Kitabı oku: «Herzstolpern», sayfa 7

Yazı tipi:

Lauren

Kieran besteht darauf, uns nach Hause zu begleiten.

„Musst du denn gar nicht ins Dalriada?“, frage ich, aber dann sehe ich an seiner Sportkleidung hinunter und komme mir mal wieder ziemlich doof vor. Ganz offensichtlich war er zum Joggen am Strand, als er auf uns stieß und mich aus meiner misslichen Lage gleich auf mehrere Arten rettete.

„Dieses Wochenende habe ich frei.“

„Schön.“ Mehr fällt mir dazu leider nicht ein. Ich packe hastig unsere Sachen zusammen und verfluche mich innerlich, weil ich nicht an eine Mülltüte für unseren Abfall gedacht habe. Hoffentlich wird der Korb nicht total dreckig von den leeren Schalen mit klebrigen Soßenresten und sirupartigem Honig von den Bananenbällchen. Das mit dem Picknick muss ich wohl noch ein paar Mal üben.

Ich werfe einen verstohlenen Blick auf Kieran, der sich damit abmüht, die Picknickdecke wieder so zu falten, wie sie ursprünglich war – ein nicht ganz so einfaches Unterfangen. Irgendwie sieht sie am Ende aus wie eine Wurst, die er hastig mit dem Klett verschließt, damit sie sich nicht wieder entrollt.

Wenn ich so neben ihm stehe, ist er ungefähr einen Kopf größer als ich. Sein muskulöser Oberkörper zeichnet sich unter dem enganliegenden olivfarbenen Shirt ab, das er zu seiner schwarzen Sporthose trägt. Er wuschelt sich durch das dunkle Haar, als er mir das Würstchen im Schlafrock überreicht, das er fabriziert hat.

„Besser habe ich es nicht hinbekommen.“

„Das musst du allerdings noch etwas üben“, gebe ich kritisch zurück, dabei lächele ich aber.

„Wenn sich die Gelegenheit dazu nochmal ergibt…“

Er lässt den Satz zwischen uns hängen, als hoffe er, ich würde ihn aufgreifen. Was ich nicht tue. Auch wenn ich mich in seiner Gegenwart mit der Zeit unglaublich entspannt habe und froh bin, dass er uns noch bis zu mir nach Hause bringt, habe ich kein Interesse daran, ihn nochmal zu treffen. Ich bezweifle, dass ich den Nerv habe einen Mann in mein chaotisches Leben einzuweihen. Mir reicht Charlotte, die während des ganzen Essens sehr schweigsam war.

Ihren Lachanfall habe ich allerdings nicht vergessen. Es war schön zu sehen, dass dieses Mädchen, das ich als verschlossen kennengelernt habe und das mir als äußerst schwierig beschrieben wurde, so fröhlich sein kann. Und es tut mir sehr leid, dass ich ihr Lachen beendet habe, denn das habe ich sehr wohl wahrgenommen. Als ich anfing mein eigenes Lachen zu unterdrücken, weil es mir Angst macht, wenn ich meinen Körper scheinbar nicht mehr unter Kontrolle habe, hörte sie schlagartig auf.

„Ich kann den Korb tragen“, bietet sich Kieran an und nimmt ihn mir kurzentschlossen aus der Hand. Das hat etwas von einem altmodischen Gentleman aus einem Jane Austen Roman, der den Korb für das Sonntagspicknick mit einer feinen, tugendhaften Lady trägt, was mir ein zaghaftes Lächeln entlockt.

Als wir uns auf den Weg nach Hause machen, sind wir alle ziemlich schweigsam. Ich bin damit beschäftigt meinen Atem zu kontrollieren, außerdem überlege ich fieberhaft, warum Kieran so nett zu mir ist. Ich meine, ich habe ihn nicht dazu ermuntert oder so. Und er gehört ganz sicher nicht zu den Männern, die es nötig haben einer Frau hinterher zu rennen. Schon gar nicht einer, die ihm keinen Anlass gibt zu denken, dass sie auf ihn steht. Ich kann ihn aber unmöglich danach fragen, deswegen brüte ich schweigend vor mich hin.

„Wo wohnst du?“, fragt er schließlich, als wir in die Brunstane Road einbiegen.

„Wir sind gleich da.“ Ich zeige die Straße hinunter auf mein Haus. „Und du?“

„In der Nähe der Portobello High School, in der Hope Lane. Ein ziemlich hässlicher Klotz, im Gegensatz zu den netten Reihenhäusern hier unten am Strand.“ Er wirft einen bewundernden Blick auf die Reihe alter Gebäude.

„Vielleicht kennst du das Haus ja.“, meint Kieran an Charlotte gewandt, die hinter uns her trottet, als würde sie nicht dazu gehören.

Sie hat sich wieder vollständig in sich zurückgezogen, aber das kann ich ihr auch nicht verdenken. Kieran bleibt nun stehen, wartet auf eine Antwort, die ihm Charlotte aber schuldig bleibt.

„Charlotte geht nicht auf die Portobello High School“, werfe ich rasch ein, um die Situation für sie angenehmer zu gestalten. Sie sollte sich einem völlig Fremden nicht erklären müssen.

„Oh! Ich dachte, du wohnst mit deinen Eltern auch hier in der Gegend.“

„Sie kommt aus Newcastle upon Tyne.“

„Wow! Schöne Stadt. Man kann dort richtig gut weggehen“, kommentiert Kieran bloß und ich bin froh, dass er auf das Thema nicht weiter eingeht.

Vor meinem Gartentor bleibe ich stehen, mache eine Handbewegung zu meinem Häuschen und murmele etwas wie: „Et voilà!“, komme mir danach aber gleich albern vor. Kieran guckt die Straße entlang, von unserem Standort aus kann man einen Blick auf das Meer erhaschen.

„Schöner kann man wohl nicht wohnen“, seufzt er. „Ich wünschte, das wäre mein Haus. Dann hätte ich es nicht so weit zum Joggen und zu meiner Arbeit. Sowohl zu der einen, als auch zu der anderen.“

„Du hast zwei Jobs?“, frage ich verwundert.

Da schiebt sich plötzlich Charlotte ruppig zwischen uns, funkelt mich verärgert an und platzt in unser Gespräch: „Kann ich schon mal den Hausschlüssel haben? Ich habe keine Lust mir euer Geflirte hier länger anzuschauen.“

„Ähm… klar…“ Verlegen krame ich in meiner Handtasche und fördere den Schlüssel zutage, der sich natürlich mal wieder bis auf den Grund geschmuggelt hat. Ich reiche ihn ihr und bin mir dabei nur allzu bewusst, dass mein Kopf ähnlich feuerrot ist wie meine Locken.

„Na danke auch“, faucht sie, während sie mir den Schlüsselbund aus der Hand reißt, dann schmettert sie mit Schwung das Gartentor auf und marschiert auf das Haus zu.

„Und wir flirten übrigens nicht“, beeile ich mich noch klarzustellen, ehe sie im Haus verschwindet.

Dann beginnt sich alles um mich herum zu drehen. Ich weiß nicht, ob es daher kommt, dass wir den ganzen Abend in der Sonne gesessen haben, die – obwohl bereits am Untergehen – ziemlich stark war, oder ob eine Panikattacke im Anmarsch ist. Sollte es eine sein, dann kommt sie recht plötzlich, ohne Vorwarnung, und das ist neu. Ich stütze mich am Zaun ab und die Angst, jetzt auf der Stelle zu sterben, ergreift völlig von mir Besitz. Ich merke, wie ich verzweifelt versuche, im Kopf zu zählen, während ich hektisch atme, aber es gelingt mir nicht, über zwei hinauszukommen. Unerwartet packt mich Kieran an den Schultern und legt den Arm um mich.

„Lauren? Was ist los?“, fragt er. Ich höre echte Besorgnis in seiner Stimme und das ist mir so unendlich peinlich, dass ich mich mit letzter Kraft von ihm losreiße. Ein wenig heftiger, als beabsichtigt, aber das ist mir egal.

„Alles in Ordnung“, stammele ich bloß, dann stolpere ich durch das weit geöffnete Gartentor und stoße es hinter mir zu. Dieser Kieran MacLaughlin soll bloß nicht auf die Idee kommen, mir zu folgen. Wie blind laufe ich zur Haustüre, sehe mich nicht noch einmal um und werfe auch diese ins Schloss, als ich endlich im rettenden Inneren bin.

Mit einem Schwung lasse ich mich in den Sessel im Hausgang sinken, mein ganzer Körper zittert, in meinem Kopf ist es, als würde ich Karussell fahren. Zum Glück ist Charlotte bereits in ihrem Zimmer und bekommt von alldem nichts mit.

Ich weiß nicht, wie lange ich einfach nur da sitze und darauf warte, dass das Zittern aufhört. Als auch die Karussellfahrt endlich ein Ende findet, weiß ich ganz sicher, dass die Symptome nichts mit einem Hitzestich zu tun haben. Es ist mal wieder die verdammte Angst! Ich vergrabe mein Gesicht in einem Kissen, das auf dem Sessel gelegen hat und das ich unbewusst in meinen Händen zerknautscht habe. Wenn ich Glück habe, begegne ich Kieran MacLaughlin nie wieder. Und selbst wenn, bin ich mir sicher, dass er mir aus dem Weg gehen wird. Wer redet schon gerne mit einer Verrückten?

Charlotte

Es ist Montagmorgen und obwohl ich nicht in die Schule muss, breitet sich ein unangenehmes Gefühl in mir aus. Dieses Kribbeln im Körper, das ich immer vor dem Unterricht habe. Aber heute kann ich mich in aller Ruhe nochmal strecken und in meinem neuen Zimmer umsehen. Alles ist fremd und fühlt sich seltsam an, obwohl ich mittlerweile jeden Zentimeter mit meinen Sachen belegt habe.

Mit Lauren habe ich die letzten zwei Tage kaum gesprochen und sie schien sich nicht weiter daran zu stören, dass ich mein Zimmer nur zum Essen verlassen habe. Eine große Köchin ist sie nicht, es gibt immer nur irgendein Fertiggericht. Das macht aber nichts, ich kann dieses ganze Diätzeug, das Mum ständig kocht, sowieso nicht leiden. Sie achtet auf ihre Linie. Dass Dad und ich dabei zwangsläufig mitmachen müssen, ist ihr völlig egal.

Unten höre ich, wie Lauren mit dem Geschirr hantiert und werfe einen erstaunten Blick auf die Uhr. Es ist fast neun und ich denke, um diese Zeit sollte Lauren schon längst in der Schule sein. Also wenn das nicht gerade die Putzfrau ist (hat Lauren überhaupt eine?), dann frage ich mich, wer gerade in der Küche das Geschirr spült. Vorsichtig tapse ich zur Treppe und schiele hinunter, aber von hier aus kann man die Küche nicht einsehen, deswegen wage ich mich langsam, Stufe für Stufe bis ins Erdgeschoss.

„Guten Morgen!“, begrüßt mich Lauren, die sich gerade vom Spülbecken wegdreht, um die sauberen Teller aufzuräumen.

„Bist du krank?“, frage ich verwundert. Sie sieht wirklich nicht besonders gut aus, aber das tut sie eigentlich nie, seit wir am Freitag vom Strand wiedergekommen sind.

Von ihrem Bürofenster aus habe ich beobachtet, wie sie sich von Kieran verabschiedet hat. Eigentlich wollte ich nur sehen, ob sie sich küssen oder sowas. Es erschien mir gar nicht so abwegig, denn dieser Kieran machte mir schon den Eindruck, als wäre er an Lauren interessiert. Er hatte sogar den Arm um sie gelegt. Aber dann ist Lauren wie von der Tarantel gestochen ins Haus gestürmt und seither ist sie noch komischer, als sie ohnehin schon war. Ich glaube, wir kommen wunderbar miteinander aus, wenn wir uns aus dem Weg gehen. Irgendwie scheint das bei mir mit jedem so zu sein.

„Wieso sollte ich krank sein?“ Lauren schaut ehrlich verwirrt, schüttelt nachdenklich den Kopf und dreht sich seelenruhig wieder zum Küchenschrank.

„Weil du nicht in der Schule bist?“, frage ich zurück.

Ich habe Angst, dass Lauren gleich die Teller fallen lässt, so ruckartig dreht sie sich zu mir und guckt erschrocken drein. Sie reißt ihre hellgrünen Augen auf, der Mund öffnet sich, als wolle sie mir antworten, aber es kommt erstmal kein Ton heraus.

„Ich… Oh je..“, stammelt sie schließlich. Hektisch schiebt sie die Teller so heftig in den Küchenschrank, dass ich ein bisschen Bedenken habe, dass sie alle zu Bruch gehen. Dann stürmt sie an mir vorbei die Treppe hoch, die Badezimmertür schlägt hinter ihr zu.

Mich beschleicht immer mehr das Gefühl, dass mich Mum und Dad zu einer Verrückten geschickt haben. Ich sehe mich nochmal um, ob nicht doch zehn Katzen durch das Haus schleichen, aber immer noch ist keine zu sehen. Stattdessen höre ich oben das Wasser rauschen, der Boiler springt lautstark an. Ich habe bereits gelernt, dass er zwar rumpelnd so tut, als würde er arbeiten, aber nicht immer hält was er verspricht. Alles an diesem Haus, inklusive der rosafarbenen Fliesen im Badezimmer mit dem altmodischen Rosenmuster, ist ebenso seltsam wie seine Besitzerin.

Ich überlege kurz, ob ich Mum eine WhatsApp schreiben und ihr von Laurens komischem Verhalten erzählen soll, aber dann überlege ich es mir anders. Vielleicht sollte ich erstmal nur beobachten. Außerdem schreibe ich meinen Eltern nicht. Gestern haben sie auf meinem Handy und bei Lauren auf dem Festnetz angerufen, aber ich wollte nicht mit ihnen reden und das werde ich auch weiterhin so halten. Ich spüre mein Handy in meiner Jeanstasche so deutlich, als würde es mir den Oberschenkel verbrennen. Ich habe ungefähr zwanzig Nachrichten von Lewis auf WhatsApp, aber ich lese sie nicht. Ich weiß nicht, ob ich ihm jemals verzeihen kann, was er zu mir gesagt hat – jetzt gerade kann ich es zumindest nicht.

Sich die wilden Locken zu einem Dutt bindend, kommt Lauren die Treppe hinunter gestürmt, die Stufen knarzen gefährlich. Sie hat sich umgezogen und trägt jetzt eine schwarze Hose und ein beiges Twinset, das in all seiner Biederkeit so gar nicht zu ihr passt, aber ich verkneife mir eine Bemerkung.

„Ich nehme mal an, dass du mich heute noch nicht anmeldest?“

Eigentlich ist es gar keine Frage, sondern eine Feststellung. Deswegen erwarte ich auch keine Antwort.

„Heute?“ Sie sieht aus, als würde sie darüber nachgrübeln. „Nein, heute noch nicht. Wir haben dafür bis Schuljahresende noch genügend Zeit.“

„Okay.“ Ich bin schon damit beschäftigt, aus dem Kühlschrank die Milch für mein Frühstück zu holen.

„Ich… ähm… Ich muss jetzt los“, meint Lauren schließlich zögerlich, macht aber irgendwie keine Anstalten das Haus zu verlassen.

„Ich komme zurecht, keine Sorge. Und ich werde auch nicht das Haus abfackeln so lange du weg bist“, verspreche ich und verdrehe genervt die Augen. Garantiert denkt sie, eine Schulschwänzerin ist eine Kleinkriminelle, der alles zuzutrauen ist. Deswegen setze ich noch hinzu: „Es gibt ja auch keine Katze, der ich den Schwanz anzünden könnte oder sowas.“

„Ich weiß nicht, was du mit deiner Katze hast, aber ich werde mir nicht extra wegen dir eine anschaffen“, antwortet sie, dann schnappt sie sich ihre Handtasche und ist auch schon verschwunden.

Kopfschüttelnd stelle ich mich auf die Zehenspitzen und angele mir Weetabix vom Regalbrett. Es ist eigentlich unmöglich, dass jemand noch seltsamer ist als ich, aber Lauren ist eine ziemlich gute Anwärterin dafür.

Bevor ich von meiner Schule geworfen wurde, wusste ich nicht, wie furchtbar lang und öde ein Tag sein kann. Mir ist das schon zu Hause aufgefallen, aber hier in Portobello empfinde ich diesen Montag, an dem alle anderen Kinder in der Schule sind, als unendlich. Nach dem Frühstück schaue ich zwei Folgen ‚Vampire Diaries‘, aber so richtig Lust habe ich nicht dazu. Ich sehe meine Sachen durch, ob ich vielleicht irgendwas total Wichtiges daheim vergessen habe, was mir Mum dann bringen muss. Es wäre mir eine Genugtuung, wenn sie wegen einer Kleinigkeit hundertfünfzig Meilen fahren müsste. Da mir spontan aber nichts einfällt (ich war beim Packen wirklich sehr gründlich), beginne ich durch das Haus zu wandern und die Räume zu inspizieren.

Die Küche und das Wohnzimmer mit der Essecke kenne ich hinreichend, deswegen bleibe ich gleich im ersten Stock, wo es außer dem Bad und meinem Zimmer noch Laurens Schlafzimmer und so etwas wie ihr Büro gibt. Das Schlafzimmer ist der einzige Raum, der nicht einen gewissen Retro-Charme versprüht (wobei das Wort ‚Retro‘ in dem Fall viel zu schmeichelhaft klingt, das Haus ist eher ein buntes Sammelsurium uralter Möbel und gemusterter Tapeten aus längst vergangener Zeit).

Das Schlafzimmer aber ist in einem dezenten Grau gestrichen, ein weißes Boxspringbett nimmt einen großen Teil des Raumes ein und an den Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotografien verschiedener Bauwerke, wobei ich nicht sagen kann, um welche Stadt es sich dabei handelt. Womöglich sind es auch verschiedene Städte. Auf den beiden Nachttischen stehen silberne Lampen, von deren Gestell Kristalle dicht aneinandergereiht herabhängen. Auf einem Nachttisch entdecke ich eine Fotografie von Lauren, Arm in Arm mit einer weißhaarigen, alten Dame. Sie sieht gelöst und glücklich aus, anders, als ich sie kenne. Die ältere Frau hat eine gewisse Ähnlichkeit mit ihr.

An einer Wand steht noch ein weißer Schrank mit Schiebetüren. Ich bin versucht hineinzuschauen, aber ich scheue davor zurück, zu sehr in Laurens Privatsphäre einzudringen. Dieser Raum ist mit viel Liebe renoviert worden, im Gegensatz zu dem Rest des Hauses, das wirkt, als würde es jeden Moment auseinanderfallen.

Ganz anders als der Neubau, in dem wir wohnen und den Mum immer so sauber hält, als wäre er Dads Zahnarztpraxis, wo alles steril sein muss. Ich wünschte mir manchmal, Mum wäre ein wenig nachlässiger mit ihrer ewigen Putzerei. Sie geht mir damit ganz schön auf die Nerven. Aber ich muss gestehen, dass mir diese altmodischen, muffigen Möbel, die Lauren überall hat, und die verblichenen Tapeten, überhaupt nicht gefallen und ich mir unsere moderne Einrichtung herbeisehne.

Als nächstes schlendere ich in Laurens Arbeitszimmer. Es ist ein wenig, als würde man eine Zeitreise machen und fast erwarte ich, auf ihrem Schreibtisch eine Schreibmaschine vorzufinden, wie sie mein Dad im Keller zwischen vielem alten Krimskrams hat, den er seit dem Tod von Grandpa Bothwell bei uns hortet. Laurens Tisch sieht massiv aus und ist aus einem sehr dunklen Holz. In derselben Farbe gibt es außerdem noch ein paar Regale in dem winzigen Raum mit den hellgrünen Tapeten, auf denen riesige braune Kreise sind. Wenn ich sie länger anstarre, dreht sich alles um mich herum. Ich trete ans Fenster, von dem aus ich gestern Lauren und Kieran beobachtet habe.

Auf dem Schreibtisch liegen ein paar Papiere, einige Worte sind mit rotem Stift angestrichen oder ganze Passagen umrandet. Neugierig beuge ich mich darüber, in der Erwartung, einen Aufsatz vorzufinden, den Lauren noch nicht fertig korrigiert hat.

Seine Hand griff automatisch nach der ihren, als sie sein Kopfkissen aufschütteln wollte.

Ich kann das selbst“, knurrte er unwirsch, fühlte ihre zarte Haut an seinen schwieligen Händen.

Das gehört zu meinem Job“, antwortete sie ihm freundlich, aber bestimmt. „Und nun gehen Sie beiseite, Lieutenant Frakes.“

Er ließ ihre Hand nur widerwillig los und trat einen Schritt zurück, um sie ihre Arbeit tun zu lassen.

Ich bin es nicht gewohnt, dass jemand meine Kissen aufschüttelt“, bekannte Will. „Bei der Royal Navy gibt es niemanden, der das für mich macht.“

Danach ist ein ganzer Absatz durchgestrichen und ich lese nicht weiter. Mir ist klar, dass ich keinen Aufsatz über die Vor- und Nachteile des britischen Gesundheitssystems vor mir habe, aber was genau ich gelesen habe, weiß ich nicht. Ich habe so ein unangenehmes Gefühl, als würde ich meine Nase in Dinge stecken, die mich nichts angehen, also verlasse ich das Arbeitszimmer schnell wieder. Ich schnüffele nicht gerne in den Sachen anderer herum, denn man findet viel zu leicht etwas, was man nie finden wollte, wie ich sehr wohl weiß.

Weil das blöde Gefühl, etwas entdeckt zu haben, das nicht für mich bestimmt war, nicht weggeht, will ich jetzt nur noch hier raus, deswegen renne ich fast die Treppen hinunter und schlüpfe in meine Sneakers. Dann schnappe ich mir den Schlüssel, den mir Lauren gegeben habe und verlasse das Haus so eilig, als wäre ein Vampir hinter mir her. Nur leider nicht Stefan Salvatore, sondern sein böser Bruder Damon.

Lauren

Mir ist übel. Das nehme ich mittlerweile als mein Tagesmotto, denn seit mich Charlotte darauf hingewiesen hat, dass ich eigentlich in der Schule sein sollte, herrscht in meinem Magen Aufruhr. Nervös laufe ich die High Street auf und ab und bin mir darüber bewusst, dass mich Charlotte jederzeit hier sehen könnte, wenn sie das Haus verlässt. Aber ich konnte auch nicht länger im Beach House Café bleiben, wohin ich mich zunächst geflüchtet hatte, um dort einen Pfefferminztee zu trinken, der meinen Magen beruhigen sollte – was er leider nicht getan hat. Ich zücke mein Handy und versuche erneut Izzy zu erreichen, aber ohne Erfolg. Ich probiere es mittlerweile schon seit drei Stunden, aber bei der Arbeit hat Izzy ihr Handy immer ausgeschaltet. Meine einzige Hoffnung ist, dass sie in der Mittagspause rangeht.

„Hallo?“

Erleichtert atme ich auf und bleibe vor einem Restaurant stehen, um in Ruhe telefonieren zu können.

„SOS!“, rufe ich ins Telefon.

„Lauren?“

„Wer sonst? Oder kennst du noch eine Durchgeknallte, die dich pausenlos versucht anzurufen, um auch ja deine Mittagspause abzupassen?“

„Nein. Ich glaube, außer dir kenne ich überhaupt keine durchgeknallten Personen. Obwohl… Ich würde Rorys Eltern auch als durchgeknallt bezeichnen, aber ich glaube, das würde er jetzt anders sehen.“

„Sie sind harmlos gegen mich“, antworte ich, denn eigentlich fand ich seine Eltern bisher ganz in Ordnung und mich zu schlagen ist nahezu unmöglich. „Ich bin wirklich eine arme Irre. Und außerdem bin ich auch noch halbtags obdachlos.“

„Wie bitte?“

„Ich habe nicht bedacht, dass ich bis nachmittags außer Haus sein muss, wenn ich Charlotte glaubwürdig auftischen will, eine hart arbeitende Lehrerin zu sein.“

Zunächst ist es still in der Leitung. Ich befürchte schon, dass Izzy aufgelegt hat, weil sie keine Lust mehr auf meine abgedrehten Geschichten hat. Aber dann fängt sie schallend an zu lachen.

„Hör auf mit deiner dämlichen Lacherei“, schimpfe ich. Ein älterer Herr mit dicken, roten Apfelbäckchen und einem sonnigen Lächeln läuft gerade an mir vorbei und hebt erstaunt eine ergraute, buschige Augenbraue bei meinen Worten. „Ich habe nicht Sie gemeint“, will ich ihm noch hinterher rufen, aber das wäre mir noch peinlicher, als es einfach so stehen zu lassen.

„Tut mir leid“, quiekt Izzy. „Aber du hast dich selbst in diese verzwickte Lage gebracht.“

„Das ist mir bewusst“, murre ich und spüre, wie sich mein Puls schon wieder beschleunigt. Ich bin eindeutig zu lange außer Haus heute. „Aber streng genommen, habe nicht ich mich in diese Situation gebracht, sondern diese verdammte Angst.“

„Ich weiß.“ Izzy holt tief Luft, vermutlich um sich von ihrem Lachflash zu erholen.

„Ich habe mir nicht ausgesucht, mit dieser Scheiße zu leben“, schimpfe ich jetzt aufgebracht. Meine freie Hand fährt nervös durch meine Locken, die von der dampfigen Schwüle schlapp herabhängen.

„Ist doch schon gut. Es tut mir wirklich leid, dass ich dich ausgelacht habe.“ Jetzt klingt Izzy sogar ein bisschen zerknirscht.

„Was soll ich denn tun? Ich kann nicht jeden Tag bis drei Uhr in irgendwelchen Cafés abhängen. Schließlich muss ich irgendwann auch mal arbeiten. Und ganz davon abgesehen sterbe ich tausend Tode.“

„Wo bist du jetzt?“

„Ich war ein wenig im Beach House Café, aber seit ungefähr einer Stunde renne ich wie ein aufgescheuchtes Huhn die High Street rauf und runter. Ich stehe vor dem REDs.“

„Okay. Geh rein, iss etwas und warte dort auf mich. Ich nehme mir den Nachmittag frei und wir überlegen, was du tun kannst.“

In dem Moment könnte ich Izzy einfach nur küssen. Sie ist die beste Freundin, die man sich nur wünschen kann. Allein der Gedanke, dass sie kommt und ich nicht mehr alleine mit meinen Sorgen und der aufsteigenden Panik bin, lässt mich schon ein bisschen besser fühlen.

„Danke“, sage ich leise.

„Aber es wird sicher noch gut eine Stunde dauern, bis ich da bin“, warnt sie mich, dann legt sie auf.

Ich könnte heulen, weil mich eine Welle der Erleichterung durchflutet, die meine Angst erstmal verdrängt. Ich schnaufe tief ein und aus, packe mein Handy weg und sehe nur kurz die Straße hinunter, ehe ich mich in das kleine Restaurant mit den großen Ladenfenstern begeben will.

Mich trifft fast der Schlag, als ich eine schwarz gekleidete Gestalt entdecke, die, trotz der drückenden Luftfeuchtigkeit, einen dicken Hoodie trägt, dessen Kapuze tief ins Gesicht gezogen ist. Trotzdem erkenne ich Charlotte sofort an ihrer Statur und ihrem Gang. Ich überschlage mich fast, als ich mich auf dem Absatz umdrehe und fast die Tür zum REDs einrenne.

Nichts wie weg hier!

Leicht panisch sehe ich mich in dem Restaurant um, das einige freie Tische im Angebot hat. Allerdings würde ich dort durch die großen Panoramafenster wie auf dem Präsentierteller sitzen, was ich schlecht riskieren kann.

„Hi!“, begrüßt mich eine gesund aussehende, dralle Blondine mit einem ordentlich geflochtenen französischen Zopf, die hinter einem kleinen Tresen steht. „Setz dich wohin du willst, es ist nichts reserviert.“

„Ich…“ Ich spähe nach hinten, in den kleinen Bereich, der nicht von der Straße aus einsehbar ist. Mit ausgestrecktem Zeigefinger zeige ich dorthin. „Ich glaube, ich sehe da noch einen freien Platz.“

„Aber…“ Vermutlich will sie mir mitteilen, dass es auch vorne jede Menge unbelegte Tische gibt und hinten eigentlich der Bereich für Familien ist. Dort gibt es ein kleines Klettergerüst, wie in einem Indoor-Spielplatz und Eltern können entspannt essen, während ihre Kinder nach Herzenslust toben. Das REDs ist deswegen ein beliebter Müttertreff und ich höre auch schon das vergnügte Quietschen einiger Kleinkinder.

Bevor die Bedienung ihren Satz beenden kann, hebe ich nur abwehrend die Hand und schlüpfe an ihrem Tresen vorbei. Es ist mir völlig egal, dass ich Gespräche über den besten Kindergarten oder die horrenden Preise für einen Babysitter über mich ergehen lassen muss, wenn mich nur Charlotte nicht entdeckt.

Auf dem Klettergerüst mit integriertem Bällchenbad toben vier Kinder zwischen zwei und fünf Jahren, zwei Tische im hinteren Bereich sind besetzt. An einem sitzen zwei Frauen, die jeweils neben sich einen Buggy stehen haben, auf ihrem Tisch sieht es ziemlich wüst aus. Halb leergegessene Teller, diverse benutzte Servietten, Trinkflaschen für Kleinkinder und Spielzeug lassen keinen Zentimeter freie Fläche mehr. Ich drängle mich an einem Kinderwagen vorbei, um an den letzten Tisch zu gelangen.

„So schnell sieht man sich wieder.“

Ich erkenne die Stimme sofort, noch ehe ich optisch registriere, wer da an einem der hintersten Tische sitzt. Erschrocken zucke ich zusammen, greife mir unwillkürlich an die Brust.

Kieran MacLaughlin!

Ich bin überhaupt nicht fähig ihm zu antworten, sondern starre ihn nur ungläubig an. Den letzten, den ich in einem Familienrestaurant wie dem REDs erwartet hätte, ist jemand wie er. Sofort frage ich mich, warum er sich wohl nach ganz hinten verkrochen hat.

„Setz dich doch.“ Einladend klopft er auf den Stuhl neben sich und da ich nicht weiß, wie ich das abschlagen soll, leiste ich seiner Aufforderung Folge.

„Was machst du denn hier?“, bringe ich hervor. Es klingt nicht besonders freundlich, was mir augenblicklich leidtut. Er kann ja nichts dafür, dass er mir ständig über den Weg läuft.

„Ich bin mit Riley hier.“ Er zeigt zu dem mit Netz bespannten Klettergerüst hinüber und ein kleiner Junge von knapp drei Jahren winkt uns zu.

„Riley?“ Ich bin echt verwirrt. Warum tut er so, als müsse ich wissen, von wem er da spricht?

„Mein Neffe.“ Kierans hellblaue Augen heften sich so intensiv auf mich, dass ich am liebsten wegschauen möchte.

Jetzt fällt es mir wieder ein. Er hat bei unserem Essen am Strand erzählt, dass er ab und zu auf den Sohn seiner Schwester aufpasst, wenn diese keine Zeit hat.

„Oh, ja“, antworte ich lahm. Mein Puls reguliert sich langsam wieder, dennoch huscht mein Blick immer wieder zu den großen Ladenfenstern, in der Angst, dass Charlotte plötzlich zur Tür hereingeschneit kommt.

„Jeden Montag habe ich Riley über Mittag und dann gehen wir hier her, damit er toben kann, und ich kein Mittagessen zubereiten muss. Ich bin ein wirklich lausiger Koch.“ Er verzieht das Gesicht so angewidert, dass ich ihm das sofort abnehme.

„Findet ihr nicht im Dalriada jemanden, der euch eine Kleinigkeit macht?“

„Montag habe ich frei, da muss ich nicht unbedingt meine Freizeit dort verbringen. Auch wenn ich meinen Job dort sehr gerne mache. Man lernt nette Leute bei der Arbeit kennen.“ Er grinst mich offen an.

Nette Leute? Echt jetzt? Hat er etwa vergessen, wie ich vor ihm davongelaufen bin? Vielleicht steht er ja drauf, wenn man ihn einfach stehenlässt.

Riley ist inzwischen aus dem Spielgerät geklettert und rennt auf seinen Onkel zu. Er schmeißt sich an ihn ran und nimmt es mit typisch kindlicher Selbstverständlichkeit, dass ich plötzlich mit am Tisch sitze.

„Hunger!“, ruft er lautstark, während er auf Kierans Schoß klettert.

„Möchtest du Reis mit Hühnchen haben? Oder lieber Nudeln mit Tomatensoße?“

„Nudeln“, sagt Riley entschlossen. Er scheint wohl kein Fan von Mehrwortsätzen zu sein. „Mit Monstersoße.“

„Monstersoße?“ Ich hebe erstaunt eine Augenbraue.

„So nennen wir die Nudeln mit grüner Soße. Ich finde es klingt cooler als Spinat.“

„Ja, cooler.“ Riley nickt emsig und dreht sich auf Kierans Schoss zu mir um, als würde er jetzt erst meine Anwesenheit registrieren. „Wer bist du?“

Aha, er kann also doch Mehrwortsätze sprechen und das sogar ausgesprochen gut.

„Das ist meine Freundin Lauren“, antwortet Kieran an meiner Stelle.

Mir wird heiß, als er das sagt und mein Gesicht tönt sich dezent pink. Vermutlich sieht es so aus, wie wenn ein Flamingo ganz viele Carotinoiden gegessen hat.

„Hi Lauren!“ Riley lächelt mir so entwaffnend zu, dass ich es nicht übers Herz bringe, diesen Irrtum klarzustellen. Trotzdem, Kieran und ich sind keine Freunde!

„Hallo Riley“, gebe ich zurück und probiere es ebenfalls mit einem Lächeln, das aber eher zaghaft ausfällt. Ich bin immer noch viel zu aufgewühlt von den Ereignissen des Tages und außerdem auf der Hut, falls Charlotte hier vorbeikommt.

Kieran winkt der Bedienung und gibt Rileys Bestellung auf. Er selbst wolle noch überlegen, meint er. Dann sieht die Kellnerin mich auffordernd an.

„Für mich erstmal nur ein Wasser“, sage ich. Das kann ich wirklich gut gebrauchen. Mein Mund fühlt sich mal wieder wie die Wüste Gobi an.

„Das Essen dauert noch ein bisschen, Kumpel“, meint Kieran an Riley gewandt. „Möchtest du nicht so lange noch ein bisschen spielen?“

„Okay.“ Er krabbelt wieder vom Schoss seines Onkels, schenkt mir einen strahlenden Blick aus seinen unglaublich schokobraunen Augen und flitzt dann in Richtung Spielgerät.

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