Kitabı oku: «Die Botschaft der Bhagavadgita», sayfa 3
2. Kapitel
Sankhya, Yoga und Vedanta
Der Glaube des arischen Kriegers
2.1
Sanjaya sprach:
Zu ihm, der so von Mitleid ergriffen war, die Augen voll Tränen und Kummer, das Herz überwältigt von Schwermut und Entmutigung, sprach Madhusudana folgende Worte.
Dies Mitleid Arjunas ist gänzlich anders, als das göttliche Mitleiden, das von oben zu uns herabkommt... Dieses Mitleiden schaut mit den Augen der Liebe, Weisheit und stillen Kraft auf die Schlacht und das Ringen, auf Stärke und Schwäche des Menschen, auf seine Tugenden und Sünden, seine Freude und sein Leid, sein Wissen und seine Unwissenheit, seine Weisheit und seine Torheit, sein Streben und sein Versagen. In all das geht dieser Mensch ein, um zu helfen und zu heilen.
Arjunas Mitleid ist eine Form von Nachgiebigkeit gegen sich selbst. Es ist der körperliche Krampf der Nerven angesichts des Blutbads, das egoistisch emotionale Zurückschrecken seines Herzens vor der Vernichtung der Leute Dhritarashtras, weil diese „sein eigenes Volk“ sind; ohne sie wird das Leben leer sein. (59)
2.2
Der Erhabene sprach: Woher ist diese Niedergeschlagenheit, diese Verfärbung und Verfinsterung deiner Seele in der Stunde der schweren Entscheidung und Gefahr über dich gekommen, O Arjuna? Das ist nicht die Art, die vom arischen Mann hochgehalten wird. Diese Stimmung ist nicht vom Himmel zu dir herniedergekommen, und sie kann dich auch nicht empor zum Himmel tragen. Auf Erden bedeutet sie den Verlust deines Ruhmes.
Diese Frage weist hin auf die wirkliche Art von Arjunas Abkehr von seinen heldenhaften Eigenschaften. Es gibt ein göttliches Mitleiden, das von oben zu uns herabkommt. Und für den Menschen, der es nicht besitzt und nicht davon geprägt ist, ist es töricht und unverschämt zu behaupten, er sei der höhere Mensch, der Herrenmensch oder der Übermensch. Denn der allein ist der Übermensch, der am meisten die höchste Art der Gottheit in der Menschheit offenbart. Dieses Mitleiden schaut mit den Augen der Liebe, Weisheit und stillen Kraft auf die Schlacht und das Ringen, auf Stärke und Schwäche des Menschen, auf seine Tugenden und Sünden, seine Freude und sein Leid, sein Wissen und seine Unwissenheit, seine Weisheit und seine Torheit, sein Streben und sein Versagen. In all das geht dieser Mensch ein, um zu helfen und zu heilen. Im Heiligen und Menschenfreund mag er sich in das Gewand einer Fülle von Liebe und helfender Güte hüllen; im Denker und Helden nimmt er die Weite und Kraft seiner hilfreichen Weisheit und Stärke an. Dies Mitleiden des arischen Kriegers, die Seele seiner Ritterlichkeit, wird das geknickte Schilf nicht zerbrechen, sondern hilft dem Schwachen und Unterdrückten, dem Verwundeten und Niedergeworfenen und beschützt sie. Aber das göttliche Mitleiden zerschmettert auch den starken Tyrannen und den selbstgewissen Unterdrücker, nicht in Zorn und Hass –, denn das sind nicht die hohen göttlichen Eigenschaften; der Zorn Gottes gegen den Sünder, Gottes Hass gegen den Bösewicht sind die Fabeln halberleuchteter Religionen, ebenso wie die ewige Qual der Höllen eine Fabel ist, die sie erfunden haben –, sondern, wie es die alte indische Spiritualität klar sah, mit ebenso viel Liebe und Mitleiden für den starken Titanen, der durch seine Kraft irrt und wegen seiner Sünden erschlagen wird, wie für die Leidenden und Unterdrückten, die vor seiner Gewalt und Ungerechtigkeit gerettet werden müssen.
Solcher Art ist aber nicht das Mitleid, das Arjuna zur Zurückweisung seines Werkes und seiner Sendung bestimmt. Das ist kein Mitleid, sondern ein Versagen aller Kräfte voller schwächlichen Selbstmitleids. Er weicht aufgrund des mentalen Leidens zurück, das sein Handeln über ihn bringen muss: „Ich sehe nicht, was den tiefen Kummer von mir wegnehmen wird, der mir die Sinne austrocknet.“ Von allen Dingen ist es eine der schimpflichsten unarischen Stimmungen, dass man sich selbst bemitleidet. (58-59)
2.3
Lass nicht ab von der Männlichkeit des Kriegers und Helden, O Partha! Das passt nicht zu dir. Schüttele diese erbärmliche Schwachherzigkeit ab! Steh auf, Parantapa (du Geißel der Feinde)!
Arjunas Mitleid ist eine Schwäche seines Mentals und seiner Sinne –, eine Schwäche, die für Menschen von niedrigerem Entwicklungsgrad wohl vorteilhaft sein könnte. Sie müssen schwach sein, da sie sonst hart und grausam wären; denn sie müssen die raueren Formen der egoistischen Empfindungen durch die sanfteren mildern... Dieser Weg ist aber nichts für den entwickelten arischen Mann, der wachsen muss, nicht durch Schwäche, sondern durch ein Emporsteigen von einer Stärke zur anderen. Arjuna ist der göttliche Mensch, der Herrenmensch im Werden. Als solcher ist er von den Göttern erwählt worden. Er muss das ihm übertragene Werk durchführen. Dazu hat er Gott neben sich im Kampfwagen. Er hält den himmlischen Bogen Gandiva in seiner Hand. Er wird mit den Verfechtern der Rechtlosigkeit, den Gegnern der göttlichen Lenkung der Welt konfrontiert. Nicht er selbst hat das Recht zu entscheiden, was er tun oder nicht tun soll, je nach seinen Empfindungen und Leidenschaften. Er darf nicht vor der notwendigen Zerstörung durch den Einwand seines egoistischen Herzens und seiner Vernunft zurückschrecken oder sein Werk ablehnen, weil es Kummer und Leere in sein Leben bringt oder weil sein Ergebnis auf Erden für ihn keinen Wert hat, wenn die Tausende fehlen, die zugrunde gehen müssen. All das ist ein schwächliches Absinken aus seiner höheren Natur. Er darf nur auf sein Werk schauen, das getan werden muss, kartavyam karma, er soll nur den göttlichen Befehl vernehmen, der ihm durch seine Krieger-Natur eingehaucht wird. Sein Gefühl muss allein auf die Welt und das Schicksal der Menschheit gerichtet sein, die ihn als ihren gottgesandten Helfer ruft, ihren Fortschritt zu unterstützen und ihren Weg von den finsteren Armeen zu befreien, die ihn besetzt halten. (59-60)
2.4
Arjuna sprach:
Wie soll ich, O Madhusudana, im Kampfe Bhishma und Drona, die der Verehrung würdig sind, mit Waffen schlagen, O Töter der Feinde?
2.5
Es ist mir lieber, in dieser Welt nur von Almosen zu leben, als die Gurus, die hohen Seelen, zu töten. Würde ich diese Gurus erschlagen, schmeckten mir alle Genüsse in dieser Welt nur noch nach Blut.
2.6
Auch weiß ich nicht, was für uns besser ist, sie zu besiegen oder von ihnen besiegt zu werden –, denn vor uns stehen die Dhritarashtrier. Haben wir sie getötet, sollten wir nicht mehr weiterleben wollen.
2.7
Es ist die Dürftigkeit des Geistes, die mein (wahres heldenhaftes) Wesen so tödlich getroffen hat. Mein ganzes Bewusstsein ist völlig verwirrt in seinem Urteil über Recht und Unrecht. Dich frage ich, was wohl das Bessere ist – sage es mir eindeutig! Wie ein Jünger nehme ich meine Zuflucht zu dir. Erleuchte mich!
Arjuna ist der Mann der Aktion, nicht des Wissens; er ist Kämpfer, niemals Seher oder Denker. (22)
In der Gita ist er beispielhaft für die Seele des handelnden Menschen, der durch dieses Handeln in dessen höchster und gewaltsamster Entscheidung vor das Problem des menschlichen Lebens und seiner offensichtlichen Unvereinbarkeit mit dem spirituellen Seelenzustand oder auch nur einem rein ethischen Ideal von Vollkommenheit gestellt wird. (21)
Diese innere Krise entsteht also nicht aus der Fragestellung des Denkers. Sie ist kein Zurückschrecken vor den äußeren Erscheinungen des Lebens, keine Wendung des Blicks nach innen, um die Wahrheit der Dinge, die wirkliche Bedeutung des Seins zu ergründen und eine Lösung der dunklen Rätsel der Welt zu finden oder ihnen zu entfliehen. Vielmehr ist es das Aufbegehren der Sinne, Gefühle und Moral des Mannes, der bisher mit seinem Handeln und mit dessen gültigen Normen zufrieden war, sich aber nun gerade durch diese in ein furchtbares Chaos geschleudert sieht, da sie miteinander und mit sich selbst in Konflikt liegen. Ihm ist kein fester moralischer Boden übriggeblieben, nichts, woran er sich halten und worauf er seinen Weg ausrichten kann, also kein dharma.1 Das ist für die auf das Handeln gerichtete Seele im mentalen Wesen die schlimmste aller möglichen Krisen: Scheitern und Untergang. Die Auflehnung dagegen ist das an sich zutiefst Elementare und die einfachste Möglichkeit: In seinen Sinnen herrscht das Urgefühl von Schrecken, Mitleid und Abscheu. Im Vitalen ist die Anziehungskraft der anerkannten und vertrauten Ziele und der Glaube an sie verloren gegangen. In den Gefühlen schrecken die gewöhnlichen Empfindungen des Gemeinschaftsmenschen, Anhänglichkeit, Ehrerbietung, das Verlangen nach gemeinsamem Glück und Zufriedenheit zurück vor einer harten Pflicht, die sie alle vergewaltigt. Im Moralischen wehrt sich das elementare Empfinden von Sünde und Hölle dagegen und weist diese ,,blutbefleckten Freuden“ zurück. Praktisch herrscht nur noch das Empfinden, dass die dieser Aktion zugrunde liegenden Normen zu einem Ergebnis führen, das die tatsächlichen Ziele dieser Aktion zerstört. Aus alledem entsteht der totale innere Bankrott, den Arjuna mit den Worten ausdrückt, dass sein ganzes bewusstes Wesen, nicht nur sein Denken, sondern sein Herz, sein vitales Begehren und alles aufs äußerste verstört sind und er nirgendwo mehr das Dharma, nirgends ein gültiges Gesetz für sein Handeln finden kann. Nur um dieses zu erlangen, nimmt er als Schüler seine Zuflucht zu Krishna: Gib mir, so bittet er praktisch, das, was ich verloren habe, ein wahres Gesetz, eine klare Vorschrift für mein Handeln. Zeige mir den Pfad, auf dem ich wieder vertrauensvoll gehen kann! Er bittet nicht um die Enthüllung des Geheimnisses des Lebens oder des Rätsels der Welt. Er fragt nicht nach dem Sinn und Ziel von alledem. Er bittet nur um ein Dharma.
Der göttliche Lehrer beabsichtigt jedoch, seinen Schüler gerade zu diesem Geheimnis hinzuführen, um dessen Erhellung er nicht bittet, zumindest zu so viel Erkenntnis, wie notwendig ist, um ihn zu einem höheren Leben emporzuheben. Denn er legt ihm nahe, jedes Dharma aufzugeben außer dem einzigen umfassenden Lebensgesetz im weitesten Sinn, nämlich bewusst im Göttlichen zu leben und aus diesem Bewusstsein zu handeln. (25-26)
Es ist irrig, die Gita vom Standpunkt der heutigen Mentalität aus zu interpretieren und sie zu zwingen, uns die uneigennützige Ausführung der Pflicht als das höchste und völlig ausreichende Gesetz zu lehren. Schon bei kurzer Erwägung der Situation, mit der sich die Gita befasst, werden wir erkennen, dass das nicht ihre Absicht sein kann. Denn das ganze Ereignis, von dem ihre Belehrung ausgeht und das den Schüler zwingt, den Lehrer zu suchen, ist ein unentwirrbarer Konflikt verschiedener miteinander verbundener Pflichtbegriffe, der im Zusammenbruch des ganzen zweckmäßigen intellektuellen und moralischen Gebäudes endet, das vom menschlichen Mental errichtet worden war. Im menschlichen Leben kommt es ziemlich oft zu einem Widerstreit von Pflichten, wie zum Beispiel zwischen der Pflicht gegenüber der Familie und derjenigen gegenüber dem Land oder gegenüber einer Sache, zwischen dem Anspruch des Landes und dem Wohl der Menschheit oder einem umfassenderen religiösen oder moralischen Prinzip. Es mag sogar, wie bei Buddha, eine innere Situation entstehen, in der alle Pflichten aufgegeben, mit Füßen getreten, beiseite geworfen werden müssen, um dem Ruf der Gottheit im Inneren zu folgen. Ich kann mir nicht denken, dass die Gita eine solche innere Situation dadurch lösen würde, dass sie Buddha zu seiner Gattin, seinem Vater und der Regierung des Sakya-Staates zurückschickt; oder dass sie Ramakrishna anweisen würde, Pandit an einer Volksschule zu werden, um kleinen Jungen in selbstloser Hingabe ihre Lektionen beizubringen; oder einen Vivekananda an die niedere Pflicht binden würde, seine Familie zu unterstützen und zu diesem Zweck leidenschaftslos die Gesetzeskunde, Medizin oder Journalistik zu praktizieren. Die Gita lehrt nicht, selbstlos die Pflicht zu erfüllen, sondern dem göttlichen Leben zu folgen. Wir sollen alle Dharmas aufgeben, sarvadharmān, unsere Zuflucht allein zum Erhabenen nehmen. Die göttliche Aktivität eines Buddha, Ramakrishna und Vivekananda steht völlig im Einklang mit dieser Lehre. Ja, obwohl die Gita das Handeln dem Nichthandeln vorzieht, schließt sie nicht den Verzicht auf Wirken aus, sondern akzeptiert ihn als einen der Wege zum Göttlichen. Wenn man dieses allein dadurch erlangen kann, dass man auf Wirken, Leben und alle Pflichten verzichtet und der innere Ruf in uns stark ist, müssen jene alle aufgegeben werden, dagegen hilft nichts. Der Ruf Gottes ist zwingend. Ihm gegenüber haben keine anderen Erwägungen Gewicht. (32-33)
2.8
Ich sehe nicht, was mich von diesem Kummer befreien könnte, der mir die Sinne ausdörrt, selbst dann nicht, wenn ich eine reiche und unangefochtene Herrschaft auf Erden oder gar die Hoheitsgewalt der Götter erlangen würde.
2.9
Sanjaya sprach:
Gudakesha, der Schrecken seiner Feinde, der so zu Hrishikesha gesprochen hatte, sagte noch: „Ich will nicht kämpfen!“ Dann schwieg er.
In seiner Antwort an Krishna erkennt Arjuna den Tadel an, auch wenn er dagegen kämpft und den Befehl verweigert. Er ist sich seiner Schwäche bewusst und gibt zu, dass er dieser unterworfen ist. Es ist Dürftigkeit seines Geistes – das erkennt er an –, die seine wahre Heldennatur von ihm genommen hat. Sein Gewissen ist völlig verstört in seiner Anschauung von Recht und Unrecht. Darum nimmt er den göttlichen Freund zu seinem Lehrer. Alle Stützen des Gefühls und Verstandes, mit denen er seinen Gerechtigkeitssinn abgesichert hatte, sind zusammengebrochen. Er kann keinen Befehl annehmen, der nur an seinen alten Standpunkt zu appellieren scheint und ihm keine neue Grundlage zum Handeln gibt. Er versucht immer noch, seine Ablehnung des Werkes zu rechtfertigen, und bringt zu deren Unterstützung die Einwände seines feinnervigen, empfindsamen Wesens vor, das vor dem Blutbad und den folgenden blutbefleckten Genüssen zurückschreckt; die Forderung seines Herzens, das vor dem Schmerz und der Leere des Lebens schaudert, die seinem Handeln folgen; die Normen der üblichen Moralbegriffe, das Entsetzen über die Notwendigkeit, dass er seine Gurus, Bhishma und Drona, erschlagen soll; den Einwand seiner Vernunft, die keine guten, sondern nur böse Folgen aus dem schrecklichen, gewalttätigen Werk kommen sieht, das ihm aufgetragen wird. Er ist entschlossen, nicht auf der alten Grundlage von Denken und Beweggrund zu kämpfen, und erwartet schweigend die Antwort auf seine Einwände, die ihm unwiderlegbar zu sein scheinen. Diese Einwände aus Arjunas egoistischem Wesen versucht Krishna zuerst zu zerstören, um Raum zu schaffen für das höhere Gesetz, das über alle egoistischen Motive zum Handeln hinausgeht. (60)
2.10
Zu ihm, O Bharata, der so niedergeschlagen und entmutigt war, sprach nun zwischen den beiden Heeren Hrishikesha. Und es war, als ob er dabei lächelte.
Die Antwort des Lehrers geht auf zwei verschiedenen Wegen vor: Zuerst eine kurze Antwort, die sich auf die höchsten Ideen der allgemeinen arischen Kultur gründet, in der Arjuna erzogen wurde; sodann eine andere, viel stärker begründete Antwort, deren Grundlage ein mehr inneres Erkennen ist, das in tiefere Wahrheiten unseres Wesens einführt, die der wirkliche Ausgangspunkt der Lehre der Gita sind. Die erste Antwort stützt sich auf die philosophischen und moralischen Auffassungen der vedantischen Philosophie und auf die soziale Idee von Pflicht und Ehre, die die ethische Basis der arischen Gesellschaft bildete. (60-61)
2.11
Der Erhabene sprach: Du beklagst die, welche man nicht beklagen sollte, und doch redest du Worte der Weisheit. Der erleuchtete Mensch betrauert weder die Lebenden noch die Toten.
2.12
Es ist nicht wahr, dass Ich zu irgendeiner Zeit nicht gewesen bin, noch du, noch diese Könige unter den Menschen; und es ist auch nicht wahr, dass einer von uns je aufhören wird, künftig zu sein.
2.13
So wie die Seele in diesem Körper durch Kindheit, Jugend und Alter hindurchgeht, so geht sie weiter im Wechseln des Körpers. Der in seinem Selbst ruhende Mensch erlaubt es sich nicht, hierdurch verwirrt und geblendet zu werden.
Der stille und weise mentale Geist, der dhīra, der Denker, der mit gelassenem Blick das Leben betrachtet und sich nicht durch seine Empfindungen und Gefühle verstören oder blind machen lässt, wird durch materielle Erscheinungen nicht getäuscht. Er erlaubt nicht, dass die Aufruhr seines Blutes, seiner Nerven, seines Herzens sein Urteil trübt oder seiner Erkenntnis widerspricht. Er schaut über die äußerlich erkennbaren Fakten des Lebens, des Körpers und der Sinne hinaus zur wirklichen Tatsache seines Wesens und erhebt sich über die emotionalen und physischen Begehren seiner unwissenden Natur empor zum wahren und einzigen Ziel menschlichen Seins.
Was ist diese wirkliche Tatsache, dies höchste Ziel? Dies, dass Leben und Tod des Menschen, wiederholt durch die Äonen in den großen Zyklen der Welt, nur ein langes Vorwärtsschreiten sind, durch das sich der Mensch vorbereitet und für die Unsterblichkeit fähig macht. (61)
2.14
Vergänglich sind, O Sohn der Kunti, die materiellen Berührungen von Kälte und Hitze, von Freude und Leid. Sie kommen und gehen. Lerne dies zu ertragen, O Bharata.
2.15
Der Mensch, den sie nicht mehr bekümmern noch schmerzen, O Löwenherz unter den Menschen, der Starke und Weise, der ausgeglichenen Sinnes ist in Freude und Leid, er bereitet sich zu für die Unsterblichkeit.
Mit Unsterblichkeit ist nicht das Überleben des Todes gemeint – das wird bereits jedem geborenen Geschöpf gegeben, das mit einem Mental ausgestattet wird –, sondern die Erhabenheit über Leben und Tod. Das bedeutet jener Aufstieg, durch den der Mensch aufhört, nur als mental geprägter Körper zu leben, und durch den er zuletzt lebt als ein Geist und im Geist. Wer Kummer und Trauer unterworfen, ein Sklave der Empfindungen und Gefühle ist, ganz benommen durch die Berührungen der vergänglichen Dinge, kann nicht zur Unsterblichkeit fähig werden. Diese Dinge muss man ertragen, bis sie überwunden sind; bis sie dem befreiten Menschen keinen Schmerz mehr bereiten können; bis er fähig ist, alle materiellen Geschehnisse der Welt, ob sie froh machen oder Schmerz bereiten, in weiser und stiller Gelassenheit ebenso zu empfangen wie der stille ewige Geist, der insgeheim in uns ist, sie annimmt. (62)
2.16
Das, was wirklich ist, kann nicht das Dasein verlassen, genauso wenig wie das, was nicht ist, in das Dasein eintreten kann. Den Zweck dieses Gegensatzes von „es ist“ und „es ist nicht“ haben die Seher der essentiellen Wahrheiten erkannt.
Die Seele ist und kann nicht aufhören zu sein. Diese Gegensätzlichkeit von „ist“ und „ist nicht“, dies Gleichgewicht von Sein und Werden, die die Auffassung des Mentals vom Dasein ist, findet ihr Ende in der Verwirklichung der Seele als das eine unzerstörbare Selbst, durch das dieses gesamte Universum nach außen hin ausgebreitet worden ist. (62)
2.17
Erkenne jenes als das Unzerstörbare, durch das dies alles hier ausgebreitet wird. Wer kann schon den unsterblichen Geist erschlagen?
2.18
Begrenzte Körper haben ein Ende, aber jenes, das den Körper besitzt und verwendet, ist unendlich, unbegrenzbar, ewig, unzerstörbar. Darum kämpfe, O Bharata!
2.19
Wenn einer diese (Seele) als einen Tötenden ansieht oder wenn einer denkt, dass diese getötet wird, versagen beide im Erkennen der Wahrheit. Die Seele erschlägt nicht, noch wird sie erschlagen.
2.20
Die Seele wird weder geboren noch stirbt sie. Sie ist nicht etwas, das nur ein einziges Mal in das Dasein eintritt und, wenn sie gegangen ist, nie mehr in das Dasein kommen wird. Die Seele ist ungeboren, uralt, immer dauernd; sie wird nicht erschlagen, wenn der Körper erschlagen wird.
2.21
Wer sie erkennt als eine unsterbliche, ewige, unzerstörbare spirituelle Existenz, wie kann dieser Mensch töten, O Partha, oder Ursache des Tötens sein?
2.22
Die verkörperte Seele wirft ihre alt gewordenen Körper ab und geht in neue Körper ein, so wie ein Mensch zerschlissene Kleider gegen neue wechselt.
2.23
Waffen können die Seele nicht zerschmettern, Feuer kann sie nicht verbrennen, noch Wasser sie durchnässen oder der Wind sie ausdörren.
2.24
Sie ist unzerreißbar und unbrennbar, sie kann weder durchnässt noch ausgedörrt werden. Ewig beständig, unbeweglich, alles durchdringend, ist sie für immer und ewig.
2.25
Sie ist nicht geoffenbart, sie ist unbegreiflich, sie ist unveränderlich. So wird sie (in den Srutis = Heiligen Schriften) beschrieben. Darum solltest du, sofern du die Seele als von solcher Art erkennst, unbekümmert sein.
Nicht erschaffen wie der Körper, sondern größer als die ganze Manifestation; nicht analysierbar durch das Denken, aber größer als das ganze Mental; nicht fähig, sich zu verändern, sich umzuwandeln, wie das Leben mit seinen Organen und ihren Gegenständen, sondern jenseits von allen Wandlungen des Mentals, Lebens und Körpers ist es doch die Wirklichkeit, die sie alle darzustellen sich bemühen. (63)
2.26
Auch wenn du von ihm (dem Selbst) annehmen solltest, es sei ständig Geburt und Tod unterworfen, so solltest du, O Starkarmiger, dich doch nicht grämen.
2.27
Denn einem, der geboren wurde, ist der Tod sicher, und einem, der gestorben ist, ist die Geburt gewiss. Darum sollte, was unvermeidlich ist, kein Anlass für deinen Kummer sein.
Selbst wenn unser wahres Wesen etwas weniger Feines, Gewaltiges, von Tod und Leben Unberührbares und das Selbst ständig der Geburt und dem Tod unterworfen wäre, dürfte der Tod der Wesen doch kein Anlass zum Trauern sein. Denn er ist ein unvermeidlicher Umstand in der Selbst-Manifestation der Seele. Bei ihrer Geburt tritt sie in die Sichtbarkeit hervor aus einem bestimmten Zustand, in dem sie nicht nicht-seiend, wohl aber für unsere sterblichen Sinne ungeoffenbart ist. Ihr Tod ist eine Rückkehr in jene nicht-manifeste Welt oder Urbedingung, aus der sie wieder in der physischen Manifestation erscheint. All der Lärm, der vom physischen Mental und den Sinnen wegen des Todes gemacht wird, die Angst vor dem Tod auf dem Krankenbett oder auf dem Schlachtfeld ist die unwissendste der nervlich bedingten Klagen. Unsere Trauer über den Tod von Menschen ist ein unwissendes Trauern um die, für die es keinen Grund zum Trauern gibt, da sie weder das Sein verlassen noch einen schmerzvollen oder schrecklichen Wandel ihrer Bedingungen erfahren haben. Vielmehr sind sie jenseits des Todes nicht weniger im Sein, auch nicht unglücklicher in ihren Umständen als im Leben. (63)
2.28
Alle Wesen sind am Anfang ungeoffenbart, in ihrem Zwischenzustand geoffenbart, O Bharata, und wieder ungeoffenbart bei ihrer Auflösung. Worüber soll man also klagen?
2.29
Der eine betrachtet es (das Selbst) als ein Mysterium. Ein anderer spricht oder hört von ihm als einem Mysterium. Aber keiner kennt es. Auf jenes (das Selbst, das Eine, das Göttliche) blicken wir, von ihm sprechen oder hören wir als dem Wunderbaren jenseits unseres Verstehens, denn trotz allem, was wir von denen gelernt haben, die Erkenntnis besitzen, hat kein menschliches Mental jemals dieses Absolute gekannt.
Es ist dieses Selbst, das hier durch die Welt verhüllt ist; es ist der Herr des Körpers. Alles Leben ist nur sein Schatten. Das Eintreten der Seele in die körperliche Manifestation und unser Weitergehen aus ihr durch den Tod ist nur eine ihrer kleineren Bewegungen. Wenn wir erkannt haben, dass wir selbst jenes Selbst sind, ist es absurd, von uns als den Tötenden oder Getöteten zu sprechen. Nur jenes Eine ist die Wahrheit, in der wir zu leben haben: das Ewige, das sich als die Seele des Menschen in dem großen Zyklus seiner Pilgerschaft manifestiert, deren Meilensteine Geburt und Tod sind, mit Welten im Jenseits als Ruhestätten, mit allen frohen und unfrohen Lebensumständen als den Mitteln unseres Fortschritts, mit Kampf und Sieg und mit der Unsterblichkeit als der Heimat, zu der die Seele reist. (63-64)
2.30
Dieser Einwohner im Körper eines jeden Menschen ist ewig und unzerstörbar, O Bharata. Darum solltest du um keiner Kreatur willen Kummer empfinden.
2.31
Und weiter: Wenn du dein eigenes Gesetz des Handelns betrachtest, solltest du nicht erzittern; es gibt kein höheres Gut für den Kshatriya als die gerechte Schlacht.
Wie rechtfertigt das aber das Handeln, das von Arjuna verlangt wird, und das Hinschlachten von Kurukshetra? Die Antwort lautet: Das ist das von Arjuna geforderte Handeln auf dem Pfad, den er zu gehen hat. Es ist bei der Ausführung der Funktionen, die von ihm durch sein svadharma gefordert werden, unvermeidlich geworden. Es ist seine soziale Pflicht, das Gesetz seines Lebens und das Gesetz seines Wesens. Diese Welt, diese Manifestation des Selbstes im materiellen Universum, ist nicht nur ein Kreislauf der inneren Entwicklung, sondern auch ein Feld, auf dem die äußeren Umstände des Lebens als eine Umgebung und eine Gelegenheit für diese Entwicklung angenommen werden müssen. Sie ist eine Welt gegenseitiger Hilfe und gegenseitigen Kampfes. Der Fortschritt, den sie uns erlaubt, ist kein gelassenes friedliches Dahingleiten durch leichte Freuden. Vielmehr muss jeder Schritt durch ein heroisches Mühen und einen Konflikt gegensätzlicher Kräfte erobert werden. Jene machtvollen Männer, die den inneren und äußeren Kampf, selbst bis hin zum rein physischen Zusammenstoß, dem des Krieges, auf sich nehmen, sind die Kshatriyas. Krieg, Kraft, Adel, Mut gehören zu ihrer Natur, Schutz des Rechts und unerschrockene Annahme der Herausforderung der Schlacht zu ihrer Tugend und ihrer Pflicht. (64)
2.32
Wenn sich ihnen eine solche Schlacht von selbst anbietet wie das offene Tor zum Himmel, sind die Kshatriyas glücklich.
Für einen Augenblick gibt der Lehrer dem Gespräch eine andere Wendung, um zu antworten auf das Gezeter Arjunas über seinen Schmerz um den Tod der Verwandten, weil dadurch sein Leben von Motiven und Zielen entleert werde. Was ist das wahre Ziel des Lebens eines Kshatriya, was sein wirkliches Glück? Nicht sich selbst Freude zu verschaffen, nicht häusliches Glück und ein Leben in Bequemlichkeit und friedlichem Genießen mit Freunden und Verwandten. Vielmehr muss er für das Recht kämpfen. Das ist sein wahres Lebensziel. Und er soll ein großes Motiv finden, für das er sein Leben hingeben oder durch den Sieg Krone und Ruhm im Dasein als ein Held gewinnen kann. Das ist sein größtes Glück. (65)
2.33
Wenn du aber diesen Kampf für das Recht nicht wagst, hast du deine Pflicht und deine Tugend sowie deinen Ruhm preisgegeben, und Sünde wird auf dir liegen.
Stets gibt es Kampf zwischen Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, der Kraft, die beschützt, und der Kraft, die verletzt und unterdrückt. Und wenn das einmal bis zum Ausbruch des physischen Kampfes gebracht worden ist, darf der Vorkämpfer und Bannerträger des Rechts nicht erschüttert sein und vor der gewalttätigen und schrecklichen Natur des Werkes, das er zu verrichten hat, erzittern. Er darf seine Gefolgsleute, seine Kameraden nicht aufgeben, seine Sache nicht verraten und nicht zulassen, dass die Fahne des Rechts und der Gerechtigkeit in den Staub gezerrt und von blutbefleckten Füßen des Unterdrückers in den Schmutz getreten wird, wegen eines schwächlichen Jammerns vor dem Gewaltsamen und Grausamen und eines physischen Erschreckens vor der Ungeheuerlichkeit der angeordneten Zerstörung. Seine Tugend und seine Pflicht liegen in der Schlacht und nicht im Vermeiden der Schlacht. Nicht das Töten, das Nicht-Töten wäre hier die Sünde. (64-65)
2.34
Überdies werden die Menschen von deiner unauslöschlichen Schande erzählen, und für einen Mann von edlem Rang ist die Unehre schlimmer als der Tod.
2.35
Die Starken werden meinen, du seist aus Furcht vor der Schlacht geflohen, und du, der du von ihnen hoch geachtet warst, musst deine Ehre mit Schmach besudeln lassen.
Wenn Arjuna dies Ideal herabwürdigt, einen Schandfleck auf diese Ehre fallen lässt, indem er dem Helden das Beispiel eines solchen gibt, dessen Handeln sich selbst dem Vorwurf der Feigheit und Schwächlichkeit preisgibt, und auf diese Weise das moralische Niveau der Menschheit herunterdrückt, handelt er falsch, sich selbst gegenüber und auch gegen das, was die Welt von ihren Führern und Königen fordert. (65)
2.36
Viele unziemliche Worte werden von deinen Feinden geredet werden, mit denen sie deine Stärke verleumden. Gibt es größeren Kummer als diesen?
2.37
Wirst du erschlagen, wirst du den Himmel gewinnen. Bist du aber siegreich, wirst du die Erde genießen. Darum steh auf, O Sohn der Kunti, zum Kampf entschlossen!
Die indische Ethik hat immer die praktische Notwendigkeit eingesehen, für die Entwicklung des moralischen und spirituellen Lebens der Menschen Ideale unterschiedlichen Grades hochzuhalten. Das Kshatriya-Ideal, das Ideal der vier Ordnungen, wird hier in seinem gesellschaftlichen Aspekt dargestellt, nicht, wie später, in seiner spirituellen Bedeutung. Letzten Endes sagt Krishna hier: Das ist meine Antwort, falls du auf Freude und Schmerz und auf dem Ergebnis dieser Handlungen als dem Motiv für dein Handeln beharrst. Ich habe dir gezeigt, nach welcher Richtung dich die höhere Erkenntnis des Selbstes und der Welt weist. Jetzt zeigte ich dir, wozu dich deine gesellschaftliche Pflicht und der ethische Rang deines Standes bestimmt, vadharmam api cāvekṣya. Was du von beidem auch als maßgebend für dich ansiehst, das Ergebnis ist das Gleiche. Wenn du aber nicht mit deiner gesellschaftlichen Pflicht und mit der Ehre deines Standes zufrieden bist, wenn du denkst, das führe dich in Kummer und Sünde, dann verlange ich von dir, dass du dich zu einem höheren Ideal erhebst und nicht in ein niedrigeres hinabsinkst. (66)
2.38
Lass Kummer und Glück, Verlust und Gewinn, Sieg und Niederlage gleich viel für deine Seele sein und stürze dich in die Schlacht! So wirst du keine Sünde auf dich laden.