Kitabı oku: «Don Bosco - eBook», sayfa 3

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Oje, der Ölfleck!

Jeden Donnerstag ging Margherita zum Markt nach Castelnuovo. Sie nahm zwei Bündel mit Käse, Hühnern und Gemüse mit, um es zu verkaufen. Zurück kam sie mit Leinen, Kerzen, Salz und einigen kleinen Geschenken für die Kinder, die ihr immer entgegenliefen, sobald die Sonne unterzugehen begann.

An solch einem Donnerstag, während des Lippa-Spiels, landete einmal der Stock auf dem Dach. „Auf dem Küchenschrank gibt es noch einen,“ sagte Giovanni, „ich hole ihn.“ Er rannte in die Küche. Der Schrank aber war zu hoch für ihn. Deshalb stieg er auf einen Stuhl, griff mit dem Arm auf den Schrank und – krach! – lag der Ölkrug in Scherben auf dem Boden.

Das Öl rann über die roten Ziegelsteine. Als Giuseppe merkte, dass Giovanni nicht zurückkam, rannte auch er ins Haus. Da sah er die Katastrophe und hielt sich die Hände vor den Mund: „O je, wenn Mama heute abend zurückkommt …“

Sie versuchten, den Schaden zu beseitigen und nahmen dazu den Besen. Die Scherben waren schnell zusammengekehrt, aber der Ölfleck wurde immer größer und mit ihm wuchs auch ihre Angst. Giovanni war eine halbe Stunde ganz still. Dann zog er sein kleines Messer aus der Tasche, ging zur Hecke und schnitt eine Gerte ab. Damit verschwand er in einer Zimmerecke und begann, an der Gerte zu schnitzen. Aber auch in seinem Kopf arbeitete es. Er überlegte sich, was er zur Mutter sagen sollte. Zum Schluss war die Rinde auf verschiedene Weise eingeritzt und die Gerte so verziert.

Bei Sonnenuntergang gingen sie der Mutter entgegen. Giuseppe blieb unsicher etwas zurück. Giovanni dagegen rannte zu ihr: „Guten Abend, Mama, wie geht es Euch?“ „Gut – und dir? Warst du brav?“ „Hm, Mama, schaut!“ Dabei zeigte er ihr die verzierte Gerte. „Was hast du denn angestellt?“, fragte sie ihn. „Diesmal verdiene ich wirklich Prügel. Mir ist etwas Schlimmes passiert … Ich habe den Ölkrug zerbrochen.“ Dann erzählte er in einem Atemzug, wie das geschehen war, und schloss: „Ich habe Euch eine Rute mitgebracht, weil ich sie wirklich verdient habe. Nehmt sie, Mama!“

Er reichte ihr die Rute noch einmal hin und schaute Margherita von unten her an, mit Augen, aus denen halb Reue und halb Schläue blitzte. Auch Margherita schaute ihn einige Augenblicke an. Dann aber musste sie lachen, und auch Giovanni lachte jetzt. Die Mutter nahm ihn an der Hand, und so gingen sie zusammen ins Haus. „Weißt du, dass du dabei bist, ein schlauer Fuchs zu werden? Um den Krug tut es mir nicht leid, doch ich bin froh, dass du nicht gelogen hast. Pass aber das nächste Mal besser auf, denn auch das Öl ist teuer.“

Jetzt kam Giuseppe hinzu, nachdem er bemerkt hatte, dass der Sturm vorüber war. ­Giuseppe war damals neun Jahre alt, sehr sanft und ruhig, und besaß nicht die Lebhaftigkeit und Ausgelassenheit seines kleineren Bruders Giovanni. Er war schweigsam und fleißig. Seine Mutter und seinen kleinen Bruder liebte er sehr, vor dem Halbbruder Antonio aber hatte er Angst.

Antonio war sieben Jahre älter als Giovanni. Er war ein verschlossener Jugendlicher mit Anflügen von Grobheit und Gewalttätigkeit. Manchmal verprügelte er seine Brüder. Dann musste die Mutter zu Hilfe kommen und sie seiner Hand entreißen. Zweifelsohne war er sehr sensibel und durch den ziemlich rasch aufeinanderfolgenden Tod seiner beiden leiblichen Eltern traumatisiert.

Bewegte Kindheit in unruhiger Zeit

Die Familie Bosco lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen. Von den wenigen Häusern in Becchi war das der Boscos das ärmlichste. Es war ein einfacher, einstöckiger Bau, in dem auch der Heuboden und der Stall untergebracht waren. In der Küche lagen Maissäcke, und jenseits der dünnen Wand zum Stall käuten zwei Kühe ihr Futter wieder. Im ersten Stock befanden sich direkt unter dem Dach die kleinen und dunklen Schlafräume. Die Wände waren kahl, aber weiß getüncht.

Es herrschte wirklich Armut, aber nicht Elend, denn alle arbeiteten mit. Die Arbeit eines Bauern brachte damals zwar wenig ein, aber es reichte zum Leben, denn die wenigen Maissäcke leerten sich nur langsam. Die Kühe, die den Karren und den Pflug ziehen mussten, gaben nur wenig Milch, die zudem nur einen geringen Fettgehalt hatte. Die Kinder im Haus Bosco waren deshalb aber nicht traurig. Auch wenn man arm ist, kann man glücklich sein, wenn man sich geborgen fühlt und zufrieden ist.

Im Alter von acht oder neun Jahren begann Giovanni an der Arbeit der Familie aktiver teilzunehmen und das harte und anstrengende Leben mit ihr zu teilen. Man arbeitete von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang – und im Sommer geht die Sonne früh auf. „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, sagte Margherita manchmal, wenn sie ihre Kinder weckte. Das Frühstück war einfach: eine Scheibe Brot und frisches Wasser. Giovanni lernte, den Boden zu hacken, Unkraut zu jäten, mit der Sense umzugehen und die Kühe zu melken. Er wurde also ein richtiger Bauer. Am Abend legte man sich auf den dicken Maisstrohsack. Reisen machte man zu Fuß, denn die Postkutsche fuhr weit entfernt, auf der Straße von Castelnuovo, und war teuer.

Die Füße des Bettlers

Wenn in einem Nachbarhaus jemand schwer erkrankte, dann wurde Margherita geweckt. Alle wussten, dass sie jederzeit bereit war, zu helfen. Sie nahm eines ihrer Kinder als Begleitung mit und sagte: „Ein Werk der Nächstenliebe ist zu tun.“ Mit diesen einfachen Worten war all das ausgedrückt, was man heute Großmut, Dienst an beziehungsweise Einsatz für andere oder auch tätige Liebe nennt.

„Im Winter, wenn ringsum Schnee lag“, so erinnerte sich Don Bosco später, „klopfte öfters ein Bettler an die Tür und bat, im Heu schlafen zu dürfen. Bevor Margherita ihn hinauf ließ, gab sie ihm einen Teller mit warmer Suppe. Dann schaute sie sich seine Füße an. Meist sahen sie schlimm aus. Seine Holzschuhe waren schlecht und ließen Wasser durch. Zwar hatte Margherita kein eigenes Paar Schuhe übrig, das sie ihm hätte geben können, aber sie gab ihm warmes Wasser zum Waschen und wickelte seine Füße in Lappen, die sie band, so gut sie es vermochte.“

In einem der Häuser von Becchi wohnte Cecco. Früher einmal war er reich gewesen, hatte aber dann alles vergeudet. Die Kinder trieben ihren Spott mit ihm und nannten ihn „Grille“. Die Mütter zeigten nämlich auf ihn und erzählten ihnen dabei die Geschichte von der Ameise und der Grille: „Während wir gearbeitet haben wie die Ameisen,“ sagten sie, „hat er gesungen und war ausgelassen, vergnügt wie eine Grille. Und jetzt, seht ihr, was aus ihm geworden ist? Lernt daraus!“

Der alte Mann schämte sich zu betteln und litt oft Hunger. Margherita stellte daher nach Eintritt der Dunkelheit einen kleinen Topf mit warmer Suppe auf die Fensterbank. Cecco kam, nahm sie und verschwand damit im Dunkeln. So lernte Giovanni, dass Nächstenliebe wichtiger ist, als Ersparnisse zu sammeln.

Es gab da auch einen Jungen, der in der Nähe als Knecht arbeitete, er hieß Secondo Matta. Sein Bauer gab ihm am Morgen eine Schnitte Schwarzbrot und schickte ihn dann mit zwei Kühen auf die Weide. Wenn Secondo ins Tal herunterkam, dann begegnete er meist Giovanni, der ebenfalls die Kühe auf die Weide führte und Weißbrot bei sich hatte, damals eine Kostbarkeit. Eines Tages sagte Giovanni zu ihm: „Würdest du mir einen Gefallen tun?“ „Gern“, entgegnete Secondo. „Ich möchte, dass du dein Brot mit meinem tauschst. Deines ist bestimmt viel besser als meines.“ Secondo Matta glaubte, dass Giovanni dies tatsächlich so meinte, und drei Sommer hindurch, so erzählte er später, tauschten sie dann ihr Brot, sooft sie sich begegneten. Erst als Erwachsener dachte er darüber nach und verstand, dass Giovanni ihm eine Freude hatte machen wollen.

Die „Banditen“ aus dem Wald

In der Nähe des Hauses lag ein kleiner Wald. Immer wieder einmal, wenn es Nacht wurde, klopften kleine Gruppen von Personen, die von der Polizei gesucht wurden, an Margheritas Tür. Sie wollten eine Schüssel Suppe haben und im Heu schlafen. Margherita erschrak nicht über solche Besucher, denn sie war das seit Langem gewohnt. Schon während der Besetzung durch die Franzosen hatte es nämlich im Piemont viele Jugendliche gegeben, die sich auf diese Weise dem französischen Militärdienst entzogen und in Gruppen in den Wäldern und Bergen gelebt hatten. Historiker sagen, in den letzten Jahren der napoleonischen Herrschaft seien das sogar bis zu 70 % der wehrfähigen Jugendlichen gewesen.

Beängstigend war nur der Umstand, dass häufig die Polizei hinter den „Banditen“ her war und auf sie schoss. Aber im Haus Bosco herrschte eine Art unausgesprochener Waffenstillstand. Die Polizisten, die ins Haus kamen, waren vom Aufstieg ins Hügelland müde und baten Margherita um ein Glas Wasser oder auch um einen Schluck Wein. „Die ,Banditen‘ im Heu hörten jedoch die Stimmen der Polizisten im Haus und schlichen sich heimlich davon. Und obwohl die Polizisten oft wussten, wer sich gerade im Haus versteckte,“ schrieb Don Lemoyne, der erste Biograf Don Boscos, später, „ließen sie sich nichts anmerken und versuchten nie, einen von ihnen festzunehmen.“

Giovanni sah das alles und versuchte es zu verstehen. Von seiner Mutter hatte er erfahren, dass die Ersten, die zu ihr gekommen waren, Soldaten des „republikanischen“ Regimes während der Franzosenzeit gewesen waren, die damals nach geflüchteten Königstreuen gesucht hatten. Danach, in der Zeit der „Restauration“, wurden diese Verfolger selbst zu Verfolgten, und bald sollten sich die Verhältnisse wieder umkehren und die „Demokraten“ erneut zu Ministern, Polizeioberbefehlshabern und Führern der Republik werden, welche nach ihren Gegnern fahndeten.

Mama Margherita, die sich an solche Frontwechsel gewöhnt hatte, gab jedem, der an ihre Tür klopfte, eine Schüssel Suppe und eine Schnitte Brot. Sie fragte nicht danach, welcher Partei einer angehörte. Wahrscheinlich waren es gerade diese Ereignisse, die in Giovanni Bosco ein Misstrauen gegenüber der Politik und den Parteien weckten. Er hatte ein höheres Ideal vor Augen: Seelen retten, arme Jugendliche ernähren und erziehen. Es war das, was er später die „Politik des Vaterunser“ nannte.

„Meine Mutter lehrte mich beten“

In Becchi liebte man seinen Nächsten nicht gefühlsmäßig, sondern aus Liebe zu Gott. Gott gehörte zur Familie Bosco. Margherita war Analphabetin, aber sie kannte große Teile der biblischen Geschichte und des Evangeliums auswendig. Und sie glaubte an die Notwendigkeit des Betens.

„Solange ich klein war,“ schrieb Don Bosco später, „lehrte sie mich beten. Sie ließ mich morgens und abends mit meinen Brüdern niederknien, und so beteten wir gemeinsam.“ Der Priester wohnte weit weg, und die Mutter glaubte nicht, warten zu müssen, bis er kam und den Kindern Katechese erteilte.

Was Margherita selbst als Kind auswendig gelernt hatte, das brachte sie nun ihren eigenen Kindern bei, so etwa den Kleinen Katechismus, wo es im ersten Teil des Einführungskapitels heißt:

„Frage: Was soll ein guter Christ in der Frühe sofort nach dem Aufstehen machen?

Antwort: Das Kreuzzeichen.

Frage: Wenn er sich angezogen hat, was soll er dann tun?

Antwort: Sich vor einem Andachtsbild niederknien und aus ganzem Herzen den Glauben an die Gegenwart Gottes erneuern und sprechen: ‚Mein Gott, ich bete dich an …‘

Frage: Was soll er vor der Arbeit tun?

Antwort: Die Arbeit Gott aufopfern.“

Eine der ersten „Andachten“, an denen der kleine Giovanni teilnahm, war der Rosenkranz. Damals beteten ihn die Katholiken auf dem Lande im Allgemeinen jeden Abend. Durch die fünfzigmalige Wiederholung des „Gegrüßet seist du, Maria“ sprachen die Bauern von Becchi mit Maria, die für sie mehr Mutter als Königin war. Wenn die Perlen des Rosenkranzes durch ihre Finger glitten, dachten sie an ihre Kinder, ihre Felder, an das Leben und Sterben. So lernte Giovanni zur Muttergottes sprechen und wusste, dass sie ihn sah und hörte.

In seinen „Erinnerungen“ berichtete er später auch über seine erste Beichte: „Meine Mutter hatte mich vorbereitet. Dann begleitete sie mich zur Kirche, beichtete vor mir und empfahl mich dem Beichtvater. Nachher half sie mir bei der Danksagung.“

Erster Schulbesuch und Freizeitabenteuer

Die erste Klasse besuchte Giovanni vermutlich mit neun Jahren, im Winter 1824/25. Der Unterricht begann am 3. November und endete am 25. März. Während der übrigen Zeit wurden auch die schwachen Arme der Kinder im Haus und auf dem Feld gebraucht. Der Grundschulunterricht war damals im Piemont bereits als verpflichtend eingeführt, aber nicht alle Gemeinden konnten eine Schule unterhalten.

Da die öffentliche Schule sich in Castelnuovo befand, also fünf Kilometer entfernt, erhielt Giovanni zunächst Unterricht bei einem Bauern in Becchi, der lesen konnte. Später bat die Schwester seiner Mutter, Marianna Occhiena, den Pfarrer von Capriglio, der auch Lehrer war und dem sie den Haushalt führte, ihrem kleinen Neffen bei sich den Schulbesuch zu ermöglichen.

Don Lacqua (der in anderen Quellen auch Bevilacqua und in Don Boscos „Erinnerungen“ Dallacqua genannt wird) nahm ihn schließlich an. So blieb Giovanni einige Monate bei seiner Tante, ebenso im Winter 1825/26. Während dieser Zeit begann sich das Verhältnis des nun 17-jährigen Antonio zu Giovanni zunehmend zu verschlechtern: „Warum ihn in die Schule schicken?“, fragte er. „Wenn man lesen und seinen Namen schreiben kann, dann genügt das doch. Er soll die Hacke nehmen, wie auch ich das tue.“ Margherita versuchte, ihn mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen: „Je weiter die Zeit voranschreitet, desto mehr Wissen braucht man. Siehst du denn nicht, dass sogar der Schuster und der Schneider in die Schule gehen? Jemanden im Haus zu haben, der rechnen kann, ist immer gut.“

Kaum hatte Giovanni lesen gelernt, wurden Bücher seine Leidenschaft. Er lieh sich bei Don Lacqua einige aus. So verbrachte er im Sommer viele Nachmittage im Schatten der Bäume und verschlang die Bücher geradezu. Ging er auf die Weide, dann war er gern bereit, auch auf die Kühe seiner Kameraden zu achten, wenn sie ihn nur in Ruhe ließen.

Ein Streber aber wurde er nicht. Er las gern, aber er spielte auch gern und kletterte gern auf Bäume. Eines Nachmittags entdeckte er zusammen mit seinen Kameraden auf einem dicken Eichenast ein Stieglitznest. Er kletterte den Stamm hinauf und sah, dass schon Junge im Nest waren, gerade recht, um sie in einen Käfig zu stecken. Aber das Nest befand sich ganz am Ende des Astes, der fast waagrecht zum Boden verlief.

Giovanni überlegte ein wenig. Dann rief er seinen Kameraden zu: „Ich tu’s!“ Ganz langsam zog er sich den Ast entlang, der immer dünner wurde. Dann streckte er seine Hand aus, nahm die vier kleinen Vögel aus dem Nest und steckte sie unter sein Hemd.

Aber er musste ja auch wieder zurück. Er versuchte, ganz langsam auf dem Ast zurückzurutschen, der sich unter seinem Gewicht bedenklich bog. Plötzlich verlor er mit den Füßen den Halt und hing so nur noch mit den Händen in schwindelerregender Höhe. Er versuchte, seinen Körper an den Ast zu pressen, und es gelang ihm auch, die Füße wieder einzuhängen. Jeder Versuch jedoch, sich wieder ganz auf den Ast zu schwingen, war vergebens. Schweißtropfen hingen an seiner Stirn. Unten schrien und sprangen seine Kameraden umher, aber sie unternahmen nichts.

Als Giovanni sich nicht mehr halten konnte, ließ er sich fallen. Der Aufprall war hart. Einige Minuten lang lag er bewusstlos auf der Erde. Dann gelang es ihm, sich aufzusetzen. „Hast du dir weh getan?“, fragten ihn seine Kameraden. „Ich hoffe nicht, dass etwas passiert ist“, konnte er gerade noch flüstern. „Und die Vögel?“ „Die sind hier, lebendig. Greif in mein Hemd hinein und zieh sie heraus. Die sind mir teuer zu stehen gekommen …“

Dann versuchte er, sich nach Hause zu schleppen. Aber er zitterte am ganzen Körper und musste sich noch einmal setzen. Als er es schließlich geschafft hatte, ins Haus zu kommen, sagte er zu Giuseppe: „Mir geht es schlecht, aber sag der Mama nichts.“ Die Nacht im Bett tat ihm gut. Aber die Folgen dieses Sturzes spürte er noch einige Zeit.

Eine kleine Amsel

Vögel waren also eine weitere Leidenschaft Giovannis. Er hatte eine ganz junge Amsel aus ihrem Nest geholt und sie in einem Käfig aus Weidenruten aufgezogen. Dann brachte er ihr das Singen bei. Sobald sie Giovanni sah, hüpfte sie fröhlich auf die Stangen und grüßte ihn mit einer kurzen Melodie. Mit ihren schwarz glänzenden Augen schaute sie ihn direkt an. Es war eine liebe Amsel.

Eines Morgens aber blieb der Gruß aus, denn eine Katze hatte den Käfig aufgebrochen und den Vogel gefressen. Nur noch ein Knäuel blutiger Federn war übrig geblieben. Giovanni weinte bitterlich. Seine Mutter versuchte ihn zu beruhigen und erklärte ihm, dass auch aus den Nestern Vögel gefressen würden. Giovanni aber schluchzte weiter. Das waren andere Amseln, die waren ihm gleichgültig. Aber „diese da“ war seine kleine Freundin gewesen, und die war nun umgebracht worden. Er würde sie nie mehr wiedersehen.

Einige Tage lang war er sehr traurig, und niemandem gelang es, ihn wieder froh zu stimmen. „Endlich“, so erzählt uns Don Lemoyne, „begann er darüber nachzudenken, dass doch alles auf der Erde vergänglich sei. So fasste er einen Entschluss, der über sein damaliges Alter hinausging. Er nahm sich vor, sich nie wieder an irgendetwas auf der Erde zu hängen.“ Diesen Vorsatz wiederholte er einige Jahre später beim Tod seines liebsten Freundes, und noch manches andere Mal.

Es ist tröstlich für uns zu wissen, dass es Giovanni aber nie gelang, diesen Vorsatz ganz einzuhalten. Denn auch er hatte ein Herz aus Fleisch und Blut und brauchte etwas – etwas Kleines oder Großes – das er lieben konnte. Später, beim Tod von Don Calosso oder von Luigi Comollo, oder beim ersten Zusammentreffen mit Jugendlichen, die hinter Gittern saßen, sollte er glauben, das Herz müsse ihm zerspringen. Seinen Jungen wird er später sagen, dass er denjenigen, der ihnen etwas antun würde, „mit seinen eigenen Händen erwürgen würde, wenn das nicht Sünde wäre“. Und diese Jungen werden später übereinstimmend und eindringlich bezeugen: „Mich hat er gern gehabt.“ Einer von ihnen, Luigi Orione, wird dann schreiben: „Ich würde über glühende Kohlen gehen, wenn ich ihn noch ein einziges Mal sehen und ihm danken könnte.“

Die Geistesgrößen jener Zeit behaupteten, dass es schlecht sei, sein Herz an andere Geschöpfe zu hängen. Es sei besser, wenig zu lieben. Die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) dagegen besagen, dass man andere Geschöpfe zwar nicht zu Idolen machen sollte, dass man seine Liebe also sozusagen „reinigen“ müsse, dass Gott uns aber ein Herz gegeben habe, damit wir ohne Angst liebten. Der Gott der Philosophen kennt keine Leidenschaft, der Gott der Bibel schon: Er liebt und zürnt, leidet und weint, bricht in Freude aus und lächelt zärtlich.

Ein Sohn seiner Heimat

Mit neun Jahren beginnt ein Kind, sich aus der Nestwärme der Familie zu lösen und sich für das zu interessieren, was es draußen gibt. Auch Giovanni sah sich nun um und entdeckte seine Heimat. Schön war sie, hügelig und ruhig. Hier wuchsen die Maulbeerbäume, der Mais und der Hanf. Die Bauern, die in der großen Hitze langsam den Boden bearbeiteten, waren geduldige und schweigsame Menschen. Es waren Leute, die ihrer Heimat treu blieben, in der sie verwurzelt waren wie die Bäume. Sie schämten sich nicht, vor dem Priester und vor Gott den Hut zu ziehen, und wenn sie die Haustür hinter sich geschlossen hatten, fühlten sie sich als Könige ihrer Familien.

Giovanni Bosco wurde ein großer Heiliger, aber auch ein großer Sohn seiner Heimat. Seine Berufung hatte er vom Himmel erhalten, aber das Klima seiner Heimat, die Luft und die Eigenart ihrer Bewohner haben ihn geformt und gefördert. Wenn er redete, dann hörte man immer den Dialekt seiner Heimat heraus, deren Menschen tief in sein Herz eingeprägt waren.

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