Kitabı oku: «Der Mensch und seine Grammatik», sayfa 2

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1.2 (Be-)deuten und Interpretieren

Anstatt interpretieren hätte ich bisher auch deuten schreiben können. Mit beidem bezeichne ich dieselbe Tätigkeit einer Person. Wenn wir statt der Verben die Substantive Interpretation oder Deutung verwenden, tritt der Tätigkeitsaspekt in den Hintergrund und der Resultatsaspekt in den Vordergrund, im Sinne einer abgeschlossenen Interpretation oder Deutung. Den Ausdruck etwas bedeuten im Sinne von ‚mit einer Deutung versehen‘ hätte ich ebenso verwenden können, er ist heute aber abseits von hermeneutischen Diskursen kaum noch gebräuchlich. Das agentive Verb bedeuten betont den konstruktiven Aspekt des Deutens stärker als die anderen beiden Verben. Damit meine ich, dass wir, wenn wir etwas deuten, die Deutung eher aus einem Phänomen herauslesen, während wir, wenn wir etwas bedeuten, sie in das Phänomen hineintragen. Beim Substantiv Bedeutung ist aber nicht nur die Tätigkeitslesart zugunsten einer Resultatslesart verloren gegangen. Die Substantivierung hat uns auch nachhaltig davon entbunden, den Handlungsträger des Bedeutens zu nennen. Niemand sagt, er habe dieses oder jenes so oder so bedeutet. Dadurch ist auch der – man muss es so sagen – Bedeutungsaspekt weitgehend verloren gegangen, dass Bedeuten eine individuelle konstruktive Tätigkeit ist. Stattdessen wird mit der Bedeutung eines Phänomens etwas Fertiges und Überindividuelles bezeichnet, das man nur abzupflücken braucht, das mit dem konstruktiven Deuten, das jede Interpretierende an einem Phänomen selbst vornehmen muss, kaum mehr etwas zu tun hat.

Vor dem Hintergrund eines konventionalisiertenKonvention Zeichen- und Zeichenverknüpfungssystems wie der hochalemannischen (und jeder anderen natürlichen) Sprache mag die Äußerung in (1) der Leserin relativ enge Grenzen dafür setzen, wie sie die Äußerung hinsichtlich ihres Gehalts konstruktiv bedeuten kann. Sie mag sich den Ort, die Personen und was sie tun auf individuelle Weise vorstellen, so dass diese Vorstellung mit keiner Vorstellung identisch ist, die jemand anderes vornimmt, wenn er dieselbe Äußerung interpretiert. Wir können uns VorstellungenVorstellungbildhaft durchaus bildhaft vorstellen, so wie WahrnehmungenWahrnehmungbildhaft, nur dass die äußeren ReizeReiz fehlen. Die Vagheit der Ausdrücke in der Äußerung erlaubt der Phantasie einigen Spielraum, aber diese Vagheit ist etwas anderes als Mehrdeutigkeitmehrdeutigvs. vage. Die Eckdaten der sprachlich vermittelten Vorstellung – grob gesprochen, wasWas steht womit in welcher Beziehung? wo wie und wann womit in welcher Beziehung steht – sind konventionalisiert.

Diese KonventionalitätKonvention setzt nicht nur der Ausdeutbarkeit der Äußerung enge Grenzen, also ihrem Bedeutungspotenzial, sondern sie ist auch konstitutiv für ihre Zweideutigkeit. Ohne die sprachlichen Konventionen wäre diese Äußerung als bloße Sequenz von Geräuschen beinahe beliebig bedeutbar. Unter Berücksichtigung der sprachlichen Konventionen wird die Ausdeutbarkeit der grammatisch mehrdeutigen Äußerung lediglich etwas offener, als es eine grammatisch eindeutigeeindeutig Äußerung wäre, nämlich zweideutig.

1.3 Mehrdeutigkeitmehrdeutig und Ausdeutbarkeitmehrdeutigund ausdeutbar

Der konstruktive Aspekt des Bedeutens wird vielleicht offensichtlicher, wenn man die Tätigkeit des Bedeutens jenseits der Sprache in den Blick nimmt. Mehrdeutigkeit – oder besser gesagt, unterschiedliche Ausdeutbarkeit – begegnet uns nicht nur in der Sprache. Vielmehr ist sie ein allgegenwärtiges Phänomen. Was immer wir wahrnehmenWahrnehmung – einen auf uns zulaufenden Hund, einen Geruch, ein Geräusch, ein Bild vor unserem inneren Auge – versehen wir automatischAutomatismusAktivitätsartAutomatismus oder routinemäßigRoutine, RoutinisierungAktivitätsartRoutine, Routinisierung mit einer Deutung, das heißt wir be-deuten es. Es gibt wohl kein Phänomen, das nicht verschiedenartig deutbar wäre. Phänomene zu deuten ist so basal, weil unsere menschliche Existenz ohne diese Tätigkeit nicht denkbar wäre. Es hält uns in der spezifisch menschlichen Weise reaktionsReaktion- und handlungsfähighandlungsfähig. Um nur die äußeren Extreme zu nennen: Es schützt uns vor Gefahren für LeibLeib und Leben, eröffnet uns HandlungsmöglichkeitenHandlung für selbstgesetzte Zwecke und erlaubt uns, unsere Gene in einer Weise weiterzugeben, die für die Reproduktion aussichtsreich ist. Wir deuten Phänomene in jedem wachen Moment. Diese lebenserhaltenden und lebensermöglichenden Funktionen des Bedeutens geben die Hinsichten vor, in denen wir Phänomene deuten. Als Annäherung an diese Hinsichten können uns die deutschen W-WörterW-Fragen dienen: Was oder wer ist es (zum Beispiel: Freund oder Feind)? Wo ist es (zum Beispiel: zu nah)? Woher kommt es (zum Beispiel: Ist da noch mehr davon)? Was oder wer hat es verursachtUrsache (zum Beispiel: Warum passiert es)? Wohin geht es (zum Beispiel: Hört es auf)? Zusammen:

 WasWas steht womit in welcher Beziehung? steht womit in welcher Beziehung?

Die Antworten auf diese Fragen, das Deuten von Phänomenen, stehen im Dienst einer übergeordneten Frage:

 Was kannWas kann ich tun? ich (jetzt) tun?

Unsere wachen Momente sind in der Regel nicht dadurch gekennzeichnet, dass wir interesselos dasitzen und Eindrücke auf uns einströmen lassen, obwohl so manches kognitionswissenschaftliche Laborexperiment unter dieser Prämisse durchgeführt zu werden scheint. Stattdessen bewegen wir uns die meiste Zeit aktiv durch unsere Umwelt und versuchen, unsere kleinen (Tasse nehmen) oder großen (Raketenwissenschaftlerin werden) Ziele zu erreichen. Daher verwundert es kaum, wenn die Antworten auf die obigen W-Fragen, die uns alle ständig betreffen, bei verschiedenen Personen in derselben Situation oder bei derselben Person in verschiedenen Situationen, unterschiedlich ausfallen.

Wie unsere Deutungen ausfallen, ist abhängig von unserer menschlichen Physis und Kognition, von sozialen NormenNorm und KonventionenKonvention, von der inneren und äußeren Situation, in der wir uns gegenwärtig befinden, und von dem, was ich die „-enz-enz-Faktoren“-Faktoren-enz-FaktorenSalienz von Phänomenen nenne: ihrer Salienz, PertinenzPertinenz, FrequenzFrequenz und RezenzRezenz.1 SalienzSalienz betrifft die Auffälligkeit von Phänomenen in der Wahrnehmung, noch bevor sie als etwas (Was ist es?) erkannt wurden. Auffällige Phänomene sind diejenigen, die überhaupt erst Gegenstand der W-Fragen werden, zum Beispiel ein Knall oder etwas, das sich in unser Sichtfeld bewegt und dadurch unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. PertinenzPertinenz betrifft die Relevanz von Phänomenen vor dem Hintergrund unserer gegenwärtigen Handlungsziele und -interessen. In verschiedenen Situationen kann das gleiche Phänomen (zum Beispiel das Schild Frische Kreppeln) aufgrund verschiedener Pertinenzen (durch Hunger gegenüber Magen-Darm-Grippe) in Hinsicht auf die FrageWas kann ich tun? Was kann ich tun? verschieden bedeutet werden. Was ich tun kann, verengt sich in Abhängigkeit von der Pertinenz eines Phänomens darauf, was ich tun will. FrequenzFrequenz betrifft die Auftretenshäufigkeit von Phänomenen in Beziehung zu anderen Phänomenen. Jemand, der schon mehrmals von einem Hund verletzt wurde, wird das Herannahen eines Hundes mit einer anderen Bedeutung versehen als ein durchschnittlicher deutscher Hundezüchter, dem gewöhnlich nur die Hand abgeschlabbert wird. Was oft zusammen in einem bestimmten Kontext auftritt, wird leichter zusammen erinnert und dafür liegt in entsprechenden Kontexten leichter ein Deutungsrezept samtDeutungsroutineRoutine, Routinisierung DeutungsroutineRoutine, Routinisierung bereit. Das kann auch das gemeinsame Auftreten von grammatischen Form(typ)en und Funktionen betreffen. Wenn eine immer die Form gib am Satzanfang wahrgenommen hat und (erfolgreich) als Befehl, etwas zu geben interpretiert hat, wird sie die Form auch beim nächsten Auftreten so interpretieren. Tatsächlich scheint der Frequenz eine große Bedeutung in der Sprache zuzukommen. Ähnliches wie für frequente Phänomene gilt auch für rezenteRezenz Phänomene, also solche, die kurz vor dem Wahrnehmungsereignis schon einmal wahrgenommenWahrnehmung und gedeutet wurden. Die früher vorgenommene Deutung ist leichter wieder zu aktualisieren als eine davon abweichende.

Die Grenzen hinsichtlich der Möglichkeit, einem Phänomen Bedeutung zuzumessen – und damit seiner Ausdeutbarkeit – sind prinzipiell nur durch die kognitiven und physischen Schranken des Menschen gezogen. Die Breite der faktischen Bedeutungszuweisungen dürfte aber nicht viel geringer als die der möglichen sein. Kulturelle Variation besteht nicht nur hinsichtlich gravierender Unterschiede in den typischen Situationen, in denen Menschen sich befinden – im Kaffeehaus in Marokko, im Giraffengehege in Frankfurt, bis zum Hals im Sumpf bei den Pirahã – und damit hinsichtlich der salientenSalienz, frequenten und rezenten Phänomene, mit denen Menschen konfrontiert sind, sondern auch in der Ausprägung der PertinenzPertinenz-Systeme sowie in normativenNorm Beschränkungen der Frage WasWas kann ich tun? kann ich (jetzt) tun? auf die Frage Was darf, soll oder muss ich (jetzt) tun?.

Ähnlich wie sprachliche Phänomene sind nichtsprachliche Phänomene nämlich ebenfalls nicht beliebig ausdeutbar. Auch ihre Deutungen sind durch soziale KonventionenKonvention begrenzt und unstatthafte Interpretationen führen zu Misserfolg. Das gilt beispielsweise für die Zuschreibung von VerantwortlichkeitVerantwortlichkeit. Im Zusammenleben von Menschen ist die Frage, ob jemand etwas verantwortlich – also geplant, kontrolliert, willentlich, bewusst – tut, tun kann oder getan hat, oder eben nicht, von überragender Bedeutung. Wir können aber mit unseren Sinnesorganen gar nicht erfassen, ob jemand etwas verantwortlich tut oder ob es ihm bloß passiert. Wenn Opa Willi jetzt noch ein Glas in der Hand hat, sich dann der Griff etwas lockert und das Glas zu Boden fällt, nehmen wir nicht wahr, ob er aus zweckrationalen Erwägungen den Griff gelockert hat, damit das Glas herunterfällt, oder ob ihm die Lockerung des Griffs aus Versehen widerfahren ist. Wir unterlassen in solchen Fällen die Interpretation aber nicht. Wir interpretieren jemandes Tun in solchen Situationen trotzdem hinsichtlich Verantwortlichkeit, aber eben nicht beliebig. Wenn sich jemand konsequent jedes auch noch so zufällige oder glückliche WiderfahrnisWiderfahrnis öffentlich als Verdienst zurechnet und gleichzeitig jemand anderem für jedes versehentliche Missgeschick ebenfalls öffentlich Verantwortlichkeit zuschreibt, dann wird dies sehr wahrscheinlich sozial sanktioniert werden. So können soziale NormenNorm oder KonventionenKonvention der Ausdeutung von nichtsprachlichen Phänomenen Grenzen setzen.

Eine sprachliche Äußerung ist nicht nur Anlass einer Deutungstätigkeit, wie derjenigen unserer Leserin des Beispiels in (1), sondern aus anderer Perspektive auch das Resultat einer solchen Deutungstätigkeit. EmilS Nöi Teschtamänt Weber hat mit der Äußerung Und vo säbere Stund aa hät si de Jünger zue sich gnaa für die Leserinnen der Evangelien schon vieles verschieden Ausdeutbare in der berichteten nichtsprachlichen Situation ausgedeutet. Dabei hat er die Ausdeutung des Evangelisten Johannes in dessen griechischem Text vermittelt. Weber hat unter anderem das Geschehen in der Vergangenheit situiert (hät … gnaa), es in den Kontext früheren Geschehens gestellt (Und …), es innerhalb der Vergangenheit nochmals zeitlich verortet (vo säbere Stund aa) und er hat eine Aktivität des zu-sich-Nehmens (… zue sich gnaa) identifiziert. Johannes (und Emil Weber als Vermittler) hat all diese Deutungen anstatt unzähliger anderer möglicher Deutungen vorgenommen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Er hat etwas als ‚zu sich nehmen‘ gedeutet und es entsprechend sprachlich mitgeteilt. Das Phänomen, das der Deutung zugrunde lag, ist verschiedenartig ausdeutbar, etwa als ‚zufällig gemeinsam irgendwohin gehen‘, ‚zufällig hintereinander in die gleiche Richtung bewegen‘ oder ‚entführen‘, um nur einige naheliegende Deutungen zu nennen. Diese normenNorm- und durch die „-enz-enz-Faktoren“-FaktorenFilter gefilterteFilter-enz-Faktoren DeutungsarbeitDeutungsarbeitArbeitArbeit hat bereits Johannes (vermittelt durch Emil Weber) der Leserin abgenommen. Mit seiner Äußerung unterbreitet Emil Weber nun wiederum der Leserin ein Deutungsangebot, das sie zunächst einmal nachvollziehen muss, noch bevor sie es als angemessen anerkennen oder ablehnen kann. Und vo säbere Stund aa hät si de Jünger zue sich gnaa ist also Emil Webers sprachkonventionengefilterterKonvention Ausdruck dieses Geschehens und er dient der Leserin als eine Anleitung zum Nachvollzug einer hinreichend ähnlichen Vorstellung dieses Geschehens. Der im gegenwärtigen Zusammenhang wichtigste Aspekt dieser Ähnlichkeit ist die Frage, was womit inWas steht womit in welcher Beziehung? welcher Beziehung steht. Und da ist Emil Webers sprachlich vermitteltes Deutungsangebot, anders als dasjenige Johannes’, wie wir sehen werden, mehrdeutig. Es sollte beinhalten, wer wen zu sich nimmt, und die Äußerung bietet der Leserin diesbezüglich si de Jünger an.

1.4 Verstehenverstehen

Wenn sie sich anstrengt, kann sich unsere hochalemannische Leserin natürlich über alle Konventionen hinwegsetzen und die Äußerung Und vo säbere Stund aa hät si de Jünger zue sich gnaa so individuell und konstruktiv bedeuten, wie sie möchte. Dabei sind ihr keine Grenzen gesetzt. Es sind durchaus Zwecke denkbar, vor deren Hintergrund solche unkonventionellen Interpretationen motiviert, also pertinentPertinenz hinsichtlich eines Zweckes sind. Ob eine solche Praxis aber alltäglicher gelungener Kommunikation zuträglich ist, ist eine andere Frage. Weite Teile unserer sprachlichen Interaktion koordinieren und organisieren andere sprachliche und nichtsprachliche HandlungenHandlung. Damit diese wiederum erfolgreich sind, ist es nötig, dass wechselseitige sprachliche Äußerungen von den Beteiligten nicht willkürlich interpretiert werden. Aber unter welchen Umständen können wir jetzt sagen, dass die Leserin Und vo säbere Stund aa hät si de Jünger zue sich gnaa nicht nur interpretiert, sondern auch verstanden hat?

Anders als fast alle anderen menschlichen Tätigkeiten scheint Deuten oder Interpretieren nicht misslingen zu können. Dabei kommt immer etwas heraus, was den Namen Deutung oder Interpretation verdient. Aber man kann erfolgreich oder erfolglos interpretieren, je nachdem, ob die Interpretation ihre Funktion erfüllt beziehungsweise zur Realisierung des Zweckes führt, für den sie das Mittel gewesen ist.

Wenn ich im besten Wissen Diesel in mein Benzinfahrzeug fülle, um weiterfahren zu können, dann habe ich offenbar bestimmte Phänomene, unter anderem den Zapfhahn und das Fahrzeug, in irgendeiner Weise gedeutet, die sie mir zu Handlungsgegenständen macht, aber eben in einer Weise, die meinem Handlungserfolg nicht zuträglich ist. In diesem Moment habe ich vor dem Hintergrund meiner Ziele den Zusammenhang zwischen dem Zapfhahn, meinem Fahrzeug und der Möglichkeit des Weiterfahrens zwar gedeutet, aber nicht verstanden.

Ähnlich verhält es sich zunächst mit sprachlichen Äußerungen. Eine Wegbeschreibung wird ein Umherirrender üblicherweise mit dem Zweck interpretieren, dass sie ihn über kurz oder lang zum gewünschten Ort bringt. Die Ankunft am Zielort ist ein Erfolgskriterium für die Interpretation beziehungsweise für das Verstehen der Wegbeschreibung. Aber anders als beim nichtsprachlichen Tankbeispiel ist hier noch eine andere Person involviert, die den Weg beschreibt und die – anders als der Zapfhahn – eigene Ziele verfolgt. Diese Person kann unterschiedliche Einstellungen zu dem einnehmen, was sie sagt. Sie kann den Zweck des Fragenden zu einem gemeinsamen machen und ihm nach bestem Wissen und Gewissen den Weg mitteilen. Sie kann aber auch einen anderen Zweck verfolgen, zum Beispiel den Fragenden zu belügen, damit er an einem anderen Ort als dem Gewünschten herauskommt.

Ein sprachliches Ereignis ist also (mindestens) ein zweischichtiges Ereignis und muss daher auch auf jeder Schicht einzeln gedeutet werden. Meine obigen W-FragenW-Fragen stellen sich einerseits für das Ereignis, in dem jemand Geräusche, Gesten oder Graphisches hervorbringt, also grob gesprochen für die HandlungHandlung des Äußerns. Sie stellen sich andererseits für das vokalisch, gestisch oder graphisch Geäußerte, also für das konventionellKonvention sprachlich Ausgedrückte. Beides muss interpretiert werden. Unser Umherirrender kann sowohl das, was die Auskunftgeberin tut, indem sie ihm den Weg beschreibt – zum Beispiel helfen oder belügen – als auch das, was sie in ihrer Äußerung mitteilt – den Weg zu einem Ort – verstehen oder missverstehen. Der Fragende kann also gleichzeitig den Äußerungsinhalt verstehen und trotzdem nicht seinen Zielort erreichen, weil er das, was seine Gewährsperson getan hat, indem sie ihm einen Weg beschrieb, missverstanden hat. Ähnlich wie beim Tanken lassen sich für das Verstehen der ÄußerungshandlungÄußerungshandlung prinzipiell praktische Kriterien angeben, nämlich praktischer Erfolg oder Misserfolg hinsichtlich des eigenen Ziels infolge der Interpretation. Kommt unser Umherirrender am Brauhaus statt am Bahnhof heraus und hat er den Äußerungsinhalt richtig interpretiert und ansonsten alles richtig gemacht (was ich hier voraussetzen möchte), kann er davon ausgehen, dass er die HandlungHandlung seiner Gewährsperson falsch gedeutet hat, beziehungsweise nicht verstanden hat, dass sie ihn also getäuscht hat. Unser Umherirrender könnte, am Brauhaus statt am Bahnhof angekommen, wohin er eigentlich wollte, einer kompetenten und kooperativeren Zeitgenossin die Wegbeschreibung nacherzählen, die er befolgt hat. Wenn sie ihm sagt, dass die Wegbeschreibung den Weg zum Brauhaus, aber nicht zum Bahnhof richtig wiedergibt, weiß er, dass er die Wegbeschreibung verstanden, aber die Motive der Gewährsperson falsch verstanden hat. Auf diese Weise ist prinzipiell unterscheidbar, ob etwas oder jemand missverstanden wurde. Im Einzelfall wird aber bisweilen nicht mehr zu klären sein, ob die Äußerung oder die Handlung der Interaktionspartnerin oder beide missverstanden wurden, weil beide nicht mehr verfügbar sind.

Im Falle unserer hochalemannischen Bibelleserin ist die Äußerung verfügbar, der Interaktionspartner, der Urheber der Äußerung, dagegen nicht, weder EmilS Nöi Teschtamänt Weber noch Johannes, der Evangelist. Die Interpretation der Leserin, ihre Antwort auf die Frage WasWas steht womit in welcher Beziehung? steht womit in welcher Beziehung? war ja, wie ich zu Anfang angenommen hatte, dass in Und vo säbere Stund aa hät si de Jünger zue sich gnaa Maria den Jünger zu sich nahm. Ob sie damit die Äußerung auch verstanden hat, wird sie vielleicht nie erfahren, weil ihre Interpretation keine praktischen Folgen zeitigt, wie dies im Tankbeispiel und bei der Wegbeschreibung möglich wäre. Aber wir, die wir die Deutungen unserer Leserin deuten, können, möglicherweise im Unterschied zu ihr, trotzdem angeben, ob sie die Äußerung richtig oder falsch verstanden hat. Wir können dem Urheber der Äußerung aufgrund der Äußerung, die allen Konventionen der hochalemannischen Sprache folgt, zuschreiben, welche Vorstellung er davon gehabt haben muss, was in der berichteten Situation was ist, wo was ist und was womit in welcherWas steht womit in welcher Beziehung? Beziehung steht. Für grammatisch eindeutigeeindeutig Äußerungen ist es ohnehin möglich anzugeben, wie sie hinsichtlich der Frage zu verstehen sind, was in ihnen womit in welcher Beziehung steht. Für grammatisch mehrdeutige Äußerungen wie Und vo säbere Stund aa hät si de Jünger zue sich gnaa kann man sich, zumindest im Falle der Bibel, mit der Textsorte behelfen. Das Neue TestamentNeues Testament ist in ca. 1900 Sprachen übertragen und was in einer Bibel grammatisch mehrdeutig ist, ist in vielen anderen grammatisch eindeutigeindeutig.1 Das wird für die spätere Untersuchung von großem Nutzen sein. Wir können dagegen nicht viel Zuverlässiges darüber sagen, welche Ziele Weber und Johannes verfolgt haben, indem sie uns ihre neutestamentlichen Äußerungen vorgelegt haben. Nach eigener Aussage wollte Weber aber genau übertragen.2 Damit verschöbe sich die Frage nach den Motiven und Zwecken zurück zu Johannes und würde zu einer theologischen. Aber beide haben sich schon in notwendiger Weise kommunikativ kooperativ gezeigt, indem sie uns Texte vorgelegt haben, die den KonventionenKonvention ihrer jeweiligen Sprache entsprechen. Wir können davon ausgehen, dass der Evangelist Johannes – der sich möglicherweise in der Rolle des Lieblingsjüngers Jesu selbst in der Frohen Botschaft untergebracht hat – seine Deutungen, mit welchen Motiven auch immer, mit seinen Äußerungen unmissverständlich kundtun wollte. In der altgriechischen Version der Evangelien, die Emil Weber seiner Übertragung Und vo säbere Stund aa hät si de Jünger zue sich gnaa zugrunde gelegt hat, ist unser Beispielsatz nun auch grammatisch eindeutigeindeutig. Dort repräsentiert ὁ μαθητὴς (ho mathētēs) ‚der Jünger‘ eindeutig einen Nominativ und αὐτὴν (autēn) ‚sie‘ eindeutig einen Akkusativ. Der Jünger nahm also die Frau mit sich. Eine andere Interpretation ist hier vor dem Hintergrund der entsprechenden sprachlichen Konventionen ausgeschlossen. Wir können auch davon ausgehen, dass Emil Weber seinen Leserinnen diese Informationen nicht vorenthalten wollte. Er hatte aufgrund der eindeutigen altgriechischen Äußerung eine klare Vorstellung davon, wer wen mitnahm und er verwendete die sprachlichen Ausdrucksformen, die ihm in seiner zürichdeutschenHochalemannisch Muttersprache zur Verfügung standen und gleichzeitig nah an der griechischen Vorlage lagen. Die Unterscheidung zwischen Nominativ und Akkusativ, die an den altgriechischen Formen erkennbar ist, stand ihm in der hochalemannischen Übertragung nicht zur Verfügung und die ReihenfolgeReihenfolge zwischen beiden Ausdrücken hat er umgedreht. Dass dies bei seinen Leserinnen zu einer von ihm nicht beabsichtigten Deutung davon führen kann, wer wen mitnahm, hat er wahrscheinlich gar nicht bemerkt.

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0+
Hacim:
841 s. 153 illüstrasyon
ISBN:
9783823300441
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