Kitabı oku: «Sea and Fall», sayfa 5
>> Ms della Rossa, darf ich Ihnen jetzt etwas zu Essen bringen?<<
>> Danke, nein. Aber eine Apfelschorle wäre nett.<<
Ich konnte einfach nichts essen, wenn ich nicht wusste, was mit Sascha war. Allein der Gedanke etwas zu Essen, war unerträglich für mich. Immer wenn ich Stress hatte oder mich etwas bedrückte, reagierte mein Körper auf diese Weise, während andere, wie Jacob, Berge von Eis in sich hineinschaufelten.
>> Kommt sofort.<<
Es dauerte keine Minute als sie auch schon wieder da war und mir die Apfelschorle auf den Tisch stellte.
>> Danke Jeanine.<<
>> Bitteschön. Sie sollten sich jetzt anschnallen, da wir gleich mit dem Landeanflug beginnen.<<
>> Jeanine?<<
>> Ja?
>> Wie kalt ist es zur Zeit in Hamburg?<<
>> Etwa drei Grad.<<
>> Gibt es hier an Bord irgendwo einen Mantel? Ich konnte in der Hektik keinen mehr einpacken.<<
>> Ich werde sofort einen organisieren.<<
>> Vielen Dank.<<
Ich legte den Gurt an und trank meine Apfelschorle aus, da ich wirklich Durst hatte. Als wir durch die Wolkendecke flogen, sah ich plötzlich Hamburg unter mir, all die gewohnten Umrisse und die Elbe die sich quer durch die Stadt schlängelte. Ein bedrückendes Gefühl erfasste mich und ließ mir die Tränen in die Augen schießen. So lange war ich nicht mehr hier gewesen, so lange hatte ich es verdrängt. Selbst bei unseren Treffen an Weihnachten und im Sommer, waren meine Brüder immer nach Düsseldorf gekommen, damit ich nicht doch eventuell wieder auf meine Mutter traf. Das bedeutete, dass ich seit 14 Jahren nicht mehr hier gewesen war und dennoch so gut wie alles wiedererkannte.
>> Wir landen jetzt Ms della Rossa.<< verkündete eine Stimme aus dem Lautsprecher, die zu Daniel gehören musste.
Es war eine sehr sanfte und angenehme Landung, woraufhin wir sofort zu unserem Gate fuhren. Allerdings brauchte ich nicht mehr durch den Flughafen laufen, da zwei Zollbeamte auf uns warteten und kurz meinen Pass kontrollierten. Als ich gerade meinen dünnen Blazer überziehen wollte, kam ein junger Mann ins Flugzeug, der einen hellbeigen Mantel aus Cashmere in den Händen hielt und mir reichte.
>> Ms della Rossa, ich bin ihr Chauffeur Dennis. Sie brauchten noch einen Mantel, also habe ich den gerade besorgt. Ich hoffe er gefällt Ihnen.<<
>> Danke Dennis, dass ist sehr nett von Ihnen.<<
Ich zog ihn an und schloss die Knopfleiste. Er ging mir bis zu den Knien und saß wie angegossen. Um die Taille war ein breiter dunkelroter Gürtel, den ich zuschnallte, bevor ich meine Tasche nahm und mit Dennis zum Auto ging.
Während der Fahrt tippte ich noch schnell eine Nachricht an Ethan, da ich nicht wusste, wann ich das nächste Mal dazu käme.
„ Danke für alles Ethan. Deine Angestellten waren sehr nett und ich bin gut angekommen. Fahre grade ins Krankenhaus, wo ich nicht mehr erreichbar sein werde. Ich melde mich, wenn ich wieder Zeit habe. Ich liebe und vermisse dich. Kuss“
Als es nur noch wenige Minuten waren, die uns vom Krankenhaus trennten rief ich Sebastian erneut an, damit er mich vor der Tür abholen konnte und ich nicht das halbe Krankenhaus absuchen musste. In Deutschland war es inzwischen knapp vier Uhr Nachmittags, sodass auch noch eine Besuchszeit herrschte. Als Dennis anhielt, sah ich Sebastian bereits.
>> Danke Dennis.<<
>> Alles Gute Ms della Rossa.<<
Ich nickte, nahm meine Tasche und stieg aus, als mein Bruder mich auch schon entdeckte.
>> Sarah!<<
Er lief auf mich zu und umarmte mich überschwänglich, sodass sofort wieder die Tränen in mir hochkamen.
>> Hey Bruderherz.<<
>> Komm, hier draußen ist es viel zu kalt.<<
Er nahm mir meine Tasche mit den wenigen Teilen ab, die ich mitgenommen hatte und dirigierte mich zum Eingang des Krankenhauses.
>> Sie haben sehr lange operiert und er sieht schlimm aus, also bitte erschrecke dich nicht.<<
>> Ist er denn wach?<<
>> Nein, er liegt im Koma und sie wissen nicht, ob er wieder aufwachen wird. Wir müssen wohl Geduld haben.<<
Wir fuhren mit dem Aufzug in den fünften Stock und bogen um mehrere Ecken, als wir endlich bei der Intensivstation ankamen. Ich legte all meine überflüssigen Sachen ab und zog einen Kittel, Handschuhe und Mundschutz an.
Als ich endlich zu ihm durfte, wurde mir ein wenig flau im Magen. Zwar hatte ich schon viele schlimme Anblicke gesehen, aber das war mein Bruder, der nun vor mir lag. Ich atmete noch einmal tief durch und betrat schließlich das Zimmer.
Überall waren Monitore, die ihn bewachten und piepten, über verschiedene Zugänge wurden ihm Medikamente und Flüssigkeiten zugeführt, während sein Kopf mit einem Verband verdeckt war. Nur das Gesicht konnte ich erkennen, wobei es sehr stark angeschwollen und verfärbt war. Sein linkes Bein war eingegipst und hochgelagert, ebenso wie sein linker Arm. Ich wusste nicht was noch alles unter der Decke verbunden und gebrochen war, was wahrscheinlich besser so war, da es mich so schon genügend schockierte.
>> Hallo, ich bin Dr. Arndt.<<
Ich drehte mich um und sah dem Arzt in die Augen, wo er sicherlich direkt mein Entsetzen feststellen konnte.
>> Ich bin Sarah, seine Schwester.<<
>> Ich hab schon von Ihnen gehört. Sie kommen gerade aus Brisbane?<<
>> Richtig.<<
>> Ziemlich weite Anreise.<<
>> Mhm. Können Sie mir sagen, was er jetzt genau hat?<<
>> Natürlich... Dass er aus sechs Metern auf ein paar Eisenstangen gefallen ist, wissen Sie ja wahrscheinlich schon.<<
Ich nickte, während mir erneut ein Schauer über den Rücken lief, wie immer, wenn ich mir vorstellte, wie das passiert war.
>> Wir haben ihn sehr lange operiert. Sein linkes Bein, sein linker Oberschenkel und sein linker Arm sind gebrochen, ebenso wie drei Rippen auf der linken Seite. Eine Rippe hat sich in seine Lunge gebohrt, sodass der linke Lungenflügel zusammengefallen ist. Diese Verletzungen stammen wohl alle vom ersten Aufprall, als er nach etwa vier Metern auf das Vordach aufgeprallt ist.<<
Erster Aufprall? Ich setzte mich auf einen freien Stuhl, da mir bei der Vorstellung die Beine vor Entsetzen zitterten.
>> Jedenfalls ist er nur auf die Kante des Vordachs gefallen, sodass er danach noch auf dem Boden aufkam, wo die Eisenstangen lagen.<<
>> Und was ist da noch verletzt worden?<<
Meine Stimme war nur noch ein leises Flüstern.
>> Eine Stange hat sich in seinen Bauch gebohrt und dabei die Milz verletzt. Eine weitere in sein rechtes Bein. Er hat ein mittelschweres Schädelhirntrauma mit einem leichten Schädelbruch erlitten, was jedoch wesentlich schlimmer ausgefallen wäre, wenn er nicht zuerst auf das Dach gefallen wäre. Eigentlich hatte er Glück im Unglück und jetzt können wir nur noch hoffen.<<
Ich blickte zu Sascha und ließ meinen Tränen freien Lauf. Er war immer der starke und tapfere gewesen und nun lag er da, mit all diesen Verletzungen, die sich anhörten, als wäre nichts mehr in seinem Körper gesund.
>> Inwiefern hätte es noch schlimmer ausfallen können?<<
>> Er hat keine Hirnblutungen gehabt, sein Hirndruck ist in Ordnung und auch das EEG sieht gut aus. Wir messen mit den Monitoren seine Blutdruck, die Körpertemperatur und die Sauerstoffsättigung des Blutes, damit wir alles im Blick haben und ihn optimal versorgen können.<<
Ich nickte und blickte auf die blinkenden Anzeigen der Geräte.
>> Haben Sie noch Fragen?<<
>> Wie lange darf ich hier bleiben?<<
>> Die Besuchszeit ist bis um sieben Uhr, aber bitte bleiben Sie nicht länger als 10 Minuten bei ihm, er braucht Ruhe.<<
>> Kann ich die Nacht über dann draußen vor der Tür im Gang warten?<<
>> Sie sollten nach Hause gehen und sich ausruhen, wenn etwas ist, rufen wir Sie an.<<
>> Ich werde ihn nicht allein lassen.<<
>> Sie können nichts für ihn tun. Seien Sie vernünftig und ruhen Sie sich aus, damit Sie Kraft haben, wenn er aufwacht.<<
Mit diesen Worten verließ der Arzt den Raum und ließ mich mit Sascha allein. Sebastian war nicht mit hereingekommen, da er lieber draußen wartete. Ich ging auf die andere Seite des Bettes, wo seine rechte Hand lag, die, wie ich mitbekommen hatte, nicht verletzt wurde. Ich nahm sie in meine Hand und streichelte ihn sanft mit meinem Daumen,
>> Hey Großer. Hier ist Sarah. Tut mir Leid, dass ich so lange nicht mehr hier war, aber du hättest wirklich nicht von einem Gebäude stürzen müssen, damit ich herkomme. Ein Anruf und eine Bitte hätte es auch getan.<<
Ich schluchzte und grinste gleichzeitig, was mir vor Augen führte, wie verzweifelt ich eigentlich war.
>> Nein, ernsthaft. Was machst du für Sachen? Du kannst mir doch nicht so einen Schrecken einjagen, mir solch eine Angst machen. Du musst wieder gesund werden, hörst du? Wir brauchen dich! Was soll ich ohne dich machen? Das ist undenkbar. Deine Kinder brauchen dich. Ich möchte, dass du mich in Australien besuchen kommst, damit wir zusammen surfen gehen können, so wie du es vor zwei Jahren geplant hattest. Ich mache alles mit, was du willst, nur bitte werde wieder gesund. Ich brauche dich und würde es nicht überleben, wenn dir etwas passiert.<<
Zitternd wischte ich mir einige Tränen weg und holte noch einmal tief Luft.
>> Ich werde jetzt wieder gehen, weil ich immer nur kurz zu dir kommen darf, aber ich warte draußen im Flur, also wach auf und kämpfe.<<
Ich küsste behutsam seine Hand, bevor ich ihn losließ und aufstand.
Als ich die Schutzkleidung wieder abgelegt hatte und in den Wartebereich im Flur vor der Intensivstation trat, war es wie ein Familientreffen.
Pia die Frau von Sebastian war gekommen, ebenso wie seine beiden Kinder Vincent, der jetzt acht sein musste und Lea, die zwei Jahre jünger war. Daneben standen Simon und seine Frau Theresa mit ihren inzwischen drei Kindern. Ich erkannte die älteste, Hannah sofort. Sie war bildschön und musste etwa fünf Jahre alt sein. Ihre zwei Jahre jüngere Schwester Sophie hatte sich vollkommen verändert und den kleinsten kannte ich nur vom Telefon. Ich wusste, dass sie vor etwa zwei Monaten noch einmal Eltern geworden waren und ich nun noch einen Neffen namens Erik hatte. Es war einfach überwältigend alle auf einmal wiederzusehen, allerdings fand ich Saschas Frau Denise und ihre Kinder nicht.
>> Wow.<<
Mehr als dieses „Wow“ brachte ich einfach nicht heraus. Es war zu viel. Erst der lange Flug, dann die ganze Liste an Verletzungen, die Sascha erlitten hatte, dann Saschas Anblick und nun meine Brüder mit ihren Familien.
Ich umarmte jeden einzelnen und begrüßte auch die Kinder überschwänglich, da ich sie so lange nicht gesehen hatte und sie nichts für den Anlass dieses Treffens konnten. Sie sollten nicht spüren, wie tragisch die Situation eigentlich war. Auch den kleinen Erik hielt ich auf dem Arm und gab ihm ein Fläschchen, während wir uns über Neuigkeiten austauschten. Er war noch so winzig und so lieb und brav, dass mir für kurze Zeit warm ums Herz wurde. Gegen sechs Uhr fuhren Pia und Theresa mit den Kindern schon einmal nach Hause, während Simon und Sebastian noch mit mir im Aufenthaltsraum blieben.
Wir gingen noch einmal gemeinsam zu Sascha, doch es gab keine Neuigkeiten, keine Verbesserungen, aber auch keine Verschlechterungen.
Als wir die Schutzkleidung wieder auszogen und auf den Flur gingen, übermannte mich die Müdigkeit, sodass ich gähnen musste.
>> Sarah, ich nehme dich mit, du kannst heute Nacht bei uns schlafen. Pia hat schon das Gästezimmer fertiggemacht.<<
>> Danke, aber ich bleibe lieber hier, falls irgendwas ist. Ich war einfach schon zu lange weg.<<
>> Aber wo willst du denn schlafen?<<
>> Macht euch keine Sorgen. Wir sehen uns morgen.<<
>> Sarah!<<
Ich ignorierte die beiden und ging wieder in den Aufenthaltsraum und legte mich auf die Bänke. Mein neuer Mantel gab eine gute Decke ab, sodass mir nicht kalt war. Ich holte kurz mein Telefon aus der Manteltasche und schaute mir kurz die Nachrichten von Ethan an.
„Das freut mich, dass alles in Ordnung war. Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die nächste Zeit und deinem Bruder eine schnelle Genesung. In Gedanken bin ich die ganze Zeit über bei dir.“
„Ich kann die ganze Zeit über nur an dich denken und wäre schon fast drei Mal zu dir geflogen. Melde dich Sarah. Ich mache mir große Sorgen um dich.“
Da ich zu müde und erschöpft zum Tippen war, rief ich bei ihm an, wobei ich nicht wusste, wie spät es nun bei ihm war, doch nach dem zweiten Klingeln ging er schon ran.
>> Sarah!<<
Er klang verschlafen, aber dennoch erleichtert. Hatte ich ihn geweckt?
>> Hi, ich wollte mich nur kurz bei dir melden, aber ich weiß gar nicht, wie die Zeitverschiebung ist. Habe ich dich geweckt?<<
>> Kein Problem. Hier ist es vier Uhr morgens. Also etwa sieben Stunden vor dir.<<
>> Tut mir Leid.<<
>> Dass muss es nicht. Ich habe doch auf deinen Anruf gewartet. Also, wie geht es deinem Bruder?<<
>> Er ist auf der Intensivstation. Die Operation hat er hinter sich, aber nun können wir nur abwarten und hoffen. Es sieht ziemlich übel aus.<<
>> Und wie geht es dir dabei?<<
>> Ich schaffe das schon. Außerdem habe ich ja noch meine anderen Brüder hier. Mach dir keine Sorgen und konzentriere dich auf deine Arbeit.<<
>> Das sagt sich so leicht. War deine Mutter auch da?<<
>> Nein. Die wird glaube ich auch nicht kommen. Würde mich jedenfalls schwer wundern.<<
>> Das hoffe ich für sie. Wo bist du denn jetzt?<<
>> Im Krankenhaus. Ich werde heute Nacht hier schlafen, falls es etwas Neues gibt.<<
>> Gibt es da kein Hotel in der Nähe?<<
>> Ich werde mich keinen Zentimeter von diesem Krankenhaus fortbewegen, bis er nicht über den Berg ist.<<
>> Pass aber bitte auf dich auf!<<
>> Mach ich, aber erst einmal muss ich ein wenig Schlaf bekommen und du solltest dich auch wieder hinlegen.<<
>> Mein Wecker hätte eh gleich geklingelt. Also gute Nacht cherié. Wenn etwas ist, meldest du dich bei mir. Ruf mich immer an, egal wie spät es ist.<<
>> Mache ich. Dir einen schönen Arbeitstag.<<
Ich legte auf und verstaute das Telefon in meiner Handtasche, als ich nach einigen Ängsten um Saschas Genesung schließlich auf Ethans Shirt mit seinem vertrauten Duft einschlief.
Kapitel V
Die nächsten Tage liefen ähnlich ab. Ich ging über den Tag verteilt, so oft es mir erlaubt wurde, zu Sascha, redete mit ihm und flehte ihn an aufzuwachen und zu kämpfen, doch es tat sich nichts. Die Nächte verbrachte ich im Krankenhaus. Nur zum Duschen fuhr ich kurz zu Simon, da er nicht weit vom Krankenhaus entfernt wohnte. Ich schaffte es morgens einen Kaffee zu trinken und ein Brötchen zu essen und nachmittags einen Joghurt, oder Obst, sodass mein Kreislauf stabil blieb.
Ich hatte erfahren, dass Denise sich vor einem Jahr von Sascha getrennt hatte, weil sie sich in einen anderen Mann verliebt hatte. Genau wie bei Julian und mir dachte ich und musste innerlich den Kopf schütteln. Sie hatte die Kinder mitgenommen, sodass er sie mit Glück noch jedes zweite Wochenende sah, was aber eher die Seltenheit war. Seit zwei Monaten hatte er sie nämlich überhaupt nicht mehr sehen dürfen.
Es waren alles Sachen, die ich nicht gewusst hatte, die er mir nie erzählt hatte und für deren Unwissenheit ich mich nun innerlich ohrfeigte. Warum konnten wir nicht offen miteinander sprechen und warum waren wir nicht ehrlich zueinander? Er brauchte nicht mehr den starken Bruder zu spielen, ich brauchte keinen Beschützer mehr, warum ließ er es nicht zu, dass wir uns auch mal um ihn kümmerten? Es stimmte mich so traurig, dass ich fast die gesamte Nacht heulte, als ich es erfahren hatte.
Auch über unsere Mutter hatte ich einiges erfahren. Sie war inzwischen wieder verheiratet mit einem Mann, den sie in einer Entzugsklinik kennengelernt hatte, in die Simon sie eingewiesen hatte. Inzwischen war sie wohl ein gutes Jahr trocken und hatte ihr Leben wieder im Griff. Sie trafen sich seitdem ab und an mit ihr, damit sie ihre Enkel kennenlernen konnte und waren davon überzeugt, dass sie nun ein besserer Mensch geworden wäre. Ich hörte mir das alles ganz ruhig an, wobei ich dem Frieden insgeheim nicht traute.
Es mochte sein, dass sie meinen Brüdern gegenüber ein netter Mensch war, das musste aber noch lange nicht so bei mir sein. Ich wollte sie einfach nicht treffen, nicht das Risiko eingehen, wieder verletzt zu werden, ob nun seelisch, oder körperlich. Ich freute mich, dass sie meinen Nichten und Neffen gegenüber eine gute Großmutter abgab und schloss dieses Kapitel wieder für mich ab.
Ethan schrieb ich jeden Abend eine Nachricht, da die Zeitumstellung zu schwierig war und ich ihn nicht stören wollte. Er hatte die Sache in Shanghai fast im Griff, sodass er morgen wirklich wieder nach Brisbane fliegen konnte, worum ich ihn ein wenig beneidete. Wie sehr wünschte ich mir, dass auch hier wieder alles im Griff wäre, Sascha aufstehen und alles gut werden würde.
Ich schaute auf die Uhr, die hier irgendwie langsamer zu gehen schien, da sich die Stunden beim Warten so hinzogen. Es war erst halb vier, aber immerhin war heute Freitag, sodass Simon und Sebastian früher kommen würden. Sie arbeiteten zusammen in einer Baustofffirma und hatten erzählt, sie wären gegen vier Uhr hier.
Ich schaute hinaus auf die Straße vor dem Krankenhaus, beobachtete all die Kranken die mit ihrem Besuch einen Spaziergang an der frischen Luft machten und sich über ein wenig Abwechslung freuten. Kinder die herumtobten, da es drinnen zu langweilig war und sie leise sein mussten, ließen draußen all ihre überschüssige Energie heraus. Menschen die weinten, weil sie ihre Gefühle und Ängste drinnen nicht zeigen wollten. Es war spannend und so ergreifend den einzelnen Schicksalen zuzusehen.
Plötzlich klingelte mein Telefon und ich kramte es aus meiner Tasche heraus.
>> Na du?<<
>> Es tut so gut mal wieder deine Stimme zu hören. Ich vermisse dich so sehr Sarah!<<
>> Ich dich auch. Wie geht es mit Shanghai voran? Kannst du morgen nach Hause?<<
>> Ich denke schon. Bisher sieht alles gut aus. Wie geht es deinem Bruder?<<
>> Unverändert. Er ist stabil, aber immer noch kritisch, weil er auch noch nicht aufgewacht ist.<<
>> Er wird es schaffen.<<
>> Nur wann...<< seufzte ich und schloss kurz die Augen.
>> Sein Körper muss sich erst erhol....<<
>> Na, wen haben wir denn da?<<
Die Stimme, die hinter meinem Rücken erklang, ließ mich zusammenfahren und sorgte dafür, dass mein Puls sich stark beschleunigte. Langsam ließ ich das Telefon sinken und hörte Ethan nicht weiter zu. Krampfhaft schloss ich die Augen, in der Hoffnung, dass es nicht wahr wäre, wenn ich nichts sah. Bevor ich mich langsam umdrehte, weil ich es einfach nicht wahrhaben wollte.
>> Wenn das nicht meine verlorene Tochter ist.<<
Sie grinste mich so widerlich und herablassend an, dass mir kalt und schlecht wurde. Sie hatte sich kaum verändert, außer, dass sie älter und noch dicker geworden war. Sie war auch jetzt noch einen ganzen Kopf größer als ich und wog bestimmt an die 140 bis 150 Kilogramm. Ihre grauen Haare waren ausgefranst, kaputt und fettig, etwas, dass ich überhaupt nicht mochte. Die Haut in ihrem Gesicht war stark gerötet, unrein und von kleinen Äderchen durchzogen, da sie jahrelang getrunken hatte und auch ihre Kleidung war abgetragen und verschmutzt. Zudem fehlten ihr einige Zähne, wobei die übriggebliebenen stark verfärbt, verfault und vollkommen kaputt waren.
>> Carolin.<< nickte ich in ihre Richtung. Ich versuchte so stark und ungerührt wie möglich zu erscheinen, allerdings wusste ich nicht, ob es funktionierte, da sie mich immer noch enorm einschüchterte. Meine Hand krampfte sich um das Telefon in meiner Hand, wo Ethan hoffentlich aufgelegt hatte.
>> Oh, du nennst mich also nicht mehr Mama?<<
>> Du warst nie meine Mutter und wirst es nie sein.<<
>> Das glaube ich kaum, immerhin habe ich dich widerliches Ding ja auf die Welt gebracht.<<
Und da war es wieder. Die Demütigungen begannen. Ich wusste, dass sie zu mir nicht freundlich sein konnte.
>> Das war auch das Einzige, was du gutes für mich getan hast.<<
>> Du bist immer noch so undankbar wie früher.<<
Ich schluckte meine Gefühle herunter, wobei das nicht einfach war, wenn einen die Vergangenheit auf so heftige Weise einholte.
>> Wenn du Sascha sehen willst, dann geh doch einfach rein und lass mich in Ruhe.<<
>> Da war ich schon. Ich wünschte du lägst dort an seiner Stelle. Genau wie ich damals gehofft hatte, du wärst an Marcos Stelle gestorben.<<
Es tat weh, auch wenn ich es nicht wollte. Aber, dass die eigene Mutter einem den Tod wünschte, war zu viel des Guten.
>> Da hast du nichts dazu zu sagen, oder? Wie lebt es sich denn mit der Schuld den eigenen Vater umgebracht zu haben?<<
>> Ich trage keine Schuld, er war krank.<<
>> Redest du dir das immer noch ein?<<
Sie kam nun mehrere Schritte auf mich zu, bis sie etwa einen halben Meter vor mir stehen blieb, wobei ich ihr nicht ausweichen konnte, da hinter mir die Fensterfront war.
>> Du hast ihn umgebracht Sarah und das obwohl er dich so sehr geliebt hat, du bist so ein undankbares Pack. Er hat nie verstanden, wie du wirklich warst. So aufmüpfig, unordentlich, hinterhältig, gemein, schäbig und widerlich. Auch dieser Julian hat es nicht verstanden, zunächst jedenfalls nicht, aber am Ende hat er die Kurve bekommen, nicht wahr? Hat gemerkt, dass du nicht gut genug bist.<<
>> Ich höre mir diesen Quatsch nicht mehr länger an.<<
Ich wollte gerade seitlich an ihr vorbeigehen, als sie mich zurückhielt und wieder in meine Ecke drängte. Ich kam mir so schwach und dumm vor. Ich war inzwischen 31 und keine 10 mehr, aber dennoch schaffte ich es nicht, mich gegen sie zu wehren.
>> Du bleibst hier, ich bin noch nicht fertig mit dir. Du hast mein Leben zerstört. Bist einfach abgehauen, obwohl ich dich gebraucht hätte. Es ging mir schlecht, weil du meinen geliebten Mann umgebracht hast und dann lässt du mich einfach so im Stich? Deine eigene Mutter, der du alles zu verdanken hast? Ich hätte dich wirklich die Treppe hinunterwerfen sollen oder besser noch verkaufen sollen, dann wärst du wenigstens zu etwas gut gewesen.<<
>> Damit du noch mehr Alkohol hättest kaufen und versaufen können?<<
Mit dieser Bemerkung riss ich mich von ihr los und versuchte an ihr vorbeizugehen, als mich auch schon ihre Faust an meiner linken Wange mit aller Härte traf. Ich stolperte über ihren Fuß und knallte mit meinem rechten Augenbraue auf die Ecke vom Tisch im Aufenthaltsraum auf. Das Telefon flog mir aus der Hand, während ich schmerzerfüllte Laute von mir gab.
>> Den brauchte ich nur, um dich zu ertragen, weil du nüchtern so hässlich und ekelerregend bist.<< schrie sie mich an, während ich mir das Auge zuhielt.
>> Na dann sollte ich mich vielleicht auch mal bei dir betrinken.<<
Es war das erste Mal seit 31 Jahren, dass ich den Mut hatte ihr Contra zu geben und auch wenn ich das mit weiteren, heftigen Fußtritten auf meinen Körper einbüßte, war es mir das Wert, da ihr Blick bei meinen Worten Gold wert war.
>> Du widerliches kleines Drecksstück, du Hure.<<
>> Wie die Mutter so die Tochter.<< presste ich schmerzerfüllt hervor, während ich mich vor Schmerzen krümmte.
>> Hey!<<
Zwei Männer rissen sie von mir herunter, wobei ich nicht mehr viel sehen konnte, da mir das Blut aus der Wunde am Tisch ins Auge lief und ich langsam das Bewusstsein verlor.
>> Sarah?<<
>> Mhm.<<
>> Öffne die Augen.<<
Ich versuchte es, wobei ein Schmerz durch mein Gesicht fuhr, der mehr als unangenehm war. Ich erinnerte mich an die Schläge meiner Mutter und daran, wie ich gestern schon kurz aufgewacht war und in ein Zimmer zur Beobachtung für die Nacht gebracht worden war.
Ich schaute zur Seite und sah Sebastian neben mir, der besorgt auf mein Gesicht starrte.
>> Wie geht’s dir?<<
>> Tut ein bisschen weh, aber das geht schon.<<
>> Die Polizei ist da und möchte gerne mit dir reden.<<
>> Wieso?<<
>> Naja, weil unsere Mutter dich gestern angegriffen hat und wir sie nur schwer von dir wegbekommen haben?<<
>> Hast du ihnen das erzählt?<<
>> Natürlich.<<
Verdammt, ich wollte sie nicht anzeigen, wollte nicht noch einmal etwas mit ihr zu tun haben. Ich wollte einfach nur meine Ruhe vor ihr haben, wem nützte es, wenn ich sie anzeigte? Dann bekam sie eine Geldstrafe und das war es. Das brachte rein gar nichts.
>> Wie geht es Sascha?<<
>> Unverändert. Also, dann hole ich die Polizisten mal herein.<<
Ich setzte mich im Bett weiter auf, wobei ich meine Rippen nur leicht spürte. Ich musste bei dem Gedanken lächeln, dass sie schon mal härter zuschlagen und zutreten konnte und dass sie sicher nicht zufrieden mit ihrer Leistung war und schon gar nicht, wie ich ihr Contra gegeben hatte, was sie bisher noch nie von mir gekannt hatte.
>> Frau della Rossa?<<
>> Ja.<<
>> Wie geht es Ihnen?<<
>> Mit ein paar Schmerztabletten sicherlich ganz gut.<<
Er lächelte aufmunternd, bevor er seinen Notizzettel hob.
>> Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen, wenn Sie schon so weit sind.<<
>> Ich möchte sie nicht anzeigen.<<
>> Wie bitte?<<
>> Ich möchte und ich werde sie nicht anzeigen.<<
>> Überlegen Sie sich das bitte noch mal ganz genau, immerhin war das eine erhebliche Körperverletzung.<<
>> Mein Entschluss steht fest.<<
>> Sie wissen aber, dass...<<
>> Bitte lassen Sie es. Ich werde sie definitiv nicht anzeigen. Sie ist meine Mutter und das bringt eh nichts. In ein paar Tagen bin ich wieder in Australien und dann kann sie mir eh nichts mehr anhaben. Also wozu der Stress?<<
>> Sind Sie sich ganz sicher?<<
>> Das bin ich.<<
Er nickte ungläubig, als ob er gerade ein neues Weltwunder entdeck hätte, während sein Kollege schon zur Tür ging.
>> Falls Sie es sich doch noch anders überlegen Frau della Rossa. Hier ist meine Nummer.<<
>> Danke.<<
Als die Männer verschwunden waren, stand ich auf und zog meine Sachen wieder an, die auf dem Stuhl neben meinem Bett lagen.
Als ich in den Spiegel sah, erschrak ich kurz bei meinem Anblick. Meine rechte Augenbraue war genäht worden und nun mit Pflasterstrips gehalten, während mein linkes Auge blau unterlaufen war, was sich bis zur Augenbraue hochzog. Immerhin war nichts stark geschwollen. Als ich mein Shirt hob, sah ich auch die blauen Flecken an meinem Brustkorb. Die ganze linke Seite, die zu ihr gezeigt hatte, war bedeckt davon. Schnell zog ich das Top wieder herunter und machte mich frisch.
Als ich endlich aus dem Bad kam, standen schon Simon und Sebastian wütend vor mir.
>> Das ist nicht dein Ernst, oder?<<
>> Das ich aufgestanden bin? Ich dachte das dürfte ich.<<
>> Nein, dass du sie nicht anzeigst.<<
>> Ihr wisst doch, wie das läuft. Es macht jede Menge Arbeit und am Ende kommt da nichts bei heraus. Ich will das einfach vergessen. Was bringt es mir, wenn sie eine Geldstrafe bekommt, ich aber dafür wieder an all die Dinge aus meiner Kindheit erinnert werde? Ich möchte es einfach nicht. Wenn Sascha wieder aufgewacht ist und es ihm besser geht, werde ich zurück nach Brisbane gehen und sehe sie nie wieder.<<
>> Aber...<<
>> Simon bitte.<<
Die Tür ging auf und ein Pfleger schaute kurz herein.
>> Sind Sie die della Rossas?<<
>> Ja.<<
>> Ihr Bruder ist aufgewacht.<<
Sofort stürmten wir zur Intensivstation und zogen uns in Rekordgeschwindigkeit um. Durch den Mundschutz und die Haube für die Haare, konnte ich meine Blessuren relativ gut verstecken, was mich ungemein erleichterte.
Eine Schwester führte uns zu seinem Zimmer und ermahnte uns nur ganz leise zu sprechen, ihn nicht unter Stress zu setzen und nicht länger als fünf Minuten zu bleiben, da er immer noch viel Ruhe brauchte.
Wir verteilten uns um sein Bett, wobei ich am weitesten von ihm entfernt stehen blieb, falls man doch etwas von den blauen Flecken sehen konnte.
>> Hi Sascha.<< begrüßte ihn Simon vorsichtig.
>> Hey.<<
>> Endlich bist du wieder da, du hast uns einen riesigen Schrecken eingejagt.<<
>> Sorry.<<
>> Wie geht’s dir denn?<<
>> Bescheiden.<<
Wir lachten leise, weil er sich trotz dieses gewaltigen Unfalls immer noch so um seine korrekte Sprache bemühte. Er schaute sich ein wenig im Raum um und erblickte zuerst Sebastian an und dann mich.
>> Hi Seb.<<
>> Hi Großer.<<
>> Und wer ist diese schöne Frau da hinten, die sich so versteckt?<< krächzte er ein wenig undeutlich, da ihn das Sprechen noch ein wenig anstrengte.
>> Hi Großer. Hier ist die Flüchtige aus Australien.<<
Er versuchte ein wenig zu Lächeln. Ich trat ein wenig näher, um seine Hand zu drücken und ihm näher zu sein.
>> Sarah Liebes.<<
>> Schön, dass du wieder da bist.<<
>> Einer muss ja auf dich aufpassen.<<
Kurz stockte mir der Atem, bis mir bewusst wurde, dass er nichts wissen konnte. Auch den anderen beiden war nicht entgangen, wie Recht er eigentlich hatte.
>> Bist du nur wegen mir hergekommen?<<
>> Für dich fliege ich überall hin, das solltest du wissen.<<
>> Und deine Arbeit?<<
>> Die muss warten. Du bist mir wichtiger.<<
>> Sie hat die letzten Tage hier im Krankenhaus auf einer Besucherbank geschlafen, weil wir sie nicht von dir wegbekommen haben.<< mischte sich Sebastian ein, während Sascha vorsichtig lächelte.
>> Du bist verrückt.<<
>> Mhm. Ich liebe dich viel zu sehr, als dass ich irgendwo Däumchen drehen könnte.<<
>> Sie müssen jetzt leider wieder gehen, er muss sich ausruhen.<< unterbrach uns eine Schwester, die hereinkam und einige Monitore überprüfte.
>> Dann schlaf gut, wir kommen heute Abend noch einmal wieder.<<
>> Ist gut.<<
Als wir über den Flur der Intensiv gingen, öffneten sich kurz die Türen nach draußen, wo ich Ethan erblickte. Abrupt blieb ich stehen und starrte ihn gefühlte fünf Minuten an, bevor sich die Türen wieder schlossen.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.