Kitabı oku: «Der phantastische Rebell - Alexander Moritz Frey», sayfa 3

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Mystischer Mumpitz

»Im Dritten Reich sollte das realisiert werden, woraus die Science Fiction noch immer ihr Kapital schlägt.« (Nagl, S. 164)

Phantastische Ideen dienten in Deutschland nicht nur der Literatur als Vorlage. Anfang des 20. Jahrhunderts erschien eine Flut von Büchern, die als eine Mischung aus esoterischer »Geheimwissenschaft« und Science Fiction im pseudowissenschaftlichen Gewand daher kamen. Spekulative Wissenschaft hatte die profane Quacksalberei von kleinen Betrügern abgelöst, die auf Jahrmärkten Schlangengift als Medizin verkauften. Heilsbringer aus aller Welt verkündeten allerorts obskure Geheimlehren oder warfen mit Runensteinen um sich. Eine ganze Reihe von Autoren geriet in das esoterische Fahrwasser von Theosophen, Ariosophen und anderen Mystikern, die mit allerlei Hirngespinsten auf sich aufmerksam machten. Mit absurden Theorien wie Hanns Hörbigers »Welteislehre« und dessen Buch mit dem Titel »Glazial-Kosmogenie. Eine neue Entwicklungsgeschichte des Weltalls und des Sonnensystems aufgrund der Erkenntnis eines kosmischen Neptunismus und eines ebenso universellen Plutonismus« (1913) konnte die phantastische Literatur nicht mehr mithalten. Laut Hanns Hörbiger, Vater des Schauspieler Paul Hörbiger, bestand das Universum aus Eis. Aus dieser simplen Idee für einen phantastischen Roman entwickelte er eine ominöse Pseudowissenschaft, die sämtliche astronomischen Erscheinungen neu erklären sollte. Hörbiger hatte sich dabei eigentlich nur frech bei einem utopischen Roman mit dem Titel »Planetenfeuer«(1899) von Max Haushofer (1840-1907) bedient. Max Haushofer war wiederum der Vater des Geopolitikers Karl Haushofer (1869-1946), einem guten Freund von Rudolf Heß, dem ab 1939 von der ausländischen Presse eine Rolle als Chefdenker der Nazis zugesprochen wurde, die er nie gehabt hat. Zu den Ideen aus Max Haushofers Roman kam für die »Welteislehre« noch allerlei mystischer Unsinn vom ewigen Krieg zwischen Feuer und Eis dazu, der u. a. die Sintflut und den Untergang von Atlantis ausgelöst haben soll. Sowohl Adolf Hitler als auch Heinrich Himmler und der Raketenpionier Max Valier waren von den wirren Spinnereien Hörbigers restlos überzeugt. Vor allem Himmler versuchte mit seiner SS-Forschungsabteilung »Ahnenerbe« später einen Beweis für die Welteislehre zu erbringen.

Die phantastische Literatur hatte sich vor allem im englischsprachigen Raum entwickelt. »Frankenstein« (1818) von Mary Shelley, Urahn der modernen Science Fiction, kam in Deutschland erst sehr spät auf den Markt. Während in England und Frankreich seit 1823 bereits ein Dutzend Theaterfassungen über die Bühne gingen und Thomas Edison schon 1910 die erste Verfilmung des populären Stoffes drehte, erschien »Frankenstein« erst 1912 in deutscher Sprache im Leipziger Verlag Max Altmann. Der Verlag hatte auch »Dracula« von Bram Stoker herausgebracht, spezialisierte sich aber vor allem auf Bücher über Geheimbünde, Tempelritter, Wünschelruten und Telepathie. Auch die Bestseller von Edward Bulwer-Lytton erschienen in diesem Verlag. Wissenschaft, Okkultismus und Trivialroman reichten sich die Hand.

Den Nazis galt das Gros der Phantastik später als »entartete Kunst«. Wenn sich die phantastische Literatur auch nur selten explizit politisch gab, fürchteten die Nazis vor allem den geistigen Spielraum dahinter. Die Geschichtsschreibung der Nazis bediente sich aber dank ihrer völkischen Wurzeln selbst ausgesprochen gern phantastischer Geschichten. Der Glaube an die Propaganda der politischen Religion Nationalsozialismus und eine Überlegenheit der deutschen Technik speiste sich zu einem nicht gerade geringen Teil aus Ideen der Phantastik. Große Teile der Nazi-Mythologie stammten aus Edward Bulwer Lyttons (1803-1873) Fantasyroman »The Coming Race« (1870), dem auch der Name der mystischen Energiequelle «Vril« entnommen wurde, die in der rechtsradikalen Esoterik bis heute eine große Rolle spielt. Dazu gesellte sich die »Rassenlehre« aus rassistischen und antisemitischen Fantasy-Magazinen wie den »Ostara«-Heften eines gewissen Jörg Lanz von Liebenfels (1874-1954), der Hitler zu seinen treuesten Lesern zählen konnte.

Von Liebenfels war ein Verrückter, der 1908 auf Burg Werfenstein den Orden der Neuen Templer (ONT) gegründet hatte. Seine »Ostara«-Hefte hatten zeitweise beeindruckende Auflagen. Der Einfluss des Schundautoren von Liebenfels auf Adolf Hitler ist von Nicholas Goodrick-Clarke in seinem sehr empfehlenswerten Standardwerk »Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus« bereits ausführlich beleuchtet worden. Wenn Autoren wie Wilfried Daim (»Der Mann, der Hitler die Ideen gab«) den Einfluss eines Schwindlers wie von Liebenfels auch überschätzen, so repräsentiert er vortrefflich eine ganze Reihe von Autoren, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihr Unwesen trieben und den Zeitgeist prägten. Lanz von Liebenfels hatte für die »Ostara« beim Ariosophen Guido von List (1848-1919) abgeschrieben, der sich wiederum bei der New Yorker Theosophen-Queen Helena Petrowna Blavatsky (1831-1891) und dem französischen Autoren Arthur de Gobineau (»Der arische Mensch«) bedient hatte. Blavatsky (»Die Geheimlehre«, 1888) selbst hatte bei rund hundert anderen Autoren verschiedener Texte geklaut und auch sie wurde vor allem von den Bestsellern Edward Bulwer Lyttons inspiriert. Dessen Roman »Die letzten Tage von Pompeji« (1834) hatte ihr als Vorlage für aberwitzige Theorien über das »okkulte Geheimwissen« der alten Ägypter gedient.

Die Geburt des Okkultismus

Die gebürtige Russin Helena Blavatsky war eine der einflussreichsten Schwindlerinnen ihrer Zeit. 1876 bezog sie mit ihrem Gönner Henry Steel Olcott, einem ehemaligen Bügerkriegsoffizier, den man nur den »Colonel« nannte, eine Wohnung mit acht Zimmern an der Ecke West 47th Street/Eight Avenue in Manhattan. Hier schrieb Blavatzky ihre Texte und unterhielt die feine Gesellschaft von New York mit Taschenspielereien, Zauberkunststückchen und Berichten von ihren angeblichen Weltreisen. Blavatsky, die schon morgens von Haschischwolken umgeben war, entwickelte aus den phantastischen Ideen Bulwer Lyttons die Grundprinzipien der Theosophie bzw. des Okkultismus. Grundlage ihrer »Geheimlehre« war eine alternative Entwicklungsgeschichte der Menschheit, die sie dem »Buch Dyzan« entnommen hatte, dem angeblich ältesten Buch der Welt, was außer Frau Blavatsky und den »geheimen Meistern Morya, Koot Hoomi und Djwal Kul« leider niemand je zu Gesicht bekam. Die »geheimen Meister« hüteten das Buch Dzan in ihrem »okkulten Museum« in einem unterirdischen Kloster. Selbst Himmlers Expeditionen nach Tibet konnten das geheime Versteck im Himalaya nicht finden. Morya, Koot Hoomi und Djwal Kul waren dafür aber eifrige Briefeschreiber und führende Theosophen aus aller Welt bekamen regelmäßig Post von den geheimen Meistern. Blavatzky behauptete nebenbei auch, von einem »Geheimbund religiöser Meister«, den »Mahatmas« oder »Great White Brothers«, in die USA geschickt worden zu sein, wo sie die Amerikaner auf »größere Wahrheiten« vorbereiten sollte. Bei den »Great White Brothers« handelte es sich dabei übrigens um eine Art himmlische Gerechtigkeitsliga, die aus Jesus, Buddha, Moses, Krishna und anderen religiösen Figuren bestand. Die Idee wurde 2001 von der Zeichentrickserie »South Park« in der äußerst kontroversen Episode »Super Best Friends« wieder aufgegriffen.

1884 wurde Madame Blavatsky des Betruges überführt und in den New Yorker Medien schwer gedemütigt. Blavatsky hatte sämtliche Briefe der geheimen Meister Morya, Koot Hoomi und Djwal Kul selbst verfasst und auch ihre angeblichen Abenteuer in fernen Ländern wurden nun in Frage gestellt. Die Begründerin des modernen Okkultismus zog aus Scham nach Europa, wo sie bis zu ihrem Tod 1891 um Einfluss innerhalb der theosophischen bzw. okkulten Szene kämpfte.

Blavatkys Schwachsinn von einer »Geheimlehre« wurde in Deutschland von Leuten wie Rudolf Steiner oder Anhängern der »Lebensreform«-Bewegung trotzdem heftigst bejubelt. Vor allem ihre Wiederbelebung des »Aryanism«, dem Glauben an eine überlegene Rasse, fand hier viele Freunde.

Die Arier

Die Herkunft des Wortes Arier aus dem Alt-Indischen und seine tatsächliche Bedeutung ist in Deutschland noch immer weitestgehend unbekannt. Tatsächlich stammt der Begriff aus der Sprachwissenschaft des heutigen Irans und hat nicht das geringste mit blonden, blauäugigen Nordmännern zu tun.

Das imaginäre Volk der Arier wurde in der »Rassentheorie« der Nationalsozialisten in Skandinavien verortet. Die Nazis wollten die Germanen damit von den romanischen Völkern trennen und erklärten die Arier zu einer indogermanischen Herrenrasse, die mit einer Insel namens Atlantis oder Thule untergegangen war. Helena Blavatzky, die sich in ihren Werken auch mit vollen Händen beim Hindiusmus bediente, hatte die Arier bereits vorher zur »fünften Wurzelrasse« und zu ursprünglichen Bewohnern von Atlantis erklärt, die seit 18 Millionen Jahren auf der Erde zugegen waren. Inspiriert wurde sie dabei vermutlich von der hinduistischen Reformbewegung Arya Smaj aus Mumbai, die von 1878 bis 1881 mit der Theosophischen Gesellschaft New York fusioniert war und das Märchen von den Ariern schon sehr viel früher verbreitete.

Die Mischung aus Sozialdarwinismus, Aberglaube und Rassismus war als neue Glaubensrichtung vor allem in Deutschland und Österreich sehr willkommen.

Deutschland war voll mit Theosophen, Ariosophen, Wünschelrutengängern und Geisterbeschwörern, aber auch in Österreich war man neuen Heilslehren gegenüber durchaus aufgeschlossen. Hochburg der rechten Esoterik war Wien und während Frey in München mit Thomas Mann scherzte, vegetierte ein kleiner Mann mit Schnurrbart in einem kläglichen Männerheim der österreichischen Hauptstadt vor sich hin. Sein Name war Adolf Hitler und er bot einen erbärmlichen Anblick. Er war nach Wien gekommen, um Kunst zu studieren, aber alles was er zu Papier brachte, waren Gebäude. Menschen schienen ihm fremd. Man hatte ihn nicht zum Studium zugelassen und seitdem vagabundierte er planlos durch Wien. Auch Lanz von Liebenfels, den Hitler in Wien zuhause besuchte um ein paar in seiner Sammlung fehlende »Ostara«-Heftchen zu erwerben, nahm ihn erst wahr als Hitler viele Jahre später in »Mein Kampf« schilderte, wie er sich »damals um wenige Heller die ersten antisemitischen Broschüren (s)eines Lebens« gekauft hatte. Hitler bezog sich dabei auf »die Judenfrage« und bekannte, dass ihm bei der Lektüre der Broschüren kurzzeitig »Zweifel kamen infolge der zum Teil so flachen und außerordentlich unwissenschaftlichen Beweisführung für die Behauptung. Ich wurde dann wieder rückfällig auf Wochen, ja einmal auf Monate hinaus.«

Alexander Moritz Frey kannte Publikationen wie die »Ostara« nur zu gut und machte sich öffentlich darüber lustig. Seinen Oberbürgermeister in »Solneman der Unsichtbare« ließ er den namenlosen Fremden gleich zu Beginn fragen: »Sind sie Theosoph und wollen ein Reich gründen?« (SDU1, S.12) Damit konnte man in den literarischen Salons von München 1909 so manchen Lacher bekommen.

II. An der Front

Am 28. Juni wurden der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau von serbischen Attentätern ermordet. In ganz Europa war man längst kriegsbereit und wartete quasi nur auf ein Ereignis wie das Attentat in Sarajevo. Die Bündnisse waren längst geschlossen und die hektische militärische Mobilmachung schien eine diplomatische Lösung des Konfliktes auszuschließen. Vier Wochen später erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg, der sich bald in ganz Europa und bis nach Asien, Amerika und Afrika ausbreitete. Die Begeisterung für den Krieg kannte anfangs keine Grenzen und auch die deutschen Schriftsteller waren vom Krieg größtenteils euphorisiert. Die »Licht und Schatten« wurde in »Die Front« umbenannt und druckte nur noch Landser-Lyrik. Georg Heym, wollte »noch mit der Kugel im Bauch den Rausch der Begeisterung« spüren und Thomas Mann schrieb in seinen »Gedanken im Kriege«: »Wie hätte der Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte.« (Mann, Gedanken, S.205) Ganz Deutschland berauschte sich am eigenen Nationalismus. Tausende und Abertausende meldeten sich freiwillig.

Alexander Moritz Frey teilte diese patriotische Begeisterung nicht. 1915 beschrieb er den vaterländischen Wahn in seiner Erzählung »Der Paß« folgendermaßen: »Mensch gegen Mensch. Ungeheuere Vernichtung. Stürzt herab, ihr Himmel! Empor, du Erde! Gegeneinander! Großartigstes aller Schauspiele.« (KHW, S. 188)

Obwohl er überzeugter Pazifist war, ging Alexander Moritz Frey 1915 trotzdem als Sanitäter zum Militär, wo er »trotz seines unsagbaren Abscheus vor Krieg und Kriegsgeschrei im Getöse der Materialschlachten mit einer Hingabe ohnegleichen Samariterdienste verrichtete«, wie sich sein Freund Max Kolmsperger in einer Gedenkrede am 28. Januar 1957 im Bayerischen Rundfunk erinnerte (Kolmsperger, DLA1, Sign. 69.6003). Frey landete beim Offiziersstab der 8. Kompanie des Bayerischen Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 16, dem Regiment List, dem ein junger Gefreiter namens Adolf Hitler als Meldegänger diente. Beide unterstanden direkt dem Kommando von Feldwebel Max Amann.

Adolf Hitler war bis zu diesem Zeitpunkt nicht weiter aufgefallen: ein erfolgloser Postkartenmaler, der den Krieg ebenso freudig begrüßt hatte wie die meisten Deutschen und Österreicher. Hitler bezeichnete seine Zeit an der Front später in »Mein Kampf« als »die unvergesslichste und größte Zeit meines irdischen Lebens« (Hitler, S. 180). Genauere Angaben vermied der Gefreite Hitler bis zu seinem Tod.

Nur sehr wenig ist über die frühen Details aus der Biographie des Diktators bekannt. Zwar gab es die eine oder andere, teilweise zweifelhafte, Anekdote von ehemaligen Kameraden, aber niemand konnte bisher ein halbwegs genaues Bild dieses Lebensabschnitt Hitlers zeichnen.

In seinem »Curriculum Vitae« (ca. 1939) erinnerte sich Frey an Hitler: «Meine ersten Bücher kamen ein paar Jahre vor dem Krieg - und dann kam er, der uns alle verschlang, um den und jenen nach vier Jahren wieder auszuspeien. Ich gehörte zu ihnen – erstaunlicherweise. Es erstaunt mich noch heute, denn ich war 3 Jahre an vorderster Front und war nie verwundet, ein paar Kratzer abgerechnet. Links und rechts fielen sie, tot und zerfetzt waren sie, verröchelt sind sie mit dem Kopf in meinem Schoß, den Schweiß des Endes habe ich ihnen aus dem bläulichen, vom letzten Zittern überhuschten Stirn gewischt – und bin selber dageblieben in dieser sinnlosen, dummen, brutalen Welt. Zufall, Zufall.

Ich war als Sanitätsoffizier draußen, ununterbrochen im Westen in Nordfrankreich – und der Gefreite Adolf Hitler ›kämpfte‹ neben mir. Beide gehörten wir dem Regimentsstab des 16. bayrischen Reserve-Infanterie-Regiments an. Wir kamen nicht weg aus der Hölle dieser schwersten militärischen Auseinandersetzungen des Weltkrieges, keinen Tag kamen wir fort aus der Atmosphäre Verduns und der Somme - etwa in die paradiesischen Gefilde Italiens oder Rumäniens. ›Les Lions des Baviére‹, die bayrischen Löwen, wurden von der Heeresleitung ständig dort gebraucht, wo es am dreckigsten zuging. So hat denn unser Regiment, aus 3000 Menschen regulär bestehend, in den vier Jahren etwa 10.000 Menschen verbraucht.«


Meldegänger Adolf Hitler, 1914/15

Der Gefreite Hitler

1913 hatte Adolf Hitler noch auf dem Münchener Odeonsplatz gesessen und Aquarelle der prächtigen Bauten Münchens gemalt. Er schlief in Männerasylen und konnte sich nur mit Mühe über Wasser halten. Wer Hitler damals begegnete, hätte wohl kaum geglaubt, dass die magere Gestalt mit dem Schnurrbart zwanzig Jahre später Reichskanzler sein würde und die Welt in den blutigsten Krieg der Geschichte stürzen sollte. Auch Alexander Moritz Frey beobachtete später ungläubig den Aufstieg Hitlers, den er für einen Dummkopf erster Klasse hielt. Im deutschen Literatur-Archiv in Marbach befindet sich ein Manuskript mit dem Titel »Der unbekannte Gefreite – persönliche Erinnerungen an Hitler«. Frey hatte eine Kopie des Manuskriptes bereits 1949 an den Aufbau Verlag in New York geschickt. Dort war der zuständige Redakteur Manfred George, der selbst vor Hitler in die USA geflohen war, aber an einer Veröffentlichung nur wenig interessiert. In einem Brief an Frey vom 23. Juni 1949 (DLA1) schreibt George: »Ich wünschte, ich könnte Ihnen über den Unbekannten Gefreiten einen guten Bescheid geben. Wir haben uns aber entschliessen müssen, ihn nicht abzudrucken, weil uns - Sie werden mir die Offenheit gestatten - die Arbeit stofflich etwas dünn ist. Außerdem stehen wir auf dem Standpunkt, je weniger von Hitler gesprochen wird, desto besser. Selbst abfällige Kritik stellt immer eine Art Propagierung dar. Besser, wenn er aus den Köpfen der Mitwelt ganz verschwindet.»

Genau dieses Verschwinden aus den Köpfen hatte Frey verhindern wollen, aber das Manuskript landete in der Schublade und wurde dort vergessen. Dabei zeichnete der Text ein gutes Bild des jungen Adolf Hitlers, dem Frey 1915 erstmals begegnete:

«Das bayrische 16. Reserve-Infanterieregiement, das einer an der Westfront operierenden Division angehörte, einer selbstständigen, die oftmals schnell dort eingesetzt wurde, wo plötzliche Hilfe nötig schien, war der Truppenteil, in dem Adolf Hitler den Ersten Weltkrieg verbrachte. Es war auch das Regiment, in dem ich drei Jahre an der Front stand. Während Hitler mit dem neu formierten Regiment von München aus im Oktober 1914 ins Feld ging, kam ich, der wesentlich älter war als er, nach fast einjähriger Ausbildungszeit im September 1915 zur Truppe. Obwohl dienstlich verschieden beschäftigt, kamen wir doch häufig miteinander in Berührung. Unseren Kompanien entzogen, waren wir beide dem Regimentsstab zugeteilt: er als Meldegänger im Gefreitenrang, ich zuerst als einfacher Sanitätssoldat, dann als Unteroffizier. Die Mannschaft des Regimentstabes war eine verhältnismäßig kleine Gruppe, die den Wünschen der Offiziere unmittelbar unterstellt war. Hitler, als Befehlsempfänger, hatte Meldungen an Bataillonsstäbe und ähnliches zu überbringen, ich tat Dienst an der Seite des Regimentsarztes auf den Verbandplätzen, oder in den Ruhequartieren als Schreiber. Übrigens gehörte auch Max Amann, späterer Direktor des berüchtigten Eher-Verlages in München und prächtiger Bonze im Bezirk der Presse des Dritten Reiches, zu den Abkommandierten: Er hatte die Regimentskanzlei unter sich, war im Feldwebelrang, klein und ehrsüchtig, kriecherisch und schlau in der Behandlung der Vorgesetzten, brutal in der der Untergebenen. Er wollte von mir lernen, wie man auf literarischem und journalistischem Gebiet geschickt verfährt. Auf eine primitive Art begierig, aus seiner Ausbildung herauszukommen, benahm er sich, als habe er damals schon eine Nase dafür gehabt, es könne ihm später einmal ein hohes Amt im Bereich des Schrifttums winken.

Was Hitler betrifft, so geht meine erste Erinnerung an ihn auf den Herbst 1915 zurück. Ich tat Dienst auf dem Verbandplatz Fromelles, in den Kellern einer zusammengeschossenen Ferme, vor Lille. Täglich bescherten uns die Engländer ›den Abendsegen‹; das heißt, aus Langrohren von weither kamen fast auf die Minute drei Schüsse. Drei Granaten explodierten in den ohnehin zermalmten Dorfresten. Wir wußten das und verkrochen uns beizeiten. Eines Abends kam ein bleicher langer Mensch nach der ersten Granate zu uns hinuntergestürzt, Angst und Wut in den flackernden Augen. Hitler wirkte damals lang, weil er mager war, ein voller Schnurrbart, der später der neuen Gasmaske wegen gekappt werden mußte, verdeckte noch den häßlichen, meist verkrampften Schlitz des Mundes. Er hockte sich keuchend hin, es war ihm nichts geschehen, er stotterte, daß er auf dem Weg von oder zu einem Battailonsunterstand gewesen sei, sein gelbes Gesicht rötete sich, es wurde schnell wie gedunsen, und er hatte etwas von einem kollernden Puter, als er nun gegen die Engländer loslegte. Das erste Quantum wiedergewonnener Kraft verbrauchte er zu Beschimpfungen. Ich hatte gleich den Eindruck, den man später so oft bei ihm gehabt hat: daß er militärische Maßnahmen des Gegners persönlich übel nahm - so, als wollten sie gerade ihm an sein kostbares Leben. Es lag wohl daran, daß ein zu so ungeheuerlichen Taten berufener Mensch wie er instinktiv sich aufs äußerste davor zu hüten suchte, Schaden zu nehmen, und mächtig darüber erbost war, überhaupt in die Gefahr, in die Möglichkeit des Zugrundegehens zu geraten. Er bekam etwas zu trinken von uns, es beruhigte ihn ein wenig, er regte sich weiter auf über die Unverschämtheiten und Dummheiten des Gegners. Schließlich steckte er vorsichtig den Kopf ins Freie, horchte umher, und weil alles still blieb, die drei Schüsse waren längst vorbei, verschwand er mit einem brummigen Abschiedswort.

›Sie waren im Sanitätsdienst? Warum haben sie dem Mann nicht rechtzeitig Rattengift oder eine entsprechende Spritze gegeben?‹ bin ich mehrmals in den letzten Schreckensjahren fürchterlich – halb im Scherz, halb im Ernst – gefragt worden. Er war einmal in meiner Behandlung, sie bestand nur darin, daß ich ihm irgendwelche Tabletten zu schlucken gab. Er hatte leichte Temperaturerhöhung und einen rot angelaufenen Rachen. Obwohl es vorerst so gut wie nichts war und nach Frontgewohnheiten eigentlich gar nicht weiter beachtet wurde, riet ich ihm doch, sich anderntags im Revier zur Arztvisite zu melden. Er horchte in sich hinein, zögerte – und schüttelte dann den Kopf, mit harten Mundwinkeln, verkrampfte Entschlossenheit im Blick. Nein, das wolle er nicht, sagte er undurchsichtig. Im weiteren Verlauf seiner Erkrankung sorgte er dann offenbar dafür, daß es sich bei den Kameraden herumsprach und auch zu den Ohren der Offiziere kam: der Hitler habe ›eine pfundige Halsentzündung‹, tue aber trotzdem Dienst. Mir ist die geringe Sache im Gedächtnis geblieben, weil man unter der Mannschaft schon hören konnte: der Hitler sagt-, der Hitler meint-. Er gewann sich das Ohr des Regiments, und die Offiziere bauten darauf; er schwatzte nach ihrem Sinn, wenn er gegen die dummen Engländer kollerte, die den Saufranzosen die Geschäfte besorgten; aber kaputt würden ja doch alle miteinander gehen. Denn gegen die deutsche Leistung sei selbstverständlich auf die Dauer kein Kraut gewachsen, von seitens dieser Idioten schon gar nicht.

Es war tatsächlich so: er redete, schimpfte, trumpfte auf und verzerrte mit einem gewissen abgefeimten Geschick die wahre Sachlage schon damals als kleiner Gefreiter so und mit im Grunde den gleichen Worten, wie er es 25 Jahre später als uferloser Machthaber tat.

Wenn behauptet wird, er sei feige gewesen, so stimmt das nicht. Aber er war auch nicht mutig, dazu fehlte ihm die Gelassenheit. Er war allzeit wach, sprungbereit, hinterhältig, sehr um sich in Sorge, alle Kameradschaftlichkeit war Kostüm, für den Einfachen und Naiven geschickt gewähltes Kostüm, um sich beliebt zu machen und um sich verblüffend in Szene zu setzen. Er kannte die Tricks, mit denen man den Burschen Brocken hinwarf, die sie gerne schluckten. Und er inszenierte die im Herzen eiskalte, nach außen brodelnde Komödie vielleicht nur zum Teil bewußt.

Ich entsinne mich eines Marsches der kleinen Gruppe der Regimentsstäbler an die Somme. Vorher waren wir ein Stück weit mit dem Zug befördert worden. Besser als die Kompanien stehend in ihren Viehwägen waren wir in einem Drittklassewagen gesessen, an den ein Wagen zweiter Klasse für die Offiziere sich anschloß. Ich saß mit Amann und Hitler im gleichen Coupè, Amann mit dem vielen Gerede des Viertelgebildeten neben mir, Hitler uns gegenüber schlafend mit offenem Mund, erschlafft wie wir alle nach einem jähen nächtlichen Aufbruch aus kaum bezogenem Ruhequartier. Er schlief mit weghängendem Kinn und hatte die Füße so ausgestreckt, daß Amann mit seinen kurzen feisten Gliedern - durch seine Verbindung zu den Fourage-Unteroffizieren bekam er immer reichlich zu essen - eingekeilt war. Herrschsüchtig und brutal auch er, wurde ihm die Enge plötzlich zu lästig, und er gab dem Schläfer einen Tritt gegen das Schienenbein. Hitler fuhr auf.

›Nehmen sie Ihre Haxen gefälligst zu sich!‹ sagte der Feldwebel in dienstlichem Ton. Hitler begriff, dann lief er rot an, einen Augenblick sah es aus, als wolle er über den anderen herstürzen; aber gleich darauf wurde aus der Verzerrtheit seines Gesichtes die Unterdrückung siedenden Jähzorns, und er gab keinen Ton von sich. Amann sagte höhnisch beruhigend: ›Ja, Sie meine ich, Gefreiter Hitler.‹

Später marschierten wir auf der Chaussée in Viererreihen, etwa 20 Mann unter dem Kommando Amanns, - einer gleich einem ungeheuren Wasserfall fern rauschenden Kanonade, dem Trommelfeuer an der Somme, entgegen, und keiner sprach ein Wort im würgenden Gefühl, näher an den Tod heranzurücken. Es war wie auf dem letzten Gang zur Richtstatt. Es hatte sich herumgeflüstert: dort, wo wir nun in aller Eile eingesetzt wurden, stehe es schlecht, und wir würden eben gerade deshalb überstürzt eingesetzt. Selbst Hitler wußte nichts Großartiges zu faseln.

Aber unser leichenähnlicher Trott wurde plötzlich unterbrochen durch einen im Tiefflug die Chaussée entlang brausenden Engländer, der mit dem Maschinengewehr die Straße abstreute. Ich war in solchen Fällen mehr in ein erschrecktes Beobachten gebannt als zu vernünftiger Flucht befähigt. So sah ich, wie alle nach links und rechts auseinanderspritzten – im Versuch, die Straße zu verlassen und irgendeine kleine Bodensenkung oder ein kärgliches Gebüsch zu erreichen. Einer der Flinksten geistig und körperlich war Hitler; er nahm den kürzesten Weg – der ging gewissermaßen mitten durch einen Kameraden hindurch, den er einfach umrannte, so daß jener auf der Straße liegen blieb.

Es geschah weiter nichts, keiner von uns wurde auch nur verletzt. Und übrigens war der Flieger samt seiner den Chausséestaub aufpeitschenden Feuergarbe längst vorbei, ehe nur einer sich halbwegs niedergeworfen oder ein unnützes Versteck erreicht hatte.

Als wir wieder in Marsch waren, unter den nervös hingeplärrten Kommandos Max Amanns, hatte Hitler eine Auseinandersetzung mit dem von ihm über den Haufen Gerannten. Das heißt – er wußte es hitzig so zu drehen, daß der andere im Unrecht war: denn jener habe durch seine Tappigkeit und Langsamkeit das Leben der übrigen Kameraden gefährdet.

Es ist viel darüber geredet worden, weshalb Hitler über seinen Gefreitenrang hinaus nie befördert worden ist. Es erklärt sich einfach damit, daß für den Dienst, den er versah, keine höhere Charge in Betracht kam. Ohne Zweifel hätte er sich zu seiner Kompanie zurückmelden, hätte Grabendienst machen können mit Aussicht auf Beförderung. Aber er wollte das offenbar nicht; es gab gewisse Positionen, die vom einfachen Mann, war er ihrer einmal habhaft geworden, ungern wieder aufgegeben wurden, weil sie automatisch gewisse Vorteile brachten, - hier vor allem besseres Quartier und bessere Verpflegung, als der Infanterist im Schützengraben hatte. Ich mußte mich sehr wehren gegen das Drängen meines Kompanieführers, den Sanitätsdienst, in dem ich nicht weiterkommen konnte, weil ich nicht Mediziner war, zu verlassen und einen Offizierskurs mitzumachen. Ich wollte nicht weg aus meinem Dienstbereich – wohl aus demselben Grunde wie Hitler nicht aus dem seinen: gemessen an der fürchterlichen Mühsal des Grabendienstes war unsere Abkommandierung zum Stab eine kleine Erleichterung, verbunden mit kleinen Bequemlichkeiten. (...) Eines meiner Bücher ›Die Pflasterkästen‹ behandelt die Geschichte jenes bayrischen Infanterieregiments, gesehen mit den Augen des Sanitätssoldaten. Und in dem Roman ›Hölle und Himmel‹ gibt es Kapitel, die sich mit Hitler und meinen Erinnerungen an ihn beschäftigen.«

(DUG, S. 1-7)


Adolf Hitler mit seinen Kriegskameraden vom bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment 16. Von links nach rechts/stehend: Sperl (München), Lithograph; Max Mund (München), Vergolder; sitzend: Georg Wimmer (München), Strassenbahner; Josef Inkofer (München); Lausamer (gefallen); Adolf Hitler; liegend: Balthasar Brandmayer (Bad Aibling), Maurer. (Foto: Bundesarchiv)

Alexander Moritz Frey erhielt am 31. Dezember 1917 das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Hitler hatte am 8. August 1918 das Eiserne Kreuz 1. Klasse erhalten, für einen Gefreiten eine ungewöhnliche Auszeichnung. Der genaue Grund für Hitlers Auszeichnung ist bis heute unbekannt. Es ist vielfach vermutet worden, dass Hitler vermeiden wollte, dass man erfuhr, dass es der jüdische Regimentsadjudant Hugo Gutmann war, der ihn für die Auszeichnung vorgeschlagen hatte. Frey bestätigt diese Annahme in einer längeren Passage seines Romans »Himmel und Hölle«, der während des 2. Weltkrieges im Exil entstanden ist: »Mit das Schwerste war wohl der jüdische Vorgesetzte. Da standest du also stramm vor ihm, tagaus nachtein. Er hatte jenen Orden, den's für die Front wie das tägliche Brot gab, bloß in besserer Qualität als das Brot - er hatte ihn erster Klasse am Waffenrock; du mußtest dich damals noch mit dem Bändchen zweiter Gute begnügen. In solch billiger Ausführung hatte den Orden jeder von uns, war man nur lange genug im Dreck. (...) Dein Kanzleifeldwebel war in der gleichen Verlegenheit im letzten Kriegsjahr wie der meine: nämlich so viel Auszeichnungen für seine kleine Herde laufend überwiesen zu bekommen, dass er nicht mehr wusste, woher alle die Helden dafür nehmen.« (HUH, S. 305 f.)

Hitler bekam sein Eisernes Kreuz erst sehr spät und vermutlich ausschließlich zur Stärkung seiner Moral und als Anerkennung für seinen jahrelangen Einsatz, der nicht ansatzweise so spektakulär war, wie es Hitler gerne Glauben machen wollte.

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