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1. Weistum

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Weistümer sind Rechtsquellen vor allem des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Das im einzelnen Streitfall gefundene Recht wird durch ein Urteil geschöpft. Das Weistum hingegen ist eine Auskunft Rechtskundiger über einen Rechtszustand oder geltendes Gewohnheitsrecht, wobei es regionale Besonderheiten gibt. Das Recht wird jedenfalls als feststehend und prinzipiell nicht veränderbar gedacht und muss „nur“ mit der erforderlichen Weisheit erkannt und gewiesen werden.

Diese Weisungen sind der älteste Bestandteil der Gesetzgebung, jedenfalls im Bereich des germanischen Rechts und vor allem in der entwickelten Form, wenn das gefundene Recht verbessert werden konnte. Dabei sind allerdings Tarnungen zu finden, die das Idealbild des alten Rechts aufrecht erhalten, aber tatsächlich Neuerungen verbergen.

Beispiele für Weistümer finden sich in Rn. 253, 294 und 312.

2. Willkür, Satzung, Einung

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Die zweite Wurzel des Gesetzes liegt auf der vertraglichen Ebene. Man kann eine „Willkür“ (sprachlich zusammenhängend mit „küren“ = wählen), eine Satzung oder Einung vereinbaren. Klassische Beispiele sind die mittelalterlichen Stadtrechte (Rn. 305 ff, 312), die einen Schritt auf dem Weg zur Mobilisierung des Rechts darstellen. Hier ist aber immer nur der gebunden, der selbst mitgewirkt hat. Das löst sich im Lauf der Zeit, als sich über eine Folgepflicht der Minderheit das Mehrheitsprinzip durchsetzt. Dieses stammt aus dem römischen Recht, wurde ein kirchenrechtlicher Grundsatz: maior pars est sanior pars (Die Mehrheit ist vernünftiger) und gilt noch heute im Wahlrecht.

3. Rechtsgebot

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Die dritte Grundform des modernen Gesetzes ist das Gebot, entweder für den Einzelfall oder für eine Mehrzahl gleich gearteter Fälle. Hier ist – anders als ursprünglich bei der zweiten Grundform – Herrschaft (nicht Einigung) die Voraussetzung für die Rechtsetzung. Solche Gebote sind ein wichtiges Gesetzgebungsinstrument des heutigen Staates.

4. Das autoritative Lehrbuch

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Das (juristische) Lehrbuch konnte in der Antike Gesetzeskraft (vgl. Rn. 224) oder zumindest ähnliche Wirkung haben. Dies wurde vom Humanismus in der Renaissance wieder aufgegriffen. Beispielsweise erhob 1801 ein Duodezfürst in Franken ein Lehrbuch des ehelichen Güterrechts formal zum Gesetz. Außerdem gab es in der Vergangenheit nicht die große Zahl von Lehrbüchern wie heute, was zu einer höheren Bedeutung des einzelnen Werkes führte.

Vor allem Zivilgesetzbücher beruhen historisch auf Lehrsystemen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) von 1896 (Rn. 733 ff) ist konzeptionell eigentlich ein Lehrbuch des Zivilrechts (und beruht nicht zufällig stark auf einem solchen, vgl. Rn. 721, 734). Es definiert schulmäßig Begriffe, der Allgemeine Teil ist (angesichts seiner hohen Abstraktheit heute kaum mehr begreiflich) eine Frucht (auch) didaktischer Bemühungen.

IV. Hinweise zur Anfertigung von Prüfungsarbeiten

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Rechtshistorische Veranstaltungen im Grundstudium sind typischerweise Überblicksvorlesungen. Spezialvorlesungen hingegen sind gewöhnlich vorgesehen für die Mitte oder das Ende des Studiums, sei es im Hauptstudium oder insbesondere in der Schwerpunktbereichsausbildung. Das Gleiche gilt für Übungen und Seminare.

Für eine Klausur im Grundstudium, in der Wissen abgefragt wird, genügt in der Regel der Besuch der Vorlesung mit begleitender Lektüre eines Lehrbuches. Sofern eine Exegese als Prüfungsleistung erwartet wird, sollte man sich genauer mit dieser Form beschäftigen und diese üben – genauso, wie man in den dogmatischen Fächern den Gutachtenstil neben dem Stoff erlernen muss.

1. Literatur zum Thema

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Falk, U./Luminati, M./Schmoeckel, M., Fälle aus der Rechtsgeschichte, 2008.
Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1982.
Harder, M., Römischrechtliche Exegese-Hausarbeit: Zum Anweisungsdarlehen und Vereinbarungsdarlehen (Ulpian D. 12.1.15), in: JA 1990, S. 165 ff.
Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese, 2. Auflage 1993 (mit Musterhausarbeiten).
Schmoeckel, M./Stolte, S., Examinatorium Rechtsgeschichte, 2008.
Schott, C., Rechtsgeschichte – Texte und Lösungen, 8. Auflage 2001 (zahlreiche Aufgaben mit knappen Lösungshinweisen).
Schuster, S., Römischrechtliche Exegese: Unregelmäßige Verwahrung, Pap. D. 16.3.24, in: JuS 2008, S. 245 ff.
Senn, M./Thier, A., Rechtsgeschichte III – Textinterpretationen, 2005 (Musterexegesen aus vielen Rechtsgebieten und Zeiten).
Steiner, A., Zur Methode römischrechtlicher Abschlussarbeiten: Der Grundsatz der Unentgeltlichkeit im römischen Auftragsrecht, in: Jura 2008, S. 340 ff.
Wesel, U., Die Hausarbeit in der Digestenexegese, 3. Auflage 1989.

2. Was ist eine Exegese?

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Das Wort „Exegese“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet Auslegung. Die Exegese hat eine lange Tradition, vor allem in der Theologie, wo man noch heute allsonntäglich Bibelstellen auszulegen pflegt. Oft wird auch das Wort „Interpretation“ benutzt. Es geht jedenfalls um das Verstehen von Texten, wofür die Auslegung Voraussetzung ist. Die Lehre vom Verstehen wird Hermeneutik genannt (Rn. 2).

Schon die Glossatoren des römischen Rechts – die am Beginn der europäischen Rechtswissenschaft stehen (Rn. 376, 379 ff) – fertigten in ihren Glossen meist nichts anderes als Exegesen. Doch sind diese keine Angelegenheit von gestern. Bevor ein Jurist einen Text (etwa den eines Gesetzes) anwenden kann, muss er ihn verstehen. Bevor die Wichtigkeit einer Gerichtsentscheidung, eines Aufsatzes oder einer Lehrbuchpassage beurteilt werden kann, ist der Sinn zu ermitteln.

Die Exegese historischer Texte ist eine Kunst (mithin erlernbar). Ihre Beherrschung hat schulenden Charakter für die Anwendung des geltenden Rechts, denn das Verstehen des Sinnes von Texten ist stets die Voraussetzung von Entscheidungen. Nur wer Recht richtig verstehen kann, kann es auch richtig anwenden. Ein Tipp für das geltende Recht: Man versuche einmal, allein oder in Gruppen Leitsätze heutiger Gerichtsentscheidungen exegetisch zu bearbeiten.

Die Lösung der durch einen Text aufgegebenen Probleme ist oft schon vorgegeben. Es kann aber auch verschiedene Auslegungsergebnisse geben. Die Auslegung ist daher keine schlichte Anwendung einer einheitlichen Technik, die zu einem objektiven, zwingend „richtigen“ Ergebnis führen würde. Sie ist vielmehr abhängig vom Ziel desjenigen, der etwas verstehen will und auch von seinem Vorverständnis, seinen persönlichen Kenntnissen und Positionen. Die Ergebnisse der Auslegung enthalten oft schon (verdeckte) Wertungen, sind also normativ. Josef Esser hat dies grundlegend für die juristische Arbeit herausgearbeitet.[11]

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Die folgenden Hinweise zur Exegese wollen nur Anhaltspunkte geben. Sie sind nicht zwingend und vor allem davon abhängig, welcher Art die auszulegende Quelle angehört und welchen Inhalt sie hat. Grundsätzlich gelten für die Anfertigung einer Klausur und einer Hausarbeit dieselben Prinzipien. Der Unterschied liegt natürlich in der bei Hausarbeiten möglichen Benutzung von Literatur (Lexika, Handbücher, Aufsatzliteratur usw.), während die Klausurarbeit entweder ganz ohne Hilfsmittel oder mit einer sehr beschränkten Anzahl derselben auskommen muss. Es werden deshalb im Folgenden zunächst Hinweise zur Anfertigung einer Aufsichtsarbeit gegeben, um danach auf die Besonderheiten der Literaturverwendung einzugehen.

3. Die Exegese in der Klausur

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Am Anfang steht die genaue Erfassung des zu behandelnden Textes. Das ist nicht mit einem einmaligen Durchlesen getan. Es empfiehlt sich (wie auch in anderen Klausuren), einen separaten Notizzettel anzulegen, in dem alle spontanen Einfälle aufgeschrieben werden. Später sollte man sich vergewissern, ob alle wichtigen Einfälle abgearbeitet wurden. Empfohlen wird die Anfertigung einer Gliederung, nachdem man sich überlegt hat, was zu der Aufgabe gesagt werden kann und bevor man mit der Niederschrift beginnt. Dadurch erhalten die Ausführungen Struktur und man verliert sich nicht so leicht in Nebensächlichkeiten, die Zeit kosten.

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Üblicherweise leitet man eine Exegese ein mit der Wiedergabe des auszulegenden Textes in eigenen Worten, es sei denn, der Aufgabensteller verzichtet darauf. Es empfiehlt sich in jedem Fall, kurz (einleitend) zu sagen, worum es in dem Text geht.

Bei fremdsprachlichen Texten, wozu auch Mittelhoch- oder Mittelniederdeutsch (Sachsenspiegel!) gehören, ist eine Übersetzung geboten. Abgekürzte Zitate sind aufzulösen und in die modern gebräuchliche Form zu bringen. Bei jeder Übersetzung können sich Schwierigkeiten ergeben, weil sie selbst genau genommen schon Teil der Auslegung ist. Zuweilen muss man Begriffe unübersetzt lassen und das Übersetzungsproblem im auslegenden Hauptteil erörtern. Wenn eine Übersetzung schon im Aufgabentext vorgegeben ist, erübrigt sich dieser Schritt grundsätzlich.

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Die dann folgende Auslegungsarbeit im engeren Sinne beginnt mit Angaben über den Verfasser (einschließlich bekannter biographischer Daten) sowie einer Einordnung des Textes. Hier ist Wissen gefragt. Dem historischen Umfeld ist gebührender Platz zu geben.

Es kann sich um eine schriftliche Rechtsnorm handeln: ein selbst nicht unproblematischer, weil an den Grenzen unscharfer Begriff, zumal auch ein Urteil oder eine literarische Äußerung Rechtsnorm werden kann. Oder es handelt sich um eine private oder halbamtliche Aufzeichnung einer Rechtsnorm, um eine gerichtliche Entscheidung, eine sonstige Urkunde, einen rechtswissenschaftlichen Text oder anderes.

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Insbesondere bei der Digestenexegese gibt es zwei Ebenen von Verfasser und Werk – hier werden oft Fehler gemacht. In den Digesten sind Fragmente von Texten römischer Juristen gesammelt – insofern ist die Sammlung ein Werk Justinians (Rn. 216 ff), was jedoch nicht so wichtig ist, wie das Folgende. Am Anfang jedes konkreten Textes steht die sog. Inskription, in der gesagt wird, von welchem einzelnen Juristen und aus welchem seiner Werke dieses Fragment stammt. Deshalb ist knapp auf Leben und Werk eben dieses Verfassers einzugehen. „Idem“ ist übrigens kein Jurist, sondern heißt schlicht „derselbe“, d.h. der, von dem schon das vorhergehende Fragment stammt. Es ist also die Reihe der „Idems“ zurück zu gehen, bis man einen namentlich genannten Juristen findet, der gemeint ist.

Das Wichtigste ist auch hier die eigentliche Erklärung der Textstelle. Insofern unterscheidet sich die Digestenexegese nicht prinzipiell von der Exegese eines anderen historischen Textes; sie ist allerdings juristisch spezifischer, d.h. meist dogmatischer.

Seltener gibt es eine Stelle aus dem Codex. Die darin gesammelten Konstitutionen oder Entscheidungen nennen meist das Jahr und die Namen der verantwortlichen Kaiser. Zu vernachlässigen ist in der Regel die Person des Adressaten.

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Auch die Exegese zur kirchlichen Rechtsgeschichte folgt grundsätzlich der gleichen Methode wie die zur römischen oder deutschen Rechtsgeschichte. Natürlich sind immer die Eigenarten der Quellen zu beachten; meist wird es das Corpus Iuris Canonici sein, vor allem sein erster Teil, das Decretum Gratiani (Rn. 361 ff).

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Im Anschluss an die Bemerkungen zu Autor und Quelle, kommt es zur eigentlichen Auslegung, die auch im Umfang den Schwerpunkt der Arbeit bilden sollte. Das Bisherige dient der Einführung, ist aber auch zum Verständnis notwendig. Das Hauptziel ist es nun, die juristische Kernaussage des Textes zu finden und zu formulieren, nicht nur eine allgemeinhistorische Erzählung zu verfassen. Dabei ist jedoch der Zeithorizont der Quelle zu beachten.

Zunächst muss der genaue Sachverhalt festgehalten werden, dann die Rechtsfolgenseite des Textes. Dabei ist zu beachten, dass den mittelalterlichen Quellen vielfach eine klare Begrifflichkeit fehlt, wie sie die römischen Juristen bereits hatten. Auch war man im Mittelalter nicht so knapp in den Formulierungen, wie es die Römer waren.

Vorkommende Begriffe und Rechtsinstitute sind historisch/juristisch zu erklären, so wenn von einer „mancipatio“, der „Morgengabe“ oder „Gewere“ die Rede ist, oder wenn ein Text der kaiserlichen Kanzlei von den „Kurfürsten“ spricht. Diese allgemeineren Ausführungen kann man entweder vorab stellen oder in die Auslegung integrieren – letzteres ist wohl besser, weil man näher am Text arbeitet. Bitte hier keinesfalls einfach vorhandenes Wissen bzw. das auswendig Gelernte ungeordnet (ohne Bezug zur Aufgabe) niederschreiben. Dies geschieht oft, wenn man mit dem Text nichts anfangen kann und die Aufgabe verbiegt hin zu dem, was man weiß. Der Leser (Korrektor) merkt das aber.

Bei der Auslegung kann man sich folgende Fragen stellen: Was sagt der Verfasser? Warum sagt er es? Was spricht für und gegen eine bestimmte Haltung oder Begründung? Gibt es andere (mögliche/bekannte) Ansichten?

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Häufig wird die weitere rechtliche Entwicklung und/oder ein Vergleich mit dem geltenden Recht verlangt, was natürlich nur sinnvoll ist, wenn es heute Vergleichbares überhaupt noch gibt. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Man sollte es vermeiden, die Stellung des mittelalterlichen Königs mit heutigen Verfassungseinrichtungen zu vergleichen. Anderes gilt aber beispielsweise für das mittelalterliche Gericht mit Richter und Schöffen und dem Institut der Urteilsschelte. Die Frage, ob der kirchliche Richter privates Wissen verwerten darf, ist auch für heutige Gerichte aktuell. Ein Vergleich der römischen actio Publiciana mit den §§ 932 ff BGB ist aufschlussreich, dagegen sollte man Rechtssätze zum Status von Sklaven heute nicht suchen.

4. Besonderheiten der Hausarbeit[12]

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Die Übersetzung sollte bei einer Hausarbeit auch dann nachvollzogen werden, wenn eine solche der Aufgabe beigefügt ist. Jede Übersetzung ist subjektiv, in jeder steckt ein wenig von der Person des Übersetzers. Notwendig sind dafür natürlich die einschlägigen Lexika, die in den einführenden Literatur- und Quellenhinweisen unter I.5. aufgeführt sind. Weiter benötigt man (jedenfalls als Einstieg) Lehr- und Handbücher sowie Sachwörterbücher. Der Blick auf andere Quellen, deren Ausgaben jeweils anzugeben sind, ist oft hilfreich. Gelegentlich muss man sich auch der Nachbarwissenschaften bedienen, etwa der Philosophie oder der Theologie, oder die sog. historischen Hilfswissenschaften (Rn. 4 ff) bemühen.

Vor den eigentlichen Text der Hausarbeit gehört jetzt in jedem Fall eine Gliederung. Für die Abfassung gilt das Gleiche wie für jede geisteswissenschaftliche Arbeit: Man formuliere klar und knapp – nichts ist so schlecht für die Laune des Korrektors (die ganz wesentlich für die spätere Note ist) wie die künstliche „Seitenfüllerei“. Erstaunlicherweise haben Studierende oft Sorgen, die angegebene Höchstseitenzahl nicht zu erreichen, dabei soll diese doch nur beschränken (und ist als Grenze ernst zu nehmen). Auch im Übrigen sind natürlich die Vorgaben des Aufgabenstellers einzuhalten, wie etwa die Breite des Randes (ein guter Korrektor möchte dem Bearbeiter ja mitteilen können, was besonders gut oder falsch gemacht wurde).

Der Inhalt der Hausarbeit kann in Abhängigkeit von der Aufgabe stark variieren, weshalb sich hierzu wenig erklären lässt. Jedenfalls ersetzen Wiederholungen, gar solche des Aufgabentextes, keine eigene Argumentation. Längere wörtliche Zitate ohne Kenntlichmachung als solche können auch bei pauschaler Nennung der Herkunft als Täuschungsversuch gewertet werden! Das Quellen- und Literaturverzeichnis muss alles enthalten, was benutzt und zitiert wurde, aber auch nicht mehr, d.h. es muss mit den Fußnoten korrespondieren.

§ 2 Die Zeit der römischen Könige und die frühe Republik

Literatur:

Zur äußeren Rechtsgeschichte: Bleicken, Geschichte der römischen Republik (6. Aufl. 2004) S. 4 ff, 97 ff, 265 ff; Blösel, Die römische Republik, Forum und Expansion, 2015; Waldstein/Rainer, Römische Rechtsgeschichte (11. Aufl. 2014) S. 16 ff, 109 ff; Fögen, Römische Rechtsgeschichten. Über Ursprung und Evolution eines sozialen Systems (2002) S. 11 ff; Kunkel/Schermaier, Römische Rechtsgeschichte (14. Aufl. 2005) S. 1 ff, 31 ff, 123 ff; von Lübtow, Das römische Volk (1955) S. 15 ff; Wieacker, Römische Rechtsgeschichte Bd. I (1989) S. 185 ff, 519 ff.

Zum Privatrecht und Prozessrecht vertiefend vor allem Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht (2. Aufl. 1996); Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht (22. Aufl. 2021); Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht (4. Aufl. 1987) sowie die weiteren im Literatur- und Quellenverzeichnis genannten Werke.

I. Soziale Strukturen und Aufbau des römischen Staates

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Wenn wir heute von Rom sprechen, stellen wir uns meist die antike Großmacht oder (wenigstens) die Hauptstadt Italiens vor. Aber auch Rom war am Anfang ein Dorf und über diese Zeit weiß man nicht viel. Unsere wichtigsten Quellen sind die erst sehr viel später entstandenen Schriften des Griechen Polybios (der ca. 200 bis 120 v. Chr. lebte und 167 als Geisel nach Rom kam) und die des bekannten römischen Historikers Livius (ca. 59 v. Chr. bis 17 n. Chr.). Immerhin stützten beide sich auf die Werke älterer Annalisten (von libri annales = Jahrbücher). Allerdings sollte man (bei jeder historischen Überlieferung) nicht zu leichtgläubig sein. Es gibt manchmal handfeste Interessen an (berichtigter) Geschichtsschreibung.

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Zunächst einige Daten für den Überblick:


Zeit allgemeines historisches Geschehen rechtshistorisch bedeutsam
1000-800 v. Chr. Wanderungen u. a. der Etrusker, Latiner; Agrarsiedlungen pontifices
753 legendäre Gründung Roms
7./6. Jh. Zeit der etruskischen Könige
nach 510 Vertreibung der Könige, Republik
um 450 XII-Tafel-Gesetz

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Nach der Legende wurde Rom im Jahre 753 v. Chr. von den Zwillingsbrüdern Romulus und Remus gegründet. Die Sage (Vergil, Äneis) sieht die Vorfahren der Gründer Roms in den von den Griechen besiegten und nach Italien ausgewanderten Trojanern.[1] Die Archäologen haben aber herausgefunden, dass schon vorher indogermanische Sabiner und Latiner (daher die Sprache Latein) in der Gegend des späteren Rom gesiedelt hatten. Um 600 v. Chr. wurden diese Siedlungen in einer festeren Organisation (Stadtstaaten) unter etruskischer Vorherrschaft vereinigt. Seit der Antike gibt es verschiedene Theorien über die Etrusker: entweder waren sie ureingesessen (autochthon) oder aus Kleinasien nach Mittelitalien eingewandert. Das römische Gemeinwesen kann jedenfalls einen starken etruskischen Einfluss nicht verleugnen.

Die (etruskische) Königszeit Roms war eine Periode verhältnismäßig hoher wirtschaftlicher und kultureller Entwicklung, deren Niveau nach der Vertreibung der Könige aus der Stadt zunächst nicht aufrechterhalten werden konnte. Nach der Legende wurde der letzte König Tarquinius Superbus um 510 v. Chr. vertrieben, wahrscheinlicher aber endete die etruskische Herrschaft erst einige Jahrzehnte später durch eine Adelsrevolte. Überliefert ist die Legende von Lucretia, an der sich ein Sohn des Tarquinius Superbus vergangen und die sich deswegen das Leben genommen haben soll. Dies soll die Revolte gegen den König ausgelöst haben.

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Das römische Volk gliederte sich in zwei soziale Hauptgruppen: adlige Patrizier (von patres = Väter = alteingesessene Oberschicht) und gemeinfreie Plebejer (die plebs = Menge, Volk). Die Patrizier waren in Sippen (gentes) organisiert (Rn. 63). Die „Gründung“ Roms wird vor allem darin bestanden haben, dass die Oberhäupter der (sabinisch-latinischen) Patrizier-Sippen die Herrschaft eines (etruskischen) Königs wenigstens auf Teilgebieten des sozialen Lebens anerkannten.[2] Nach der Überlieferung soll es ursprünglich drei Stämme (tribus) gegeben haben: Ramnes, Tities, Luceres, gegliedert in je 10 Kurien (curiae) zu je 10 Sippen, insgesamt also 300 adlige Geschlechter. Die moderne Geschichtswissenschaft hält diese Zahl für übertrieben, weil das älteste Rom aufgrund des Siedlungsgebietes nicht mehr als 10 000-15 000 Einwohner gehabt haben kann.

Schon früh muss die Mehrzahl der Bevölkerung aus Plebejern bestanden haben. Diese hatten jedoch angeblich zunächst keine gentes.[3] Ein Teil der plebs mag aus Nichtehelichen sowie „Vogelfreien“ bestanden haben, die aus ihrer gens verstoßen worden waren oder sie freiwillig verlassen hatten. Daneben existierte aber sicherlich auch eine nicht unbeträchtliche Gruppe von „gensfreien“ Kleinbauern, Handwerkern, Zugezogenen. Ein Teil davon stand als Klienten (clientes) in einem Schutz- und Abhängigkeitsverhältnis, das von gegenseitiger Treue (fides) beherrscht wurde, zu den Patriziern (Patrone). Ihren Ursprung hatte die Klientel vermutlich in der Landvergabe an landlose Bauern.[4] Als Rechtsinstitut wurde sie in späterer Zeit zwar nicht fortentwickelt, aber das Klientenwesen spielte im sozialen Leben Roms immer eine wichtige Rolle. Klienten waren unbeschadet ihrer sozialen Abhängigkeit rechtlich gesehen römische Bürger.

Außer den Patriziern und Plebejern gab es nicht zum Volk gehörende Peregrinen (peregrini = Fremde), die zwar frei aber ursprünglich (später s. Rn. 76, 80, 119) in Rom rechtlos und nur durch die traditionelle Gastfreundschaft geschützt waren, sowie Sklaven (Rn. 61).

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Römischer Bürger (civis romanus, ius civile = Recht der Bürger) konnte nur ein freier Mensch sein. Bürger wurde man grundsätzlich als Kind einer römischen Mutter (genauer Rn. 61). Das Bürgerrecht umfasste folgende Rechte und Pflichten:


- das Recht, eine rechtmäßige Ehe zu schließen (connubium),
- rechtswirksam handeln zu können, insbesondere rechtlich geschützten Handel zu treiben (commercium),
- das aktive (suffragium) und passive Wahlrecht (ius honorum),
- die Fronpflicht (munus, von moenia = die Mauern) sowie
- die Pflicht zu Abgaben bzw. Beiträgen (tributum), jedoch noch keine regelmäßige Steuerpflicht.

Man konnte das Bürgerrecht auch verlieren. Dies geschah automatisch, wenn man seine Freiheit verlor, insbesondere durch Kriegsgefangenschaft, Überlaufen zum Feind, Personalexekution (Rn. 60) oder wenn man in einen anderen Gemeindeverband eintrat oder sonst auswanderte. Für besonders schwere Straftaten verlor man das Bürgerrecht mit dem Urteil; es wurde untersagt, dem Bestraften Wasser und Feuer zu gewähren (interdictio aquae et ignis), man stieß ihn also aus der (über)lebensnotwendigen Gemeinschaft aus.

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Die ursprünglich militärisch-kultische Gliederung in tribus und curiae (Rn. 41) wurde zur Vorstufe demokratischer Volksversammlungen. Ihnen gehörten deshalb auch später nur die wehrfähigen Männer an. Im 5. Jahrhundert kam es zu einer Neueinteilung der tribus, und für das Jahr 427 v. Chr. werden als neue Heeres- und Versammlungseinheiten die Zenturien (Hundertschaften von centum = hundert) erwähnt. Neben den weiter bestehenden Kuriat- und Tribuskomitien entwickelten sich die Zenturiatkomitien zu den wichtigsten Volksversammlungen in der Republik (Rn. 89). In diese Organisation wurden auch die Plebejer eingegliedert. Wie ihre (späteren) Gentilnamen (Rn. 63) bezeugen, bildeten sie eigene gentes.

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Die Funktion des Königs (rex) sollte nicht als allumfassende Herrschaftsgewalt missverstanden werden. Es ging darum, im Interesse des inneren Friedens die vormals selbstherrlichen patrizischen Adelsherren soweit wie möglich von Fehden abzuhalten und die Schlagkraft des Gemeinwesens nach außen zu gewährleisten. Der König war daher vor allem Richter (iudex) und Heerführer. Die legendären Königsgesetze (leges regiae) wurden angeblich später von einem Priester (pontifex, Rn. 49 f) namens Papirius gesammelt und veröffentlicht, daher die Bezeichnung als ius Papirianum.[5] Das dürfte jedoch auf pontifikaler Erfindung beruhen.

Als Gehilfen standen den Königen Beamte zur Seite: zwei Männer für die Verfolgung von Hochverrat (duumviri perduellionis) und Verwandtenmord-Aufspürer (quaestores parricidii). Dies zeigt die damals hohe Bedeutung dieser Delikte; die Beamten hatten aber auch religiös-sakrale Aufgaben.

Das Verhältnis der Römer zu ihren Göttern war eher kühl-pragmatisch. Die Götter erhielten nach römischer Vorstellung die ihnen zukommenden Opfer und schützten dafür das Gemeinwesen. Man durfte sie sogar täuschen: Beispielsweise verwendete man einen „Strohmann“ anstelle des früheren Menschenopfers.[6]

Nach dem Sturz der Könige wurde als Ersatz auf sakralem Gebiet jeweils ein (patrizischer) rex sacrorum berufen, der von politischen Ämtern ferngehalten wurde.

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Die Gestaltung der Herrschaftsverhältnisse nach der Vertreibung der Könige ist umstritten. Sicherlich lag der Schwerpunkt der Macht bei der Gesamtheit der adligen Sippenoberhäupter, der Keimzelle des späteren Senats (Rn. 47). Für die einzelnen Amtsgeschäfte waren jedoch ein oder mehrere Oberbeamte (späterere Magistrate, Rn. 78 ff) erforderlich. Nach römischer Überlieferung traten an die Stelle der Könige sofort zwei Konsuln.[7] Die Quellen erwähnen jedoch auch andere Amtsträger für die Frühzeit der Republik, nämlich einen praetor maximus und 3-6 Konsulartribune, sodass heute eine allmähliche Herausbildung der 2-Konsul-Verfassung wahrscheinlicher erscheint.[8]

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Schon die frühe Republik wurde erschüttert vom sog. Ständekampf, der zwischen Patriziern und Plebejern (Rn. 41) lange anhielt. Hintergrund war die Weiterentwicklung der römischen Kriegstechnik. Während ursprünglich vor allem adlige Reiter aktiv waren, ging man zu der aus Griechenland übernommenen Hoplitentaktik (hoplites = schwer bewaffneter Fußsoldat) über, die seit dem Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. für Rom archäologisch nachweisbar ist. Das Fußvolk, zu dem auch Plebejer gehörten, wurde also der Kern der Streitmacht. Dies führte zu veränderten politischen Zuständen aufgrund des beginnenden Kampfes um mehr Gleichberechtigung.

Im Jahr 494 v. Chr. soll die erste secessio plebis, also ein Auszug der Plebejer auf den mons sacer bei Rom stattgefunden haben.[9] Der Patrizier Menenius Agrippa bewog angeblich die Plebejer durch den Vergleich des Volksganzen mit einem körperlichen Organismus zur Rückkehr.

Damals sollen die ersten Volkstribune (tribuni plebis) von der plebs eingesetzt worden sein. Ab 471 v. Chr. sind concilia plebis, also Versammlungen der Plebs überliefert. Das Einberufungsrecht lag bei den Volkstribunen. Die Volkstribune konnten gegen Zwangs- und Strafmaßnahmen (coercitio, Rn. 559) der zunächst ausschließlich adligen Oberbeamten interzedieren, also dazwischentreten, mittels Berufung (provocatio) an die Volksversammlung. Diese Befugnis zur Hilfe (ius auxilii) war anfangs nur durch den gemeinsamen Schwur der plebs sanktioniert, jede Verletzung eines Volkstribuns zu rächen. 449 v. Chr. wurde die Unverletzlichkeit (sacrosanctitas) durch Gesetze anerkannt (leges Valeriae Horatiae).

Weitere Ergebnisse des Ständekampfes waren:


- um 450 v. Chr. Erlass der XII Tafeln (Rn. 51),
- wenig später wurden Ehen zwischen patrizischen und plebejischen Partnern gestattet,
- seit den leges Liciniae Sextiae von 367 v. Chr. (Rn. 77) gab es (je einen) parallel amtierenden patrizischen und plebejischen Konsul,
- um 304 v. Chr. wurde das weitgehend von den patrizischen Priestern geheim gehaltene Recht (ius Flavianum) veröffentlicht (Rn. 50, 111),
- Plebejer erhielten Zugang zu den Ämtern der Quästur und des Konsulats und wurden in den Senat aufgenommen.
- Als Abschluss des altrömischen Ständekampfes wird die lex Hortensia (287 v. Chr., Rn. 93) angesehen: Beschlüsse der concilia plebis, sog. Plebiszite, waren seither für das gesamte Volk, also auch die Patrizier, verbindlich.

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