegenüber dieser Perspektive.

Ein Monem [= Lexem oder Morphem – SK], das seine Beziehungen zum Kontext nicht impliziert und sich nicht mit Monemen verbindet, durch die sie gekennzeichnet werden, muß durch seine Stellung angeben, in welchem Verhältnis es zu dem Rest der Äußerung steht: Paul wird in Peter schlägt Paul durch seine Stellung nach schlägt als Gegenstand der Mißhandlungen gekennzeichnet, in Paul schlägt Peter als ihr Urheber.14

Hier wird eine synchronische, lokalelokale Betrachtungsweise Offline-Perspektive eingenommen. Was nämlich behauptet wird, ist, dass im Deutschen die Reihenfolge nur in denjenigen Äußerungen interpretativ genutzt wird, in denen die KongruenzKongruenz- und KasusmorphologieKasus nicht aussagekräftig ist. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Reihenfolge nur dann frei(er) ist, wenn die Morphologie aussagekräftig ist. Dieses Beziehungsgeflecht wäre auch eine potentielle Lösung für das Problem, das Jespersen aufwirft. Allerdings handelt es sich bei dem Martinet-Zitat höchstwahrscheinlich um einen Übersetzungsfehler aus dem französischen Original. Eigenstrukturelle Regularitäten, die sich am Französischen zeigen, sind im Zuge der Übersetzung zu eigenstrukturellen Regularitäten des Deutschen geworden.15 Aber dieser Fehler illustriert eine echte theoretische Möglichkeit, die mindestens bedenkenswert ist. Anstatt sie für eine ganze Sprach(stuf)eSprach(stuf)e zu beanspruchen, liefe die instruktiveinstruktive Leistungen Leistung der Reihenfolge dann quer durch die Sprach(stuf)e, mit den morphologisch eindeutigeneindeutigmorphologisch Äußerungen außerhalb und den morphologisch mehrdeutigenmehrdeutigmorphologisch Äußerungen innerhalb ihres Leistungsbereichs. Das wäre gleichbedeutend mit einer Übertragung der synchronischen, globalen Perspektive von Keenan und Co. auf die lokalelokale Betrachtungsweise Ebene der Äußerungen innerhalb einer einzigen Sprach(stuf)e. Wenn wir diese Möglichkeit der Beziehung zwischen den beiden Mitteln in Betracht ziehen, wird aber die Redeweise davon, dass in einer „Sprach(stuf)e“ die Reihenfolge oder die Morphologie regelt, was womit inWas steht womit in welcher Beziehung? welcher Beziehung steht, unangemessen. Wir müssten ja für jede einzelne Äußerung in Rechnung stellen, ob sie morphologisch hinreichend aussagekräftig ist, um die Leistung der Reihenfolge bewerten zu können.

Auf authentischeren Füßen steht die synchronische lokale Offline-Perspektive bei MacWhinney, Bates und Kliegl. In ihrem psycholinguistischen SprachverstehensmodellSprachverstehensmodell „Competition Model“ führen sie wichtige psychologische Unterscheidungen ein, die für uns von Interesse sein müssen. Was ich als eigenstrukturelle Mittel oder Hinweise mit instruktivem Wert bezeichnet habe, sind bei ihnen zunächst einmal nur Hinweisreize (cues). Ob und inwiefern sie instruktiveninstruktive Leistungen Wert besitzen, hängt davon ab, ob diese Hinweisreize verfügbarHinweisverfügbar (applicable) sind und ob sie zuverlässigHinweiszuverlässig (reliable) zu der richtigen Interpretation instruieren. Die beiden Faktoren sind prinzipiell unabhängig voneinander. So sind die Reihenfolgehinweise immer verfügbar – darauf hatte uns schon Kiparsky hingewiesen –, aber im Englischen sind sie nach MacWhinney und seinen Kollegen gleichzeitig auch hoch zuverlässig in Bezug auf die Frage, was womitWas steht womit in welcher Beziehung? in welcher Beziehung steht, während sie im Deutschen nach allem Anschein höchst unzuverlässig sind. Aus der Verfügbarkeit und der Zuverlässigkeit von Hinweisreizen ergibt sich deren allgemeine Leistungsfähigkeit (cue validity). Die Reihenfolgeregelungen im Englischen haben daher eine extrem hohe allgemeine Leistungsfähigkeit. Lediglich im Paradigma des Personalpronomens weist das Englische noch einige unterscheidbare Kasusformen auf. Die Verfügbarkeit von KasusKasus- und Kongruenzreizen ist daher eher gering, weil über die nominalen Paradigmen hinweg nur noch wenige Formen für viele funktionale Unterscheidungen bereitstehen. Sie sind aber sehr zuverlässig, wenn sie einmal verfügbar sind. Zusammengenommen führt das dazu, dass die allgemeine Leistungsfähigkeit von Kasus- und KongruenzreizenKongruenz im Englischen geringer als diejenige der Reihenfolge ist.

Because of the consistency with which English maintains SVO ordering, English speakers have been able to tolerate a relatively degraded system of bound morphology.16

Im Deutschen soll dies eher umgekehrt sein, mit extrem hoher cue validity bei der Morphologie und allem Anschein nach sehr niedriger bei der Reihenfolge. Nach ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit lassen sich dann alle Hinweisreize in einer Sprache relativ zueinander gewichten (cue strength). Und erst hinsichtlich der Gewichtung der Hinweisreize in einer Sprache lassen sich dann die Sprach(stuf)eSprach(stuf)en auch in aussagekräftiger Weise miteinander vergleichen. Dabei muss man aber auch immer im Hinterkopf haben, dass beim Vergleich zweier Sprache(stufe)n möglicherweise hinter gleichen relativen Gewichtungen von Hinweisreiztypen verschiedene absolute cue validities für diese Typen stehen. In den Worten der Autoren klingt das folgendermaßen:

[C]ue strength […] holds that, in the set of many-to-many mappings, each link between a form and a function is given a weight or strength. No sharp line is drawn between probabilistic tendencies and determinate rules. Rules and mappings that have become fully determinate are simply understood as patterns whose strength begins to approach unity. As the strength of rules approaches unity, the likelihood that they will apply when their conditions are matched […] also approaches unity.17

We argue that the weights of cues in a particular language are reflections of their relative ‘cue validity’ in that language. […] [W]e [characterize cue validity – SK] by distinguishing ‘cue applicability’ and ‘cue reliability.’ In comprehension, cues are high in applicability if they are ‘available’ when you need them and cues are high in reliability if they are never misleading or ambiguous. Cues that are high in both applicability and reliability are the most valid cues. Cues that are low in applicability and high in reliability are still fairly high in validity, although one cannot rely on them as much as on cues that are always there when you need them. Cues that are unreliable are the lowest in validity. However, in the absence of more valid cues, even unreliable cues will be attended to. […] [C]ue validity is the primary determinant of cue strength and, hence, certainty of choice in sentence interpretation.18

Aus der Kombination von HinweisverfügbarkeitHinweisverfügbar und -zuverlässigkeitHinweiszuverlässig ergibt sich, dass die Leistungsfähigkeit eines Hinweisreizes im Competition Model eine Frage des Grades ist. Ein Reiz, der immer anwendbar und immer zuverlässig ist, gleicht einer eigenstrukturellen KonventionKonvention, die von einer Interpretin immer eingehalten werden muss und dann zu GewissheitGewissheit der Interpretation in der Interpretation führt. Die Wahrscheinlichkeit der korrekten Interpretation liegt dann bei 100 Prozent. Jede Abweichung nach unten in einer der Hinweiseigenschaften führt dazu, dass der Hinweisreiz insgesamt weniger leistungsfähig (valid) ist. Dann instruiert er aber nicht mehr zu einer Interpretation, deren sich die Interpretin gewiss sein kann, sondern nur noch zu einer solchen, die mehr oder weniger wahrscheinlich die richtige ist. Darin unterscheidet sich das Competition Model von den anderen Betrachtungsweisen, die hier von binären Oppositionen, also einer alles-oder-nichts-Leistung auszugehen scheinen. Was ich oben als Grenzphänomene diskutiert habe, die von Sprach(stuf)eSprach(stuf)e zu Sprach(stuf)e mehr oder weniger in der Eigenstruktur enthalten sein können, ließe sich gut mit dem theoretischen Rüstwerkzeug des Competition Model erfassen.

Die psychologische Betrachtungsweise erlaubt es darüber hinaus aber auch, Eigenschaften in das Set der Hinweisreize aufzunehmen, die gar nicht der sprachlichen Eigenstruktur zurechenbar sind. Theoretisch könnte man über die Anwendbarkeit und Zuverlässigkeit der HinweisreizeHinweiszuverlässig ‚staubige Sandalen tragend‘ oder ‚im Wendekreis der Schildkröte befindlich‘ deren Leistungsfähigkeit für die Interpretation errechnen. Für jedes Satzglied, das einen Gegenstand bezeichnet, der staubige Sandalen trägt oder sich im Wendekreis der Schildkröte befindet, könnte dann die Wahrscheinlichkeit errechnet werden, dass es als Subjekt oder AgensAgens interpretiert wird. Als eigenstrukturelle Hinweisreize haben MacWhinney, Bates und Kliegl zunächst die üblichen Verdächtigen der historisch-linguistischen Tradition auf ihre Leistungsfähigkeit geprüft. Die cue validity von KasusmorphologieKasus wurde vorausgesetzt.

The present study places four major cue types into competition. These cues are (1) word order, (2) agreement marking, (3) stress, and (4) animacy. […] [G]erman marks the case of the noun on the preceding article. However, in pilot work we found that, in simple clauses, when Germans were provided with unambiguous case-marking cues, their responses were entirely determinate.19

Ihre Hinweisliste enthält daneben aber noch einen Hinweisreiz, der dem der staubigen Sandalen nicht ganz unähnlich ist: BelebtheitBelebtheit (animacy). Ich werde darauf zurückkommen.

Die letzte Betrachtungsweise ist die synchronische, lokalelokale Betrachtungsweise Online-Betrachtungsweise und sie bringt noch weitere Unterscheidungen mit. Sie stellt ein neurolinguistisches SprachverstehensmodellSprachverstehensmodell dar. In der Behandlung sprachlicher Wahrnehmungsphänomene als Hinweisreize teilt diese Betrachtungsweise viele Annahmen mit dem Competition Model. Aber anders als das Competition Model dient das Modell nicht nur dazu festzustellen, aufgrund welcher Hinweisreize ein ganzer Satz dahingehend interpretiert wird, was womit in welcherWas steht womit in welcher Beziehung? Beziehung steht, sondern auch, aufgrund welcher Hinweisreize eine Interpretin schon während der Äußerung im automatischenAutomatismus oder RoutinemodusRoutine, Routinisierung vorhersagtVorhersage, was womit in welcher Beziehung steht. Eine wichtige Frage ist dabei, in welcher Funktion oder Rolle die Elemente der Äußerung interpretiert werden, bevor das Verb – das ja viele Informationen über die ganze Eventualität enthält, wie wir gesehen haben – interpretiert wird. Die Hinweisreiztypen, die diesbezüglich aussagekräftig sein sollen, sind neben denen, die ich bereits erwähnt habe, noch weitere. Dasjenige, das hier die Interpretation vornimmt, wird metaphorisch als „syntax-semantics interface“ bezeichnet.

Incremental argument interpretation (i.e. role identification and assessment of role prototypicality) is accomplished by the syntax-semantics interface, that is, with reference to a cross-linguistically defined set of prominence scales and their language-specific weighting.

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