Kitabı oku: «Die Botschaft der Bhagavadgita», sayfa 2
Wenn wir die Gita studieren, wird demnach unser Ziel nicht eine scholastische oder akademische Erforschung ihres Denkens sein, auch nicht die Einordnung ihrer Philosophie in die Geschichte der metaphysischen Spekulation. Auch werden wir mit ihr nicht auf die Art des analytischen Dialektikers umgehen. Wir nahen uns ihr, um von ihr Hilfe und Licht zu empfangen. Unsere Absicht muss sein, ihre wesentliche und lebendige Botschaft, also das in ihr zu unterscheiden, was sich die Menschheit für ihre Vervollkommnung und für ihr höchstes spirituelles Wohlergehen zu eigen machen muss. (3-11)
1 Man muss sich dessen erinnern, dass die gesamte Tradition der Puranas den Reichtum ihrer Inhalte aus dem Tantra bezieht.
2 Das kosmische Spiel.
1. Kapitel
Kurukshetra
1.1
Dhritarashtra sprach:
Als sie auf dem Feld von Kurukshetra versammelt waren, dem Feld der Ausarbeitung des Dharma, ungestüm zur Schlacht drängend, was taten sie da, O Sanjaya, mein Volk und die Pandavas?
Unter den großen religiösen Büchern der Welt stellt die Gita dadurch etwas Besonderes dar, dass sie nicht als ein Werk für sich gesondert dasteht, als die Frucht des spirituellen Lebens einer schöpferischen Persönlichkeit wie Christus, Mohammed oder Buddha oder einer Epoche rein spirituellen Forschens wie der Veda und die Upanishaden. Vielmehr steht sie vor uns als eine Episode in einer epischen Geschichte von Nationen, ihren Kriegen, ihren Männern und ihrer Taten. Sie entsteht aus einem kritischen Augenblick in der Seele einer ihrer führenden Persönlichkeiten, die vor einer Tat seht, die ihr Leben krönt, vor einem schrecklichen, gewalttätigen und blutigen Werk, und zwar an dem Punkt, da diese Person entweder vor diesem Werk zurückschrecken oder es bis zu seiner Vollendung unerbittlich durchführen muss. (12)
Darum darf die Lehre der Gita nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen spirituellen Philosophie oder ethischen Lehre betrachtet werden, sondern als einen Bezug auf eine durchführbare Entscheidung in der Anwendung von ethischen und spirituellen Prinzipien auf das menschliche Leben. (12)
Das Kampffeld von Kurukshetra: Das Kampffeld von Kurukshetra: Das ist das Feld, auf dem das Dharma ausgearbeitet werden muss; es ist das Feld menschlichen Wirkens – wie wir symbolisch den Ausdruck dharma-kṣetre kuru-kṣetre übersetzen könnten –, eine weltweite Zerstörung, die im Prozess des Zeit-Geistes eingetreten ist. (383)
Die Gita wählt zu ihrem Rahmen eine Übergangsperiode und Krise, wie sie die Menschheit in ihrer Geschichte periodisch erfährt, in der gewaltige Kräfte zusammenprallen zu einer ungeheuren Destruktion und Rekonstruktion auf intellektuellem, sozialem, moralischem, religiösem und politischem Gebiet. Diese finden in der gegebenen psychologischen und gesellschaftlichen Stufe der menschlichen Evolution gewöhnlich ihren Höhepunkt in einer gewalttätigen physischen Erschütterung von Kampf, Krieg oder Revolution. Die Gita geht von der Annahme aus, dass es in der Natur die Notwendigkeit für solche heftige Krisen gibt. Sie akzeptiert nicht nur den moralischen Aspekt, den Kampf zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, zwischen dem autonomen Gesetz des Guten und den Kräften, die seinem Fortschritt entgegentreten. Sie bejaht auch den physischen Aspekt, den aktuellen Krieg der Waffen oder anderer heftiger physischer Kämpfe zwischen den Menschen, die die gegnerischen Mächte vertreten. (48)
Ein Tag wird, ja er muss sicherlich kommen, an dem die Menschheit spirituell, moralisch und gesellschaftlich bereit ist für die Herrschaft universalen Friedens. Bis dahin müssen wir den Aspekt von Krieg, also die Natur und Funktion des Menschen als Krieger, annehmen und mit ihr in jeder praktischen Weltanschauung und Religion rechnen. Die Gita, die das Leben nimmt, wie es ist, und nicht nur, wie es in einer fernen Zukunft sein sollte, stellt die Frage: Wie können dieser Aspekt und diese Funktion des Lebens, die in Wirklichkeit Aspekt und Funktion der menschlichen Aktivität im Allgemeinen sind, mit dem spirituellen Dasein in Einklang gebracht werden? (49)
1.2
Sanjaya sprach:
Als der Fürst Duryodhana gesehen hatte, dass das Heer der Pandavas in Schlachtordnung aufgestellt war, trat er an seinen Lehrer heran und sprach folgende Worte:
1.3
„Schau auf dieses gewaltige Heer der Söhne von Pandu, O Acharya, das hier von deinem klugen Schüler, dem Sohn des Drupada, aufgestellt worden ist.
1.4-6
Da stehen in dieser mächtigen Armee Helden und berühmte Bogenschützen, die Bhima und Arjuna im Kampfe gleich sind; Yuyudhana, Virata und Drupada in seinem großen Kampfwagen; Dhrishtaketu, Chekitana und der tapfere Fürst von Kashi; Purujit, Kuntibhoja und Shaibya, der Anführer der Männer; Yudhamanyu, der Starke, und Uttamauja, der Siegreiche; Subhadras Sohn (Abhimanyu) und die Söhne der Draupadi; alles Männer von großer Tapferkeit.
1.7
Erfahre aber auch, wer auf unserer Seite die Hervorragendsten sind, O Bester der Zweifach-Geborenen, die Führer meines Heeres. Ich nenne sie dir zu deiner besonderen Beachtung.
1.8-9
Du selbst und Bhishma und Karna und Kripa, der Siegreiche im Kampf; Ashvatthama, Vikarna und auch Saumadatti; und viele andere Helden haben um meinetwillen ihr Leben eingesetzt. Sie alle sind mit mannigfaltigen Waffen und Geschossen ausgerüstet und wohlerfahren im Krieg.
1.10
Unermesslich ist diese unsere Armee, die von Bhishma befehligt wird, während die ihrige Armee begrenzt ist und sich auf Bhima verlässt.
1.11
Darum ihr alle, die ihr in euren Formationen an den verschiedenen Abschnitten der Front steht: Gebt acht auf Bhishma!“
1.12
Um Begeisterung im Herzen Duryodhanas zu erwecken, blies der mächtige Ahnherr (Bhishma), der Älteste der Kurus, in seine Muschel, so dass es vom Schlachtfeld widerhallte wie Löwengebrüll.
1.13
Darauf erschollen plötzlich die Muscheln und Pauken, die Tamburine, Trommeln und Hörner, und das Getöse wurde gewaltig.
1.14
Positioniert auf ihrem großen, mit weißen Pferden bespannten Streitwagen, stießen dann Madhava (Sri Krishna) und der Sohn des Pandu (Arjuna) in ihre himmlischen Muscheln.
Arjuna ist der Krieger im Streitwagen und der göttliche Krishna sein Wagenlenker. (21)
Arjuna ist der Schüler, der auf dem Schlachtfeld seine Einweihung empfängt. Er ist das Beispiel der ringenden menschlichen Seele, die das Wissen noch nicht empfangen hat, jedoch fähig ist, es durch Handeln in der Welt, in enger Verbundenheit mit dem höheren und göttlichen Selbst und in zunehmender Annäherung an es im Menschsein zu erlangen. Bei der Deutung der Gita vermag man nicht nur diese Episode, sondern das ganze Mahabharata in eine Allegorie des inneren Lebens umzuwandeln. Sie habe nichts mit unserem äußeren menschlichen Leben und Wirken zu tun, sondern handle nur von den Kämpfen der Seele und der Mächte, die in unserem Innern darum ringen, uns zu besitzen. Jedoch rechtfertigt der allgemeine Charakter und die tatsächliche Sprache des Epos diese Auffassung nicht. Hielte man daran fest, würde die unmittelbare philosophische Sprache der Gita in eine ständige mühevolle und irgendwie kindische Mystifikation verwandelt. Die Sprache des Veda und zumindest eines Teils der Puranas ist offensichtlich symbolisch, voller Sinnbilder und konkreter Darstellungen von Dingen, die hinter dem Vorhang verborgen liegen. Die Gita aber ist in klaren Begriffen abgefasst und will die großen ethischen und spirituellen Schwierigkeiten lösen, die sich im Leben des Menschen erheben. Sie beabsichtigt nicht, hinter diese klare Sprache und Denkweise zurückzugehen und ihr Gewalt anzutun, um unseren phantastischen Einfällen zu dienen. In jener Auffassung liegt freilich insofern eine Wahrheit, als der Schauplatz der Belehrung zwar nicht symbolisch, wohl aber beispielhaft ist, da die Szene für solch eine Unterredung tatsächlich so wie hier in der Gita geartet sein muss, wenn sie zu dem hier umrahmten Inhalt in Beziehung stehen soll. (20-21)
Es gibt in der Gita drei Dinge, die spirituell bedeutungsvoll, geradezu typisch sind für die tiefsten Beziehungen und Probleme spirituellen Lebens und menschlichen Daseins an seinen Wurzeln: Das sind die göttliche Persönlichkeit des Lehrers, seine charakteristischen Beziehungen zu seinem Schüler und der Anlass für dessen Belehrung. Der Lehrer ist Gott selbst, der als Mensch herniedergekommen ist. Der Schüler ist der erste, modern ausgedrückt, der repräsentative Mensch seiner Zeit, engster Freund und erwähltes Instrument des Avatars, sein Vorkämpfer in einem gewaltigen Werk und Ringen, dessen geheimer Sinn den darin Handelnden unbekannt, nur dem als Mensch verkörperten Gott bekannt ist, der das alles vom verhüllten Hintergrund seines unergründlichen Mentals des Wissens her lenkt. Der Anlass ist die furchtbare Entscheidung bei diesem Werk und Ringen in dem Augenblick, da sich Angst und moralische Schwierigkeit zusammen mit der blinden Gewalt ihrer vordergründigen Abläufe, mit dem Schock einer sichtbaren Offenbarung, dem Mental jenes repräsentativen Mannes aufzwingen und die ganze Frage aufwühlen: nach der Bedeutung Gottes in der Welt und nach Ziel, Tendenz und Sinn des menschlichen Lebens und Verhaltens. (13)
1.15-16
Hrishikesha (Krishna) blies seine Panchajanya und Dhananjaya (Arjuna) seine (ihm von Gott gegebene) Devadatta. Vrikodara, der Held schrecklicher Taten, stieß in seine mächtige Muschel Paundra; König Yudhishthira, Sohn der Kunti, in die Anantavijaya; Nakula und Sahadeva in die Sughosha und in die Manipushpaka.1
1.17-18
Und Kashya mit seinem mächtigen Bogen und Shikhandi mit seinem großen Streitwagen, Dhrishtadyumna, Virata und der unbesiegte Satyaki, ferner Drupada und die Söhne Draupadis, O Herr der Erde, und Saubhadra mit den mächtigen Armen stießen von allen Seiten in ihre verschiedenen Muschelhörner.
1.19
Diese ungeheure Aufruhr, über Erde und Himmel widerhallend, erschütterte die Herzen der Söhne des Dhritarashtra.
1.20
Als er auf die Söhne des Dhritarashtra, die in Schlachtordnung dastanden, schaute und schon die Geschosse zu fliegen begannen, da erhob der Sohn des Pandu (Arjuna), dessen Banner das Emblem von Kapi Hanuman trug, seinen Bogen und sagte zu Hrishikesha, dem Herrn der Erde, diese Worte:
Die symbolische Kameradschaft von Arjuna und Krishna, der menschlichen und der göttlichen Seele, wird auch anderswo im indischen Denken erwähnt: in der Himmelsreise von Indra und Kutsa, die in demselben Streitwagen sitzen; in dem Gleichnis der beiden Vögel auf dem einen Baum in der Upanishad, in den Zwillingsgestalten von Nara und Narayana, der beiden Seher, die zusammen tapasyā üben, um Wissen zu erlangen. In allen drei Fällen ist es aber das Streben nach dem göttlichen Wissen, in dem, wie die Gita sagt, alles beabsichtigte Handeln gipfelt. Hier dagegen ist es die Aktion selbst, die zu jenem Wissen führt und in der der göttliche Wissende selbst auftritt. Arjuna und Krishna, die menschliche und die göttliche Gestalt, stehen nicht als Seher in der friedlichen Einsiedelei der Meditation beieinander, sondern als Kämpfer und als Zügelhalter auf dem lärmenden Schlachtfeld, inmitten der schwirrenden Speere, im Streitwagen. Der Lehrer der Gita ist deshalb nicht nur der Gott im Menschen, der sich im Wort des Wissens selbst enthüllt, sondern der Gott im Menschen, der unsere ganze Welt des Handelns bewegt, durch den und für den unsere ganze Menschheit existiert, kämpft und sich abmüht, zu dem hin die Fahrt des gesamten menschlichen Lebens und dessen Fortschreiten geht. Er ist der geheime Meister der Werke und Opfer und der Freund der Völker der Menschheit. (19)
1.21-23
Arjuna sprach:
Halte, O Achyuta (Makelloser, Unerschütterlicher) meinen Wagen zwischen den beiden Heeren an, damit ich diese Myriaden mustern kann, die kampfbegierig dastehen und mit denen ich an diesem Festtag der Schlacht zusammenstoßen muss. Ich will jene sehen, die hierher kamen, um für die Sache des übelgesinnten Sohnes des Dhritarashtra einzutreten.
Die Gita geht vom aktiven Handeln aus. Arjuna ist der Mann der Aktion, nicht der Erkenntnis... (22)
Es ist für den praktischen Menschen bezeichnend, dass er durch seine Sinne und Gefühle zur Bedeutung seines Handelns erwacht. Er hat seinen Freund und Wagenlenker gebeten, ihn an einen Ort zwischen den beiden Armeen zu fahren. Dabei leitete ihn kein tieferer Gedanke als die stolze Absicht, jenen Myriaden von Vorkämpfern der Ungerechtigkeit ins Angesicht zu schauen, denen er nun entgegentreten, die er besiegen und erschlagen muss an „diesem Festtag der Schlacht“, damit das Recht siegen möge. Wie er so hinüberblickt, wird ihm plötzlich offenbar, was ein Bürger- und Sippenkrieg eigentlich bedeutet, ein Kampf, bei dem nicht nur Männer derselben Rasse, Nation und Sippe, sondern auch Angehörige derselben Familie und desselben Haushalts auf beiden Seiten stehen. Er muss hier all denen, die ein der Gemeinschaft verpflichteter Mensch zutiefst liebt und für unantastbar hält, als Feinden entgegentreten und sie erschlagen: den verehrten Lehrer und Ratgeber, den alten Freund, Kameraden und Waffengefährten, die Stammesältesten, die Onkel und die dort in der Verwandtschaft von Vater, Sohn und Enkel ihm nahestehen, miteinander verbunden durch Blut und Heirat. All diese Bindungen der Gemeinschaft sollen nun durch das Schwert zertrennt werden. Nicht, als ob er diese Dinge nicht schon vorher gewusst hätte. Er hat sie aber nie in ihrer ganzen Wirklichkeit gesehen. Besessen von seinen Ansprüchen und ihren Ungerechtigkeiten, von den Grundsätzen seines Lebens, vom Kampf für das Gerechte, von der Pflicht des Kshatriya, Gerechtigkeit und Gesetz zu schützen und Ungerechtigkeit und gesetzwidrige Gewalt zu bekämpfen und niederzuschlagen, hat er das weder zutiefst durchdacht, noch im Herzen und Kern seines Lebens erfühlt. Von seinem göttlichen Wagenlenker wird jetzt dies alles seiner Schau geoffenbart, ihm sinnfällig vor Augen geführt. Das trifft ihn im Zentrum seines sinnenhaften, vitalen und emotionalen Wesens wie ein gezielter Schlag. (23-24)
1.24-25
Sanjaya sprach:
So angeredet von Gudakesha (einer, der den Schlaf überwunden hat, Arjuna), O Bharata, brachte Hrishikesha jenen besten der Streitwagen zwischen den beiden Heeren zum Stehen, gegenüber von Bhishma, Drona und all den Fürsten der Erde, und sprach: „Schau hin, O Partha, auf diese versammelten Kurus!“
1.26
Da sah Partha Onkel und Großväter, Lehrer, Vetter, Söhne und Enkel, Gefährten, Schwiegerväter, Wohltäter einander gegenüberstehend.
1.27
Als er all diese Verwandten kampfbereit dastehen sah, wurde Kaunteya (Arjuna) von tiefem Mitleid ergriffen. Traurig und niedergeschlagen äußerte er sich wie folgt:
1.28-29
Arjuna sprach:
Wenn ich hier meine eigenen Verwandten in Schlachtordnung vor mir sehe, O Krishna, werden meine Glieder schwach, mein Mund dörrt mir aus, mein Leib erzittert, und meine Haare sträuben sich. Gandiva (der Bogen Arjunas) entgleitet meiner Hand, und meine ganze Haut scheint zu brennen.
Zunächst kommt es zu einer heftigen Krise seiner Gefühle und seines Körpers, die Abscheu vor der Tat, ihren materiellen Zielen und dem Leben selbst hervorruft. Er weist das vitale Ziel zurück, das von egoistischen Menschen bei ihrem Handeln verfolgt wird: Glücklichsein und Genießen. Er entsagt auch dem vitalen Ziel des Kshatriya, dem Verlangen nach Sieg, Ordnung, Macht und Herrschaft über Menschen. Was ist schließlich dieser Kampf für Gerechtigkeit, wenn man ihn rein vom Praktischen her begreift, anderes als nur ein Kampf für die eigenen Interessen, für die seiner Brüder und seiner Partei, um Besitz, Genuss und Herrschaft? Für diese Dinge ist aber ein solcher Preis viel zu hoch. Denn sie haben keinen Wert an sich sondern nur als Mittel, das gesellschaftliche und nationale Leben wirklich zu fördern. Gerade diese Ziele will er nun in der Person seiner Verwandten und seines Volkes zerstören. Hier kommt es zum Aufschrei seiner Gefühle. (24)
1.30
Ich kann nicht mehr aufrecht stehen, und mir scheint sich der Kopf zu drehen; auch sehe ich schlechte Vorzeichen, O Keshava.
1.31
Nichts Gutes erkenne ich darin, dass ich meine Verwandten in der Schlacht töte; O Krishna, ich begehre weder Sieg, noch Herrschaft, noch Freuden.
1.32-35
Was bedeutet Herrschaft für uns, O Govinda, was bedeuten uns Freuden, ja selbst das Leben? Jene, um derentwillen wir Herrschaft, Genüsse und Freuden begehren, stehen hier im Kampf und setzen ihr Blut und Gut ein – Lehrer, Väter und Söhne, auch Großväter, Onkel, Schwiegerväter, Enkel, Schwäger und sonstige Blutsverwandte. Nie brächte ich es über mich, sie zu erschlagen, O Madhusudana, und wenn ich selber erschlagen würde; nicht einmal für die Herrschaft über die drei Welten, geschweige denn über die Erde. Was bleiben uns schon für Freuden, wenn wir die Söhne des Dhritarashtra getötet haben, O Janardana?
1.36
An uns wird die Sünde haften bleiben, wenn wir sie umbringen, auch wenn sie die Angreifer sind. Darum ist es nicht recht, dass wir die Söhne des Dhritarashtra töten, unsere eigenen Verwandten. In der Tat, wie können wir noch glücklich sein, O Madhava, wenn wir unsere eigenen Leute töten?
Diese ganze Sache ist eine furchtbare Sünde –, denn nun erwacht in ihm noch das moralische Gewissen, um das Aufbegehren der Empfindungen und Gefühle zu rechtfertigen. Es ist eine Sünde, es gibt kein Recht und keine Gerechtigkeit für gegenseitiges Abschlachten, zumal gerade diesen Menschen, die erschlagen werden sollen, die natürliche Verehrung und Liebe gebührt, ihnen, ohne die man sich das Leben gar nicht wünschte. Diese geheiligten Gefühle zu verletzen, kann nicht Mannestugend, kann nichts anderes sein als ein verruchtes Verbrechen. Zugegeben, der Bruch des Rechts, die Aggression, die erste Sünde, die Verbrechen von Gier und egoistischer Leidenschaft, die den Anstoß zu diesem Gang der Dinge gegeben haben, kamen von der Gegenseite. Unter solchen Umständen wäre aber ein bewaffneter Widerstand gegen das Böse an sich eine Sünde und ein Verbrechen, schlimmer als das ihrige, da sie blind sind in ihrer Leidenschaft und ihrer Schuld nicht bewusst, während auf dieser Seite die Sünde mit einem klaren Empfinden für Schuld begangen würde. Und um welches Zweckes willen? Um die Sittlichkeit in der Familie zu wahren, das Recht der Gesellschaft oder das Gesetz in der Nation durchzusetzen? Gerade diese Normen werden durch diesen Bürgerkrieg zerstört. (24-25)
1.37-38
Wenn auch jene, von Habgier in ihrem Bewusstsein getrübt, in der Zerstörung ihrer Sippe keine Schuld erkennen und kein Verbrechen in der Feindschaft gegen Freunde, warum sollten nicht wir die Weisheit besitzen, vor solch einer Sünde zurückzuscheuen, O Janardana, die wir erkennen, dass die Vernichtung der Sippe von Übel ist!
1.39
Mit der Ausrottung der Sippe werden auch ihre ewigen Traditionen zerstört. Brechen diese Traditionen zusammen, überwältigt Gesetzlosigkeit die gesamte Sippe.
1.40
Wo aber Gesetzlosigkeit herrscht, O Krishna, werden die Frauen der Sippe verdorben; werden die Frauen verdorben, O Varshneya, gerät die feste Ordnung der varṇas durcheinander.
Varṇa wird gewöhnlich mit „Kaste“ übersetzt, doch ist das bestehende Kastensystem eine ganz andere Sache als der soziale Gedanke von caturvarṇa des Altertums: Die klar umrissene vierfache Ordnung der arischen Gemeinschaft, die keineswegs der Beschreibung der Gita entspricht (siehe Kapitel 18: Swabhava und Swadharma). (510)
1.41
Dies Chaos bringt für die Zerstörer der Sippe Verdammnis, aber auch für die Sippe; denn ihre Ahnen fallen, da sie das piṇḍa (Reisopfer) und die Spende des Tranks entbehren müssen.
1.42
So werden durch diese Untaten der Zerstörer der Sippe, die die Verwirrung der Ordnung zur Folge hat, die ewigen Gesetze des Volkes und die moralische Grundlage der Sippe vernichtet.
1.43
Und die Menschen, deren Sippenmoral verdorben ist, leben für immer in der Hölle, O Janardana. So wurde es uns überliefert.
1.44
Wehe uns, die wir davor standen, eine schreckliche Sünde zu begehen, und unsere eigenen Verwandten aus Gier nach den Freuden der Macht töten wollten.
1.45
Viel eher gereicht mir zum Heil, dass die bewaffneten Söhne des Dhritarashtra mich, der ich waffenlos bin und keinen Widerstand leiste, erschlagen. (Ich will nicht kämpfen!)
1.46
Sanjaya sprach:
Als Arjuna auf dem Schlachtfeld so gesprochen hatte, sank er auf den Sitz des Kampfwagens zurück, warf seinen göttlichen Bogen und den unerschöpflichen Köcher hin (die er von den Göttern für diese furchtbare Stunde erhalten hatte), und sein Geist war von Kummer überwältigt.
Wenn sich Arjuna selbst auch nur um seine eigene Situation, seinen inneren Kampf und das von ihm zu befolgende Gesetz des Handelns kümmert, so wirft doch die von ihm gestellte besondere Frage, und zwar in der Art, wie er sie stellt, in Wirklichkeit die ganze Frage menschlichen Lebens und Handelns auf: Was ist die Welt? Warum ist sie so? Wie kann, wenn sie ist, was sie ist, das Leben hier in der Welt vereinbar sein mit einem Leben im spirituellen Geist? Der Lehrer besteht darauf, gerade diese tiefe und schwierige Frage als die wahre Grundproblematik seines Befehls zu einer Tat zu lösen, die aus einer neuen ausgeglichenen Haltung des Wesens hervorgehen und im Licht einer befreienden Erkenntnis durchgeführt werden muss.
Was bereitet aber diese Schwierigkeit für den Menschen, der die Welt nehmen muss, wie sie ist, der in ihr zu handeln hat, aber dennoch in seinem Inneren das spirituelle Leben möchte? Was ist dieser Aspekt des Daseins, der sein erwachendes Bewusstsein so bestürzt und das hervorbringt, was der Titel des ersten Kapitels der Gita bedeutungsvoll mit dem Yoga der Mutlosigkeit Arjunas bezeichnet, der Niedergeschlagenheit und Entmutigung, die das menschliche Wesen fühlt, wenn es gezwungen ist, das Spektakel des Universums so zu sehen, wie es wirklich ist, wenn der Schleier der ethischen Illusion, der Illusion der Selbst-Gerechtigkeit, von seinen Augen weggerissen ist, bevor noch eine höhere Aussöhnung mit sich selbst bewirkt wurde? Dieser Aspekt wird nach außen hin dargestellt durch das Blutbad und Gemetzel von Kurukshetra. Spirituell wird er sichtbar in der Vision des Herrn aller Dinge als Zeit, die sich erhebt, um alle Geschöpfe, die sie geschaffen hat, zu verschlingen und zu zerstören. Das ist die Vision des Herrn allen Daseins als des universalen Schöpfers, aber ebenso als des universalen Zerstörers, von dem die alte Schrift in einem grausamen Bild sagen kann: „Die Weisen und Helden sind seine Nahrung, und der Tod ist das Gewürz bei seinem Festmahl.“ Es ist ein und dieselbe Wahrheit, die zuerst indirekt und dunkel in den Tatsachen des Lebens, dann aber direkt und klar in der Schau der Seele von dem gesehen wird, was sich im Leben offenbart. Der äußere Aspekt ist der von Welt-Sein und menschlichem Sein, das durch Kampf und Töten sich vollzieht. Der innere Aspekt ist der des universalen Wesens, das sich in einer ungeheuren Schöpfung und einer gewaltigen Zerstörung zur Erfüllung bringt. Leben ist eine Schlacht und ein Feld des Todes –, dies ist Kurukshetra. Gott, der Schreckliche, das ist die Schau, die Arjuna hat auf jenem Feld des Massakers. (39-40)
Wir müssen Kurukshetra anerkennen; wir müssen uns dem Gesetz von Leben durch Tod unterwerfen, bevor wir unseren Weg zum unsterblichen Leben finden können. Wir müssen unsere Augen mit einem weniger entsetzten Blick als dem Arjunas öffnen, um unseren Herrn von Zeit und Tod zu schauen. Wir müssen aufhören, den universalen Zerstörer abzulehnen, zu hassen oder vor ihm zurückzuschrecken. (46)
1 Vrikodara, Yudhishthira, Nakula und Sahadeva sind die vier Brüder Arjunas. (Anm. d. Ü.)