Kitabı oku: «Die Zerbrechlichkeit der Welt», sayfa 2

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In diesem Buch werden wir einige Beispiele für Schritte in diese Richtung kennenlernen. Ich möchte das anhand eines Blicks hinter die Türen des Complexity Science Hub Vienna tun, einer jungen wissenschaftlichen Einrichtung, die mit dem Ziel entstand, die Erforschung komplexer Systeme voranzutreiben, um unmittelbaren Sinn und gesellschaftlichen Nutzen aus Daten zu gewinnen und um so einen Beitrag in Richtung eines digitalen Humanismus leisten zu können. Gegründet haben ihn im Jahr 2015 die Technische Universität Wien, die Technische Universität Graz, die Medizinische Universität Wien und das Austrian Institute of Technology.

Im Wiener Palais Strozzi, dem Sitz des Complexity Science Hub, arbeiten wir an einer Art Flugsimulator für die Welt, nur dass wir anstatt von Flugzeugen Finanzsysteme, Gesundheitssysteme und sogar ganze Volkswirtschaften simulieren. Wir arbeiten dort zum Beispiel an einem virtuellen Modell der Wirtschaft Österreichs. So wie Eisenbahn-Fans in ihren Kellern Modelleisenbahnen bauen, die immer realistischer werden, so bauen wir unsere digitale Modellrepublik, die ebenso zunehmend realistischer wird.

Wir bauen sie mit Daten, indem wir verschiedene, anonymisierte Datensätze zusammenführen. Mit Datensätzen aus der Verwaltung, der Finanz, der Wirtschaft und der Bevölkerung bilden wir in unserem Modell die Akteure sowie deren Interaktionen untereinander ab.

In diesem Modell steht alles mit allem über verschiedene Netzwerke miteinander in Beziehung. Ganz ähnlich wie im Pardus-Spiel. Firmen zahlen Gehälter, Haushalte deponieren Überschüsse auf der Bank. Firmen und Haushalte nehmen Kredite auf, Haushalte konsumieren Produkte der Firmen, Firmen liefern sich gegenseitig Waren und Banken verleihen Geld an andere Banken am Interbanken-Markt.

Menschen und Firmen stehen durch Kreditnetzwerke, Produktionsnetzwerke, Zuliefernetzwerke oder Arbeitgeber-Arbeitnehmernetzwerke in Beziehung. Netzwerke können oft aus Datenbanken rekonstruiert werden. Sie ändern sich von Tag zu Tag. Unser Ziel ist es, eine virtuelle Republik zu basteln, mit der wir spielen können, in die wir von außen eingreifen können, die wir virtuellen Schocks aussetzen können und wo wir Dinge ausprobieren können, wie es in der echten Welt nie und nimmer möglich wäre. Wissenschaft bekommt damit eine neue, fast spielerische Dimension, mit unmittelbarem Nutzen für die Gesellschaft und ihre Entscheidungsträger.

Mit solchen Modellen können wir in Zukunft versuchen, eine neue Dimension von Fragen zu beantworten, die sich bisher jeder Beantwortung entzogen haben. Unter anderem lässt sich dann berechnen, wie ein stabiles System aussehen muss, wodurch es instabil wird, und wie wir es bestmöglich schützen können. Wir können erstmals quantifizieren, was Stabilität wirklich ist, was Resilienz bedeutet, welche Schocks ein System aushält und welche zu groß sind. Wir lernen erstmals, wie Effizienz und Stabilität miteinander in Zusammenhang stehen.

Mit den Möglichkeiten, die die Wissenschaft komplexer Systeme in Kombination mit Data Science und Methoden der Künstlichen Intelligenz derzeit erschließen, eröffnen sich auch der Politik neue Dimensionen. Der gebräuchliche Fachausdruck dafür ist evidence-based governance, evidenzbasierte Politik. Derzeit werden Entscheidungen in der Politik oft subjektiv getroffen, und das aus gutem Grund: Einzelne Menschen, egal wie intelligent sie sind, können die Vielzahl von Zusammenhängen, die in komplexen Systemen und ihren Netzwerken typischerweise auftreten, nicht erfassen. Noch viel weniger können sie die Konsequenzen vorhersehen, die eintreten, wenn sie an solchen Systemen etwas verändern.

Entscheidungsträger haben dank ihrer Erfahrung oft ein gutes Gefühl dafür, was ihre Entscheidungen bewirken könnten. Sobald sie ihre Entscheidungen getroffen haben, können sie aber auch nur darauf hoffen, dass sie auch wie beabsichtigt funktionieren. Bis heute hatten wir praktisch keine Möglichkeit, das Funktionieren von Entscheidungen vorab zu testen oder die zu erwartenden, nicht beabsichtigten Nebenwirkungen systematisch im Voraus sichtbar zu machen.

Die Vision ist, dass in Zukunft Entscheidungsträger auf die digitale Kopie eines Landes als Werkzeug zurückgreifen können, um die Auswirkungen von Entscheidungen, Regulierungen oder Gesetzen virtuell durchzuspielen. Sie können ausprobieren, ob eine Entscheidung wirklich die geplanten Ziele erreichen würde, und ob sie zu unerwarteten Folgen führen würde, an die vorher niemand gedacht hatte.

Wir könnten anhand solcher, digitaler Modelle ein bisschen besser in die Zukunft blicken. Wir könnten besser abschätzen, was passieren könnte, wenn wir dieses tun, oder was passiert, wenn wir jenes tun. Nähern wir uns mit einer politischen Entscheidung oder einer gesellschaftlichen Verhaltensänderung den Klippen, und wenn ja, wie schnell? Oder gehen wir ihnen damit aus dem Weg?

In diesem Zusammenhang ergibt sich ein generelles Problem, dass man sich erst an Maschinen und Algorithmen gewöhnen muss, die Probleme lösen, die selbst Experten eventuell nicht mehr überblicken können. Hier tauchen neue Fragen auf: Sollen Maschinen die Kontrolle über die zentralen Lebensadern unserer Gesellschaft übernehmen? Es geht hier um das unbehagliche Gefühl, Kontrolle und Kompetenz an Algorithmen abzugeben.

Wie können wir sicherstellen, dass wir die Kontrolle über Algorithmen und Daten behalten, Transparenz schaffen und gleichzeitig massiven Missbrauch ausschließen? Grundsätzlich sollte wohl gelten: Was Maschinen besser können als Menschen, sollen auch Maschinen machen, ganz besonders dann, wenn es um so heikle Fragen wie die Sicherheit eines Finanzsystems, der Wirtschaft, der Umwelt oder die des Staates geht.

In der Medizin hat dieses Umdenken bereits eingesetzt. Wir haben uns in kurzer Zeit daran gewöhnt, dass künstliche Intelligenz Tumore besser erkennen kann als die besten Radiologen. Kaum jemand, außer vielleicht Radiologen, hat ein Problem damit. Das zeigt natürlich nicht notwendigerweise, wie gut Maschinen und Algorithmen bereits sind, sondern wie limitiert menschliche Entscheidungen oft sind, denen wir unser Wohlergehen und Leben anvertrauen.

Ein Wort zu Daten und Datenschutz. Im Zuge der Digitalisierung werden Daten heute in ungeheurem Ausmaß erhoben. Nichts deutet darauf hin, dass dieser Trend abnimmt. Es werden immer mehr. Ob wir es wollen oder nicht, wir müssen mit der Digitalisierung und Big Data leben. Ein riesiges Problem, das mit der Digitalisierung einhergeht, besteht darin, dass es sich bei Daten zum Teil um personenbezogene Daten handelt, die zum Schaden und Nachteil von Personen und Personengruppen verwendet werden können. Viele Unternehmen weltweit verwenden diese Daten, um mit ihnen Profite zu machen. Die entsprechenden Geschäftsmodelle sind zum Teil relativ harmlos, wie etwa Werbung, zum Teil aber unfassbar unethisch und kriminell und reichen von massivem Wahlbetrug bis zu Verhetzung und Erpressung. Der Skandal um Cambridge Analytica im Jahr 2018 hat eventuell nur die Spitze des Eisbergs gezeigt, was an Niederträchtigkeit möglich ist.

Doch Daten haben auch eine ungemein positive Seite. Sie geben uns die Möglichkeit, unsere Umwelt, Gesundheit und Gesellschaft nachhaltig und drastisch besser zu machen und damit unser Leben angenehmer. Und sie geben uns die einmalige Chance – und davon handelt das Buch – die beiden »großen Probleme« zu lösen. Solchen positiven Nutzen aus Big Data zu generieren, ist zuerst einmal eine Aufgabe der Wissenschaft. Das aus mehreren Gründen.

Die Wissenschaft kann mit Daten umgehen. Seitdem es sie gibt, braucht sie Daten. Ohne sie funktioniert sie nicht. Mit dem gegenwärtigen Datenvolumen kann man in den nächsten Jahren mit einer regelrechten Erkenntnisexplosion rechnen, vor allem in der Medizin, den Sozialwissenschaften und der Wirtschaftswissenschaft.

Die Wissenschaft verfolgt in der Regel keine unmittelbaren kommerziellen Interessen und verwendet Daten in einer Weise, die keine Persönlichkeitsrechte verletzt. Wissenschaft hält durch ihre ethischen Standards den Datenschutz und Normen ein. Arbeiten mit zweifelhaften Daten beziehungsweise Daten zweifelhafter Herkunft oder Verarbeitung werden in seriösen wissenschaftlichen Journalen nicht akzeptiert.

Die Wissenschaft ist mit an vorderster Front, um bessere Methoden für einen ethischen Umgang mit Daten zu entwickeln, die es erlauben, sie einerseits für den Fortschritt der Gesellschaft positiv nutzen zu können und andererseits den Missbrauch und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten auszuschließen. Zum Beispiel durch die Entwicklung von Methoden und Algorithmen der Anonymisierung. Das sind natürlich auch die Ziele und die ethischen Prinzipien, die der Complexity Science Hub Vienna in seiner Arbeit verfolgt.

KAPITEL 2: DIE FASZINIERENDE WELT DER KOMPLEXEN SYSTEME

Wir sind auf dem Weg, so gut wie alle Informationen dieser Welt aufzuzeichnen und zu speichern. Wir wissen aber oft noch nicht genau, was wir damit anfangen sollen. Die Wissenschaft Komplexer Systeme kann helfen, aus Daten nutzbares Wissen zu generieren. Wissen, das wir zukünftig verwenden können, um die großen Probleme unserer Zeit zu meistern.

WAS SIND KOMPLEXE SYSTEME?

Komplexe Systeme bestehen immer aus vielen einzelnen Elementen, die miteinander verknüpft sind und dadurch Netzwerke bilden. So etwa sind wir Menschen als Einzelteile des komplexen Systems »Gesellschaft« miteinander durch unser Familiennetzwerk, das Netzwerk unserer Freunde, das Netzwerk unserer Telefonate und Emails, das Netzwerk unserer Banktransaktionen oder das Netzwerk unserer Feindschaften verbunden.

Es ist eine der faszinierenden Eigenschaften komplexer Systeme, dass sich ihre Einzelteile über die Zeit hinweg verändern können. Sie verändern sich aber meistens nicht einfach so, sondern aufgrund der Netzwerke, in die sie eingebettet sind. Durch die Veränderung der Netzwerke verändern sich die Einzelteile und durch die veränderten Einzelteile verändern sich die Netzwerke.

Im Finanzsystem zum Beispiel sind die einzelnen Elemente die Banken, die mit Netzwerken von Kontrakten, Krediten oder Versicherungen miteinander verbunden sind. Die Eigenschaft einer Bank, zum Beispiel, wie viel Geld sie hat, bestimmt, welche Kontrakte sie in Zukunft eingehen kann. Die Eigenschaft »verfügbare Geldmenge« einer Bank bestimmt, wie das Netzwerk der Kontrakte sich im nächsten Augenblick verändern kann. Das Netzwerk der Kontrakte wiederum bestimmt, wie sich der Reichtum der Banken im nächsten Augenblick verändern wird, denn diese Kontrakte bestimmen den Geldfluss.

Die Quintessenz von komplexen Systemen ist, dass sich die Eigenschaften der Elemente und die Netzwerke zwischen ihnen ständig ändern und sich gegenseitig nach bestimmten Regeln beeinflussen. Der Zustand eines Elements hat Einfluss auf das Netzwerk, und das Netzwerk beeinflusst den Zustand jedes einzelnen Elements. Diese gegenseitige Beeinflussung funktioniert etwa so wie das berühmte Henne-Ei-Problem. Was war vorher da? Henne oder Ei? Eine Frage, die schwer zu lösen ist. Ohne Henne kein Ei und ohne Ei keine Henne.

Ähnlich schwierig ist die Frage zu klären, wie sich der Einfluss des Netzwerkes auf die Elemente und der gleichzeitige Einfluss der Elemente auf das Netzwerk auswirken. Während man das eine auf Basis des anderen verstehen möchte, verändert sich das andere. Das macht die Sache ungemein schwierig, eben komplex.

Der Mensch kann mit Komplexität nicht besonders gut umgehen. Komplexität übersteigt schnell jede mentale Kapazität. Für ein biologisches Gehirn ist es schlicht unmöglich, die vielen Bauteile eines komplexen Systems im Blick zu behalten. Noch viel unmöglicher ist es, die Netzwerke der gegenseitigen Abhängigkeiten zu verstehen und die Konsequenzen der gegenseitigen Beeinflussungen und die dadurch hervorgerufenen Veränderungen der Bestandteile nachzuvollziehen. Wenn ein Netzwerk aus einer bestimmten Anzahl von Knoten besteht, sagen wir, diese Anzahl ist »N«, dann gibt es N2-N Möglichkeiten, wie sie sich beeinflussen können. Wenn ein Netzwerk zum Beispiel aus tausend Bestandteilen besteht, gibt es fast eine Million mögliche Beziehungen zwischen ihnen.

Auch die Wissenschaft konnte solcher Systeme bislang nicht Herr werden. Über Jahrhunderte konnte sie praktisch keine vernünftigen Schlüsse über Komplexität ziehen. Gleichzeitig ist der Mensch permanent mit komplexen Systemen konfrontiert, muss also mit Komplexität leben und mit ihr umgehen. Komplexe Systeme umgeben uns überall, egal wohin wir blicken. Praktisch alles, was wir interessant finden, ist ein komplexes System. Alles Lebende, jedes gesellschaftliche, ökologische, wirtschaftliche, finanzielle System ist komplex.

Komplexe Systeme zeigen eine ungemeine Vielfalt an Phänomenen, die sich nicht verstehen lassen, wenn man die Elemente einzeln betrachtet. Um mit einer scheinbar unbeherrschbar komplexen, vernetzten Welt umgehen zu können, hat sich der Mensch im Laufe der Geschichte deshalb allerlei ausgedacht. Lange Zeit sah man hinter vielen komplexen Phänomenen übernatürliche Kräfte am Werk, die man letztlich nur mit Göttern, Dämonen, dem Schicksal oder den Sternen »verstehen« konnte. Nur mit Hilfe höherer Einflüsse und göttlicher Lenkung konnte man »erklären«, wodurch es zu Krankheiten und Seuchen kommt, warum Kriege ausbrechen, warum Menschen Städte bauen, oder warum sich Vogel- und Fischschwärme bilden.

Die Naturwissenschaft konzentrierte sich in den vergangenen 300 Jahren auf die Erforschung einfacher Systeme, denen keine dynamischen Netzwerke zugrunde liegen. Das Erfolgsrezept war der sogenannte Reduktionismus, eine philosophische und naturwissenschaftliche Vorgehensweise, bei der man versucht, ein System in seine Einzelteile zu zerlegen, diese – weil sie meistens einfacher sind, als »das Ganze« – zu verstehen, um dann aus der Funktionsweise der Einzelteile zu schließen, wie »das Ganze« funktioniert. Man versucht kurz gesagt, das Ganze aus den Eigenschaften seiner Einzelteile heraus zu verstehen.

Wie weit wir mit dieser Vorgehensweise gekommen sind, zeigen uns die Physik, die Chemie und die Molekularbiologie. Wir ernähren derzeit fast acht Milliarden Menschen, alle können miteinander jederzeit von Angesicht zu Angesicht kommunizieren, indem sie in Glasplatten sprechen. Wir verstehen die Funktionsweise von Viren und haben bereits vor einem halben Jahrhundert nicht nur Menschen auf den Mond geschickt, sondern auch, wenn auch vollkommen sinnlos, ein dazugehöriges Auto, das Lunar Roving Vehicle.

COMPUTER VERÄNDERN ALLES

Das Verständnis komplexer Systeme wurde erst mit der Erfindung des Computers möglich. Hätten wir nur unser Gehirn, Bleistift, Papier und vielleicht noch eine einfache Rechenmaschine, wie das vor sechzig Jahren noch der Fall war, wären wir nach wie vor nicht in der Lage, komplexe Systeme zu verstehen. Wir hätten weder Daten noch die Möglichkeit, mit ihnen etwas Sinnvolles anzufangen. Wir hätten zum Beispiel keine Chance, die globalen Ausbreitungsmuster eines neuartigen Virus entlang von sozialen Kontaktnetzwerken zu verstehen. Und selbst, wenn wir genaue Daten darüber hätten, wer wen angesteckt hat, wir wüssten nicht, wie man daraus wirksame Gesundheitsmaßnahmen ableiten sollte. Wir könnten einfach nicht Schritt halten mit den sozialen Netzwerken, wie sie sich in Folge der Pandemie verändern, und damit das Verhalten der Menschen verändern, und diese wiederum die Netzwerke.

Computer, Big Data und quasi unbegrenzter Speicherplatz ermöglichen es uns, solche Systeme jetzt besser zu verstehen. Big Data liefert uns nicht nur die Daten zu allen Einzelteilen, sondern auch zu deren Verbindungen und Wechselwirkungen. Mit Hilfe von Computern und Datenbanken können wir nachverfolgen, wie sich Netzwerke und Eigenschaften gleichzeitig verändern.

Heute können wir als Menschheit dank der Informations- und Computer-Technologie im Prinzip wissen, wer mit wem kommuniziert. Man könnte es zum Beispiel in Daten der sozialen Medien oder in den Daten von Telefongesellschaften nachverfolgen. Man sieht, wer welche Inhalte im Netz anklickt und vermutlich liest, wer welche Dinge bestellt und konsumiert. Man kennt jede Zahlung mit Karte, jede Überweisung wird aufgezeichnet, man kennt das Einkaufsverhalten Einzelner und das ganzer Bevölkerungsgruppen. Man weiß, wer welche Filme sieht und kennt Netzwerke von denen, die miteinander befreundet oder verfeindet sind, man kennt durch GPS die Bewegungen all derjenigen, die es am Smartphone nutzen, man weiß, wer was produziert, wer gerade woran arbeitet und wer in welchen Verhaltensmustern gefangen ist. Man kennt die Herzschläge, Atemzüge und Blutsauerstoffwerte derer, die sie mit ihren Smartwatches in die Cloud laden. Konzerne können damit das Gesundheitsprofil der betreffenden Menschen täglich aktualisieren und mit den gekauften Medikamenten abgleichen.

In neuen Autos befinden sich bereits mehrere SIM-Karten. Manche Modelle melden direkt an den Autohersteller oder an die Versicherung, wie konzentriert der Fahrer ist und was im und um das Auto herum passiert. Man lässt Kühe Sensoren schlucken, die uns in Echtzeit sagen, was im Kuh-Magen gerade vorgeht, und die uns anzeigen, wenn eine Kuh krank zu werden droht. Man beobachtet mit Sensoren Verrottungsprozesse in Mülltonnen und erfasst den CO2-Ausstoß von Müllhalden. Man kann den Standort und die Fracht jedes Schiffes zu jeder Zeit lokalisieren, man überwacht sämtliche Flugzeuge und Passagiere und kann verfolgen, wo Bäume gefällt und wo Urwälder in Palmölplantagen umgewandelt werden.

GPS-Daten machen selbst minimale Veränderungen messbar. Die millimeterweisen Bewegungen von Bergen etwa, oder den Anstieg des Meeresspiegels. Jeder Befehl auf den Computern wird mitgeloggt, jeder Radfahrer wird gezählt, jeder LKW auf jeder Autobahn wird erfasst. Wir haben begonnen, alles, was sich auf dem Planeten tut, mitzuschreiben und zu speichern. Kameras, Chips, Speicherkarten und Sensoren übersehen praktisch nichts mehr.

Diese Vermessung der Welt findet in ungeheurem Ausmaß statt und es sieht nicht so aus, als gäbe es ernstzunehmende Tendenzen, die dem Einhalt gebieten würden. Wir produzieren mehr und mehr Sensoren. Sie nehmen die physische und digitale Wirklichkeit wahr, verwandeln sie in Daten und speichern sie. Die digitale Kopie des Planeten wird immer genauer. Wie viele Terabytes und Zettabytes sind das? Weil es exponentiell mehr werden, brauchen wir immer neue Worte dafür. Yottabyte zum Beispiel. Ein Yottabyte besteht aus 1.000.000.000.000.000, oder, anders gesagt, tausend Billionen Gigabyte.

SINN AUS DATEN

Was können wir mit dieser digitalen Kopie des Planeten anfangen? Wenn wir das alles wissen, warum sind wir dann nicht viel weiter? Wieso wissen wir nicht, wie viele Menschen im Jahr 2050 auf dem Planeten leben werden, um wieviel Grad sich die Erde in den nächsten fünfzig Jahren erwärmen wird, wieso wissen wir nicht, wann der nächste Hurrikan kommt, wieso wissen wir im Sommer 2020 nicht, ob es im Herbst eine zweite COVID-19-Welle geben wird? Warum wissen wir nicht, ob es heute Abend einen Verkehrsstau in Wien geben wird, wie wahrscheinlich ein massiver Volksaufstand in den USA ist oder wie teuer die nächste Finanzkrise in Deutschland für die Bürger werden wird?

Wir wissen das alles und noch sehr viel mehr nicht, weil diese Systeme komplex sind, und wir diese Komplexität nicht beherrschen. Wir wissen nicht, wie wir die Daten, die wir über diese Systeme sammeln, verwenden sollen und wie sie uns helfen könnten, besser mit Komplexität umzugehen.

Bevor wir einen Schritt weiterkommen, müssen wir aus diesen Daten verwendbares Wissen generieren. Wie in Kapitel eins besprochen, sind Daten alleine oft noch nicht viel wert. Damit Wert entsteht, muss man sie erst in einen »Kontext« bringen. Erst dann kann man versuchen, Sinn daraus zu generieren. Kontext entsteht, wenn Daten zusammengeführt und in einen Bezug zueinander gebracht werden, sodass man konkrete Fragen an sie richten kann. Erst dann entsteht eine nützliche digitale Kopie des Planeten. Erst der Bezug kreiert Sinn. Sonst bleibt Information meist sinnlos.

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