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2.2. Die Struktur der Fakultäten

Wissenschaftlich gliedert sich die Universität in Fakultäten oder Fachbereiche. An moderneren Unis sind die Historiker mit einem eigenen Fachbereich vertreten, an den älteren sind sie in die Philosophische Fakultät integriert. Die Vertretung der Fakultät nach außen und gegenüber der Universität übernimmt der aus dem Professorenkreis gewählte Dekan oder Fachbereichssprecher. Er steht dem Dekanat vor, von wo aus zusammen mit einem Geschäftszimmer (auch: »Studierendensekretariat« o. Ä.) die Fakultät verwaltet wird.

Dekanat und Geschäftszimmer sind zuständig für die [23]Ausstellung von Hörerscheinen und Prüfungszeugnissen. Meist sind hier bzw. auf den entsprechenden Internetseiten die Studienordnungen erhältlich, in denen die Anforderungen an den gewählten Studiengang verzeichnet sind. Auch erste Informationen über Studienberatungen sind hier zu bekommen. Für Anmeldungen zu Prüfungen gibt es in den Fakultäten Prüfungsämter. Wer sich zu einer Prüfung anmelden möchte, sollte sich hier rechtzeitig eine Prüfungsordnung besorgen und sich über die Anmeldefristen informieren. Dem AStA auf universitärer Ebene entsprechen studentische Fachschaften auf Fakultätsebene. Von Studierenden der Fakultät gewählt, vertreten sie deren Interessen in den Fakultätsgremien und bieten zudem eigene Studienberatungen an, in denen man auch inoffizielle Tipps bekommen kann.

Die Fakultäten gliedern sich in Institute oder Seminare, Professuren und Mitarbeiterstellen. Das Institut oder Seminar ist eine Unterabteilung mit einem abgegrenzten Wissenschaftsbereich, das von mindestens einem Professor geleitet wird. Weitere Wissenschaftsbereiche sind durch einzelne Professoren vertreten, die häufig einem Lehrstuhl mit Assistenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Hilfskräften und einem Sekretariat vorstehen. Daneben gibt es noch weitere wissenschaftliche Mitarbeiter, die keinem Lehrstuhl angehören, sondern der Fakultät direkt unterstehen. Ähnliches gilt für Lehrbeauftragte, die keine feste Anstellung an der Fakultät haben, aber mit der Durchführung einer Lehrveranstaltung betraut sind. Im deutschen Recht gibt es unterschiedliche Formen der Professur (ordentlicher [Ordinarius] und außerordentlicher Professor, Honorarprofessor, Titularprofessor, Studienprofessor [24]etc.), die sich mitunter auf die Prüfungsberechtigung auswirken können. Wer ins Auge fasst, sich einer Prüfung zu unterziehen, sollte sich rechtzeitig bei dem entsprechenden Professor oder beim Prüfungsamt über die Prüfungsberechtigung des Betreffenden erkundigen.

2.3. Die Struktur des Studiums

Das Studium der Geschichtswissenschaft ist modular aufgebaut, mitunter (v. a. im Lehramtsstudiengang) wird zwischen einem Grundstudium und einem Hauptstudium unterschieden. Der Abschluss des Grundstudiums wird durch ein Zwischenprüfungszeugnis bescheinigt, für das i. d. R. besondere Leistungen (meist eine Klausur und eine mündliche Prüfung) zu erbringen sind. Dieses Zeugnis gilt formell als Zulassungsberechtigung für Veranstaltungen im Hauptstudium, wenngleich in der Praxis kaum in Hauptseminaren danach verlangt wird. Als Modul bezeichnet man eine oder mehrere Lehrveranstaltungen, in denen ein übergeordnetes Thema verfolgt und ein gemeinsames Lernziel erreicht werden sollen. Im Rahmen eines Moduls wird eine bestimmte Anzahl an Credit Points (Leistungspunkte) für den Studienabschluss erworben.

Das jeweilige Angebot einer Fakultät ist in einem Vorlesungsverzeichnis zu finden, das für jedes Semester neu veröffentlicht wird. Auf den Internetseiten der Universitäten finden sich Vorlesungsverzeichnisse aller dort durchgeführten Veranstaltungen. Hier lohnt sich ein Blick über die Grenzen der eigenen Fakultät hinaus besonders für jene Studierenden, die ihr Studium interdisziplinär anlegen, [25]also auch Veranstaltungen an Fakultäten besuchen möchten, für die man vielleicht nicht eingeschrieben ist. In den Präsenzen der geschichtswissenschaftlichen Fakultäten findet man fachspezifische Vorlesungsverzeichnisse mit Kommentaren zu Inhalt und Ziel der angekündigten Veranstaltungen (mitunter auch Literaturlisten und Termine) sowie deren Einbettung in bestimmte Module. Diese Verzeichnisse werden zur Planung des Studiums in dem Fachbereich benutzt, für den man eingeschrieben ist. Die Anmeldung für eine Veranstaltung erfolgt über das Vorlesungsverzeichnis im Internet.

Regelmäßige Veranstaltungen im Studium können unterschiedliche Formen haben. Es gibt die Vorlesung, das Seminar, die Übung und praktische Übung sowie das Kolloquium. Vorlesungen, in denen ein Dozent über ein Thema referiert, finden meist in Hörsälen statt. Mitunter folgt im Anschluss ein Kolloquium oder eine Übung, in der über den Inhalt der Vorlesung diskutiert wird. Im Seminar und in der Übung steht das Gespräch im Vordergrund, werden Referate von Studierenden gehalten, manchmal Protokolle geschrieben und gemeinsame Texte gelesen und besprochen. Die praktische Übung dient der Berufsvorbereitung. In ihr wird die Arbeit des Historikers im Verlag, in den Medien, in Gedenkstätten und Museen oder im Archiv behandelt. Diese Veranstaltungsform ist häufig mit einem Praktikum verbunden und darum besonders wertvoll für die persönliche Zukunftsplanung. Das Kolloquium ist, sofern es nicht in Verbindung mit einer Vorlesung angeboten wird, meist eine Veranstaltung für fortgeschrittene Studierende und Doktoranden, in der Abschlussarbeiten vorgestellt oder komplexere Sachverhalte diskutiert werden. [26]Neben diesen regelmäßigen Veranstaltungen empfiehlt sich der Besuch von Gastvorträgen und Workshops. Diese bieten die Möglichkeit, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen anderer Universitäten – vielleicht auch anderer Länder – und deren Forschungsansichten kennenzulernen. In ihnen lassen sich Dinge erfahren, die in den an der betreffenden Fakultät angebotenen historischen Wissenschaftsbereichen eventuell nicht oder anders behandelt werden.

Ganz wichtig für ein erfolgreiches Studium ist eine intelligente Studienplanung. Grundvoraussetzung hierfür ist eine genaue Kenntnis der Studienordnung bzw. eine ausführliche Studienberatung, bei der v. a. auf zwei Punkte geachtet werden muss:

 Leistungsanforderungen: Um die Credit Points eines bestimmten Moduls angerechnet zu bekommen, müssen Studierende alle in dem Modul geforderten Leistungen mit einer Bewertung von mindestens ›ausreichend‹ (4,0) erbringen. Bei allen Veranstaltungen ist die erste Bedingung die regelmäßige Teilnahme an allen zugehörigen Veranstaltungen. Eine weitere Voraussetzung ist die Übernahme schriftlicher und/oder mündlicher Arbeiten (Referat, Klausur, Hausarbeit, Essay). Außerdem gibt es mündliche Prüfungen im Anschluss an Vorlesungen sowie Praktikumsberichte bei praktischen Übungen.

 Bereiche der Leistungserbringung: Die Bereiche, in denen die Leistungen erbracht werden, sind z. T. schon durch die Struktur der Module vorherbestimmt. Meist gibt es ein Basismodul für den Einstieg in das Geschichtsstudium, in dem bestimmte Epochen oder Sektoren von Geschichtswissenschaft verpflichtend behandelt werden [27]müssen. Werden mehrere inhaltlich unterschiedlich ausgerichtete Module desselben Typs angeboten, können Studierende wählen, zu welchem Inhalt bzw. bei welchem Lehrenden sie ein Modul absolvieren möchten. So kann beispielsweise ein Modul, das aus einem Hauptseminar und einer Übung besteht, wahlweise im Bereich Antike, Mittelalter, Wirtschaftsgeschichte etc. gewählt werden.

Auch wenn das Studium durch seinen modularen Aufbau bereits weitgehend vorstrukturiert ist, lohnt es sich doch, bei Beratungsstellen der Fakultät oder Fachschaft nach Musterstundenplänen zu fragen. Allerdings muss jeder Studierende die Anforderungen seiner Fächerkombination selbst im Auge behalten, da diese in Musterstundenplänen meistens nicht berücksichtigt ist. Zu einer vorausschauenden Studienplanung gehört auch der frühzeitige Blick auf die Abschlussprüfung. Häufig gehen die Themen für Abschlussarbeiten aus Seminarthemen oder Hausarbeiten hervor; selten werden Prüfungen bei Dozenten abgelegt, die dem Prüfling nicht aus Veranstaltungen bekannt sind. Studienplanung heißt in dieser Blickrichtung auch: Suche nach Arbeitsschwerpunkten, nach Prüfungsthemen und nach Prüfern.

Bode, Christian [u. a.] (Hrsg.): Universitäten in Deutschland. Neuausg. München [u. a.] 2015.

Lingelbach, Gabriele / Rudolph, Harriet: Geschichte studieren. Eine praxisorientierte Einführung für Historiker von der Immatrikulation bis zum Berufseinstieg. Wiesbaden 2005.

Weber, Wolfgang E. J.: Universitäten. In: Michael Maurer (Hrsg.): [28]Aufriß der Historischen Wissenschaften. Bd. 6: Institutionen. Stuttgart 2002. S. 15–97. (Reclams Universal-Bibliothek.)

Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e. V.: Übersicht aller deutschen Hochschulen, an denen Geschichtswissenschaft gelehrt wird und aller möglichen Studiengänge. http://www.studium.org/geschichte

2.4. Der Studienabschluss

Ein Studium der Geschichtswissenschaft mit dem Studienziel ›Bachelor‹ gilt dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn erstens die erforderliche Anzahl Credit Points während des Studiums in den entsprechenden Modulen erworben, zweitens eine Bachelor-Arbeit und drittens eine mündliche Abschlussprüfung mit mindestens der Note ›ausreichend‹ (4,0) bewertet wurde. Der Umfang einer Bachelor-Arbeit, in der ein geschichtswissenschaftliches Thema nach wissenschaftlichen Maßstäben erarbeitet werden soll, ist nicht standardisiert. Er richtet sich sowohl nach dem für die Arbeit eingeräumten Bearbeitungszeitraum als auch nach den persönlichen Vorstellungen des Prüfers und kann zwischen 15 und 80 Druckseiten Länge schwanken. Wichtig für die Bachelor- wie auch für andere Abschlussarbeiten ist eine enge, klare Absprache zwischen Kandidaten und Prüfern. Es gilt, das Thema möglichst genau einzugrenzen, Umfang und Bearbeitungszeitraum verbindlich zu definieren und persönliche Erwartungen des Prüfenden herauszufinden. Gleiches gilt auch für die mündliche Prüfung, die es ebenfalls detailliert mit dem Prüfer abzusprechen gilt. Die Gesamtnote setzt sich dann aus den Noten [29]der gewählten Studienbereiche, der Bachelor-Arbeit und der mündlichen Prüfung sowie in manchen Fällen aus einem optionalen Studienbereich zusammen, den die Kandidatin bzw. der Kandidat wählen kann.

Auf der Grundlage des Bachelor-Abschlusses kann das Studium als Master-Studium zum Erlangen des Abschlusses ›Master of Arts‹ (M. A.) oder – an bestimmten Universitäten – als Masterstudiengang ›Lehramt an Gymnasien‹ fortgeführt werden. Allerdings geht dies nicht automatisch, sondern setzt die erfolgreiche Beantragung einer Zulassung zum Master-Studium voraus. Dieses Studium ähnelt in seiner Struktur und seinen Leistungsanforderungen dem Bachelor-Studium, hat allerdings ein deutlich höheres fachliches Niveau.

[30]3. Geschichte als Wissenschaft

›Geschichte‹ ist Anfängerstudierenden als gesondertes Fach bereits aus der Schulzeit bekannt. Dabei ist es im Grunde genommen falsch oder zumindest zu kurz, von ›der Geschichte‹ als Fach zu sprechen. So wie es kein Schulfach gibt, in dem ›Lebendes‹ vermittelt wird, wohl aber eines, in dem die ›Lehre vom Lebenden‹ (Bio-logie) Gegenstand ist, betreibt man auch nicht ›Geschichte‹, sondern Geschichtswissenschaft.

3.1. Geschichte der Geschichtswissenschaft

Auf die Frage, was ›Geschichte‹ überhaupt ist, gibt es ganz unterschiedliche Antworten. Als man sich Mitte des 18. Jahrhunderts erstmals wissenschaftlich, d. h. auf der Grundlage festgelegter Theorien und Methoden, mit der Historie zu beschäftigen begann, versuchte man zunächst, ›Geschichte überhaupt‹ zu betreiben. Unter den Überschriften Weltgeschichte, Allgemeine Geschichte oder Universalgeschichte widmete man sich dem gesamten Lauf der Welt in historischer Perspektive. Für Leopold von Ranke (1795–1886) etwa, der als ein Begründer moderner Geschichtswissenschaft in Deutschland gilt, war es zu Beginn des 19. Jahrhunderts Aufgabe der Geschichtswissenschaft, zu zeigen »wie es eigentlich gewesen« ist. Nach diesem Verständnis wurde Geschichtswissenschaft als daten- und faktenorientierte Erzählung betrieben.

Spätere Historiker wie Johann Gustav Droysen [31](1808–1884) übten Kritik an dieser Auffassung. Für sie war Geschichte – beispielsweise in der philosophischen Tradition des Deutschen Idealismus – die Geschichte des Geistes oder der Ideen. Für die Geistesgeschichte und Ideengeschichte dieses älteren Typs steht als Untersuchungsgegenstand das Denken im Vordergrund, das einzelne Völker oder Staaten und die ›großen Persönlichkeiten‹ kennzeichne, durch die der Fortschritt der Völker oder Staaten maßgeblich bestimmt worden sei. Diese Form des Geschichtsdenkens, die für das 19. Jahrhundert typisch ist und in Deutschland bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg betrieben wurde, wird auch als Historismus bezeichnet. Historistische Geistes- und Ideengeschichte richtete ihr Augenmerk auf einmalige Handlungen und individuelle Persönlichkeiten, die eine Entwicklung durch die Zeiten bewirkt hätten. Individualität und Entwicklung sind daher auch als Charakteristika des Historismus bezeichnet worden.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden weitere Geschichtsauffassungen entwickelt. Neben Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831) Philosophie der Weltgeschichte (1830) wurde v. a. die Geschichtsphilosophie von Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895) für die Entwicklung der Geschichtswissenschaft bedeutend. Für Marx und Engels war Geschichte die gesetzmäßige, stufenförmige Abfolge von fortschreitenden Entwicklungsstadien der Menschheit, die durch soziale Gegensätze bestimmt worden sei: Auf die Stufe der Urgesellschaft sei die Sklavenhaltergesellschaft gefolgt – bestimmt durch den Gegensatz von Herr und Sklave. An sie habe sich die Feudalgesellschaft angeschlossen, die sich durch den Kampf zwischen der Klasse der Grundbesitzer (›Lehnsherren‹) und der Klasse der [32]abhängigen Bauern (›Lehnsleute‹) ausgezeichnet habe. Als dritte Stufe erkannten Marx und Engels den Kapitalismus als antagonistisches Zusammenleben von besitzenden Kapitalisten und besitzlosen Proletariern; nach ihrer Überwindung folge notwendigerweise irgendwann der Sozialismus und Kommunismus, in dem die Klassengegensätze aufgehoben seien. Die Form der Geschichtswissenschaft, die mit diesem Modell operiert, bezeichnet man als Historischen Materialismus. Mit der Geschichtsphilosophie von Marx und Engels endete das Zeitalter der Geschichtsphilosophie als universalem Entwurf der Geschichte überhaupt. Seitdem wird vorwiegend von Geschichtstheorie(n) gesprochen (s. Kap. 3.2.4.), die anstelle des universalen Versuchs, die historische Welt in ihrem Wesen zu erklären, mit begrenzterem Anspruch nach dem Aufgabenbereich und dem methodischen Vorgehen der Geschichtswissenschaft fragt.

Inspiriert durch das Aufkommen von Soziologie und Ethnologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten einige Historiker neue Geschichtstheorien, denen zufolge nicht mehr der ›Geist‹ oder die ›Ideen‹ als Subjekt bzw. Akteur der Geschichte deren Lauf bestimmten, sondern die Gesellschaft bzw. gesellschaftliche Gruppen. Zudem griff man die quantifizierenden Verfahren der Nachbarwissenschaften auf und wandte sich damit gegen die Betrachtung individueller Phänomene. Der Historiker Karl Lamprecht (1856–1915) entwickelte z. B. eine Auffassung von Geschichte als Kulturgeschichte, in der er – vom Vorbild der Naturwissenschaften beeinflusst – nach sozialpsychologischen Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte suchte.

Auch außerhalb Deutschlands entstanden neue Theorien über die Geschichte. Der Belgier Henri Pirenne [33](1862–1935) sowie die Franzosen Lucien Febvre (1878–1956) und Marc Bloch (1886–1944) stärkten eine Auffassung von historischer Arbeit, die v. a. auf quantifizierenden Verfahren aufbauen sollte. Wenn zu einem bestimmten Objekt, wie der Besiedlungsdichte einer Stadt, über einen längeren Zeitraum Daten erhoben würden, könne man daraus langfristige Konjunkturen erkennen, die als Merkmal der Geschichte dienen könnten. Nach dem Namen der von Febvre und Bloch gegründeten Zeitschrift Annales bezeichnet man diese Historiker, ihre Schüler und ihre Auffassung als Schule der Annales.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der besonders in Deutschland geforderten Revision herkömmlicher Geschichtsbilder, denen man eine Wegbereiterrolle für Krieg und Faschismus vorwarf, wurden zahlreiche neue Geschichtsauffassungen entwickelt. In Nachfolge der »Schule der Annales« und in Anknüpfung an den Nationalökonomen Max Weber (1864–1920) wurden verschiedene Konzeptionen einer Sozialgeschichte vorgestellt, die auch als Gesellschaftsgeschichte oder Historische Sozialwissenschaft bezeichnet wurden und eng mit anderen Sozialwissenschaften (Soziologie, Politologie, Wirtschaftswissenschaften etc.) zusammenarbeiteten (Prinzip der Interdisziplinarität). Außerdem maß man der Wirtschaftsgeschichte und der Technikgeschichte große Bedeutung für die Erklärung der Industrialisierung seit dem 19. Jahrhundert und des wirtschaftlichen Booms der Nachkriegszeit zu. Da soziale und wirtschaftliche Entwicklungen den nationalen Rahmen häufig sprengen, verstärkte man ebenfalls die Beschäftigung mit der Geschichte anderer Länder und Nationen (Prinzip der Internationalität).

[34]Seit den 1990er Jahren erfuhr die Sozialgeschichte Kritik von Seiten einer geschichtswissenschaftlichen Strömung, die als Neue Kulturgeschichte bezeichnet wird und heute die als am ›fortschrittlichsten‹ geltende Form von Geschichtswissenschaft bildet. Die Neue Kulturgeschichte verstärkte die Globalisierungsbestrebungen und untersucht transnationale historische Phänomene, internationale Netzwerke und länderübergreifende Migrationsbewegungen sowie Kulturtransfers. Sie entdeckte unter dem Begriff Agency das historisch handelnde Individuum wieder, fasst es aber nicht wie der Historismus als ›historische Persönlichkeit‹, sondern widmet sich mit besonderem Interesse seiner Weltdeutung und Wahrnehmung. Nicht mehr die Ereignisse stehen im Zentrum der Untersuchungen, sondern die Wahrnehmungen und Deutungen der Zeitgenossen, wie sie sich in Texten, aber auch auf Karten, Gemälden oder sonstigen Ausdrucksformen findet, in denen Geschichte ›verarbeitet‹ wurde (Doing History). Damit gewann die Untersuchung von Begriffen und Diskursen sowie von Ritualen und Repräsentationsformen besondere Bedeutung.

Dass gleichzeitig auch neuer Schwung in quantifizierende Verfahren und den Umgang mit seriellen Daten kam, ist auf die Digital Humanities zurückzuführen, die inzwischen in fast allen größeren Universitäten mit Professoren- und Mitarbeiterstellen vertreten sind. Auf eine erste Phase, in der v. a. Texte digitalisiert und im Internet veröffentlicht wurden, folgte eine zweite Phase, in der Quellen- und Informationsangebote tiefenerschlossen und individueller handhabbar gemacht wurden. Das eröffnete der Forschung neue Fragestellungen, etwa zu sozialen Netzwerken oder [35]zu Migrationsbewegungen. Neue Visualisierungstechniken machen Ergebnisse zudem anschaulicher und sind ebenfalls forschungsanregend.

Iggers, Georg G. [u. a.]: Geschichtskulturen. Weltgeschichte der Historiografie von 1750 bis heute. Göttingen 2013.

Jaeger, Friedrich / Rüsen, Jörn: Geschichte des Historismus. Eine Einführung. München 1992.

Jordan, Stefan: Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft. Paderborn 42018.

Raphael, Lutz: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorie, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart. München 22010.

Woolf, Daniel: A Global History of History. Cambridge 2011.

– A Concise History of History. Global Historiography from Antiquity to the Present. Cambridge 2019.

3.2. Teilbereiche der Geschichtswissenschaft

Der ursprüngliche Anspruch, Geschichte als Universalgeschichte zu betreiben, trat in dieser Entwicklung immer mehr zurück. Dafür etablierten sich Subdisziplinen der Geschichtswissenschaft, nach denen heute häufig (universitäre) Institute, Lehrstühle und Forschungsschwerpunkte benannt sind. Man spricht von einer epochalen, einer sektoralen und einer regionalen (geographischen) Untergliederung der Geschichtswissenschaft.

Übergreifende Literatur zum Folgenden:

Cornelißen, Christoph (Hrsg.): Geschichtswissenschaften. Eine Einführung. Frankfurt a. M. 42009.

[36]Eibach, Joachim / Lottes, Günther (Hrsg.): Kompass der Geschichtswissenschaft. Göttingen 22006.

Goertz, Hans-Jürgen (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. Reinbek 32007.

Jordan, Stefan (Hrsg.): Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft. Stuttgart 2019. (Reclams Universal-Bibliothek.) [Zuerst 2002 u. d. T.: Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe.]

Maurer, Michael (Hrsg.): Aufriß der Historischen Wissenschaften. Bd. 7: Neue Themen und Methoden der Geschichtswissenschaft. Stuttgart 2003. (Reclams Universal-Bibliothek.)

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