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Ein scharfer Kritiker der „Rechtswohltaten“ war auch Theodor Gottlieb von Hippel (1741 – 1796), der 1792 sein Buch „Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber“ veröffentlichte. Als Vorreiter des modernen Emanzipationsgedankens wollte Hippel „das Verhältnis der Geschlechter dem natürlichen Zustand wieder nahe bringen“. Die angebliche körperliche und geistige Minderwertigkeit der Frau sei nicht durch die Natur gegeben, sondern Folge von Konvention, Lebensart und Sitte. Das angebliche Übergewicht von Sinnlichkeit beruhe darauf, dass Frauen von Dingen, die der Überlegung bedürfen, ferngehalten werden. Die „Rechtswohltaten“, zu denen er auch das Interzessionsverbot rechnete, empfand er als tiefste Erniedrigungen des weiblichen Geschlechts. Er hielt es für eine unnatürliche Härte, die rechtliche Handlungsfähigkeit eines Geschlechts zu beschränken, um dieses „recht geflissentlich bis an sein Ende als ein Häuflein großer Kinder“ zu behandeln. Die Skepsis gegenüber Frauenprivilegien ist auch ein gemeinsamer Nenner, auf den sich die rechtlichen Reformforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung um die Wende zum 20. Jahrhundert bringen ließen (dazu näher S. 350).
Die letzten dem antiken Interzessionsverbot entsprungenen Regelungen sind erst vor kurzem beseitigt worden. Bevormundung erschien angesichts der Bemühungen um eine Gleichstellung der Geschlechter nicht mehr zeitgemäß. Nun zeigt sich aber, dass mit Aufhebung des Verbots auch dessen Schutzwirkung beseitigt worden ist. Daher kommt die moderne Rechtsordnung Interzedenten wieder zu Hilfe, wenn diese sich einer übermäßigen Haftung ausgesetzt haben. Im Unterschied zu früher wird der Schutz heute nicht mehr geschlechtsspezifisch legitimiert. Ein Blick auf die in der Rechtspraxis relevanten Fälle lässt jedoch rasch erkennen, dass es – neben (volljährigen) Kindern – in erster Linie Frauen sind, um deren Schutz es geht. Infolge der Rechtsprechung zu den Angehörigenbürgschaften gehört die Interzession heute zu den meist diskutierten Problemen des [<<92] Schuldrechts (S. 467). Die Kontrolle erfolgt über § 138 BGB. Sittenwidrig können Bürgschaften sein, wenn die „strukturelle Unterlegenheit“ des Bürgen sich in „Unerfahrenheit“ und „wirtschaftlicher Überforderung“ niederschlägt (BVerfG NJW 1994, 36). Das Bundesverfassungsgericht hat seine Bürgschaftsrechtsprechung neuestens auch auf den Bereich der Eheverträge übertragen. Danach sollen unter bestimmten Umständen Vereinbarungen zum Nachteil von Frauen, etwa über nachehelichen Unterhalt, Kindesunterhalt, Zugewinn- oder Versorgungsausgleich durch die Gerichte inhaltlich kontrolliert und nachträglich für unwirksam erklärt werden können (BVerfG NJW 2001, 957). Auch bei dieser Rechtsprechung zeigt sich die Ambivalenz von Schutz und Bevormundung: Sozialen Elementen finanzieller Absicherung treten geschlechtsspezifisch motivierte Beschränkungen der Vertragsfreiheit gegenüber (S. 474).
4.2 Geschriebenes und ungeschriebenes Recht
Wer die Frage aufwirft, was „Recht“ eigentlich sei und woher es komme, stößt auf zwei Grundvorstellungen, die bis heute spannungsreich geblieben sind. Nach der ersten breitet eine allgegenwärtige, über der Gesellschaft stehende Autorität ihre zur Regelung des sozialen Lebens erdachten Normen von oben her aus. Davon zu unterscheiden ist der Gedanke, dass das Recht unabhängig von irgendeinem dominierenden Willen, gleichsam spontan, von unten herauf aus der Gesellschaft wächst. Beide Standpunkte beruhen auf verschiedenen Vorstellungen über die Entstehung von Recht. Bis heute pflegen Juristen diese Differenz mit der Einteilung in geschriebenes (scriptum) und ungeschiebenes (non scriptum) Recht zu veranschaulichen, wobei das ius scriptum dem Willen eines staatlichen Gesetzgebers und das ius non scriptum den Kräften der Gesellschaft Ausdruck verleihen soll.
Auf den ersten Blick bereitet diese seit der Antike gebräuchliche Einteilung des Rechts in scriptum und non scriptum keine Schwierigkeiten. Ihre Bedeutung scheint sich in der Form zu erschöpfen, in welcher das Recht jeweils seinen Ausdruck findet. Danach wäre Recht, das in einem Dokument schriftlich niedergelegt ist, „geschrieben“ und z. B. [<<93] gewohnheitsrechtlich erzeugtes, nur mündlich überliefertes Recht „ungeschrieben“. Tatsächlich ist diese Auffassung in der Literatur, zum Teil auch von namhaften Autoren immer wieder vertreten worden. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass die Dinge so einfach nicht liegen. Gewohnheitsrecht wird auch dann als ius non scriptum qualifiziert, wenn es – etwa in einer Sammlung von Rechtstexten – schriftlich niedergelegt oder aufgezeichnet wurde. Die Bedeutung der Einteilung liegt daher nicht in der Form, sondern darin, dass sie über die Entstehung von Recht Auskunft gibt. Um ius scriptum handelt es sich, wenn „irgend ein Rechtssatz durch Ausspruch der gesetzgebenden Gewalt Auctorität bekommen habe“ (Savigny). Bei nichtstaatlichen Rechtsquellen mangelt es an dieser Voraussetzung, sie sind daher als ius non scriptum einzuordnen.
Allerdings kommt dem Gegensatz von ius scriptum und non scriptum nicht zu allen Zeiten die gleiche Bedeutung zu. So haben die Römer bestimmte Privatrechtsakte, obwohl es sich hier um nichtstaatliches, zumeist mündlich erzeugtes Recht handelt, als ius scriptum qualifiziert. Der Grund liegt in der besonderen Bedeutung, die vor allem das ältere Römische Recht der Form beigemessen hat: Wie Gesetze bedurften auch Rechtsgeschäfte der Einhaltung spezieller formeller Erfordernisse, um wirksam zu sein (S. 61, 132). Hinzu kommt das abweichende „Staatsverständnis“ der Römer, wie es in Ciceros viel zitiertem Wortspiel von res publica und res populi zum Ausdruck kommt (De re publica I §§ 25, 39). Die weitgehende Identifizierung des „Staates“ mit dem „Volk“ hat auch in der „Rechtsquellenlehre“ einen Niederschlag gefunden: Wie ein Vertrag auf dem Konsens der Parteien beruht, ist nach römischer Vorstellung das Gesetz auf den Konsens zwischen Magistrat und Bürgerschaft gegründet (D. 1.3.1). Das Verhältnis von „Staat“ und Bürger erscheint also, jedenfalls in Zeiten der Republik, idealtypisch eher als Gleichordnungsverhältnis denn als Über- und Unterordnungsverhältnis. Dagegen haben die Römer das Juristenrecht, bei dem es sich ebenfalls um nichtstaatliches Recht handelt, als ius non scriptum eingeordnet, obwohl es – etwa in Handbüchern, Kommentaren oder Lehrbüchern – häufig schriftlich niedergelegt wird (D. 1.2.2.12). Dies hat in der Fachliteratur immer wieder Verwirrung gestiftet, erscheint aber folgerichtig, weil das Juristenrecht im Unterschied zu Vertrag und Gesetz nicht auf einem formalisierten Rechtsakt beruht. [<<94]
Im Prinzipat gilt die Annahme einer weitgehenden Gleichordnung von hoheitlicher Gewalt und Bürger freilich nur mit Einschränkungen. Bisweilen wächst die Gesetzgebung über ihre eigentlichen Funktionen, die Sicherung, Klärung oder Erneuerung einer bereits bestehenden Rechtsordnung hinaus und wird zu einem Instrument der Steuerung, das menschliche Handlungen herrscherlichen Befehlen unterwerfen soll. Ein prominentes Beispiel für das sich wandelnde Verhältnis von Staat und Recht – für eine Normsetzung ‚von oben‘ – bildet die Ehegesetzgebung des Augustus.
5. Die Ehegesetzgebung des Augustus
Die universale Bedeutung des römischen Rechts hängt auch damit zusammen, dass es ius und mos, Recht und Sitte, begrifflich auseinanderzuhalten wusste. Dies gilt insbesondere für das Ehe- und Familienrecht. Die Römer regelten nur einzelne Bereiche, auf eine umfassendere Formulierung der normativen Grundlagen des Eherechts haben sie verzichtet. Im Hintergrund steht der noch heute gültige Gedanke, dass das Recht in den personalen Kern zwischenmenschlicher Beziehungen nicht intervenieren dürfe. Nach römischer Vorstellung unterstehen gerade die wichtigsten Elemente der Familienbeziehung, etwa eheliche Treue oder väterliche Gewalt, allein dem Schutz der Sitte und nicht des Rechts. Die Augusteischen Ehegesetze, die einen Zwang zur Ehe schaffen, nehmen daher eine Sonderstellung innerhalb des römischen Familienrechts ein.
Augustus verfolgt mit seiner Ehegesetzgebung vor allem bevölkerungs- und sozialpolitische Ziele. Bekämpft werden sollen Verfallserscheinungen wie: ungebundenes Leben, insbesondere der oberen Schichten, Scheu vor der Ehe und überhandnehmende Kinderlosigkeit. Die beiden Hauptgesetze sind die lex Iulia de maritandis ordinibus, welche Augustus selbst 18 v. Chr. einbrachte, und die lex Papia Poppaea aus dem Jahre 9 n. Chr. Beide werden schon in klassischer Zeit als Einheit (lex Iulia et Papia) aufgefasst. Nach der lex Iulia soll jeder Römer im ehefähigen Alter verheiratet sein, die Männer vom 25. bis zum 60., die Frauen vom 20. bis 50. Lebensjahr. Die lex Papia Poppaea fordert [<<95] zudem das Vorhandensein ehelicher Kinder, bei Freigeborenen mindestens drei, bei Freigelassenen mindestens vier an der Zahl. Wer verheiratet gewesen, aber durch den Tod des anderen Gatten oder durch Scheidung ehelos geworden ist, muss wieder heiraten. Nur den Frauen werden hierbei „Schonfristen“ von sechs Monaten bis zu zwei Jahren gewährt. Nun kann man freilich schwerlich jemanden direkt zur Ehe zwingen, noch weniger zur Zeugung von Kindern. Daher knüpfen sich an die Nichtbefolgung der bestehenden Vorschriften gesellschaftliche, personen- und insbesondere erbrechtliche Nachteile, welche bis zur Erbunfähigkeit reichen, während umgekehrt die Eltern von drei bzw. vier Kindern in verschiedener Hinsicht, insbesondere bei der Bewerbung um Ämter bevorzugt werden. Ein Dispens von den Ehegeboten war allerdings möglich, wovon offenbar häufiger Gebrauch gemacht wurde. Außerdem konnte die Vorrangstellung einer kinderreichen Person auch gnadenweise verliehen werden.
Zu den Ehegeboten treten Eheverbote, die den Zweck verfolgen, den Stand der römischen Bürger und insbesondere die Nobilität von „Missheiraten“ abzuhalten, wobei für Mitglieder senatorischer Familien höhere Anforderungen gestellt werden. So ist es allen freigeborenen Bürgern untersagt, gewisse bescholtene Frauen zu heiraten, namentlich Dirnen, Kupplerinnen und Frauen, die beim Ehebruch ertappt worden sind. Senatoren und ihre Abkömmlinge (bis zum Urenkel) dürfen keine Ehen mit Freigelassenen sowie Schauspielerinnen oder Töchtern von Schauspielern eingehen. Entsprechendes gilt für die weiblichen Nachkommen eines Senators. Der Verstoß gegen diese Eheverbote scheint keine Nichtigkeit der Ehe nach sich gezogen zu haben. Offenbar ist die verbotswidrige Ehe vielmehr ein matrimonium iustum mit dessen normalen Wirkungen, also zivilrechtlich gültig. Nur befreit sie die Eheleute nicht von den Sanktionen, welche die Augusteischen Ehegesetze an die Ehe- und Kinderlosigkeit knüpfen; es ist kein matrimonium secundum legem Iuliam et legem Papiam Poppaeam contractum mit der Folge, dass die Partner die Nachteile der Unverheirateten tragen mussten. Erst unter Mark Aurel und Commodus wurde die Nichtigkeit solcher Ehen – jedenfalls der zwischen Personen senatorischen Standes und Freigelassenen – im Wege des Senatsbeschlusses verfügt. Die Augusteische Ehegesetzgebung, die begreiflicherweise [<<96] wenig beliebt war und die angestrebten Ziele wohl auch nicht erreicht hat, wurde im 4. und 5. Jahrhundert schrittweise aufgehoben.
Sich selbst hat Augustus von seinen Gesetzen gegen Ehe- und Kinderlosigkeit befreien lassen: Princeps legibus solutus est (D. 1. 3. 31). Die Nachfolger des Augustus haben den Satz, dass der Kaiser nicht an die Gesetze gebunden ist, verallgemeinert. Im Mittelalter greift Kaiser Friedrich II. darauf zurück (1245), ihm folgen Rudolf von Habsburg (1282) und der König von Frankreich. Eine Bindung auch des Herrschers an die Gesetze wird erst im 19. Jahrhundert ausdrücklich geregelt. Noch heute, etwa im Zusammenhang mit der juristischen Bewältigung von Regierungskriminalität, spielt der Satz Princeps legibus solutus eine wichtige Rolle (s. Naucke in den Literaturhinweisen).
Literatur
Allgemeines: FIRA (Bd. II: Autoren, 2. Auflage 1968; Bd. III: Rechtsgeschäfte, 2. Auflage 1969); HHL 4 (1997), §§ 410 ff. (Liebs); HHL 5 (1989), §§ 502 ff. (Liebs). Einen Einblick in die kaum übersehbare Literatur zum Prinzipat gewähren die beiden Sammelbände ‚Augustus‘ (hg.v.W. Schmitthenner, 1969) und ‚Prinzipat und Freiheit‘ (hg. v. R. Klein, 1969) sowie ANRW II 13 – 15; s. ferner: A. v. Premerstein, Vom Wesen und Werden des Prinzipats (1937); J. M. Kelly, Princeps iudex (1957); H. Volkmann, Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. Auflage (1969); H. Bengtson, Kaiser Augustus (1981); D. Kienast, Augustus – Princeps und Monarch (1982, 3. Auflage 1999); A. Mette-Dittmann, Die Ehegesetze des Augustus (1991); J. Bleicken, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreichs (Bd. 1, 4. Auflage 1995; Bd. 2, 3. Auflage 1994); P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, 5. Auflage (2008); A. Heuss, Römische Geschichte, 10. Auflage 2007 (hg.v.J. Bleicken / W. Dahlheim / H.-J. Gehrke), 272; W. Dahlheim, Augustus (2010).
Die klassische römische Rechtswissenschaft: W. Kunkel, Das Wesen des ius respondendi, SZ (RA) 66 (1948), 443; F. Wieacker, Der römische Jurist, in: Vom römischen Recht, 2. Auflage (1961), 128 und dort ders., Über das Klassische in der römischen Jurisprudenz, 161; F. Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissenschaft (1961); M. Kaser, Zur Methode der römischen Rechtsfindung (1962); W. Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. Auflage 1967 (ND 2001); W. Waldstein, Zu Ulpians Definition der Gerechtigkeit, in: FS W. Flume (1978), Bd. I, 213; R. Knütel, Von schwimmenden Inseln, wandernden Bäumen, flüchtenden Tieren und verborgenen [<<97] Schätzen: Zu den Grundlagen einzelner Tatbestände originären Eigentumserwerbs, in: RuP, 549; N. Benke, In sola prudentium interpretatione. Zur Methodik und Methodologie römischer Juristen, in: B. Feldner / N. Forgó (Hg.), Norm und Entscheidung. Prolegomena zu einer Theorie des Falls (2000), 1; O. Behrends, Das Geheimnis des klassischen römischen Rechts, in: B. J. Choe (Hg.), Law, Peace and Justice (2007), 3; ders., Die geistige Mitte des römischen Rechts, in: SZ (RA) 125 (2008), 25; C. Baldus, „Historische Auslegung“ in Rom? Der Umgang römischer Juristen mit dem Normtext als Methodenfrage, in: Seminarios Complutenses de Derecho Romano (2007 / 2008), 85; N. Jansen, Staatliche Gesellschaftspolitik und juristische Argumentation im römischen Privatrecht, in: FS R. Knütel (2009), 493 (s. a. die Nachweise zum 1. Kapitel); M. Avenarius, Law schools, in: R. S. Bagnall u. a. (Hg.), The encyclopedia of Ancient History (2013), 3967.
Princeps legibus solutus: D. Wyduckel, Princeps legibus solutus – Eine Untersuchung zur frühmodernen Rechts- und Staatslehre (1979); D. Liebs, Das Gesetz im spätrömischen Recht, in: Das Gesetz in Spätantike und frühem Mittelalter (hg.v.W. Sellert), 1992, 11, 23; W. Naucke, Die strafjuristische Privilegierung staatsverstärkter Kriminalität (1996), 12, 17, 47; D. Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, 7. Auflage (2007), 179 (Nr. 94); J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, 7. Auflage (2013), 235; O. Behrends, Princeps legibus solutus, in: FS C. Starck (2007), 3.
Senatus Consultum Velleianum: K. L. C. Röslin, Abhandlung von besondern weiblichen Rechten, Bd. I (1775), Bd. II (1779), 53; J. J. Bachofen, Das vellejanische Senatskonsult, seine ursprüngliche Fassung und spätere Erweiterung, in: Ausgewählte Lehren des römischen Civilrechts (1848), 1; W. Girtanner, Die Bürgschaft nach gemeinem Civilrecht Bd. I (1850), 258, Bd. II (1851), 335; H. Kreller, Das Verbot der Fraueninterzession von Augustus bis Justinian, in: Anzeigen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse (1956), 10; D. Medicus, Zur Geschichte des Senatus Consultum Velleianum (1957); Kaser, RP II, 277, 667; A. D. Bautista, L’intercession des femmes dans la législation de Justinien, RIDA 1983, 81; S. Dixon, Infirmitas Sexus: Womanly Weakness in Roman Law, TRG 1984, 343; O. Lehner, Senatus Consultum Velleianum – Die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur im frühneuzeitlichen österreichischen Recht, in: SZ (GA) 105 (1988), 270; R. Zimmermann, The Law of Obligations (1990), 145; B. Kupisch, Die Frau im römischen Geschäftsleben, in: U. Hübner / W. Ebke (Hg.), FS B. Großfeld (1999), 659; W. Ernst, Interzession: Vom Verbot der Fraueninterzession über die Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften zum Schutz des Verbrauchers als Interzedenten, in: RuP, 395; U. Mönnich, Frauenschutz vor riskanten Geschäften. Interzessionsverbote nach dem Velleianischen Senatsbeschluss (1999); St. Meder, Interzession und Privatautonomie, in: GS M. Wolf (2011), 253. [<<98]
12WuG, 662, 664. Zur besonderen Art des Gehorsams, den das Charisma fordert, vgl. bereits R. Sohm (Kirchenrecht, Bd. I, 1892, 26).
13An die Stelle eines durch lebenslange Gewaltunterworfenheit bestimmten Status (S. 39) ist eine weitgehende Gleichstellung der Geschlechter getreten. Denn das klassische Recht hat den Begriff persona (S. 68, 109) auch auf Frauen erstreckt. Frauen waren zwar weiterhin von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Diese Ungleichbehandlung haben die klassischen Juristen aber nicht geschlechtsspezifisch, etwa mit dem Hinweis auf geringere Befähigung oder mangelndes Urteilsvermögen, sondern gewohnheitsrechtlich begründet. Das Gewohnheitsrecht erkannten sie als wichtige Rechtsquelle zwar an, haben ihm jedoch nicht das gleiche Maß an innerer Rationalität wie dem universalen ius gentium beigemessen (vgl. O. Behrends, Die geistige Mitte des römischen Rechts, 25, 34).
4. Kapitel
Die römische Spätzeit bis zur Justinianischen Kodifikation
Unter den Nachfolgern des Augustus werden die innerhalb der Monarchie verbliebenen republikanischen Strukturen allmählich abgebaut. Die Folge ist ein steter Machtzuwachs des Prinzeps. Seit Domitian (81 – 96 n. Chr.) lassen sich die Kaiser immer wieder mit Domine anreden, was etwa Augustus noch ausdrücklich abgelehnt hat. Die Bündelung von Entscheidungskompetenzen führt zunächst zu einer besseren Verwaltung der Provinzen, deren Bewohner 212 n. Chr. alle das römische Bürgerrecht erhalten (constitutio Antoniniana). Im zweiten Abschnitt der Kaiserzeit tritt an die Stelle des gemäßigten das absolute Kaisertum. Diokletian (284 – 305 n. Chr.) führt das orientalische Hofzeremoniell ein, welches ihm die Majestät eines höheren Wesens mit beinahe metaphysischem Symbolgehalt verleiht. Als absoluter Herr und Gott (dominus et deus) ist der Kaiser nunmehr unbestrittener Mittelpunkt des Reiches. Die Thronbesteigung Diokletians (284) markiert den Beginn der römischen Spätantike. Die durch den allmächtigen Kaiser bestimmte Herrschaftsform der Spätantike pflegt man als ‚Dominat‘ zu bezeichnen (Mommsen).14
Die nachklassische Periode der römischen Jurisprudenz reicht vom 3. Jahrhundert n. Chr. bis zum Ausgang der Antike. Sie zeigt Zeichen des Niedergangs, wenngleich einige Kaiser – allen voran Diokletian – bemüht sind, an die klassische Jurisprudenz anzuknüpfen. Das absolute Kaisertum erhebt sich zum alleinigen Gesetzgeber und lässt einer freien, [<<99] nur dem eigenen Gewissen des Juristen verantwortlichen Rechtspflege und Rechtswissenschaft kaum noch Raum. Die Entwicklung mündet in den spätantiken Zwangsstaat mit einem umfassenden bürokratischen Apparat. Die republikanischen Institutionen sind bald völlig verschwunden. Die äußeren Bedingungen werden durch eine sich zunehmend verschärfende Notlage der Massen – hohe Steuern, Rückgang des Handels und Verkümmerung des Geldwesens – geprägt. Der wirtschaftliche Verfall geht Hand in Hand mit einem kulturellen Niedergang, welcher auch in der Pflege der Jurisprudenz deutliche Spuren hinterlässt. Infolge der Abwendung von der klassischen Tradition kommt es allmählich zu einer Vulgarisierung des Rechts.
1. Rechtsquellen und Rechtsliteratur in der Zeit der Nachklassik
Die klassischen Gesetzesarten (3. Kapitel 4, S. 88.) bleiben zwar weitgehend erhalten, werden aber zunehmend kaiserlicher Kontrolle unterworfen. Im Dominat darf nur noch der Kaiser das Recht fortbilden. Seine Rechtsetzungsakte treten jetzt als Gesetze (leges, constitutiones) dem überkommenen Juristenrecht (ius) gegenüber. Allgemeine Gesetze (leges generales) begegnen z. B. in Gestalt kaiserlicher Schreiben an hohe Beamte oder in Form von Edikten, worin sich der Kaiser an die Bevölkerung des ganzen Reiches oder eines Teilgebietes wendet. Als Gesetz (lex) werden immer häufiger auch sonstige kaiserliche Regelungen ohne Allgemeinverbindlichkeit bezeichnet. So rücken die kaiserlichen Reskripte (S. 89) ebenfalls zunehmend in die Nähe von Gesetzen und Ulpian kann schreiben, dass, was der Kaiser beschlossen habe, Gesetzeskraft besitze (D. 1.4.1). Darüber hinaus gewinnen persönliche Vergünstigungen oder Vergünstigungen für Körperschaften (adnotationes) an Bedeutung, die auch pragmaticum, pragmatica lex oder sanctiones pragmaticae genannt werden. Die Privilegien sollen nur für die Begünstigten und nur im Rahmen der Gesetze gelten, wogegen in der Praxis aber oft verstoßen wurde.
Die Kaiser haben ihre Gesetze nicht selbst verfasst, sondern in den großen Zentralkanzleien vorbereiten und ausformulieren lassen. Mit dieser [<<100] Aufgabe ist vor allem der quaestor sacri palatii (Chef des Justizwesens) betraut. Schon während des Prinzipats hat der kaiserliche quaestor Gesetzesanträge im Senat entworfen. So formulierte etwa Julian (S. 87) als quaestor Hadrians den berühmten Senatsbeschluss zur abschließenden Festlegung des prätorischen Edikts (S. 85). Als quaestor sacri palatii pflegt man den Justizchef erst seit Konstantin (306 – 337) zu bezeichnen. Das Amt gewinnt in der Spätantike erhebliche Bedeutung. Den quaestor sacri palatii unterstützen mehrere Kanzleibeamte, wobei etwa der magister libellorum die kaiserlichen Antwortschreiben (rescripta) auf Eingaben aus der Bevölkerung vorbereitet, der magister epistularum die Antworten auf Anfragen von Reichsbeamten und Eingaben hochgestellter Persönlichkeiten bearbeitet und der magister memoriae die kaiserlichen Vergünstigungen (adnotationes) entwirft und sie nach Unterzeichnung durch den Kaiser ausliefert.
Verlautbarungen im Namen des Kaisers sind uns in großer Zahl erhalten. Unter Diokletian werden die Kaiserkonstitutionen in zwei Sammlungen zusammengefasst – dem Codex Gregorianus und dem Codex Hermogenianus. Die Sammlungen tragen den Namen ihrer Herausgeber, Gregorius und Hermogenian, die jeweils als Kanzleivorsteher tätig waren. Von beiden Codices sind nur Bruchstücke erhalten. Der Codex Gregorianus ist in den Codex Justinians (4. Kapitel 4, S. 109.) eingegangen und lässt sich daher gut rekonstruieren. Außerdem enthält die Lex Romana Visigothorum (5. Kapitel 2.1, S. 129) einen schmalen Auszug aus dieser bis zum Jahr 291 geführten Sammlung. In dem ähnlich konzipierten Codex Hermogenianus sind die – überwiegend von Hermogenian während seiner Kanzleitätigkeit selbst entworfenen – Reskripte Diokletians aus den Jahren 293 und 294 gesammelt. In der Folgezeit entstehen Neuausgaben, die um jüngeres Material erweitert werden. Nach dem Vorbild der Codices Gregorianus und Hermogenianus ist eine amtliche Sammlung der Kaiserkonstitutionen durch Theodosius II. (408 – 450) zunächst im Osten verkündet, von Valentinian III. (425 – 455) für den Westen übernommen und für das Gesamtreich 439 in Kraft gesetzt worden (S. 107). Dieser fast vollständig erhaltene, ebenfalls in der kaiserlichen Kanzlei entstandene Codex Theodosianus umfasst sechzehn, in einzelne Titel gegliederte Bücher mit über 3000 chronologisch geordneten Konstitutionen. Die [<<101] maßgebliche moderne Ausgabe des Codex Theodosianus stammt von Th. Mommsen (s. Literaturhinweise).
Die Eingriffe der Kaiser in die Rechtspflege beschränken sich nicht auf den Erlass von Konstitutionen. Auch den Umgang mit der klassischen Rechtsliteratur suchen sie zu kontrollieren. Denn die alten Juristen genießen nach wie vor hohes Ansehen. Hinzu kommt, dass es in der Spätantike Sache der Parteien oder ihrer Anwälte ist, dem Richter die entscheidungserheblichen Normen vorzutragen. Da die Meinungen der alten Juristen noch immer als Rechtsquelle gelten, stützen die Anwälte ihre Einlassungen vor Gericht nicht nur auf kaiserliche Verlautbarungen, sondern auch auf Juristenrecht, das die Richter dann zu berücksichtigen haben. Die Richter aber sind schlecht ausgebildet, sie geraten in Schwierigkeiten, wenn sich streitende Parteivertreter auf jeweils abweichende Juristenmeinungen berufen. Die Prozesse laufen so Gefahr, mehr und mehr zu einer Art Lotteriespiel zu verkommen.
Zur Beseitigung der Missstände versucht Theodosius II. neben Gesetzen (constitutiones, leges) auch das vielschichtige Juristenrecht (ius) in seinen Codex eingliedern zu lassen. Das Vorhaben kann jedoch nicht verwirklicht werden – vermutlich, weil sein quaestor sacri palatii der schwierigen Materie nicht gewachsen ist. In den Codex Theodosianus gelangt aber ein Normtext aus dem Jahre 426, der Kriterien zur Beschränkung und Kontrolle der Anwendung von Juristenschriften aufstellt. Den als ‚Zitiergesetz‘ bezeichneten Text pflegt man als Beispiel für den Niedergang der Rechtskultur im Dominat anzusehen, weil er die klassischen Juristen zu bloßen Rechnungsposten einer juristischen Kalkulation herabwürdige und autoritatives Denken an die Stelle selbständiger Forschung treten lasse (Bretone). Vielleicht aber ist das Zitiergesetz auch nur ein Notbehelf, um den Einfluss von Juristenschriften auf den Prozess berechenbar zu halten:
Wir bestätigen die Geltung sämtlicher Schriften von Papinian, Paulus, Gaius, Ulpian und Modestin, so daß also Gaius dasselbe Ansehen genießt wie Paulus, Ulpian und die übrigen und daß Belegstellen aus seinem ganzen Werk angeführt werden können. Auch die Erkenntnisse der Autoren, deren Erörterungen und Ansichten alle die Genannten in ihre Werke aufgenommen [<<102] haben, erklären wir für gültig, z. B. die des Quintus Mucius Scävola, Sabinus, Julian und Marcellus sowie all derer, die von den Genannten ständig angeführt werden, vorausgesetzt, daß der Text ihrer Werke – in Anbetracht der altersbedingt unsicheren Überlieferung – durch den Vergleich mehrerer Handschriften gesichert ist. Wo aber unterschiedliche Ansichten vorgebracht werden, dort soll die größere Zahl der Autoren maßgeblich sein, oder wenn das Zahlenverhältnis gleich ist, dann soll das Ansehen der Seite den Vorrang haben, auf der sich die herausragende Einsicht Papinians hervortut, des Mannes, der zwar zwei anderen unterliegt, gegenüber einzelnen jedoch die Oberhand behält. Auch setzen wir fest, daß die kritischen Anmerkungen, die Paulus und Ulpian dem Werk Papinians beigegeben haben, ungültig sind, wie schon früher angeordnet. Wo aber gleich viele Stimmen aus der Zahl der Autoren angeführt werden, die gleiches Ansehen genießen sollen, dort mag das Ermessen des Urteilenden abwägen, welcher Seite er folgen soll. Ferner bestimmen wir, daß die Sentenzen des Paulus stets einbegriffen sind. Gegeben am 7. November [426] zu Ravenna, unter dem zwölften Konsulat des Kaisers Theodosius II. und dem zweiten des Kaisers Valentinian III. (Römische Rechtstexte, 14, 17).
Die Mehrzahl der Kaisergesetze ist im Zusammenspiel von Rhetoren und Juristen konzipiert worden. Die oft pompös ausstaffierten und rhetorisch aufgepeppten Texte dienen nicht nur der Regelung rechtlicher Probleme, sondern auch den Erfordernissen staatlicher Repräsentation und der Herrscherpropaganda. Für die Sachregelungen gilt dies jedoch nur mit Einschränkungen. Sie beruhen inhaltlich auf der Vorarbeit in den Kanzleien. Die Leistungen der Kanzleijuristen sind nicht zu unterschätzen. Ihre Arbeitsweise trägt durchaus selbständigen Charakter, sie lässt sich weder auf klassische noch auf vulgare Stilformen festlegen (Voß). Viele Sachregelungen sind von dem ernsthaften Bemühen der Kanzleijuristen um eine Anpassung des traditionellen Rechts an gewandelte rechtliche und gesellschaftliche Bedingungen getragen. So überrascht es nicht, dass auch im Wege der Kaisergesetzgebung Rechtsinstitute von bleibender Bedeutung geschaffen wurden. [<<103]
2. Rechtsfortbildung durch Kaiserrecht
Berühmtes Beispiel für eine Rechtsfortbildung durch Reskripte ist das durch Diokletian geschaffene Rechtsinstitut der laesio enormis (Verletzung über die Hälfte). Den Entscheidungen liegt der Sachverhalt zu Grunde, dass der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens, offenbar um den allgemein bedrückenden ländlichen Verhältnissen zu entkommen, weit unter seinem Wert verkauft hat (C. 4.44.2). Das Verbot der laesio enormis bedeutet eine Einschränkung der Privatautonomie zum Schutz des Verkäufers vor nachteiligen Grundstücksgeschäften. Diokletian will mit Hilfe der laesio enormis vornehmlich die Landflucht eindämmen, sie passt aber auch in die allgemeine Linie seiner Bemühungen um die Festlegung eines iustum pretium (gerechter Preis). Mit dem Problem des gerechten Preises hatten sich bereits die Klassiker befasst. Repräsentativ ist die Auffassung des Paulus, der es für legitim hält, dass die Parteien einander zu übervorteilen trachten (D. 19.2.22.3). Das Aufgreifen der Frage in der Nachklassik und die Abkehr vom klassischen Standpunkt entsprechen allgemeinen Humanisierungstendenzen der Zeit, die zunächst von der stoischen Philosophie, dann aber vor allem vom Christentum gefördert wurden. Überhaupt lässt sich seit Diokletian eine zunehmende Orientierung des Rechts an ethischen Maßstäben registrieren. Danach erscheint es unzulässig, die Höhe des Kaufpreises dem freien Wettbewerb zu überlassen.
Das Verbot der laesio enormis berechtigt den Verkäufer zur Aufhebung des Vertrags, wenn der vereinbarte Preis weniger als die Hälfte des wahren Wertes ausmacht. Beruft er sich auf sein Aufhebungsrecht, so kommt es zur Rückabwicklung des Kaufvertrags. Doch kann der Käufer die Rückabwicklung verhindern, wenn er die Differenz zum vollen, ‚gerechten‘ Preis (iustum pretium) nachzahlt. Spätestens unter Justinian entwickelte sich aus den Einzelentscheidungen Diokletians eine generelle Regel. Die Umkehrung dieser Regel zugunsten des Käufers, der mehr als das Doppelte des Wertes als Kaufpreis zugesagt hat, geht wohl erst auf das Mittelalter zurück, war aber in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen der Neuzeit ebenfalls anerkannt.