Kitabı oku: «Andere Wesen», sayfa 2
Pacem in terris (1963)
Wer zum Thema Frauen und Konzil sucht, der oder die findet immer wieder zwei Dokumente: Pacem in terris von 1963, streng genommen kein Konzilsdokument, sondern eine päpstliche Enzyklika von Johannes XXIII., und Gaudium et spes aus 1965. Wer weitersucht, findet einen Absatz, der tatsächlich nur den Frauen gewidmet ist, nämlich in Pacem in terris und einen eigenen Artikel in Gaudium et spes, in welchem die Frau als Teil des harmonischen Eheganzen vorkommt. Dass diese beiden raren Fundstücke bis heute als Meilensteine gefeiert werden, sagt schon fast alles.
Aber wir schreiben die frühen 1960er-Jahre, und wenn der unterhaltungsbedürftige Teil der Bevölkerung Männergesprächen am Pool lauscht, kann ein einziger Absatz, der sich ernsthaft dem Thema Frau widmet, als bedeutungsvoll gesehen werden. Zumal dieser Absatz im Vergleich zu den allermeisten späteren Dokumenten erstaunlich unsentimental und frei von spirituell überhöhten Überlegungen Klartext spricht:
„… die allgemein bekannte Tatsache, daß die Frau am öffentlichen Leben teilnimmt, was vielleicht rascher geschieht bei den christlichen Völkern und langsamer, aber in aller Breite, bei den Völkern, welche als Erben anderer Überlieferungen auch andere Lebensformen und Sitten haben. Die Frau, die sich ihrer Menschenwürde heutzutage immer mehr bewußt wird, ist weit davon entfernt, sich als seelenlose Sache oder als bloßes Werkzeug einschätzen zu lassen; sie nimmt vielmehr sowohl im häuslichen Leben wie im Staat jene Rechte und Pflichten in Anspruch, die der Würde der menschlichen Person entsprechen.“ (41)
Nimmt man diesen Passus ernst, bedeutet er ein Ende der Männergespräche. Die Frau bleibt am Pool (oder Verhandlungstisch), um am öffentlichen Leben und damit an den wichtigen Entscheidungen und damit wiederum an der Macht teilzunehmen. Letzteres wird nicht nur nie gesagt, es ist geradezu ein Unwort in kirchlichen Schreiben zum Thema Geschlechterrollen, das mit einem sprachmagischen Tabu behaftet ist. Doch dazu später mehr. Allein die nüchterne Feststellung der weiblichen Beteiligung am öffentlichen Leben ohne Einschränkungen oder besondere Belange (Kinder, Erziehung etc.) sowie ohne Verweis auf männliche Begleitung oder Ergänzung, wie es später fast zur obsessiven Pflicht wird, ist bemerkenswert genug. Fast schon ironisch-verschmitzt liest sich die Begründung westlicher Emanzipationsgeschichte im 20. Jahrhundert als Resultat der Zugehörigkeit dieses Kulturkreises zum Christentum. Was soll hier angedeutet werden? Dass das Christentum schon immer Gleichberechtigung und Frauen in der Öffentlichkeit sehen wollte, aber leider erst jetzt die Zeit dafür gekommen ist? Oder aber, dass es im Christentum immer noch besser um den Status der Frau bestellt ist als in anderen Religionen? Ein etwas schlechtes Gewissen ob der Vergangenheit hat man dann aber doch: Früher, so darf man im logischen und sprachlichen Umkehrschluss folgern, wurde die Frau sehr wohl als Werkzeug gesehen (ja, tatsächlich: adiutorium viri heißt das bei Thomas von Aquin), als seelenlose Sache nicht, nur hat sie ihre Seele erst später bekommen als der Mann (auch bei Thomas, wem sonst). Noch viel später hat sie dann das Wahlrecht und damit die Möglichkeit zur Wahrnehmung der „Rechte und Pflichten im Staat“ bekommen, nicht unbedingt immer zur Freude jener Parteien, die sich als christlich bezeichneten, aber das war dann wohl der Einfluss der unchristlichen Völker und ihres Erbes …
1963 jedenfalls ist für die katholische Kirche die aktive Teilnahme der Frau an Staat und Gesellschaft selbstverständlicher Teil ihrer Menschenwürde. Keine Rede davon, dass es eine genuin weibliche Würde gebe, schon gar keine Rede von einem Wesen der Frau mit allen möglichen Besonderheiten. Die Autoren von Pacem in terris sind hier in ihrem Frauenbild dem populären Unterhaltungskino und wohl einem nicht geringen Teil der Bevölkerung eindeutig voraus.
Das einzige Problem, das sich retrospektiv ergibt: Die Formulierungen sind so allgemein gehalten, dass man sie mit einer gewissen Findigkeit bei all jenen Spezialfragen, auf welche sich ab 1968 das Thema Frau und Kirche konzentriert, umgehen kann. Oder schlimmer noch: Man kann gerade den Begriff der Würde gegen das Recht ausspielen, die Besonderheit Frau gegen die Allgemeinheit Mensch. Pacem in terris aber sieht das Thema Frau noch nicht als Spezialproblem, schon gar nicht als Infragestellung lehramtlicher Anthropologie, sondern als Teil des Versuchs, Gerechtigkeit und Menschenwürde möglichst umfassend zu etablieren und dabei das, was später als „Race, Class und Gender“ bezeichnet wird, nicht zum Kriterium der einschränkenden Differenzierung werden zu lassen. Warum das bei Race und Class im Großen und Ganzen funktioniert – es gibt keine gesonderten Schreiben über die spezielle Würde und das unveränderliche Wesen verschieden pigmentierter Ethnien oder des Arbeiterstandes – und die Geschlechterrollen ein solches Problem werden, ist interessant nachzuverfolgen, optimistisch stimmt es für das Verhältnis von Frau und Kirche nicht immer.
Gaudium et spes (1965)
Anno 1965 sind Frauen andere Wesen. Vor allem aber sind sie Ehefrauen. In Gaudium et spes, für viele bis heute „das“ Konzilsdokument, kommen Frauen als eigenständige Subjekte, das heißt nicht als bloße Ergänzung des Mannes, ein einziges Mal vor, und dabei wird ihre Teilhabe am öffentlichen Leben, wie sie 1963 gefordert wurde, im Bereich der Kultur bereits als sehr spezielle betrachtet: „Die Frauen sind zwar schon in fast allen Lebensbereichen tätig, infolgedessen sollen sie aber auch in der Lage sein, die ihrer Eigenart angemessene Rolle voll zu übernehmen. Sache aller ist es, die je eigene und notwendige Teilnahme der Frau am kulturellen Leben anzuerkennen und zu fördern.“ (61) Das kann man und frau durchaus unterschiedlich lesen, wie es in den folgenden Jahrzehnten dann auch geschehen ist.
Ansonsten findet, wer Frauen und Kirche in Gaudium et spes sucht, das Thema Mann und Frau in ehelicher Zweisamkeit. Idealerweise unterstellt man hier den Konzilsvätern ihrer Zeit weit im Voraus den Geschlechterrollendiskurs des 21. Jahrhunderts antizipiert zu haben und endlich nicht die Frau als alleiniges, weil unbekanntes Forschungsobjekt in den Mittelpunkt zu stellen, sondern Mann und Frau gleichermaßen zur Diskussion und in theoretischer wie praktischer Dependenz zu sehen. Tatsächlich spiegelt Gaudium et spes wohl aber den letzten Terminus ante quem: Jenes Zeitalter, als Frauen für die meisten Männer innerhalb der Kirche – und auch außerhalb – noch kein großes Problem und damit kein seitenfüllendes Thema waren. Es gibt sie eben selbstverständlich. Was aber nicht mehr selbstverständlich und deshalb ausführlicher Gegenstand der Pastoralkonstitution war, ist die Ehe.
„Polygamie, um sich greifende Ehescheidung, sogenannte freie Liebe und andere Entartungen entstellen diese Würde (erg.: der Ehe). Darüber hinaus wird die eheliche Liebe öfters durch Egoismus, bloße Genußsucht und durch unerlaubte Praktiken gegen die Fruchtbarkeit der Ehe entweiht.“ (47).
Eine Lektüre dieser einleitenden Passage anno 2015 führt zu einigen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen: Erstens: Es war offenbar für die deutschsprachigen Übersetzer im Jahr 1965 kein Problem, den NS-Terminus „Entartung“ für zwischenmenschliche Beziehungen zu verwenden, um das lateinische deformatio wiederzugeben. Zweitens: Die verwendete Terminologie ist wohl für viele Leser nur mehr mit Glossar entzifferbar – wer weiß schon noch, dass unter „freier Liebe“ schlicht und einfach das unverheiratete Zusammenleben gemeint war und was sich alles hinter „unerlaubten Praktiken gegen die Fruchtbarkeit“ verbergen könnte. Drittens: Polygamie, also wörtlich die Ehe mit mehreren Frauen zur selben Zeit, Scheidung und das Zusammenleben ohne kirchlichen Trauschein werden auf eine Stufe, eben jene der Entartung gestellt. Und viertens: Genuss und Ehe schließen einander aus.
Fast ist man versucht, nostalgisch zu werden, freie Liebe und unerlaubte Praktiken, das lässt doch noch Raum für Fantasien, anders als die mehrseitigen Gebrauchsanleitungen zeitgeistiger Hausfrauenpornos à la „Fifty Shades of Grey“. Fast. Die Nostalgie weicht einer gewissen Ernüchterung, wenn man sich die Bedeutung derartiger Aussagen für kirchentreue Frauen und Männer vor Augen hält. Jenes Konzilsdokument, das sich eigentlich darum bemüht, die Kirche in Dialog mit der Welt von heute zu bringen, ja, mehr noch, sich dieser Welt zu öffnen und die kirchliche Lehre für sie zu adaptieren, erteilt gleichzeitig jeder intimen Begegnung außerhalb der Ehe eine kategorische Absage und allfälliger Verhütung gleich mit. Extra matrimonium nulla salus – außerhalb der Ehe kein Heil – unter dieser Grundprämisse spricht das Konzil über die Beziehung von Mann und Frau. Und nur unter dieser Prämisse und diesem Thema werden Frauen überhaupt besprochen. Wer nach Frauen im Konzil sucht, findet sie in der Ehe.
Trotzdem gelten diese Kapitel noch heute den meisten Theologen, auch den ihrem Selbstverständnis nach progressiven, als Meilenstein in der kirchlichen Lehre zu den Themen Sex und Frau. Sicher schwingt da bei einigen heimlich diese Nostalgie von damals mit, die Romantik der goldenen Sechzigerjahre, das Gefühl, als junger Theologe damals mit dabei und fortschrittlich gewesen zu sein, oder wenigstens als etwas jüngerer Theologe die Konzilsväter leibhaftig so verwegen über die freie Liebe reden gehört zu haben. Und ja, damals waren Männer in diesen Gesprächen noch unter sich. Als Frau Jahrgang 1971 fehlt mir dieser Zugang. Nachdenklich gemacht hat mich aber die fast idente Äußerung zweier älterer Kollegen der oben beschriebenen Kategorien, sprich halbwegs jung und ganz jung während des Konzils. „Du weißt ja nicht, wie es vorher war.“
Wie es vorher war
War es vorher, vor den Kapiteln 47 bis 52 und dem II. Vatikanum, wirklich noch schlimmer in Sachen Ehe, Sex und Geschlechterrollen?
Wer Näheres wissen will, braucht nicht nur ein Glossar, sondern Lateinkenntnisse. Das im deutschsprachigen Raum verwendete Lehrbuch zum Thema, das Priestern bis zum Konzil als Grundlage für ihre Theorie und Praxis zur Ehe, insbesondere aber der Beratung der Eheleute in der Beichte diente, erklärt einiges. So zum Beispiel Ziel, Lage, Ort und Zeit des erlaubten Aktes, im Original: „De liceitate actus coniugalis ratione circumstantiarum. § 1. De fine, § 2. De situ et loco, § 3 De tempore.“ Oder das Übel des Genusses. „De malitia luxuriae.“ Oder überhaupt: „Quomodo perficiendo“ – wie man den ehelichen Verkehr durchzuführen habe.
Die Summa Theologiae Moralis der Jesuiten Hieronymus Noldin und Albert Schmitt ist nicht nur eine abgründige Motivation, sein Latein aufzufrischen, sie ist vor allem ein Schlüssel zum Verständnis jener Passagen aus der Pastoralkonstitution Gaudium et spes, die am Anfang des kirchlichen Diskurses über Frauen stehen. Zunächst einmal die Sprache. Diese Summa ist weit entfernt von jeglicher Spiritualisierung der Ehe oder gar des ehelichen Verkehrs. Es geht wohlgeordnet zur Sache, immer schön logisch beginnend mit einer Definition, genaueren Erläuterungen, möglichen Fragen und Verirrungen. Die Summa Theologiae Moralis ist auf ihre Weise sogar über weite Strecken geschlechtergerecht formuliert, wenn auch ohne Binnen-I, dafür aber artig mit „quod vir vel mulier“ (dass der Mann oder die Frau) oder „utriusque sexus“ (beiderlei Geschlechts). Von der Besonderheit der Frau als weiblichem Wesen ist nur dann die Rede, wenn es entweder um biologische Sachverhalte geht (und dann in einer Detailliertheit, die kein Schulbuch bis in die 1980er-Jahre wagte) oder aber bei jenen Sünden, die eine spezifische Rolle der Frau implizieren: Prostitution und Vergewaltigung. Erstere wird interessanterweise fast ausschließlich unter der Frage, ob die Staatsmacht sie denn erlauben dürfe, abgehandelt – sie darf natürlich nicht, sondern der Staat soll sich um die Erziehung der Jugend zur Keuschheit kümmern. Von den Beweggründen der Frauen ist ebenso wenig die Rede wie von ihrer speziellen Sündhaftigkeit, Prostitution ist Unzucht des Lohnes willen, wie die spröde deutsche Übersetzung des nicht minder spröden lateinischen Originals lautet. Vergewaltigung wiederum wird als Delikt gegen jede Frau angesehen, die „immunis a peccato“, also frei von der Sünde sei, wenn sie sich zumindest innerlich (!) dagegen gewehrt hat.
Ansonsten gilt so wie im profanen Leben: Die Frau ist Helferin des Mannes, auch bei der Sünde der Unzucht, und die Autoren suchen den schmalen Grat zwischen Verpflichtung zum ehelichen Gehorsam und Vermeidung der Sünde zu definieren, was bei seitenlangen Überlegungen zur Mithilfe der Ehefrau zur Onanie des Gatten latent parodistische Züge annimmt. Jegliche Art der Empfängnisverhütung (es gibt sogar ein lateinisches Wort für Kondom) ist natürlich strengstens verboten, die Beichtväter wussten aber nach dem Studium von Noldin/Schmitt bestens Bescheid, wonach sie die Bußfertigen fragen mussten.
So war die theologische Rede über die Ehe als Verbindung von Mann und Frau also „vorher“, vor dem Konzil und den Artikeln 47 bis 52, in Gaudium et spes: Das eheliche Leben, ein steter Spießrutenlauf zwischen zentimetergenau vermessenen Grenzen von tolerierter, weil zielgerichteter Lust und der Sünde. Aber auch: eine extrem nüchterne Sicht beider Geschlechter als Rechtsobjekte, deren Handeln in licet und non licet, in erlaubt und verboten, unterteilt wurde, unsentimental in einem Ausmaß, das heute wohl viele Priester als „verdinglicht“ oder „versachlicht“, beides natürlich Begleiterscheinungen der schlimmen Postmoderne, bezeichnen würden. Frauen als besonders schützenswerte Wesen oder auch nur als Teil einer Liebesgemeinschaft mit transzendenter Aufgabe, wie wir sie gleich in Gaudium et spes kennenlernen werden, gibt es schlichtweg noch nicht. Was jene in Ehren ergraute Konzilsgeneration meint, wenn sie von den Verbesserungen durch das Konzil gegenüber dem „Vorher“ von Noldin/Schmitt spricht, ist die Entrechtlichung der Ehe zugunsten einer Theologisierung und Spiritualisierung. Was sie auch meint, ist der Wegfall all jener minutiösen Regeln im Umgang der Geschlechter, der eben alles bis zur berühmten Frage, ab wie viel Zentimetern Rocklänge über dem Knie die schwere Sünde begänne, umfasste – und zwar für die Haut zeigende Frau und den lüstern hinblickenden Mann. Das Konzil galt und gilt vielen als Befreiung von diesem spätscholastischen Korsett der Unzuchtsparagrafen.
Und so meint es Gaudium et spes
Endlich konnten das eigene Begehren und die sexuelle Vereinigung mit einer Frau als Teilhabe am Heilsgeschehen ohne nähere Klauseln verstanden werden. Aus männlicher Sicht, wohlgemerkt. Ich kenne keine Frau der heutigen Generation 70 plus, die so von der Befreiung durch Gaudium et spes schwärmt wie Männer. Das mag wesentlich daran liegen, dass Theologen damals Priester waren, die sich dann, von der theologischen Aufwertung der Ehe motiviert, laisieren ließen, das mag aber auch daran liegen, dass frau die entsprechenden Passagen schon damals eher als Männergespräch empfunden hat. Männer reden darüber, wie schön die eheliche Liebe für Mann und Frau doch sei. Frauen sind Teil eines harmonischen Ganzen, eben der Ehe. Und dort aber fallen die strengen Benimm- und Berührregeln von „vorher“ zugunsten einer Theologie der Ehe, welche die Frauen zunächst einmal mitmeint, in weiterer Folge aber wesentliche Grundlage für alle weiteren kirchlichen Diskurse über Frauen wird.
„Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, d. h. durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet. So entsteht durch den personal freien Akt, in dem sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen, eine nach göttlicher Ordnung feste Institution, und zwar auch gegenüber der Gesellschaft. Dieses heilige Band unterliegt im Hinblick auf das Wohl der Gatten und der Nachkommenschaft sowie auf das Wohl der Gesellschaft nicht mehr menschlicher Willkür. Gott selbst ist Urheber der Ehe, die mit verschiedenen Gütern und Zielen ausgestattet ist.“ (48)
So beginnen die Artikel zur „Heiligkeit von Ehe und Familie“. Das klingt doch schon ganz anders als der Anfang der Summa Theologiae Moralis zum gleichen Thema:
„Der Gebrauch der Ehe besteht in jener Handlung der Gatten, welche von der Natur zur Bewahrung und Weitergabe des Menschengeschlechts eingerichtet wurde, d. h. in der fleischlichen Verbindung.“
Gegenseitig zu schenken und anzunehmen, das ist doch wahre Gleichberechtigung, nicht dieser Gender-Wahn, kann man heute von jungen, charismatischen Kaplänen hören, deren Eltern zur Zeit des Konzils noch in der häuslichen Obhut der Mutter waren, wie es in Gaudium et spes formuliert wird. Aus dem angenommenen Geschenk der ehelichen Liebe wird aber rasch eine extrem hohe Verbindlichkeit, die direttissima zu Gott zurückreicht. Nicht, dass nicht auch vor dem Konzil die Ehe als Institutum göttlichen Rechts und dementsprechend ihre Unauflöslichkeit gegolten hätte. Die extreme Personalisierung und Emotionalisierung der Ehe bereits in diesen ersten Zeilen von Gaudium et spes gilt aber nicht mehr nur den unmittelbar Betroffenen, also den Ehepartnern, sondern auch Gott, dessen Anwesenheit als stiller Teilhaber wiederholt strapaziert wird.
„Eine solche Liebe, die Menschliches und Göttliches in sich eint, führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben; ja gerade durch ihre Selbstlosigkeit in Leben und Tun verwirklicht sie sich und wächst.“ (49)
Sehr schön. Aber was, wenn doch nicht? Einer der Knackpunkte der Familiensynode 2015, der Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten oder gar die Möglichkeit einer erneuten Ehe, scheitert in Wahrheit nicht an Mt 19,6 („Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“). Das wirkliche Problem in den Köpfen der Verantwortlichen, nach wie vor überwiegend klerikale Männer, ist die extreme Stilisierung der Ehe, wie sie mit Gaudium et spes beginnt. Dieses Problem betrifft natürlich Männer und Frauen. Und man muss der Pastoralkonstitution zugute halten, dass sie die hohen Anforderungen ausdrücklich an beide Geschlechter stellt. Aber in den genannten Männerköpfen und auch in der realen Soziologie wird das Problem Scheidung eben nicht in gleichem Maß bei Männern und Frauen verortet. Die gesellschaftlichen Entwicklungen, beginnend nur wenige Jahre nach 1965, eröffneten Frauen die Möglichkeit rechtlicher und wirtschaftlicher Autonomie und damit den Ausweg aus all jenen Beziehungen, wo das „Schenken und Annehmen“ eher einseitig zu finden war und die zitierte „Selbstlosigkeit“ zur ausschließlich weiblichen Tugend verengt wurde, wie wir es in den 1980er-Jahren in kirchlichen Texten lesen werden. Das Eheverständnis des Konzils ist der gut gemeinte Versuch, von der detaillierten Normierung des Ehelebens wegzukommen und ein fundamentales theologisches Verständnis der sakramentalen Verbindung von Mann und Frau zu etablieren – und diese so in die neuen Zeiten hinüberzuretten. Gut gemeint ist das Gegenteil von gut, sagt der gemeine Volksmund, und zumindest aus heutiger Perspektive ist da etwas Wahres dran. Bei näherer Betrachtung wird nämlich genau jener normativ-detaillierte Teil von Noldin/Schmitt und der dahinterstehenden Ehelehre hinübergerettet, der nur drei Jahre später, 1968, zum Anfang vom Ende der kirchlichen Diskurshoheit in Sachen Sexualität führen und ein Frauenbild etablieren wird, das in steiler Kurve von der Realität wegführt: Unmittelbar an die hohe Spiritualisierung der Ehe als Einheit von Menschlichem und Göttlichem anschließend, geht es wieder genau um jene Konkretion des Ehelebens, der schon die Summa von 1941 viele Absätze widmet: Der Verpflichtung zur Fortpflanzung oder, umgekehrt formuliert, dem Verbot der Verhütung.
„Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit. Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.“ (51)
Gut gemeint ist wirklich nicht immer gut. Kaum eine Theologiestudentin heute versteht ansatzweise, was denn eigentlich genau und warum verboten ist. Was hängen bleibt, ist eine seltsame semantische Kluft zwischen einem äußerst emotionalen Grundton und einer hart-normativen Sprache, die von objektiven Kriterien, dem Lehramt und dem göttlichen Gesetz spricht.
Wovon nicht gesprochen wird: Die geschlechtsspezifischen Folgen dieses Verbotes. Dass Schwangerschaften und Geburten Frauen mehr betreffen, ebenso die zumindest 15 Jahre danach, ist schlichtweg nicht am Radar der Konzilsväter. Ein einziges Mal (!) in dem gesamten Abschnitt über Ehe und Familie wird die Frau speziell angesprochen – das ist um ein Vielfaches weniger als in der vorkonziliaren Abhandlung über den Gebrauch der Ehe. Und an dieser Stelle, wie könnte es anders sein, geht es um ihre Rolle als Mutter:
„Zu ihrer Erziehung trägt die anteilnehmende Gegenwart des Vaters viel bei. Aber auch die häusliche Sorge der Mutter, deren besonders die jüngeren Kinder bedürfen, ist zu sichern, ohne daß eine berechtigte gesellschaftliche Hebung der Frau dadurch irgendwie beeinträchtigt wird.“ (52)
Vor allem der letzte Satz liest sich wie ein Orakel für alle späteren Diskussionen und ideologischen Positionierungen zum Thema Frauen-Kinder-Beruf, dessen volle Bedeutung anno 1965 wohl den wenigsten klar war, zumal die meisten Frauen ohnehin noch zu Hause waren.