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Bei allen Erfolgen der plebejischen Mehrheit lag das machtpolitische Zentrum der römischen Republik aber im Senat. Dieser war ursprünglich eine Versammlung der patrizischen Sippenoberhäupter. Später wurden auch verdiente Plebejer in den Senat aufgenommen (Rn. 46). Die Anrede dort lautete „patres conscripti“, zu übersetzen wohl als „Väter und Eingeschriebene“, also Patrizier und durch Zensur (Rn. 81) Zugelassene. Aus den Patriziern und diesen wenigen Familien privilegierter Plebejer bildete sich der neue Adel der Republik, die nobilitas. Die Oberbeamten, die sogenannten Magistrate (Rn. 78 ff) wurden zwar vom Volk in den Komitien gewählt, sie waren aufgrund ihrer gesellschaftlichen Herkunft und ihren politischen Verbindungen aber Vertreter der Senatsaristokratie. Ursache dafür waren Vorabsprachen und eine Wahlordnung, bei der nicht jede Stimme gleich zählte.
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Dieses System der später sog. Republik (von res publica = die öffentliche, gemeinsame Sache) beruhte maßgeblich auf der ursprünglichen Bauerngemeinde der patres und den kriegstechnisch bedingten Weiterentwicklungen. Es ist kein Zufall, dass die militärische Organisation des Volkes und seine Versammlungen mit der Organisation des Staates zusammen fielen. Während der Zeit der Republik führte Rom viele Kriege und entwickelte sich vom kleinen Stadtstaat zur Großmacht am Mittelmeer.
Mit den drei Säulen Senat (Rn. 46, 87), Magistrate (Rn. 78 ff.) und Volksversammlungen (Rn. 41, 43, 45) funktionierte die Republik ohne geschriebene Verfassung und ist als aristokratisch mit gewissen demokratischen Elementen zu charakterisieren. Das Säulensystem gewährleistete mit jeweils nur kleinen Justierungen über lange Zeit die Machtverhältnisse, die auch in der selbstgewählten Bezeichnung des Staates zum Ausdruck kamen: S.P.Q.R. = Senatus Populusque Romanus (Senat und Volk von Rom).
II. Rechtsbildung und Juristen
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Die Anfänge des römischen Rechts verlieren sich im Dunkel der Vorgeschichte. Berühmt wurde dieses Recht später vor allem wegen der Leistungen seiner klassischen Juristen (Rn. 160 ff) und es hatte enormen Einfluss bis heute (Rn. 379 ff, 480 ff, 656 ff, 734). Es ist aber auch interessant, die Vorfahren dieser Juristen etwas näher zu betrachten.
Wesentliche Voraussetzung für den römischen Stadtstaat war die Trockenlegung des späteren Stadtgebietes und bereits hier begegnet man den pontifices. Priester[10] waren die „Intellektuellen“ der damaligen Zeit, also weitgehend freigestellt von Ackerbau und Viehzucht und stattdessen für andere Dinge zuständig.
Der Name (pontifex) kommt von pons facere (Weg bereiten, anlegen). Pons bedeutete ursprünglich nicht (große) Brücke, sondern Knüppelpfad oder Dammweg. Vermutlich stammen die pontifices schon aus der Zeit der Wanderschaft der Latiner und waren also zunächst Ingenieure und Fachleute für den Verkehr, auch mit den höheren Mächten und Göttern. Sie führten den Kalender, was insbesondere für die religiöse Unbedenklichkeit von Staatsakten, aber auch von anderen Rechtshandlungen wichtig war. Ihr Kollegium übernahm auch die Auslegung der XII Tafeln (Rn. 51).
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Es war eine für rechtlich frühe Gesellschaften typische Nähe von Recht und Religion,[11] die sich bei diesem Amt zeigt. Aber sicherlich ist es auch eine Frage politischer Macht gewesen. Noch Julius Caesar (Rn. 101) war 73-63 v. Chr. oberster Priester des Kollegiums, also pontifex maximus – diese Bezeichnung trägt der Papst bis heute –, ebenso wie alle Kaiser bis Gratian (382 n. Chr., d.h. noch ca. 50 Jahre, nachdem das Christentum bereits Staatsreligion war). Lange konnten nur Patrizier in das Amt kommen. Tiberius Coruncanus wurde 254 v. Chr. der erste plebejische pontifex maximus.
In diesem Zusammenhang erwähnenswert ist auch die älteste Bedeutung von lex (Regel, Gesetz), nämlich als religiöser Ritus. Der älteste Rechtsgang löste die Selbsthilfe des Einzelnen bzw. seiner Familie gegen erlittenes Unrecht ab. Eingesetzt wurde das älteste Gerichtsverfahren durch eine legis actio (Rn. 56), also ein dem Ritus oder Gesetz (lex) entsprechendes Vorgehen (actio = Handlung, Klage).
Die pontifices bewahrten die im alten ius civile vor Gericht notwendigen Spruchformeln der Legisaktionen als Geheimwissen, mindestens bis zum Ende des 4. Jh. v. Chr. (Rn. 45, 111). Sie stellten ihr Wissen auf Anfrage zur Verfügung. Daraus entwickelte sich die sog. Kautelarjurisprudenz (von cavere = sich vorsehen, cautio = hieb- und stichfestes Rechtsgeschäft), dass also Private für Verträge und Testamente von Juristen beraten werden. Der Gegensatz dazu ist die judizielle Jurisprudenz, deren Gegenstand ein abgeschlossener Fall ist, über den entschieden wird. Die pontifices leisteten auch den Rechtsprechungsmagistraten Unterstützung. Dass eine solche Hilfe notwendig war, erschließt sich, wenn man weiß, dass die für die Zivilrechtspflege verantwortlichen Prätoren (ebenso wie andere Magistrate) in erster Linie Politiker waren, die nur für ein Jahr gewählt wurden (Rn. 78 ff).
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Das älteste Gesetz und zugleich der erste sichere Punkt in der römischen Rechtsgeschichte sind die XII Tafeln, die um das Jahr 450 v. Chr. entstanden.[12] Sie sind vermutlich ein erstes Ergebnis des Ständekampfes zwischen Patriziern und Plebejern (Rn. 46) und dienten der Rechtssicherheit durch Offen- und Festlegung von Rechtssätzen. Man setzte eine (patrizische) 10-Männer-Kommission (decemviri legibus scribundis = Dezemvirn) ein, die nach der Legende als Delegation nach Athen reisten, um sich am dortigen Recht (Gesetze des Solon) zu orientieren. Zu dieser Zeit war die Kultur Athens allgemein wesentlich weiter entwickelt, als die Roms. Dennoch ist der genaue griechische Einfluss auf das römische Recht bis heute unklar und wird es wohl bleiben. Möglicherweise diente die Legende vorrangig dazu, dem Gesetz zu mehr Ansehen zu verhelfen. Vermutlich gab es diesen Einfluss schon vorher (etwa über die Etrusker) und auch später noch (vgl. Rn. 74, 110 ff).
Es waren zunächst zehn hölzerne Gesetzestafeln und später kamen noch zwei hinzu, was man auch am Inhalt der Gesetze erkennen kann:
I-III | Prozess und Vollstreckung |
IV-V | Personen (Familien- und Erbrecht) |
VI-VII | Vertrag, Ersitzung, Nachbarrecht |
VIII-IX | Delikts- und Strafrecht sowie Strafverfahren |
X | Begräbnisvorschriften u. a. Ordnungsvorschriften |
XI-XII | Nachträge |
Diese Tafeln sind jedoch schon im 4. Jh. verloren gegangen, vermutlich bei dem Gallierbrand (387 v. Chr.). Deshalb sind nur Bruchstücke überliefert, als Zitate oder Inhaltsangaben, aus denen man das Original zu rekonstruieren versucht hat. Verständnisschwierigkeiten bereiten die altertümliche Sprache und die sehr knappen Formulierungen.
Am umfangreichsten geregelt war das Verfahrens- und Vollstreckungsrecht (Rn. 53). Zivil- und Strafrecht waren noch eng miteinander vermischt (Rn. 69). Kaum geregelt war hingegen das, was wir heute als öffentliches Recht ansehen. Die Tafeln enthielten das für den einzelnen Bürger maßgebliche Recht (ius civile) und wurden offiziell niemals aufgehoben. Noch viele Jahrhunderte später lernten Schulkinder das Gesetz auswendig und nahmen römische Juristen darauf Bezug (Rn. 112).
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Grundsätzlich funktionierte die Gesetzgebung in Rom anders als heute in modernen kontinentaleuropäischen Staaten. Unsere heutigen, systematischen Gesetzbücher sind das Resultat der Kodifikationsbewegung (Rn. 726 ff).
Nach den XII Tafeln gab es in Rom auch keine großen Kodifikationen mehr, sondern nur noch Gesetze zu Einzelfragen. Leges wurden zunächst in den Volksversammlungen erlassen (Rn. 91, 108, 150 f). Daneben hatten aber auch zunehmend die Beschlüsse des Senates (senatus consulta) Gesetzeskraft (Rn. 87, 152).
III. Prozessrecht
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Das römische Recht ist ohne das Prozessrecht noch viel weniger zu verstehen, als modernes Recht. Heutige Rechtsordnungen trennen schon äußerlich und haben verschiedene Gesetzbücher (insbesondere BGB und ZPO). Die Römer hatten keine solchen Kodifikationen. Sie dachten aktionenrechtlich (actio = Klage), d.h. vom Prozess bzw. der jeweiligen Klage ausgehend (Rn. 173) und trennten nicht scharf zwischen Privat- und Prozessrecht.
Zunächst ein Blick in die rekonstruierten XII Tafeln (Rn. 51).[13] Das Prozessrecht stand an der Spitze (Tafel I-III). Die erste Tafel gibt einen groben Überblick über den Ablauf eines Prozesses:
Tafel (tabula) I:
(1) Si in ius vocat, ito. Ni it, antestamino. Igitur em capito.
(2) Si calvitur pedemve struit, manum endo iacito.
(3) Si morbus aevitasve vitium escit, iumentum dato. Si nolet, arceram ne sternito.
(6) Rem ubi pacunt, orato.
(7) Ni pacunt, in comitio aut in foro ante meridiem caussam coiciunto. Com peroranto ambo praesentes.
(8) Post meridiem praesenti litem addicito.
(9) Si ambo praesentes, solis occasus suprema tempestas esto.
Übersetzung:
(1) Wenn er [gemeint: der Kläger] vor Gericht ruft, muss er [gemeint: der Beklagte] gehen. Wenn er nicht geht, sollen sie Zeugen aufrufen. Danach soll er ihn ergreifen [der Kläger den Beklagten].
(2) Wenn er [Bekl.] Ausflüchte macht oder sich sträubt [fliehen will?], soll er [Kl.] Hand an ihn legen [d.h. den Beklagten in die Gewalt nehmen].
(3) Wenn er [Bekl.] an Krankheit oder Alter leidet, soll er [Kl.] ihm ein Reit- oder Zugtier [Fuhrwerk?] stellen. Wenn er nicht will, muss er einen Wagen nicht rüsten [mit Streu oder Decken versehen].
(6) Wenn sie sich gütlich einigen, soll er [der Prätor] dazu sprechen.
(7) Wenn sie sich nicht gütlich einigen, sollen sie die Sache in der Volksversammlung oder auf dem Markt verhandeln. Wenn sie vortragen, sollen beide anwesend sein.
(8) Nach dem Mittag soll er [der Prätor] dem Anwesenden den Streit zusprechen.
(9) Sind beide anwesend, soll der Sonnenuntergang der letzte Zeitpunkt [für die Verhandlung] sein.
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In eckigen Klammern in die Übersetzung eingefügt sind schon Ansätze von Auslegung. Weitere Erklärungen: Ius bedeutet nicht nur „das Recht“ (Rn. 18), sondern meint hier den Gerichtsplatz. Die Ladung dorthin war – anders als heute – Sache des Klägers. Wollte er sein Recht einklagen, musste er erst einmal dafür sorgen, dass der künftige Beklagte auch vor Gericht kam (XII tab. 1, 1-3).
Bemerkenswert ist an dieser Stelle die gütliche Einigung (pacere von pax = Frieden; pactum = Vereinbarung, Rn. 69), die der Prätor (Rn. 55, 80) vermutlich nur bekräftigte (XII tab. 1, 6). Eine friedliche, vernünftige Einigung ist für den dauerhaften Frieden zwischen ehemals Streitenden wertvoller als ein Urteil. Niemand fühlt sich unterlegen, was besonders wichtig ist, wenn man weiterhin zusammen leben muss bzw. will. Nur wenn sich Kläger und Beklagter nicht einigen konnten, begann eine gerichtliche Verhandlung (XII tab. 1, 7). Wenn zu dieser dann (trotz gegenseitigem Versprechen zu erscheinen), bis zum Mittag nur eine Partei erschienen war, so gewann diese den Prozess (XII tab. 1, 8) – ein heute sog. Versäumnisurteil. Und bis zum Sonnenuntergang musste der Prozess beendet sein (XII tab. 1, 9).
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Vermutlich von alters her galt eine Zweiteilung des Verfahrens. Im ersten Teil (in iure), d.h. vor dem Prätor als zuständigem Beamten (Rn. 80) sagten die Parteien die Prozessformeln (Rn. 56) auf. Zur eigentlichen Streitentscheidung, dem zweiten Teil (apud iudicem), verwies der Prätor das Verfahren an den Richter (iudex). Möglich war auch die Einsetzung eines Schlichters (arbiter) oder mehrerer Schiedrichter (recuperatores).
Die Gründe für diese auch in anderen alten Rechten zu findende Zweiteilung sind ungewiss.[14] Vorrangig ging es wohl um die Entlastung des Prätors. Eine Demokratisierung des Verfahrens liegt eher fern, da der Iudex wie der Prätor jedenfalls ursprünglich dem Adel angehörte. Beachtlich ist jedenfalls, dass am Anfang des Gesetzes nicht materielles Recht, sondern Prozessrecht steht. Der Vorrang des Verfahrens ist auch modernen Verhältnissen geläufig: Legitimation durch Verfahren meint, dass ein korrekt durchgeführtes Verfahren als Gewähr gilt für inhaltlich gute Entscheidungen.[15]
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Die vor dem Prätor aufzusagenden Prozessformeln, die legis actiones (zur Etymologie Rn. 50), waren feierliche, bis aufs einzelne Wort vorgesehene Sprüche, teilweise auch mit dazu gehörenden, rituellen Handlungen. Dadurch wurde die Klage erhoben und auch die Reaktionsmöglichkeiten des Beklagten waren festgelegt. Die ältesten dieser Klagen sind die legis actio sacramento in rem (zur Sachverfolgung) und die legis actio sacramento in personam (persönliche Klage, vor allem für Geldforderungen). Jünger und moderner waren die legis actio per iudicis postulationem (durch Anforderung eines Richters) und die legis actio per condictionem (durch Ankündigung). Die erste diente u. a. Klagen aus Stipulationen (Rn. 72), die zweite war ein Vorläufer dessen, was wir heute ungerechtfertigte Bereicherung nennen (§§ 812 ff BGB) – aus dieser Zeit stammt der noch heute verwendete Ausdruck Kondiktion. Außerdem gab es eine legis actio per manus iniectionem zur Vollstreckung (Rn. 60).
Über diese Legisaktionen wissen wir am meisten aus dem Anfängerlehrbuch des Gaius (Rn. 168), genauer aus Gai. Inst. 4, 11 ff. Dass der Prozess mündlich stattfand, hängt damit zusammen, dass zu dieser Zeit die wenigsten lesen und schreiben konnten. Dennoch war das Aufsagen der Formeln mit Gefahren verbunden, denn wer sich im Geringsten irrte, hatte den Prozess schon verloren (Formalismus).
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Als Beispiel soll hier die legis actio sacramento in rem erläutert werden. Sie wurde benutzt für Klagen aus dem Eigentum. Die Überlieferung in Gaius Inst. 4, 16 lautet:
Si in rem agebatur, mobilia quidem et moventia, quae modo in ius afferri adducive possent, in iure vindicabantur ad hunc modum: qui vindicabat, festucam tenebat; deinde ipsam rem apprehendebat, velut hominem, et ita dicebat: HUNC EGO HOMINEM EX IURE QUIRITIUM MEUM ESSE AIO SECUNDUM SUAM CAUSAM; SICUT DIXI, ECCE TIBI VINDICTAM IMPOSUI, et simul homini festucam imponebat. adversarius eadem similiter dicebat et faciebat. cum uterque vindicasset, praetor dicebat: MITTITE AMBO HOMINEM. illi mittebant. qui prior vindicaverat, sic dicebat: POSTULO, ANNE DICAS, QUA EX CAUSA VINDICAVERIS? ille respondebat: IUS FECI, SICUT VINDICTAM IMPOSUI. deinde qui prior vindicaverat, dicebat: QUANDO TU INIURIA VINDICAVISTI, D AERIS SACRAMENTO TE PROVOCO; adversarius quoque dicebat similiter: ET EGO TE; aut si res infra mille asses erat scilicet L asses sacramentum nominabant. deinde eadem sequebantur, quae cum in personam ageretur. postea praetor secundum alterum eorum vindicias dicebat, id est interim aliquem possessorem constituebat, eumque iubebat praedes adversario dare litis et vindiciarum, id est rei et fructuum; alios autem praedes ipse praetor ab utroque accipiebat sacramenti causa, quod id in publicum cedebat.
Übersetzung:
Wenn dinglich (in rem) geklagt wurde, auf bewegliche Sachen, die vor Gericht getragen oder geführt werden konnten, wurde [vor dem Prätor] auf diese Weise vindiziert: wer vindizierte, hielt eine Lanze (festuca); darauf ergriff er die Sache, etwa den Sklaven und sprach so: „Dass dieser Sklave nach dem Recht der Quiriten mir gehört, behaupte ich, gemäß seiner rechtlichen Lage habe ich, so wie ich es gesagt habe, siehe hier vor deinen Augen, den Stab angelegt.“ Und gleichzeitig legte er dem Sklaven die Lanze auf. Der Gegner sprach und handelte ähnlich. Nachdem beide vindiziert hatten, sprach der Prätor: „Lasst beide den Sklaven los.“ Jene ließen los. Wer zuerst vindiziert hatte, sprach so: „Ich fordere dich auf zu sagen, aus welchem Grunde du vindizierst?“ Jener antwortete: „Ich tue recht, wie ich die Lanze auflege.“ Darauf sprach, wer zuerst vindiziert hatte: „Da du zu Unrecht vindizierst, fordere ich dich auf zu einem Eid (sacramentum) über 500.“ Der Gegner sprach ähnlich: „Und ich dich“. Oder, wenn die Sache unter 1000 Asse [Kupferpfunde] wert war, nannten sie 50 Asse als Eid. Darauf folgte das, wie wenn persönlich geklagt wurde. Dann erteilte der Prätor einem von ihnen die Vindizien, d.h. er setzte einen zwischenzeitlich als Besitzer ein, und gebot, dem Gegner Bürgen zu stellen für den Streit und die Vindizien, d.h. für die Sache und die Früchte. Andere Bürgen aber nahm der Prätor selbst von beiden an wegen der Eidessumme (sacramentum), die an die öffentliche Kasse ging.
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Eingangs ist nur von beweglichen Sachen die Rede. Wurde um ein Grundstück geklagt, so trug man symbolisch eine Erdscholle an den Gerichtsort und berührte sie mit der Lanze. Vieles spricht dafür, dass Prozesse um bewegliche Sachen und damit auch das private Eigentum an ihnen älter ist als das (individuelle) Grundeigentum.[16] Dafür spricht auch die sog. Allmende, die es bis heute noch vereinzelt gibt.
Kläger und Beklagter behaupteten und beschworen beide, sie seien Eigentümer und setzten eine sog. Wettsumme (sacramentum) auf ihren Eid. Diese Wette bzw. der Schwur war wesentlich, auch im Namen der Klage erwähnt und zumindest ursprünglich von religiöser Bedeutung. Der Einsatz des Verlierers ging an die Staatskasse; es handelt sich somit um eine Vorform des prozessualen Kostenrisikos.
Das Auflegen der Lanze (festuca, vindicta) wurde früher oft als Scheinkampf gedeutet, also im Sinne von symbolisierter Selbsthilfe. Wahrscheinlicher ist es aber, dass damit die Herrschaftsgewalt angedeutet werden sollte. Denkbar ist auch die Erklärung als symbolische Verletzungshandlung, zu der ebenfalls nur der Herr (Eigentümer) befugt war. Jedenfalls handelt entweder der Kläger oder der Beklagte unberechtigt und der nachfolgende Prozess soll zeigen, wer von beiden es war. Die Formel, die der Kläger aufsagen musste, war übrigens diejenige, die auch bei der Übereignung wirtschaftlich wichtiger Sachen (Rn. 68) vom Erwerber aufgesagt werden musste, nur dass dort der andere schwieg.
Die Klage in klassischer Zeit auf Herausgabe einer Sache wurde nach dem alten Ritual rei vindicatio genannt und so bezeichnet man bis heute § 985 BGB, obwohl es nicht mehr um eine Klage, sondern um einen Anspruch geht.
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Zum Vollstreckungsverfahren bestimmten die XII Tafeln:
Tafel (tabula) III:
(1) Aeris confessi rebusque iure iudicatis XXX iusti dies sunto.
(2) Post deinde manus iniectio esto. In ius ducito.
(3) Ni iudicatum facit aut quis endo eo in iure vindicit, secum ducito, vincito aut nervo aut compedibus XV pondo, ne maiore, aut si volet minore[17] vincito.
(4) Si volet suo vivito. Ni suo vivit, qui eum vinctum habebit, libras farris endo dies dato. Si volet, plus dato.
(6) Tertiis nundinis partis secanto. Si plus minusve secuerunt, se (= ne) fraude esto.
Übersetzung:
(1) Bei anerkannter Geldschuld und rechtskräftig entschiedenen Sachen sollen 30 Tage [Frist] sein.
(2) Darauf soll die Handanlegung stattfinden. Er [Kläger] soll [den Schuldner] vor Gericht führen.
(3) Wenn er [Schuldner] das Urteil nicht erfüllt oder wenn niemand für ihn als Bürge eintritt, soll er [Kläger] ihn mit sich führen, gefesselt mit einem Strick oder mit Gewichten von 15 Pfund oder, wenn er will, weniger gefesselt.
(4) Wenn er [der Schuldner] will, kann er auf eigene Kosten leben. Wenn er nicht auf eigene Kosten lebt, muss ihm, wer ihn gefesselt hält, ein Pfund Spelt an jedem Tag geben. Wenn er will, kann er ihm mehr geben.
(6) Am dritten Markttag sollen sie [die Gläubiger] in Teile schneiden. Wenn sie mehr oder weniger abschneiden, soll es kein Unrecht sein.
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Für die Vollstreckung bedurfte es schon damals grundsätzlich eines vorherigen Erkenntnisverfahrens (i. S. d. XII tab. 1, 1-9, Rn. 53). Leistete der Schuldner auf das Urteil hin innerhalb von 30 Tagen nicht freiwillig, wurde die Vollstreckung eingeleitet durch eine weitere legis actio (Rn. 56), die l.a. per manus iniectionem. Dadurch erhielt der Gläubiger den Schuldner in seine Gewalt (Personalexekution). Es wurde also nicht wie heute in das Vermögen vollstreckt, sondern man haftete für seine Schulden im wahrsten Sinne des Wortes persönlich. Heute hingegen bedeutet persönliche Haftung „nur“, dass man im vollen Umfang seines Privatvermögens haftet (Gegensatz: beschränkte Haftung, insb. dinglich, d.h. auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt).
Der Schuldner blieb 60 Tage in Haft, als Zwangsmittel und letzter Aufschub vor der endgültigen Vollstreckung. Innerhalb dieser Zeit musste er an drei Markttagen dem Prätor vorgeführt und konnte durch Zahlung oder Eintreten eines vindex (Bürgen) ausgelöst werden. Die Veranstaltung dieser letzten „Zahlungsaufforderungen“ in aller Öffentlichkeit, war mit erheblichem sozialen Druck auf den Schuldner und auch auf seine Familie verbunden. Konnte man trotzdem nicht zahlen und hatte offenkundig auch keine finanzstarken Freunde, fand das partes secare (XII tab. 3, 6) statt. Wörtlich genommen wäre das so zu verstehen, dass der Schuldner getötet werden durfte und nicht einmal ein ordentliches Begräbnis erhielt. Manche moderne Autoren halten dies für ungeheuerlich und daher unmöglich; sie meinen, dass stattdessen das Vermögen aufgeteilt worden sei.[18] Ein konkreter Fall der Tötung ist nicht überliefert. Die wenigsten Gläubiger hätten wirklich etwas davon gehabt, den Schuldner zu zerschneiden. Jedenfalls bald wurde die Haftung durch den Verkauf in die Sklaverei realisiert, aber nicht in Rom sondern „über den Tiber“ (trans tiberim), d.h. über die durch den Fluss gebildete Stadtgrenze ins Ausland. Die Personalexekution wegen Schulden ist 326 v. Chr. durch die lex Poetelia jedenfalls eingeschränkt worden. Allerdings kennen wir den Inhalt dieses Gesetzes nicht genau. Darin soll auch die Fesselung des Schuldners verboten worden sein. Jüngere nichtjuristische Quellen können dahin verstanden werden, dass Schuldner ihre Schulden (freiwillig?) abgearbeitet haben.