Kitabı oku: «Mehr als ein Wunder», sayfa 3
1.2 Die Aufgabe des Therapeuten
Die Aufgabe, die der Therapeut in der SFBT hat, unterscheidet sich von der Rolle, die er in vielen anderen psychotherapeutischen Ansätzen einnimmt. Lösungsfokussiert arbeitende Therapeuten akzeptieren, dass es in der therapeutischen Organisation zwar eine Hierarchie gibt, diese Hierarchie aber tendenziell eher egalitär und demokratischer Natur ist als autoritär. Sie geben fast nie Urteile über den Klienten ab und vermeiden es, über die hinter seinen Wünschen, Bedürfnissen oder Verhaltensweisen stehenden Bedeutungen Interpretationen anzustellen. Die Aufgabe des nach der SFBT arbeitenden Therapeuten soll die sein, dass er Optionen auszuweiten und nicht einzuschränken versucht (Berg a. Dolan 2001). Er leitet das Therapiegespräch, tut dies aber auf behutsame Weise, und tritt dabei gewissermaßen »einen Schritt zurück« (leading from one step behind; Cantwell a. Holmes 1994, p. 17 ff.). Statt dass der Therapeut die Präsentationen des Klienten interpretiert, ihn beschwatzt, ermahnt oder zu etwas drängt, »klopft er ihm auf die Schulter« (Berg a. Dolan 2001, p. 3) und weist ihn darauf hin, dass auch eine andere Richtung überlegenswert sei.
1.3 Therapeutische Prinzipien und Techniken
Allgemeine Interventionen
Positive, kollegiale, auf eine Lösung gerichtete Einstellung. Zu den wichtigsten Aspekten, die in der lösungsfokussierten Kurztherapie zum Tragen kommen, zählen die Grundstimmung und die grundsätzliche Einstellung des Therapeuten. Seine Haltung ist insgesamt positiv, respektvoll und optimistisch, und er geht generell von der Annahme aus, dass Menschen starke Resilienzen besitzen und diese für Veränderungen nutzen können. Von zentraler Bedeutung ist außerdem die Überzeugung, dass die meisten Menschen die Stärke, Klugheit und Erfahrung haben, um eine Veränderung zustande zu bringen. Was andere Modelle als »Widerstand« definieren, gilt in der SFBT als (a) natürlicher Schutzmechanismus oder realistischer Wunsch des Klienten, vorsichtig zu sein und langsam vorzugehen, oder (b) als Fehler des Therapeuten z. B. aufgrund einer Intervention, die der Situation des Klienten nicht angemessen ist. Alle diese Annahmen sind die Voraussetzung dafür, dass Therapiesitzungen der Tendenz nach eher kollegial als hierarchiebetont angelegt sind (auch wenn, wie gesagt, lösungsfokussiert arbeitende Therapeuten den Klienten sehr wohl »mit einem Schritt Abstand« leiten) und eher auf der Kooperation als auf der Konfrontation beruhen.
Suche nach früheren Lösungen. Nach der SFBT arbeitende Therapeuten wissen, dass die meisten Klienten zuvor schon sehr viele Probleme gelöst haben. Dies war vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt, an einem anderen Ort oder in einer anderen Situation. Das Problem ist vielleicht auch wieder aufgetaucht. Die entscheidende Erkenntnis ist aber die, dass der Klient sein Problem – wenn auch nur für kurze Zeit – schon mal gelöst hat.
Suche nach Ausnahmen. Selbst wenn Klienten zuvor keine Lösung gefunden haben, die sie anstreben können, fallen den meisten von ihnen doch Beispiele für Situationen aus der Vergangenheit ein, in denen es eine Ausnahme in Bezug auf ihr Problem gab. Eine solche Ausnahme liegt dann vor, wenn es Zeiten gibt, in denen das Problem grundsätzlich da sein könnte, de facto aber nicht vorhanden ist. Der Unterschied zwischen einer früheren Lösung und dem Zustand, in dem das Problem eine Ausnahme macht, ist klein, aber signifikant. Eine frühere Lösung bezieht sich auf etwas, das jemand aus eigener Kraft probiert und das auch funktioniert hat; aber aus irgendeinem Grund ist diese erfolgreiche Lösung nicht fortgeführt und vermutlich vergessen worden. Eine Ausnahme bezieht sich auf etwas, was anstelle des Problems geschieht – und meistens nicht einmal absichtlich herbeigeführt oder vielleicht auch gar nicht verstanden wird.
Fragen statt Direktiven oder Deutungen. Natürlich sind Fragen in allen Therapiemodellen ein wichtiges Kommunikationsmittel. So arbeiten Therapeuten aller Ausrichtungen häufig mit Fragen, besonders wenn sie die Vorgeschichte des Klienten explorieren, am Anfang einer Therapiesitzung wichtige Informationen zusammentragen oder herausfinden wollen, wie der Klient die ihm aufgetragene Hausaufgabe bewältigt hat. Fragen sind für lösungsfokussiert arbeitende Therapeuten jedoch das primäre Kommunikationswerkzeug und als solche eine allumfassende Art der Intervention. Nach dem SFBT-Konzept arbeitende Therapeuten vermeiden es in der Regel, Interpretationen vorzunehmen, und bedrängen den Klienten nur selten mit direkten Herausforderungen oder Konfrontationen.
Auf die Gegenwart und Zukunft gerichtete Fragen anstelle von Fragen, die auf die Vergangenheit fokussieren. Die Fragen, die nach der SFBT arbeitende Therapeuten stellen, sind fast immer auf die Gegenwart oder Zukunft gerichtet, worin sich folgende Grundüberzeugung spiegelt: Probleme werden am besten dadurch gelöst, dass man sich auf das konzentriert, was bereits funktioniert, und darauf, wie der Klient sich sein Leben vorstellt, und sie werden nicht dadurch gelöst, dass man sich auf die Vergangenheit und den Ursprung der Probleme konzentriert.
Komplimente und Anerkennung. Dem Klienten Komplimente und Anerkennung entgegenzubringen ist ebenfalls ein wesentlicher Aspekt der SFBT. Wenn Therapeuten anerkennend bestätigen, was der Klient bereits erfolgreich unternommen hat, und würdigen, wie schwierig seine Probleme sind, ermutigen sie ihn zur Veränderung und überbringen ihm zugleich die Botschaft, dass sie ihm zugehört (d. h. ihn verstanden) haben und an ihm interessiert sind (Berg a. Dolan 2001). Komplimente im Therapiegespräch können helfen, auf den Punkt zu bringen, was der Klient bis dahin erfolgreich ausgeführt hat.
Sanfte Anstöße zu Handlungen, die schon funktioniert haben. Wenn der Therapeut mithilfe von Komplimenten und Anerkennung einen sicheren Rahmen für den Klienten geschaffen hat und frühere Lösungen und Ausnahmen des Problems entdeckt worden sind, regt er ihn behutsam dazu an, seine zuvor erfolgreichen Handlungen fortzusetzen oder Veränderungen, auf die er, der Klient, selbst gekommen ist, auszuprobieren – was häufig als »Experiment« bezeichnet wird. Es kommt nur selten vor, dass lösungsfokussiert arbeitende Therapeuten dem Klienten Vorschläge machen oder ihm Aufgaben stellen, die nicht auf seinen früheren Lösungen oder auf Ausnahmen des Problems beruhen. Am besten ist es immer, wenn Veränderungsideen und Aufgaben – zumindest indirekt während des Therapiegesprächs – vom Klienten ausgehen und nicht vom Therapeuten gestellt werden; denn der Klient ist mit diesen angestrebten Verhaltensweisen vertraut.
Spezifische Interventionen
Bereits vor der Sitzung eingetretene Veränderung. Gleich zu Beginn oder in den frühen Phasen des ersten Therapiegesprächs stellen lösungsfokussiert arbeitende Therapeuten den Klienten meistens folgende Frage: »Sind Ihnen, seit Sie den Termin für diese Sitzung gemacht haben, irgendwelche Veränderungen aufgefallen, die bereits eingetreten sind oder die sich im Moment abzeichnen?« Auf diese Frage gibt es drei mögliche Reaktionen.
Erstens: Der Klient sagt, dass überhaupt nichts geschehen sei. In diesem Fall macht der Therapeut einfach weiter und beginnt die Sitzung mit einer Frage, z. B.: »Wie kann ich Ihnen heute helfen?« oder »Was müsste heute geschehen, damit diese Sitzung wirklich hilfreich für Sie ist?«.
Zweitens: Der Klient antwortet, dass die Situation sich zu bessern beginne oder besser geworden sei. In diesem Fall stellt der Therapeut viele Fragen zu den Veränderungen, die sich abzuzeichnen beginnen, was die Erhebung vieler Einzelheiten erfordert. Damit beginnt der Prozess des »Sprechens über Lösungen«, in dem von Anfang an die Stärken und Resilienzen des Klienten betont werden und der es dem Therapeuten erlaubt, die Frage zu stellen: »Angenommen, diese Veränderungen würden weiterhin in diese Richtung gehen; wäre es dann das, was Sie gerne hätten?« Diese Frage bietet die Möglichkeit, ein konkretes, bejahendes und an Veränderung orientiertes Ziel ins Auge zu fassen.
Drittens: Der Klient teilt mit, dass die Situation gleich geblieben sei. In diesem Fall kann der Therapeut z. B. fragen: »Ist es ungewöhnlich, dass die Situation nicht schlimmer geworden ist?« oder »Wie haben Sie überhaupt verhindern können, dass die Situation nicht schlimmer geworden ist?«. Solche Fragen können Informationen über frühere Lösungen und Ausnahmen aufdecken und diese zum Thema eines lösungsfokussierten Gesprächs werden lassen.
Auf Lösungen gerichtete Ziele. Wie in vielen psychotherapeutischen Modellen sind klare, konkrete und spezifische Ziele auch im Konzept der lösungsfokussierten Kurztherapie ein wichtiges Element. Der lösungsfokussiert arbeitende Therapeut strebt an, dass sich möglichst eher kleinere als größere Ziele herauskristallisieren. Noch wichtiger ist es, Klienten dazu zu ermuntern, ihre Ziele als Lösung zu definieren und nicht als die Abwesenheit eines Problems. Es ist z. B. vorteilhafter, wenn ein Ziel so formuliert wird: »Wir wollen, dass unser Sohn netter zu uns ist« – was ausführlicher beschrieben werden müsste – und nicht so: »Wir hätten es gerne, dass unser Kind uns nicht zum Teufel wünscht«. Außerdem: Wenn ein Ziel als Lösung formuliert wird, lässt es sich leichter skalieren (siehe unten).
Die Wunderfrage. Manchen Klienten fällt es schwer, überhaupt ein Ziel zu formulieren – von einem lösungsfokussierten Ziel ganz zu schweigen. Das gilt vor allem für Multiproblem-Familien oder solche Menschen, denen das Problem so massiv vorkommt, dass sie allein schon aufgrund der Beschreibung eines Ziels den Eindruck bekommen, dadurch würde das Ausmaß des Problems und seine erdrückende Wirkung auf die Betroffenen abnehmen. Wenn man die Wunderfrage einsetzt, um nach einem Ziel des Klienten zu fragen, vermittelt dies einerseits einen gewissen Respekt vor der Größe des Problems, führt aber gleichzeitig auch dazu, dass der Klient sich kleinere und besser zu bewältigende Ziele ausdenkt.
Der genaue Wortlaut dieser Intervention kann zwar schwanken, aber die Grundformulierung ist folgende:
Ich stelle Ihnen jetzt eine ziemlich seltsame Frage. [Pause] Die seltsame Frage lautet: [Pause] Nach unserem Gespräch werden Sie zurück zu Ihrer Arbeit (nach Hause, in die Schule) gehen, und Sie werden den restlichen Tag damit verbringen, ihren Alltagsgeschäften nachzugehen, z. B. die Kinder versorgen, Abendessen zubereiten, fernsehen, die Kinder baden usw. Schließlich wird es Zeit sein, schlafen zu gehen. Um Sie herum ist es ganz still, und Sie schlafen friedlich ein. Mitten in der Nacht geschieht ein Wunder, und das Problem, über das Sie heute mit mir sprechen, ist gelöst! Doch dies geschieht, während Sie schlafen, und deshalb können Sie gar nicht wissen, dass in der Nacht ein Wunder geschehen ist, das Ihr Problem gelöst hat. [Pause] Worin könnte, wenn Sie dann morgen früh aufwachen, die kleine Veränderung bestehen, sodass Sie sagen werden: »Toll, es muss etwas passiert sein – das Problem ist weg!« (Berg a. Dolan 2001, p. 7)?
Auf die Wunderfrage reagieren Klienten ganz unterschiedlich. Manche sind verwundert und sagen vielleicht, dass sie die Frage nicht verständen. Manche lächeln auch. Wenn Klienten genügend Zeit zum Nachdenken haben, fallen Ihnen jedoch meistens einige sehr spezifische Dinge ein, die anders wären, wenn ihr Problem gelöst wäre. Diese Antworten kann man dann üblicherweise als Therapieziele annehmen. Insofern führen die Reaktionen des Klienten zu einer mehr ins Detail gehenden Beschreibung davon, wie er sich sein Leben vorstellt, was dann wieder dazu beitragen kann, dass er seine früheren Lösungen und Ausnahmen beleuchtet.
In Paar-, Familien- oder Gruppentherapien kann man die Wunderfrage den einzelnen Personen stellen oder sie an die gesamte Gruppe richten. Wenn man individuell fragt, antwortet jede einzelne Person auf die Frage, und möglicherweise reagieren die anderen Anwesenden auf die Antworten der Einzelnen. Der Therapeut könnte die anderen ermutigen, die individuell vorgetragenen Wunderbeschreibungen zu unterstützen. Wenn die Wunderfrage an das Paar, die Familie oder eine Gruppe gerichtet wird, können die Anwesenden gemeinsam ihr Wunder »erarbeiten«. Dadurch, dass der lösungsfokussiert arbeitende Therapeut versucht, unter den Teilnehmern eine kooperative Haltung zu bewahren, betont er die Ähnlichkeit ihrer Ziele und das unterstützende Moment ihrer Aussagen (weitere Einzelheiten zur »Wunderfrage« und ihrer Verwendung siehe nachfolgende Kapitel).
Skalierungsfragen. Unabhängig davon, ob der Klient ohne Umwege oder aber über die Wunderfrage auf spezifische Ziele kommt, ist die nächste Intervention wichtig: dass nämlich die einzelnen Ziele skaliert werden. Der Therapeut fragt den Klienten nach der Skala zur Wunderfrage: »Auf einer Skala von 0 bis 10 (bzw. von 1 bis 10), wo standen die Dinge, als die Stunde vereinbart wurde, wo stehen sie jetzt, und wo werden sie am Tag nach dem Wunder sein?« Dazu das Fallbeispiel eines Paares, dessen Ziel bessere Kommunikation ist:
THERAPEUT: Als Nächstes möchte ich das Problem und das Ziel auf einer Skala einstufen. Nehmen wir an, eine 1 bedeutet, dass das Problem so schlimm ist, wie es nur sein kann, dass Sie überhaupt nicht miteinander reden, sich nur streiten oder sich die ganze Zeit über aus dem Weg gehen. Und nehmen wir an, eine 10 bedeutet, dass Sie die ganze Zeit über miteinander reden, sich perfekt verständigen können und sich überhaupt nicht streiten.
EHEMANN: Das ist ziemlich unrealistisch.
THERAPEUT: Das wäre der Idealzustand. Also, wo würden Sie beide die Situation einordnen, als sie am schlimmsten war, also vielleicht zu der Zeit, kurz bevor Sie zu mir kamen?
EHEFRAU: Es war ziemlich schlimm … ich weiß nicht, … ich würde sagen, bei der 2 oder 3.
EHEMANN: Ja, ich würde sagen, bei der 2.
THERAPEUT: Okay [schreibt] … eine 2 bis 3 für Sie – und eine 2 für Sie. Nun wüsste ich noch gerne, womit Sie zufrieden wären, wenn die Therapie vorbei und erfolgreich ist.
EHEFRAU: Ich wäre mit einer 8 zufrieden.
EHEMANN: Also, ich hätte natürlich gerne eine 10, aber das ist unrealistisch. Ja, ich gebe zu, eine 8 wäre gut.
THERAPEUT: Wo würden Sie die Situation jetzt im Moment einordnen?
EHEFRAU: Ich würde sagen, sie ist ein bisschen besser, weil er mit mir hierher gekommen ist, und ich sehe, dass er versucht … ich würde sagen, vielleicht bei der 4?
EHEMANN: Also, das höre ich gern. Ich hätte nicht gedacht, dass sie die Situation so weit oben einordnet. Ich würde sie bei der 5 einordnen.
THERAPEUT: Okay, eine 4 für Sie – und eine 5 für Sie. Und Sie beide wollen, dass Sie die Situation bei der 8 haben, damit Sie sagen können, die Therapie war erfolgreich, richtig?
Diese Intervention hat zwei wesentliche Komponenten. Zum einen ist sie ein Instrument zur Beurteilung von Lösungen, d. h., wenn sie in jeder Therapiesitzung durchgeführt wird, können Therapeut und Klienten damit kontinuierlich ihren Fortschritt messen. Zum anderen ist sie per se ein wirkungsvoller Eingriff, weil sie dem Therapeuten erlaubt, auf frühere Lösungen und auf Ausnahmen zu fokussieren und auf Veränderungen während ihres Entstehens aufmerksam zu machen. Genauso, wie sich Dinge vielleicht schon vor dem ersten Therapiegespräch verändert haben, kann sich die Situation des Klienten auch zwischen den einzelnen Sitzungen in drei Richtungen entwickeln: (1) Die Situation kann besser werden; (2) die Situation kann unverändert bleiben; (3) die Situation kann sich verschlechtern.
Wenn die Klienten ihr Problem zunehmend höher skalieren und ihre Situation sich von Sitzung zu Sitzung bessert, gibt der Therapeut ihnen dafür Komplimente und Anerkennung und fordert sie zu einer ausführlichen Beschreibung auf, wie sie solche Veränderungen haben zustande bringen können. Dadurch werden nicht nur die Veränderungen bestärkt und konsolidiert, sondern auch deutliche Impulse an die Klienten gegeben, »das Begonnene fortzusetzen«. Wenn »die Situation unverändert geblieben ist«, kann der Therapeut den Klienten ebenfalls Komplimente und Anerkennung geben: entweder dafür, dass sie ihre vorgenommenen Veränderungen beibehalten haben, oder aber dafür, dass sie eine Verschlimmerung der Situation verhindert haben. Er könnte z. B. fragen: »Wie haben Sie es geschafft, dass die Situation nicht noch schlechter wurde?« Diese Frage motiviert den Klienten interessanterweise häufig zu einer Beschreibung von Veränderungen, die er herbeigeführt hat, und auch in solchen Fällen kann der Therapeut den Klienten gegenüber Komplimente und Anerkennung ausdrücken und sie darin unterstützen und ermutigen, weitere Veränderungen vorzunehmen.
THERAPEUT: Frau K., letzte Woche haben Sie sich auf der Skala für gute Kommunikation bei der 4 eingestuft. Darf ich fragen, wo Sie sich diese Woche einordnen?
EHEFRAU: [Pause] Ich würde sagen, bei der 5.
THERAPEUT: Eine 5! Klasse! Tatsächlich, in nur einer Woche.
EHEFRAU: Ja, ich glaube, unsere Verständigung hat in der vergangenen Woche besser geklappt.
THERAPEUT: Inwiefern war Ihre Verständigung in der vergangenen Woche besser?
EHEFRAU: Also, ich glaube, es liegt an Richard. Es kam mir so vor, als ob er mir in der vergangenen Woche besser zugehört hätte.
THERAPEUT: Das ist ja prima. Können Sie mir ein Beispiel nennen, wann er ihnen besser zugehört hat?
EHEFRAU: Na ja, gestern zum Beispiel. Meistens ruft er mich einmal am Tag im Geschäft an, und …
THERAPEUT: Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, aber haben Sie gesagt, dass er Sie einmal am Tag anruft? Im Geschäft?
EHEFRAU: Ja.
THERAPEUT: Ich bin nur etwas überrascht, denn nicht alle Männer rufen ihre Frauen jeden Tag an.
EHEFRAU: Das hat er schon immer so gemacht.
THERAPEUT: Finden Sie das gut? Ist das etwas, von dem Sie sagen würden, er soll es nicht ändern?
EHEFRAU: Ja, natürlich.
THERAPEUT: Entschuldigung, fahren Sie bitte fort. Sie haben mir gerade von gestern erzählt, als er Sie anrief.
EHEFRAU: Nun ja, meistens ist es ein kurzer Anruf. Aber ich habe ihm gegenüber ein paar Probleme erwähnt, die ich gerade hatte, und er hat mir ganz lange zugehört, er schien sich Gedanken zu machen und gab mir ein paar gute Tipps. Das war schön.
THERAPEUT: Das war also ein Beispiel dafür, wie Sie es gerne hätten, wo Sie über etwas reden können, ein Problem, und er zuhört und gute Tipps gibt? Unterstützung?
EHEFRAU: Ja.
THERAPEUT: Herr K., wussten Sie, dass Ihre Frau es gern hat, wenn Sie sie anrufen und ihr zuhören? Dass es das war, was Sie beide in den Augen Ihrer Frau auf der Skala nach oben gebracht hat?
EHEMANN: Ja, ich denke schon. Ich habe mich diese Woche echt angestrengt.
THERAPEUT: Das ist ja prima. Was haben Sie sonst noch unternommen, damit die Verständigung in dieser Woche besser geklappt hat?
Dieses Beispiel zeigt, wie das Gespräch mit dem Paar über die Skalierung seiner Situation zu einem Instrument wird, mit dem der Fortschritt der Klienten festgestellt werden kann. Der Therapeut bzw. die Therapeutin sammelt immer mehr Informationen über die kleinen Veränderungen, die die Klienten aus eigener Kraft erreicht haben und auf der Skala höher bewerten. Der lösungsfokussiert arbeitende Therapeut würde dem Paar an dieser Stelle selbstverständlich vorschlagen, seine erfolgreichen Handlungen fortzusetzen, was in diesem Fall heißt: dass der Mann seine Frau weiterhin anruft und er ihr weiterhin aktiv zuhört, was sie als so hilfreich empfunden hat (weitere Details über »Skalierungsfragen« siehe nachfolgende Kapitel).
Lösungen und Ausnahmen konstruieren. Der nach dem SFBT-Konzept arbeitende Therapeut ist die meiste Zeit der Sitzung damit beschäftigt, darauf zu achten, ob es Indizien für frühere Lösungen, für Ausnahmen und Ziele gibt. Wenn solche Hinweise auftauchen, interpunktiert er sie durch bejahende und unterstützende Äußerungen. Danach bemüht er sich, dem Gespräch über Lösungen den Vorrang zu geben. Das verlangt natürlich eine ziemliche Bandbreite anderer Fertigkeiten als die, wie sie in herkömmlichen problemorientierten Therapien eingesetzt werden. Während der problemorientiert arbeitende Therapeut darum bemüht ist, keine Hinweise darauf zu übersehen, wodurch das Problem entstanden ist oder erhalten wird, bemüht sich der lösungsfokussiert arbeitende Therapeut darum, keine Hinweise auf Fortschritte und Lösungen zu übersehen.
MUTTER: Sie lässt mich einfach immer links liegen, tut, als ob ich nicht da wäre, kommt aus der Schule nach Hause und rennt direkt in ihr Zimmer; wer weiß, was sie dort macht.
TOCHTER: Du sagst, dass wir uns die ganze Zeit über streiten, also gehe ich eben in mein Zimmer, damit wir nicht streiten.
MUTTER: Sehen Sie? Sie gibt sogar zu, dass sie versucht, mir aus dem Weg zu gehen. Ich weiß nicht, wieso sie nicht einfach nach Hause kommen und mir ein bisschen von der Schule oder sonst etwas erzählen kann, wie sie das früher gemacht hat.
THERAPEUTIN: Eine Sekunde, wann war »früher«? Anita, wann war das, als du immer nach Hause kamst und deiner Mutter von der Schule erzählt hast?
TOCHTER: Ich habe das sehr oft getan; im letzten Schulhalbjahr war das.
THERAPEUTIN: Kannst du mir ein Beispiel nennen, wann du das zum letzten Mal gemacht hast?
MUTTER: Das kann ich Ihnen sagen – es war letzte Woche. Sie war total aufgeregt, weil ihr naturwissenschaftliches Projekt ausgewählt worden ist.
THERAPEUTIN: Können Sie mir sagen, welcher Tag das war, als …?
MUTTER: Ich glaube, letzten Mittwoch.
THERAPEUTIN: Und sie kam nach Hause …
MUTTER: Sie kam ganz begeistert nach Hause.
THERAPEUTIN: Was haben Sie da gerade gemacht?
MUTTER: Ich glaube, das Übliche, ich habe das Abendessen gerichtet. Und sie kam total aufgeregt ins Zimmer, und ich fragte sie, was los sei, und sie erzählte mir, dass ihr naturwissenschaftliches Projekt für die Ausstellung in der Schule ausgewählt worden sei.
THERAPEUTIN: Toll, das ist ja eine richtige Ehre.
MUTTER: Das ist es.
THERAPEUTIN: Und was geschah dann?
MUTTER: Na ja, wir haben darüber gesprochen, und sie hat mir alles erzählt.
THERAPEUTIN: Anita, erinnerst du dich daran?
TOCHTER: Ja, klar, es war ja erst letzte Woche. Ich war ganz glücklich.
THERAPEUTIN: Und meinst du, dass es ein nettes Gespräch war, ein nettes Gespräch zwischen euch beiden?
TOCHTER: Sicher. Das ist doch das, was ich meine; ich gehe nicht immer in mein Zimmer.
THERAPEUTIN: War zu dem Zeitpunkt, also letzte Woche, vielleicht etwas anders, das es leichter machte, miteinander zu reden?
MUTTER: Eben, dass sie aufgeregt war.
TOCHTER: Meine Mutter hat einfach nur zugehört, hat sonst gar nichts gemacht.
THERAPEUTIN: Oh, das ist ja ein tolles Beispiel, danke sehr! Jetzt stelle ich mal folgende Frage: Wenn es häufiger genau so wäre, dass Anita mit Ihnen über Dinge reden würde, die für sie interessant und wichtig sind, und dass Sie, die Mutter, ihr ganz und gar zuhören würden, ohne nebenher andere Dinge zu erledigen – ist es das, wie Sie sich beide eine bessere Verständigung vorstellen würden?
TOCHTER: Ja, genau.
MUTTER: Ja.
In diesem Beispiel macht die Therapeutin Folgendes. Erstens horcht sie aufmerksam auf Signale, die auf eine Ausnahme des Problems hindeuten, d. h. auf eine Zeit hinweisen, in der das Problem hätte auftauchen können, aber nicht aufgetaucht ist. Zweitens interpunktiert sie die Ausnahme, indem sie diese noch einmal formuliert, betont, weitere Details darüber erfragt und Mutter und Tochter dafür Komplimente macht. Drittens verbindet sie die Ausnahme mit dem Ziel der Klientinnen (bzw. mit der Situation am Tag nach dem Wunder), indem sie fragt, ob das Ziel der beiden erreicht wäre, wenn diese Ausnahme öfter stattfinden würde.
Bewältigungsfragen. Wenn Klienten berichten, dass ihre Situation nicht besser geworden sei, kann der Therapeut u. U. Bewältigungsfragen stellen, z. B. die: »Wie haben Sie es geschafft zu verhindern, dass die Situation schlimmer wird?« oder »Das mag schlimm klingen, aber wie haben Sie es geschafft, damit – in dem Maß, wie Sie es tun – fertig zu werden?«.
Gibt es etwas, das ich vergessen habe zu fragen? Bevor man eine Sitzungspause macht – oder manchmal auch während des Therapiegesprächs –, kann der Therapeut den Klienten fragen: »Gibt es etwas, das ich vergessen habe zu fragen?« oder »Gibt es noch etwas, das ich wissen müsste?«.
Eine Sitzungspause einlegen und anschließend wieder zusammenkommen. In vielen familientherapeutischen Modellen wird empfohlen, dass der Therapeut gegen Ende der Sitzung eine Pause einlegt. In dieser Pause findet dann meistens ein Gespräch zwischen dem Therapeuten und einem Team von Kollegen oder Supervisoren statt, das die Sitzung beobachtet hat, dem Therapeuten Rückmeldung gibt und ihm Vorschläge macht. In der SFBT wird dem Therapeuten ebenfalls empfohlen, gegen Ende der Sitzung eine Pause einzulegen. Wenn Kollegen oder Supervisoren das Therapiegespräch beobachtet haben, geben sie dem Therapeuten ein Feedback, eine Reihe von Komplimenten für seine Klienten und Anregungen für Interventionen, die auf den Stärken der Klienten, ihren früheren Lösungen oder auf Ausnahmen des Problems beruhen. Wenn kein Beobachterteam zur Verfügung steht, macht der Therapeut dennoch eine Pause, in der er seine Gedanken ordnet, sich Komplimente für die Klienten ausdenkt und Ideen für potenzielle Experimente entwickelt. Danach kehrt er in die Sitzung zurück und kann als Auftakt Komplimente und anerkennende Worte an die Klienten richten – wie es die Therapeutin im folgenden Beispiel tut.
THERAPEUTIN: Ich wollte Ihnen einfach sagen, dass die Teamkollegen diese Woche wirklich von Ihnen beiden beeindruckt waren. Ich soll Ihnen ausrichten, dass sie von Ihnen, der Mutter, den Eindruck haben, dass Sie sich wirklich sehr um Ihre Tochter kümmern. Mutter zu sein ist echt schwer, und Sie wirken so engagiert, und es wird deutlich, wie sehr Sie Ihre Tochter lieben und wie gerne Sie ihr helfen möchten. Es hat den Kollegen sehr imponiert, dass Sie heute zur Sitzung gekommen sind, obwohl Sie arbeiten müssen und ein krankes Kind zu Hause haben. – Anita, die Kollegen möchten auch dir ein Kompliment machen für dein Engagement, das Familienleben angenehmer zu machen. Von ihnen soll ich dir sagen, für wie klug und wortgewandt sie dich halten und was du für eine gute »Naturwissenschaftlerin« bist! Ja, dass du dir anscheinend echt bewusst bist, was kleine, unbedeutende Dinge, die in deiner Familie geschehen, doch alles verändern können … Das ist es, was Naturwissenschaftler tun; sie beobachten Dinge, die Dinge zu verändern scheinen, gleichgültig, wie klein sie auch sind. Wie dem auch sei, die Teamkollegen waren von Ihnen beiden sehr angetan!
TOCHTER: [Wirkt erfreut] Klasse, danke!
Experimente und Hausaufgaben. In vielen psychotherapeutischen Modellen ist vorgesehen, dass die Klienten zwischen den einzelnen Sitzungen – meistens vom Therapeuten vorgegebene – Hausaufgaben durchführen, damit die im Therapieraum eingeleiteten Veränderungen konsolidiert werden. In der SFBT schlägt der Therapeut den Klienten am Ende der Sitzung häufig ein mögliches Experiment vor, das sie bis zum nächsten Therapiegespräch ausprobieren können – wenn sie möchten. Solche Experimente basieren auf etwas, was der Klient bereits praktiziert (d. h. auf Ausnahmen des Problems), denkt, fühlt usw. und was ihn seinem Ziel näher bringt. Manchmal denkt sich der Klient auch selbst eine Hausaufgabe aus. Beide Vorgehensweisen folgen dem Grundsatz, dass es immer besser ist, wenn die Ideen vom Klienten ausgehen, als wenn der Therapeut Vorschläge machen muss. Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens ist der Klient mit dem, was er – direkt oder indirekt – vorschlägt, persönlich vertraut. Der Grund, weshalb Klienten, die nach anderen Therapiemodellen behandelt werden, ihre Hausaufgabe nicht machen, besteht im Wesentlichen darin, dass sie dem Klienten fremd ist und zu ihrer Durchführung folglich mehr Überlegung und Anstrengung notwendig sind (was im Allgemeinen als »Widerstand« bezeichnet wird). Zweitens geben Klienten sich selbst meistens solche Hausaufgaben, die sich entweder auf bereits erfolgreich durchgeführte Handlungen beziehen (auf eine frühere Lösung) oder auf Dinge, die der Klient auch wirklich umsetzen will. In beiden Fällen verbindet der Klient die Hausaufgabe enger mit seinen Zielen und Lösungen. Drittens ist die natürliche Neigung des Klienten, gegen von außen kommende Interventionen – auch wenn dahinter noch so gute Absichten stehen – »Widerstand« zu leisten, schwächer ausgeprägt, wenn er seine Hausaufgabe selbst entwerfen kann. In der SFBT fokussiert man nicht auf den Widerstand des Klienten. Man sieht dieses Phänomen vielmehr als einen natürlichen, schützenden Prozess, den Menschen sich zunutze machen, damit sie sich langsam und vorsichtig der Veränderung nähern können – und nicht als Zeichen einer Psychopathologie. Wenn der Klient den Anstoß für eine Hausaufgabe selbst gibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sie erfolgreich durchführt, mit Sicherheit höher.
THERAPEUTIN: Bevor wir die heutige Sitzung beenden, möchte ich Sie beide noch bitten, dass Sie sich über eine Hausaufgabe Gedanken machen. Wenn Sie sich für die kommende Woche eine Hausaufgabe geben müssten, wie würde die aussehen?
TOCHTER: Vielleicht so, dass wir mehr miteinander reden?
THERAPEUTIN: Kannst du mir das genauer erläutern?
TOCHTER: Also, dass ich versuche, mehr mit ihr zu reden, wenn ich von der Schule nach Hause komme. Und dass sie dann mit dem, was sie gerade macht, aufhört und mir zuhört.