Kitabı oku: «Herzstolpern», sayfa 6

Yazı tipi:

„Natürlich.“ Sie verdreht die Augen. „Das einzige, was man sich auf Netflix anschauen kann.“

„Hm.“ Mehr sage ich nicht. Kann ich auch gar nicht, ich habe nämlich kein Netflix. Eigentlich schaue ich auch sehr selten Fernsehen. Genau genommen, seit mir alles Angst macht. Actionfilme, weil sie oft brutal sind. Liebesfilme, weil man da manchmal weinen muss. Und Komödien, weil ich Angst habe, dass ich beim Lachen ersticke. Und das ist jetzt ganz und gar nicht komisch.

„Du bist doch nicht etwa eine von den altmodischen Tanten, die Fernsehen verbieten?“ Sie betrachtet mich argwöhnisch.

„Nein… Nein! Du kannst gerne Fernsehen so viel du willst, so lange ich nicht mitschauen muss…“

Ihr Gesichtsausdruck sagt mir ganz deutlich, dass sie darauf auch keinen gesteigerten Wert legt. Ich fühle mich unter ihrem Blick extrem unwohl, weshalb ich die Flucht nach vorne starte.

„Wir könnten heute Abend Essen gehen. Ich habe nichts zum Abendessen vorbereitet und es wäre doch ganz nett, um deine neue Heimat kennenzulernen.“

„Okay.“

Enthusiastisch ist etwas anderes, so viel ist klar. Dennoch nehme ich es als gutes Zeichen, dass sie nicht sofort dankend abgelehnt hat.

„Wie wäre es um sieben?“

Charlotte nickt nur und ich trete den Rückzug an. Auf dem Weg nach unten wird mir klar, was ich gerade getan habe. Wie konnte ich Charlotte nur fragen, ob sie mit mir Essen gehen möchte? Hatte ich so fest angenommen, dass sie ablehnen würde? Eigentlich nicht, ich hatte ja sogar gehofft, dass sie mein Angebot annehmen würde. Ich muss diesen mutigen Vorstoß als einen Augenblick geistiger Umnachtung einstufen.

Mir bricht augenblicklich der Schweiß aus, in der Küche werfe ich einen hektischen Blick auf die altmodische Uhr, die über der Tür hängt. Ich habe noch eine Stunde Zeit, um mich seelisch darauf einzustellen, dass ich das Haus verlassen muss. Fieberhaft denke ich darüber nach, wohin ich mit Charlotte gehen kann. Das Dalriada wäre naheliegend, aber sie haben freitags kein Essen, außerdem weiß ich nicht so recht, ob ich Lust habe diesem Kieran schon wieder zu begegnen. Zur Beruhigung sollte ich mir vielleicht einen Kamillentee aufbrühen, aber irgendwie bringe ich nicht mal das zustande. Stattdessen tigere ich im Erdgeschoss auf und ab und überlege fieberhaft, wie ich mein Dilemma lösen kann. Denn eines ist klar: ich kann auf keinen Fall in einem Restaurant sitzen, wenn ich innerlich so aufgewühlt bin. Vermutlich hält es mich keine fünf Minuten auf meinem Stuhl.

Charlotte ist pünktlich, was ich ihr hoch anrechne. Ich habe schon viele Schüler erlebt, die es damit nicht so genau nehmen und nur die Augen verdrehen, wenn man sie darauf hinweist, dass der Unterricht nicht erst dann anfängt, wenn sie sich bequemen zu erscheinen. Sie trägt immer noch das überdimensionierte T-Shirt und schwarze Skinnyjeans, das lange schwarze Haar hat sie allerdings mit einem Haargummi zu einem nachlässigen Dutt gebunden und ihre hübschen Augen umrahmt schwarzer Kajal, den sie eigentlich gar nicht nötig hat. Charlotte gehört zu jenen bewundernswerten Mädchen, die auch ohne Make-up hübsch sind.

„Ähm…“ Jetzt, da sie sich extra hergerichtet hat, ist es mir ein wenig peinlich, ihr meinen Plan zu unterbreiten. „Ich dachte, wir holen uns etwas vom China Express, der ist direkt am Strand. Dann nehmen wir unsere Sachen und machen ein Picknick am Meer.“

Ich halte eine Picknickdecke in die Höhe, sowie einen Kühlkorb, den ich irgendwo als Werbegeschenk bekommen habe und in dem nun Getränke, Pappbecher und Teller liegen.

„Cool“, meint Charlotte zu meiner Überraschung, fügt dann aber noch hinzu: „Nicht, dass ich besonders auf so einen Kitsch stehen würde, wie ein Picknick am Meer. Aber noch weniger mag ich es, wenn mich Leute in einem Restaurant anstarren.“

Ich weiß ganz genau, was sie meint. Ich meine, nicht dass ich so auffällig wäre, dass man mich immer und überall anstarren würde, aber manchmal kommt es mir gerade in Restaurants so vor. Vielleicht, wenn die Leute zwischen den Gängen nichts zu tun und mit ihrem Gegenüber nichts zu reden haben.

„Okay“, sage ich erleichtert. „Ich hatte gehofft, dass du die Idee gut finden würdest.“

Als wir aus der Haustür treten, spüre ich, wie sich mein Herzschlag beschleunigt. Aber dann werfe ich einen Blick auf Charlotte, die für einen Moment ziemlich verloren aussieht, als sie sich in der ihr unbekannten Umgebung umsieht und plötzlich wird mir klar, dass ich ihr unmöglich zeigen kann, wie unsicher ich bin. Also straffe ich die Schultern und laufe los, mein Schützling folgt mir zögernd.

„Hat hier kein Geschäft mehr geöffnet?“, fragt sie überrascht, als wir die High Street entlanggehen.

Gegen Newcastle muss ihr alles hier wie ein verschlafenes Nest vorkommen, denke ich.

„Sorry, in Portobello klappen sie die Gehsteige schon ziemlich früh hoch. Ich glaube, einzig die Supermärkte haben noch offen.“

Ich zucke entschuldigend die Achseln, als ich mich nach ihr umdrehe und füge an: „Aber mit dem Bus ist es nicht weit ins Stadtzentrum von Edinburgh.“

Um mich ein wenig von meiner Nervosität abzulenken, zeige ich ihr auf unserem Weg die Bushaltestellen und erkläre ihr den Fahrplan. Ich bin zwar seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr Bus gefahren, aber ich weiß immer noch, welcher wohin fährt. Charlotte sagt nichts zu meinen Erläuterungen, aber ich registriere, dass sie mir aufmerksam zuhört.

Beim China Express angekommen, frage ich sie, was sie gerne mag und gemeinsam studieren wir die Karte. Da wir uns nicht so wirklich entscheiden können, bestellen wir einfach vier verschiedene Hauptgerichte, zwei Suppen und gebackene Bananenbällchen. Genaugenommen bestelle ich, Charlotte murmelt nur hin und wieder etwas, das ich als Zustimmung auffasse.

„In einer Viertelstunde fertig“, informiert uns der nette asiatische Verkäufer mit einem Lächeln, während sein Zeigefinger energisch auf seine Uhr ein piekt.

„Komm, lass uns so lange noch ein wenig nach draußen gehen“, schlage ich vor.

Mein Herz rast, ganz egal, ob wir weiter im China Express bleiben, oder ein wenig am Strand bummeln. Unauffällig reibe ich meine verschwitzten Handflächen an meiner Jeans ab, zwinge mich, regelmäßig ein und aus zu atmen. Meine größte Sorge ist, dass Charlotte auffallen könnte, dass etwas mit mir nicht in Ordnung ist.

Doch darüber hätte ich gar nicht weiter nachdenken müssen, denn Charlottes Interesse an mir ist doch eher bescheiden. Kaum sind wir aus der Tür des Takeaway getreten, steuert sie auch schon zielstrebig auf die Promenade zu, wo sie sich auf eine Mauer setzt, die Beine baumeln lässt und auf das Meer hinaus guckt. Seufzend folge ich ihr und setze mich neben sie.

„Gefällt es dir?“

„Ich sagte ja schon, dass ich nicht viel für den Strand übrig habe.“

„Naja, ich kann auch nicht behaupten, dass ich zu den Menschen gehöre, die den ganzen Tag hier verbringen können. Aber auf das Meer zu schauen und dem Rauschen der Wellen zu lauschen, hat etwas Faszinierendes.“

Tatsächlich entschleunigt es mich ein wenig hier zu sitzen und die Wellen zu beobachten, die sanft über den Strand hinwegspülen. Die Sonne steht schon sehr tief zu unserer Linken, als wolle sie das Wasser küssen und der Himmel färbt sich langsam orange. Ich schließe die Augen und strecke mein Gesicht der untergehenden Sonne entgegen. Ich habe keine Ahnung was Charlotte macht, aber sie rennt zumindest nicht weg, sondern bleibt einfach neben mir sitzen und so verharren wir einträchtig, bis die Viertelstunde um ist. Zumindest ist sie das, als ich die Augen wieder öffne und auf die Uhr schaue.

„Ich hole die Sachen alleine ab“, bietet sich Charlotte an, dabei deutet sie auf das Haus am Eck, in dem der China Express ist. „Du könntest ja schon mal die Picknickdecke ausbreiten und die Getränke rausholen.“

Ich muss vor Überraschung über ihre bereitwillige Hilfe den Mund offenstehen gelassen haben, denn sofort setzt sie mürrisch hinzu, dass sie jetzt wirklich schon Hunger und Durst habe. Dann schwingt sie ihre langen, schlanken Beine über die Mauer und läuft den kurzen Weg die Promenade entlang. Ich schnappe mir meinen Kühlkorb und die Decke, rutsche von dem Vorsprung direkt in den Sand hinunter und gehe einige Schritte nach links und dann Richtung Wasser, ehe ich mich dort ausbreite. Ich kann nur hoffen, dass uns kein Ball ins Essen fällt, denn wie immer gehen hier viele Hundehalter mit ihrem Vierbeiner spazieren und gefühlt jeder hetzt hinter einem Tennisball her.

Als Charlotte zurückkommt, habe ich ihr bereits einen Pappbecher hingestellt und präsentiere eine Auswahl an Getränken, von denen ich denke, dass Jugendliche sie mögen: Cola, Tizer und Irn-Bru. Alles sehr ungesund und alles dafür gedacht, dass sich Charlotte wohlfühlt. Zumindest heute mal. Die nächsten Tage kann ich dann sanft auf Wasser umsteigen, was mir persönlich sowieso am Liebsten ist. Sie setzt sich, wir packen unser Essen aus. Alles geschieht schweigend, aber das ist durchaus nicht unangenehm.

„Scheiße!“, entfährt es mir, ich schlage sofort die Hand vor den Mund, aber es ist ja schon draußen.

Charlotte zieht die Augenbrauen hoch, grinst dann aber. Das erste Lächeln, das ich von ihr sehe. Naja… Oder zumindest etwas in diese Richtung.

„Was ist los?“

„Ich habe das Besteck vergessen.“ Sofort beginnt mein Puls zu rasen, mir bricht der Schweiß aus.

„Vielleicht hat der Takeaway Plastikbesteck.“, schlägt Charlotte vor.

„Nein, das hat er nicht.“ Ich stöhne über meine eigene Dummheit. „Ich werde nach Hause laufen und es holen.“

Allein der Gedanke ist schon beängstigend. Hierher zu kommen war eine Herausforderung, ich hatte mich gerade ein wenig akklimatisiert und mit der Situation angefreundet. Und dann das…

„Kann man euch irgendwie helfen?“

Ein Schatten taucht plötzlich über uns auf. Ich blicke gehetzt auf und sehe geradewegs in die blitzenden blauen Augen von Kieran, dem Barkeeper aus dem Dalriada.

„Nein“, gebe ich automatisch zurück und rapple mich hoch. „Außer, du hast zufällig Messer, Gabel und Löffel einstecken.“

„Ausgerechnet heute habe ich mein Besteck zu Hause gelassen“, gibt er schlagfertig zurück. „Sonst habe ich es ja immer dabei…“

„Schon gut.“, murmele ich.

„Ich warte hier“, meint Charlotte unbekümmert, nimmt sich die Bananenbällchen und beißt von einem ab. Die kann man ja auch super als Fingerfood essen.

„Vielleicht kann ich euch ja trotzdem helfen, obwohl ich den Besteckkoffer ausnahmsweise mal daheim gelassen habe“, mischt sich Kieran ein. Mit dem Daumen deutet er hinter sich ein Stück die Promenade hinunter. „Ich könnte euch Messer, Gabel und sogar Löffel aus dem Dalriada borgen.“

Ich sehe ihn an, etwas verunsichert, ob sein Vorschlag ernst gemeint ist. Kieran hebt fragend die dunklen Augenbrauen.

„Das wäre wirklich total nett“, bringe ich gerade so raus. Um mich dreht sich schon wieder alles, mein Herz macht seltsame kleine Aussetzer.

„Bin gleich wieder zurück.“ Er zwinkert mir zu, dann joggt er lässig durch den Sand davon.

Erst als ich ihm nachsehe, fällt mir auf, dass er eine Sporthose und ein T-Shirt trägt und eine leuchtendrote Wasserflasche in der Hand hält, die beim Laufen vor und zurück schwenkt. Ganz offensichtlich ist er einer dieser Sportfreaks, die jeden Abend hier an der Strandpromenade ihre Runden drehen.

„Wer war das denn?“, fragt Charlotte neugierig zwischen zwei Bissen Bananenbällchen.

Ich lasse mich wieder zu ihr auf die Picknickdecke sinken, kann aber nur die Achseln zucken und Charlotte lässt es dabei bewenden.

Charlotte

Auch wenn Lauren so tut, als würde sie diesen Typen nicht kennen und mir nicht antwortet, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie ihm nicht zum ersten Mal begegnet. Ich mag ja erst fünfzehn sein, aber sicher nicht dumm. Aber wenn mir Lauren nichts erzählen möchte, ist das ihre Sache. Ich kann gut verstehen, wenn man über seine Angelegenheiten nicht sprechen will.

Als er wieder zurückkommt, wirft er mir ein Bündel Besteck zu, das in eine Serviette eingeschlagen ist, dann lässt er sich unvermittelt zu uns auf die Picknickdecke nieder. Ich rutsche ein wenig von ihm ab, schließlich kenne ich ihn ja gar nicht. Laurens Blick ist Gold wert, sie starrt diesen Typen so entgeistert an, als hätte er sich gerade vor aller Augen entblättert.

„Als Lohn für meine Mühen könnte ich vielleicht einen Happen ab haben“, schlägt er grinsend vor.

Laurens Augen flackern unruhig, aber sie nickt nur zustimmend und jetzt bin ich mir ganz sicher, dass sie ihn kennt, denn niemand würde einfach einen Wildfremden mitessen lassen. Vielleicht ist Lauren aber auch einfach nur durchgeknallt, was ich gar nicht für so unwahrscheinlich halte, denn sie ist die einzige Erwachsene, die ich kenne, die nicht furchtbar nervig ist.

„Ich bin Kieran“, stellt sich der Typ vor und hält mir eine Hand hin.

„Charlotte“, antworte ich, schlage jedoch nicht ein. Ohne mit der Wimper zu zucken zieht er seine Hand zurück und ignoriert mein Benehmen.

Tatsächlich hat dieser Kieran von jedem Besteckteil drei Stück eingepackt, als hätte er bereits fest damit gerechnet, dass Lauren ihn mitessen lässt. Schweigend reiche ich ihm Messer, Gabel und Löffel. Ich bin wirklich hungrig, weshalb ich ohne nachzudenken einfach anfange zu essen. Normalerweise würde ich das nicht tun – in der Öffentlichkeit, mitten am Strand. Zuhause wäre es mir unendlich peinlich im Gosforth Park mit meinen Eltern zu picknicken – obwohl das fast jeder aus der Gegend tut -, hier aber kennt mich niemand und das Essen ist wirklich total lecker. Auch Kieran greift zu, doch plötzlich hält er inne und betrachtet Lauren, die wie versteinert dasitzt.

„Hast du denn gar keinen Hunger?“, fragt er. „Oder esse ich dir irgendwas weg?“

Angesichts der vielen Gerichte die vor uns stehen, ist das eine ziemlich dumme Frage, wie ich finde.

„Nein, nein.“ Sie schüttelt den Kopf, blinzelt, als würde sie gerade aus einem Traum erwachen. „Ich glaube, ich habe keinen Appetit.“

Lauren hat bereits zum Tee nichts gegessen. Es ist mir aufgefallen, weil ich neben ihr gesessen bin. Sie müsste also längst Hunger haben. Es sei denn, sie ist eine dieser Frauen, die mit praktisch nichts zu essen auskommen, wie meine Mum. Die ist ständig auf irgendeiner Diät. So sieht Lauren aber gar nicht aus. Nicht, dass sie dick wäre, aber so spindeldürr und durchtrainiert wie Mum ist sie nicht. Ich bin mir sicher, dass sich Mum dafür, dass sie heute Kuchen gegessen hat, morgen nur noch von Gemüserohkost ernähren wird. Dafür ist Lauren aber ganz und gar nicht der Typ – und das ist jetzt echt nicht böse gemeint. Ihre Figur ist einfach nur völlig normal.

„Störe ich euch vielleicht?“ Jetzt guckt Kieran ziemlich schuldbewusst, als wäre ihm gerade erst klar geworden, dass er sich uns im Grunde genommen regelrecht aufgedrängt hat.

Lauren schüttelt den Kopf, sodass ihre roten Locken um sie herum wogen. Ihr Gesicht ist ganz bleich, ihre Sommersprossen stechen richtig hervor. Sie sieht aus, als wenn ihr übel wäre. Kein Wunder, wenn man nie etwas isst, deswegen schiebe ich ihr vorsichtshalber ein bisschen Hühnchen süß-sauer rüber.

„Vielleicht solltest du mal was essen“, schlage ich vor, was ich ziemlich nett von mir finde. Eigentlich viel zu nett für meine Verhältnisse. „Du siehst irgendwie gar nicht gut aus.“

„Ist dir etwa schon wieder schlecht?“, fragt Kieran und fährt sich nachdenklich über das stoppelige Kinn.

Jetzt ist also ganz klar, dass sie sich irgendwoher kennen. Und dass Lauren bei dieser Begegnung wohl schlecht war. Ob das bei ihr öfter der Fall ist? Vielleicht ist sie todkrank und Mum weiß nichts davon. Sie hätte mich ganz sicher nicht zu einer Verwandten gegeben, die kurz vorm Sterben ist, wenn sie davon gewusst hätte, auch wenn sie mich momentan vielleicht nicht besonders leiden kann und ganz allgemein nicht die Umsichtigste aller Mütter ist.

„Es geht mir gut.“ Lauren wedelt abwehrend mit den Händen, sieht aber ganz und gar nicht so aus.

„Tief durchatmen“, rät Kieran, dabei legt er eine Hand vertraulich auf Laurens Schulter.

Sie sieht ihn zwar ziemlich verschreckt an, leistet seiner Anweisung aber Folge. Ich beobachte, wie sich ihr Brustkorb langsam hebt und senkt. Nach wenigen Atemzügen bekommt ihr Gesicht wieder eine rosige Farbe, soweit das bei ihrem blassen Teint überhaupt möglich ist. Sie schließt die Augen, atmet noch einmal tief ein und aus, dann öffnen sich ihre Lider und sie sieht diesen Typen und mich an, als hätte sie völlig vergessen, dass wir auch noch da sind.

„Es tut mir leid“, sagt sie an mich gewandt. „Mir ging es gerade nicht so gut, aber jetzt ist es besser.“

„Vielleicht solltest du dich an den Rat deiner Tochter halten und etwas essen“, schlägt Kieran vor.

Sowohl Lauren als auch ich sehen ihn verdutzt an, dann breche ich gegen meinen Willen in lautes Gelächter aus. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gelacht habe und eigentlich will ich es auch gar nicht. Aber alleine die Vorstellung, jemand könnte ernsthaft denken, dass Lauren und ich Mutter und Tochter sind, ist völlig abwegig.

Es ist ungewohnt, dieses Glucksen in mir aufsteigen zu spüren und mein lautes Lachen klingt seltsam fremd in meinen eigenen Ohren, fast ein wenig eingerostet. Und als ich Laurens entsetztes Gesicht sehe, muss ich noch mehr lachen, bis mir die Tränen aus den Augen laufen und da fällt sie in mein Gelächter mit ein. Doch irgendetwas scheint sie dabei zurückzuhalten, denn sie unterdrückt das Lachen ziemlich schnell wieder und schluckt heftig, als wolle sie es zurück in den Körper zwingen. Ich beherrsche mich ebenso. Es ist mir fast peinlich, dass ich so laut und heftig gelacht habe. Kierans Blick wandert verwirrt von mir zu Lauren und wieder zurück.

„Entschuldige“, sagt Lauren und hält die Hand an den Brustkorb, als könne sie so ihr Lachen im Zaum halten. „Wir wollten dich sicher nicht auslachen.“

„Schon gut.“ Kieran macht eine wegwerfende Handbewegung und schmunzelt. „Aber klärt mich doch mal auf, was denn so lustig an meiner Bemerkung war.“

„Sehe ich etwa aus wie ihre Tochter?“, werfe ich patzig ein. „Außerdem hätte sie mich dann mit achtzehn Jahren oder so bekommen.“

„Was es ja durchaus gibt“, bemerkt Kieran trocken.

„Gott bewahre!“ Lauren verdreht die Augen in gespieltem Entsetzen. „Meine Mutter hätte mich gesteinigt, wenn ich in dem Alter in Dumfries mit einem dicken Bauch rumgelaufen wäre. Unverheiratet schwanger? Gar nicht gut.“

Als sie Kieran über unser Verwandtschaftsverhältnis aufklärt, fragt dieser nicht, warum ich hier bin. Vielleicht kommt es ihm auch gar nicht seltsam vor. Vielleicht denkt er, ich bin nur übers Wochenende auf Besuch. Auf alle Fälle bin ich dankbar, dass er nicht nachfragt und Lauren ihm auch von sich aus nichts darüber erzählt, dass ich bei ihr wohne, weil ich von der Schule geflogen bin.

Ich beobachte, wie ungezwungen Lauren mit ihm plaudert. Anders als noch am Nachmittag mit ihren Eltern und Mum und Dad, da schien sie ständig unter Strom zu stehen. Auch als wir gemeinsam an den Strand gingen, wirkte sie alles andere als entspannt. Aber als Kieran von seinem kleinen Neffen erzählt, auf den er ab und zu aufpasst, fängt sie sogar zu essen an, obwohl sie doch behauptet hat, keinen Appetit zu haben.

Ich höre ihnen nur zu, ziehe die Wan-Tan-Suppe zu mir her und löffle sie hungrig aus. Es ist kein so schlechter erster Abend, auch wenn ich für den Strand immer noch nicht viel übrig habe. Besonders nicht, da immer wieder neugierig schnüffelnde Hunde an unsere Picknickdecke getrabt kommen. Ich liebe Hunde, nur nicht gerade an meinem Essen. Ein besonders aufdringlicher schwarzer Labrador kommt mir sogar ziemlich nahe und obwohl ich keine Angst vor ihm habe, weiche ich instinktiv zurück.

„Komm her, Frodo“, ruft ein Junge, der ungefähr in meinem Alter ist, und nickt mir entschuldigend zu. Er ist mit ein paar Jungs unterwegs, die lautstark lachen und in meine Richtung sehen.

Sofort drehe ich mich weg. Mir wird wieder bewusst, dass gar nichts hier gut ist. Auch hier gibt es eine Schule, auf die ich ab September gehen soll. Und auch hier gibt es Schüler, zu denen ich irgendwie nicht richtig passen werde. Nichts wird sich jemals verändern.

₺175,71

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
550 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783753192536
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre