Kitabı oku: «Der Mensch und seine Grammatik», sayfa 3

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1.5 DeutungsautomatismenAutomatismus, DeutungsroutinenRoutine, Routinisierung und DeutungsarbeitArbeit

Wenn wir hier darüber reflektieren, wie Sprachbenutzerinnen sprachliche Äußerungen interpretieren, deuten wir ihre Deutungsaktivitäten. Dass wir unsere und ihre Tätigkeiten mit dem gleichen Ausdruck deuten bezeichnen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Aktivität des Deutens ganz unterschiedliche Qualitäten annehmen kann; deuten ist ein vager Ausdruck.

Die hochalemannische Leserin, hier wieder stellvertretend für alle Sprachbenutzerinnen, kann in Windeseile einfach über unseren Beispielsatz aus dem Johannesevangelium hinweglesen und dabei wird in Sekundenbruchteilen die komplexe VorstellungVorstellung in ihr hervorgerufen, dass die Frau den Jünger zu sich genommen hat. In gleicher Weise lesen Sie die meisten Sätze in diesem Buch. Deuten in dieser Weise ist zwar komplex und besteht aus vielen Teilprozessen und -aktivitäten, die von basalen WahrnehmungsprozessenWahrnehmung bis hin zu Antworten auf die Frage WasWas kann ich tun? kann ich (jetzt) tun? reichen, aber zugleich vollziehen wir es hochgradig automatisiert und routinisiert. Automatisch laufen dabei Prozesse ab, die immer ablaufen, wenn bestimmte Phänomene wahrgenommen werden und die nicht unterbrochen werden können, wie zum Beispiel die AssoziationAssoziation der Buchstabenfolge Jünger und der Vorstellung eines Jüngers. Routinen umfassen dagegen HandlungenHandlung, die so oft ausgeführt worden sind, dass sie nicht mehr aufmerksam ausgeführt werden müssen. Sie können allerdings, anders als die Automatismen, unterbrochen werden, wenn es nötig ist. Ohne die entsprechenden Experimente, und das heißt im alltäglichen Einzelfall, sind RoutinehandlungenHandlung und automatisches VerhaltenVerhalten oft nicht zu unterscheiden. Das Deuten im automatischen und routinisierten Modus erfolgt schnell und effektiv, aber alternative Deutungen werden dabei übersehen. Haben Sie bemerkt, dass weiter oben in diesem Absatz der Satz In gleicher Weise lesen Sie die meisten Sätze in diesem Buch grammatisch mehrdeutig ist?1 Wenn wir in diesem Modus des Deutens sind, ist die Form einer Äußerung äußerst flüchtig und sie ist uns nur so lange präsent, bis sie sich in unserem Kopf in Vorstellungen verwandelt hat.

Von diesem automatisierten und routinisierten Deuten ist das Deuten zu unterscheiden, das wir vollziehen, wenn wir uns die Ausdeutbarkeit einer Äußerung vergegenwärtigen. Dieses Deuten ist viel weniger automatisiert und routinisiert, es ist um ein Vielfaches langsamer und liefert gleichzeitig oft anscheinend nur einen relativ geringen Zugewinn an Deutungsakkuratheit.2 Bei diesem Deuten, das wir als Deutungsarbeit bezeichnen können, ist die sprachliche Form beziehungsweise das wahrnehmbare Phänomen viel weniger flüchtig.3 Vielmehr wird es dabei vor dem (inneren oder wirklichen) Auge oder Ohr präsent gehalten und gegebenenfalls dorthin zurückgeholt, also reflektiert. Bestimmte Teile der komplexen Deutungsaktivität werden zyklisch wiederholt, zum Beispiel das Scannen des Phänomens, das (innere oder äußere) Verweilen auf einem Teil davon, das Umschalten und erneute Umschalten der Zuordnungen zwischen bestimmten Formen und den Vorstellungen, die sie hervorrufen. Wir haben dies beispielsweise bei si und de Jünger in (1) sowie bei Hole in One in (2) getan. Darin – Scannen, Verweilen, Umschalten, Wiederholen – unterscheiden sich unsere Interpretationen mehrdeutigermehrdeutiget passim Äußerungen kaum von unseren Interpretationen gestaltpsychologischer Kippbilder wie desjenigen in Abbildung 1.

Abb. 1:

Gestaltpsychologisches Kippbild

Wenn wir ein Phänomen interpretieren, tun wir dies aber nicht entweder automatisch beziehungsweise routinisiert oder mit kognitivem Arbeitsaufwand. Gerade das zyklische Wiederholen von automatisierten beziehungsweise routinisierten Schritten und das wiederholte Umschalten zwischen Interpretationen bei der Deutungsarbeit zeigen, dass diese auf den automatischen und routinisierten Aktivitäten und Prozessen aufbaut und auf sie angewiesen ist. Dies lässt sich bereits am Kippbild illustrieren. Wenn wir beispielsweise unseren Blick darauf richten, um daran durch wiederholtes Umschalten Deutungsarbeit zu leisten, können wir nicht vermeiden, dass uns zuerst automatisch entweder die Gesichtsprofile oder der Kelch erscheinen.

Auch an unserem Umgang mit sogenannten lokalen Mehrdeutigkeitenmehrdeutiglokal in der Sprache lässt sich das beobachten. Oben ist davon die Rede gewesen, dass Mehrdeutigkeiten oft nur dann bemerkt werden, wenn in der Folge etwas schiefgeht. Es ist möglich, dass schon im Laufe der Interpretation einer Äußerung etwas schiefgeht. Sprachliche Äußerungen haben einen Anfang und ein Ende. Sie werden entsprechend sukzessive wahrgenommenWahrnehmung und die herandrängenden Geräusche, Gesten oder Graphen rufen jeweils Vorstellungen hervor und die aufgebaute, komplexe VorstellungVorstellung eines Ereignisses oder einer Situation wird durch jede weitere hereinkommende Information modifiziert. Zugleich erwartenErwartung wir auf Basis dessen, was wir bereits wahrgenommen haben, immer schon, was als nächstes kommen wird. Diese Erwartungen können bestätigt oder verletzt werden. So beginnt die neuhochdeutsche „EinheitsübersetzungEinheitsübersetzung“ von Johannes 19, 27 folgendermaßen:


Beim sukzessiven, oder inkrementellenOnline-Betrachtungsweise, Interpretieren dieser Teiläußerung bauen wir eine komplexe Vorstellung auf und erwarten weitere Informationen bestimmter Art. Wir werden uns höchstwahrscheinlich den Referenten des Ausdrucks sie (die Mutter Jesu) als die Nehmerin in dieser Äußerung vorstellen,4 weil wir die Form als Nominativ erkennen und sie in einer KongruenzbeziehungKongruenz mit dem Verb steht, und wir werden als weitere Information ein Objekt erwarten, das genommen wird und durch eine Akkusativform ausgedrückt ist. Auch wenn wir solcher grammatischen Beschreibungen unkundig sind, heißt das lediglich, dass wir vielleicht nicht beschreiben können, was wir da tun, tun können wir es aber dennoch. Die aufgebauten ErwartungeErwartungn auf Form- und Vorstellungsebene sind unter anderem durch die bereits erwähnten „-enz-enz-Faktoren“-Faktoren gesteuert: FrequenzFrequenz, RezenzRezenz, PertinenzPertinenz. Nun ist die Vorstellung, die durch (3) hervorgerufen wird, wie wir oben gesehen haben, aber nur so etwas wie eine Annahme, weil die Indizienlage unsicher ist. Sie kann zwar den Nominativ und damit das Subjekt des Satzes repräsentieren, aber auch den Akkusativ, das heißt das direkte Objekt. An der Stelle sie ist die Äußerung in (3) also lokal mehrdeutigmehrdeutiglokal. Wir haben uns für die Nominativlesart „entschieden“. Entschieden steht hier in Anführungszeichen, weil diese „Entscheidung“ im Modus des automatischen oder routinisierten Deutens ausgeführt wurde, dem keine vorgängige Reflexion zugrunde gelegen hat. In der Einheitsübersetzung wird die Äußerung wie folgt zu Ende geführt:


Hier wird unsere aufgebaute Erwartung eines Objekts, das genommen wird und das durch den Akkusativ ausgedrückt wird, verletzt. Damit hat sich unsere aufgebaute Vorstellung als falsch erwiesen: Die Mutter Jesu ist nicht die Nehmerin. Der Ausdruck der Jünger zwingt uns nun aufgrund seiner eindeutigen Nominativform, unsere bereits aufgebaute Vorstellung davon, was hier womit in welcherWas steht womit in welcher Beziehung? Beziehung steht, zu modifizieren. Wir werden von dieser Nominativform überraschÜberraschungt und sie lässt unseren Deutungsautomatismus oder unsere Deutungsroutine scheitern. Möglicherweise macht uns der Jünger erst darauf aufmerksam, dass sie mehrdeutig zwischen Nominativ und Akkusativ gewesen ist. An diesem Punkt, der die lokale Mehrdeutigkeit auflöst, gehen wir vom Modus des automatischen oder routinisierten Interpretierens in den der Deutungsarbeit über. Das Scheitern unseres Automatismus oder unserer Routine dabei, graphische Symbole in Vorstellungen zu überführen, macht uns auf die Form der Äußerung aufmerksam, Alternativen ihrer Ausdeutung scheinen auf und zwingen uns, mit einigem kognitiven Aufwand – Arbeit – eine modifizierte Vorstellung aufzubauen, nämlich mit umgedrehten Rollen zwischen Maria und dem Jünger.

Eine solche Reanalyse im alltäglichen Sprachverstehen kann natürlich schneller erfolgen als die linguistische oder philologische Deutungsarbeit, wie wir sie oben an (1) vorgenommen haben. Dennoch teilt sie mehr mit der Deutungsarbeit als mit den Automatismen und Routinen, nämlich die Aspekte des Gewahrwerdens der unterschiedlichen Ausdeutbarkeit des Phänomens und der Reflexion auf die eigene Deutungsaktivität.5

1.6 Die „W“-Fragen des vorliegenden BuchesW-Fragen

Das vorliegende Buch stellt den Versuch dar, besser zu verstehen, wie Sprachbenutzerinnen auch angesichts von Mehrdeutigkeitmehrdeutig sprachliche Äußerungen verstehen, das heißt erfolgreich oder richtig interpretieren können. Dafür war es wichtig, darauf hinzuweisen, dass dem Verstehenverstehen sowohl von nichtsprachlichen als auch von sprachlichen Phänomenen (Be-)Deutungstätigkeiten zugrunde liegen, die sich in sehr basalen Aspekten – den W-Fragen im Dienste von WasWas kann ich tun? kann ich (jetzt) tun? – gleichen und sich in anderen Aspekten – der Mehrschichtigkeit von sprachlichen Äußerungen – unterscheiden. Insofern sucht dieses Buch, wie jede Interpretation, Antworten auf die oben genannten W-Fragen.

Was ist es? Das infragestehende Phänomen kann bereits grob charakterisiert werden. Es sind mehrdeutige Äußerungen auf der einen und die offensichtliche Problemlosigkeit, mit der Sprachbenutzerinnen erfolgreich mit ihnen umgehen, auf der anderen Seite. Dass Sprachbenutzerinnen auch mehrdeutige Sätze verstehen können, ist für sich genommen noch nicht überraschend. Auch Sprachbenutzerinnen, die nicht zugleich professionelle Linguistinnen sind, erklären sich ihre Verstehensfähigkeitenverstehen und berufen sich dabei gern – und durchaus zu Recht – auf den Kontext, anhand dessen alle oder fast alle Äußerungen verstehbar seien. Als Kontext gilt bei dieser nichttechnischen Verwendung des Ausdrucks bald mehr, bald weniger von dem, was in der fraglichen Äußerung nicht zur lexikalischen oder grammatischen Bedeutung gehört und nicht auf Basis der Wörter und ihrer Verknüpfung zuverlässig erschlossen werden kann. Zu diesem Kontext im weiteren Sinne zählen erstens das in vorangegangenen und nachfolgenden Äußerungen grammatisch und lexikalisch Ausgedrückte – der Kotext, zweitens die vielfältigen Faktoren, die die Situation kennzeichnen, in der die Äußerung getätigt und/oder rezipiert wird – der Kontext im engeren Sinne –, und drittens das sogenannte Weltwissen, das heißt das enzyklopädische Wissen über basale, aber auch beispielsweise kulturspezifische Zusammenhänge in der Wirklichkeit, unabhängig von der konkreten Äußerung, ihrem Kotext und Kontext. Auf Basis dieser Informationstypen dürfte tatsächlich so gut wie jede Äußerung im Alltag, sei es in einer face-to-face-Situation oder bei der Lektüre eines Textes, zum Beispiel eines Bibeltextes, für eine kompetente Sprachbenutzerin verstehbar sein.

Ich möchte in diesem Buch daher eine sehr viel stärkere HypotheseHypothese überprüfenmehrdeutig: Für das Verstehenverstehen von Äußerungen, die hinsichtlich der Frage mehrdeutig sind, was in ihnen womit in welcherWas steht womit in welcher Beziehung? Beziehung steht, sind auf der Seite einer muttersprachlich kompetenten RezipientinRezipientin (kommunikative Rolle) mit normalen kognitiven Fähigkeiten so gut wie keine dieser Informationsquellen erforderlich. Ist sie mit einer grammatisch mehrdeutigen Äußerung konfrontiert, so wird sie fast vollständig ohne Informationen auskommen, die über die infragestehende Äußerung hinausgehen. Hier möchte ich es fürs Erste mit der Präzisierung bewenden lassen, dass die Informationen, auf die die Rezipientin sich stützen kann, aufs Engste mit der BelebtheitshierarchieBelebtheitshierarchie zusammenhängen.1

Wo ist das Phänomen zu finden? Äußerungen, die mehrdeutig hinsichtlich der Frage sind, was in ihnen womit in welcher Beziehung steht, finden sich überall dort, wo die konventionellenKonvention grammatischen Mittel für den Ausdruck solcher Beziehungen in einer Sprache nicht verfügbar oder trotz prinzipieller VerfügbarkeitHinweisverfügbar unzuverlässigHinweiszuverlässig sind. So sind in Beispiel (1) einige KasusmarkierungenKasus (si beziehungsweise de Jünger) prinzipiell verfügbar, aber bei den vorliegenden Ausdrücken unzuverlässig und die ReihenfolgeReihenfolgesyntaktifiziert zwischen den Ausdrücken wird nicht konventionell für die Unterscheidung von Subjekt und Objekt verwendet. Verschiedene Sprachen und Sprachstufen einer Sprache unterscheiden sich natürlich darin, ob in ihnen die Reihenfolge für solche Zwecke eingesetzt wird und ob beziehungsweise wie viele mehrdeutige morphologischeMorphologie Formen sie aufweisen. Aus Gründen, die ich noch ausführlicher darlegen werde, möchte ich die Stichhaltigkeit der obigen Annahme anhand von wortlauttreueren und freieren BibelübersetzungenÜbersetzung ins AltenglischeAltenglisch, MittelenglischeMittelenglisch, AlthochdeutscheAlthochdeutsch, MittelhochdeutscheMittelhochdeutsch, FrühneuhochdeutscheFrühneuhochdeutsch, NeuhochdeutscheNeuhochdeutsch und in die modernen deutschen Dialekte des HochalemannischenNeuhochdeutsch und NordniederdeutschenNordniederdeutsch überprüfen.2 Einer der gewichtigsten Gründe, Bibeltexte dafür zu wählen, ist, dass wir – anders als bei anderen Quellen – für die darin vorkommenden Äußerungen sicher angeben können, welche Interpretation die richtige ist, auch wenn sie in einer Übertragung mehrdeutig sind. Für die Überprüfung der Hypothese ist dies unabdingbar, da wir andernfalls über kein Erfolgskriterium für die Interpretation mehrdeutiger Äußerungen verfügen würden, und dass man Erfolg bei ihrer Interpretation haben kann, möchte ich ja gerade zeigen. Ein weiterer Grund ist, dass alle untersuchten SprachSprach(stuf)eAltenglisch(stuf)en – die richtige Übersetzung vorausgesetzt – dieselben Inhalte ausdrücken, dazu aber jeweils ihre eigenen sprachlichen Mittel zur Verfügung haben und dabei unter dem Druck stehen, verstehbar zu sein. Damit wird vergleichbar, wie mit den vorhandenen sprachlichen Mitteln ausgedrückt wird, was womit in welcher Beziehung steht und wie sie von Äußerung zu Äußerung eingesetzt werden. Dabei ist nicht nur ein synchronischer Quervergleich zwischen den Sprachen und Dialekten möglich, sondern auch ein diachronischer Längsvergleich, der uns mit der gebotenen Vorsicht erlaubt nachzuverfolgen, wie diese grammatischen Mittel sich historisch im Deutschen und Englischen verändern und welche Anforderungen dies an unser Verstehenverstehen stellt. Ein Grund, Englisch und Deutsch zu wählen, ist die Tatsache, dass für diese Sprachen in der Forschung bereits viele Annahmen darüber geäußert worden sind, wie die sprachlichen Mittel sich zueinander verhalten und wie sie sich historisch entwickelt und verändert haben sollen. Dass diese Entwicklungen fürs Deutsche und Englische jeweils verschiedene gewesen sind, obwohl sie einen gemeinsamen historischen Ursprung haben, ist dabei ebenfalls von theoretischem und historischem Interesse. Primär von theoretischem Interesse ist, dass auch zwei moderne deutsche Dialekte analysiert werden sollen. Interessant sind sie deshalb, weil sie im Vergleich zum standarddeutschen System mit drei KasusKasus jeweils nur zwei Kasus aufweisen, dabei aber mutmaßlich ähnliche SatzgliedreihenfolgenReihenfolge zulassen. Die Dialekte versprechen somit größeres Mehrdeutigkeitspotenzial.3

Woher kommt das Phänomen? Was hat es verursacht? Wohin geht es? Vieles – und darüber wird noch sehr viel mehr zu sagen sein – spricht dafür, dass Sprachen sich grammatische Mehrdeutigkeit leisten können, eben weil Sprachbenutzerinnen erfolgreich damit umgehen können. Dennoch unterscheiden sich Sprachen in dem Grad, in dem sie Mehrdeutigkeit tatsächlich aufweisen, gravierend, aber nicht zufällig. Neben Sprachen, die wenige oder gar keine Äußerungen aufweisen, in denen grammatisch nicht geregelt ist, was womit in welcher Beziehung steht – Althethitisch dürfte dem nahekommen –, finden sich, wie ich zeigen werde, auch Sprachen, in denen jede vierte für die Fragestellung relevante Äußerung grammatisch mehrdeutig ist. Dies zeigt, dass Sprachen sich bisweilen des in ihnen vorkommenden lautlichen, gestischen oder graphischen Materials viel mehr als grammatische Mittel bedienen, als es nötig wäre, um als erfolgreiche Kommunikationsmittel zu dienen. Man könnte nun vermuten, dass das Material, das dafür verwendet wird, anzuzeigen, was womit in welcher BeziehungWas steht womit in welcher Beziehung? steht – zum Beispiel KasusKasus- und KongruenzmorphemeKongruenz –, sich in einer Sprache unabhängig von der Kommunikationsfunktion und unabhängig von menschlichen Zwecken entwickelt und nur für diese Funktion verwendet wird, weil es eben unbeabsichtigt entstanden ist, deshalb nun einmal da ist und, weil es da ist, wiederum interpretiert werden muss und mit einer nützlichen Funktion besetzt werden kann. Wie bereits gesagt, können wir die Interpretation von bestimmten Phänomenen nicht einfach unterlassen, und lautliches, gestisches oder graphisches Material scheint dazuzugehören. Ganz unabhängig können die Entstehung dieses Materials durch verstehensunabhängige UrsachenUrsachefür Sprachwandel und seine nachträgliche verstehensabhängige Funktionalisierung aber nicht voneinander sein, denn – so werde ich berichten – es scheint so etwas wie Obergrenzen von Mehrdeutigkeit zu geben, jenseits derer die Funktionalität der Sprache als Kommunikationsmittel gefährdet zu sein scheint.

Was steht womit in welcher Beziehung? Dies ist also nicht nur die zentrale Frage, vor der Sprachbenutzerinnen bei der automatischenAutomatismus und routinisiertenRoutine, Routinisierung Interpretation von sprachlichen Äußerungen stehen, seien sie grammatisch eindeutig oder mehrdeutig, sondern auch wir. Ich möchte detailliert herausarbeiten, welche Informationstypen bei der Interpretation sprachlicher Äußerungen herangezogen werden (können), in welcher Beziehung diese Informationstypen zueinander stehen, warum sie verfügbarHinweisverfügbar sind, zu welchem Grad sie in verschiedenen Sprach(stuf)eSprach(stuf)en herangezogen werden und ob beziehungsweise wie sich diese Heranziehung historisch verändert.

Kapitel 2 widmet sich zunächst detailliert der Frage, wie es überhaupt dazu kommt, dass Äußerungen eindeutigeindeutig sein können, um zu erklären, wie es zu mehrdeutigenmehrdeutig Äußerungen kommt. Sodann werde ich mittels einer historischen Korpusstudie nachweisen, dass es grammatisch mehrdeutige Äußerungen gibt und wie sie sich historisch entwickelt haben. Darauf aufbauend werde ich in Kapitel 3 die Hypothese immer weiter präzisieren, indem ich Kandidaten von Informationstypen diskutiere, die von Interpretinnen zum richtigen Verstehenverstehen mehrdeutiger Äußerungen herangezogen werden könnten. Anschließend werde ich in einem zweiten Auswertungsteil die Hypothese überprüfen. Im abschließenden Kapitel 4 werde ich eine anthropologische Skizze zeichnen, mit der ich die Resultate der Korpusstudie erklären und in einen weiteren als nur einen sprachwissenschaftlichen Kontext stellen möchteeindeutigmehrdeutig. Ich werde dafür argumentieren, dass wir grammatisch mehrdeutige Äußerungen erfolgreich interpretieren können, weil wir sie in wichtigen Aspekten auf die gleiche Weise wie andere, nichtsprachliche Ereignisse auch interpretieren. Grammatisch eindeutige Äußerungen sind insofern speziell, als sie uns sowohl effektiv daran hindern als auch bestärken können, bestimmte Interpretationen vorzunehmen. Aus einer engeren, philologisch-sprachwissenschaftlichen Perspektive ist es daher in gewissem Maß unnötig, die Verstehbarkeit sprachlicher Äußerungen auf sprachliche KonventionenKonvention zurückzuführen. Aus der weiteren Perspektive anderer mit dem Menschen befassten Wissenschaften ist dies sogar unplausibel. Was ich tun möchte, ist also, die Strukturlinguistik (wieder) mit anderen Wissenschaften vom Menschen ins Gespräch zu bringen. Dieses war abgebrochen, nachdem sich die Versprechungen einer grammatischen Tiefenstruktur nicht erfüllt hatten.4 Was ich über den anthropologischen Unterbau unserer Verstehensleistungen zu sagen haben werde, lässt sich auch so interpretieren: Unser leiblichesLeib In-der-Welt-Sein liefert der Grammatik und unserem Verstehenverstehen die Tiefenstruktur.

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