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84 Plinius, Nat.Hist. 28,17,59: Adsidere gravidis vel, cum remedia alicui adhibeantur, digitis pectinatim inter se inplexis veneficium est, idque conpertum tradunt Alcmena Herculem pariente; peius, si circa unum ambove genua; item poplites alternis genibus inponi. ideo haec in consiliis ducum potestatiumve fieri vetuere maiores velut omnem actum inpedientia, vetuere vero et sacris votisve simili modo interesse.

85 Manfred Lurker: Wörterbuch der Symbolik, Stuttgart 1988, S. 809; Agrippa von Nettesheim: De Occulta Philosophia, Kap. XVII.

86 Baechtold-Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, VI,50 u. 321, I, 537 u. a.

87 Baechtold-Stäubli, HdA, I,537 (Stichwort „Aphrodisiaca“): „Deß Wieselins linckes hödlin in die Haut eines Maultieres verwickelt, machent unbärhafft.“

Teil II
Hekate in der klassischen Literatur


Hekate in Athen

Über Thrakien und Thessalien, vielleicht auch über die Inseln der Ägäis – eine Hekate-Insel befand sich vor dem Hafen von Delos1 – gelangte der Kult der Göttin schließlich nach Athen, wo sie spätestens ab dem 5. Jahrhundert populär wurde. In dieser Zeit wurde ihr am Rand der Akropolis ein Heiligtum erbaut, das sie wieder einmal in ihrer Funktion als Hüterin des Eingangs (Hekate Propylaia) zeigt. Pausanias (II, 30,2) berichtet, dass sie als Hekate epipyrgidia (Turm-Hekate) unweit des Nike-Tempels auf der Akropolis verehrt wurde, als Alkamenes die oben erwähnte dreigestaltige Hekate-Statue schuf.2 Schließlich war die Göttin so beliebt, dass vor nahezu jeder athenischen Haustür ein Hekate-Bild stand, wie Philokleon in Aristophanes’ „Wespen“ V. 804 sagt (‘ώσπερ Έκάτειον, πανταχού προ τών θυρών, hôsper Hekáteion, pantachoú pro tôn thyrôn). Inschriften aus Epidauros und Magnesia belegen denselben Beinamen für Artemis und die Altäre vor den Haustüren.

Hekate in der griechischen Tragödie

Wenden wir uns nun den Stellen zu, an denen Hekate bei den griechischen Tragikern Aischylos, Sophokles und Euripides erscheint, die allesamt Athener waren. Hier tritt sie uns erstmals als dämonische Göttin der Magie entgegen, die nachts beschworen wird, den Menschen Gespenster und böse Träume sendet und auf einer Drachenschlange reitet, ja selbst schlangenhafte Züge aufweist.

In den „Hiketiden“ (Schutzflehenden) des Aischylos ruft der Chor V. 676 Hekate-Artemis als Geburtshelferin an, wobei die Göttin als Schützin gedacht wird, die der Gebärenden mit ihren Pfeilen die Wehen sendet (vgl. Homer, Ilias XI, 269):

Hort sei Artemis Hekate

Bei Geburten den Frauen!3

(Άρτεμιν δ Έκάταν γυναικων λόχους εφορεύειν, Artemin d’ Hekátan gynaikôn lóchous ephoreúein).

Ganz ähnlich heißt es bei Euripides im „Hippolytos“, als die Amme Artemis als Geburtshelferin erwähnt:

Auch meinen Leib hat

einst der Sturm durchzittert.

Da schrie ich zur Herrin der guten Geburten,

zur bogenwaltenden himmlischen Jungfrau

Artemis.4

Als „Despoina (Herrin) Hekate, Hüterin königlicher Paläste“ begegnet sie uns in einem Aischylos-Fragment (TrGF 388). In Sophokles verlorener Medea-Tragödie „Die Wurzelsammlerinnen“ (Rhizotomoi) stand die folgende Anrufung, die uns Hekate zum ersten Mal als die unheimliche, nächtliche Herrin der Dreiwege zeigt. Dieses kurze Fragment ist schwer zu deuten und verwendet sehr archaische Bilder:

Helios, Herrscher und heiliges Feuer,

Speer der Hekate Einodia

Welchen sie durch den Olympus trägt,

Und sie, bewohnend der Erde heilige Dreiwege,

Hat sich umgeben mit Eiche(nlaub) und Geflecht,

Mit den Windungen grausamer Schlangen.5

Bemerkenswert ist ihre enge Verbindung zum Sonnengott, der hier als ihr „Speer“ bezeichnet wird und von ihr geführt wird. Die Metapher deutet die Strahlen der Sonne als Waffe der Göttin, was an eine Stelle im großen Pariser Zauberpapyrus erinnert, in dem die „Allmutter Physis“ als „Unbezwungene, Zusammenhaltende“ bezeichnet wird, „die das große Feuer im Kreise umtreibt“ (PGM IV,2915 ff.).6 „Phosphoros, „Lichtbringerin“, ist überhaupt einer der häufigsten Beinamen der Hekate (etwa Schol. Ad. Theocr. II,12; Eur. Hel. 569; fr. 959); ihre Fackel wird im Demeter-Hymnus als „sélas“ (Licht) bezeichnet.7 Der Speer ist zudem die wohl älteste Jagdwaffe der Menschheit, noch vor Pfeil und Bogen. Kurz, Hekate erscheint hier unseres Erachtens als Jägerin, als Sonnen- und Erdgöttin. Wie aber kommt eine Erd- und Nachtgöttin wie Hekate dazu, die Sonne zu führen? Die plausibelste Erklärung wäre auch diesmal wohl, dass Hekate die Sonne in der Nacht unter der Erde hindurch von Westen nach Osten führt, damit sie morgens wieder im Osten aufgehen kann. Denn die Nachtreise der Sonne, die in klassischer Zeit dem Sonnengott Helios zugeschrieben wird (er fährt in einem goldenen Gefäß unter der Erde nach Osten), war in archaischer Zeit Aufgabe der Erdgöttin: Noch die Mondkuh der ägyptischen Göttin Hathor trägt ein Boot unter ihrem Leib, in dem Sonne und Sterne nachts gen Osten reisen. Hekate würde also bei Sophokles tatsächlich noch die alte Erdgöttin verkörpern, die die Mutter der Sonne ist. Der Bezug zur Sonne bzw. zum Sonnengott ist bei Hekate stets vorhanden, wie wir bei der Medea-Sage noch sehen werden. Die mythische Vorstellung der Unterweltfahrt bietet sich auch förmlich an als Symbol für Tod und Wiedergeburt, für den Übergang von einem Leben zum nächsten und für die zyklische Erneuerung der Lebenskraft. Wolfgang Fauth sieht daher gerade in Medeas Fähigkeit, Lebewesen durch Zerstückelung zu verjüngen, einen Ausdruck ihres solaren Erbes: „sie verjüngt und erneuert mit dem Zerstückelungsopfer des Widders im magischen Kessel (Diod. Bibl. Hist. 4,52, 1 - 2 T34) die solare Lebenskraft, - analog dem nächtlichen Aufenthalt des Sonnengottes im goldenen Gefäß. Demgemäß werden in Rhizotomoi des Sophokles (...) Helios und Hekate vom magischen Anruf zusammengefasst“8 .

Hierzu passt auch, dass Hekate in der Antike gelegentlich mit dem Morgenstern in Verbindung gebracht wurde, der den Aufgang der Sonne ankündigte (ähnlich wie die phönizische Astarte).

Ob die „Schlangen“ sich auf dem Kopf (wie bei der Medusa) oder am Körper befinden (wie in späteren Texten erwähnt), ist nicht ganz klar. Als Hekate dem Jason erscheint, heißt es bei Apollonios von Rhodos: „Und rundherum bekränzten sie schreckliche Schlangen mit Eichenzweigen.“ (smerdaléoi dryïnoisi metà ptórthoisi drákontes; Argonautika III, 1215). Dass Hekate gern mit einem Schlangen-Gürtel dargestellt wurde, wissen wir auch aus den gräko-ägyptischen Zauberpapyri (PGM).9 Dort heißt es auch, sie habe „giftsendende Drachengeflechte auf den Schultern“ bzw. einen Eichenlaubkranz mit Schlangen, oder sei am Unterleib mit Schlangenschuppen bedeckt (wie Melusine) oder von Schlangen umgürtet.10 Die byzantinische Suda-Enzyklopädie spricht sogar davon, dass die Erscheinung der Hekate drachen- oder schlangenköpfig sei.11 In einem spätantiken Text fordert Hekate selbst von ihren Anhängern, sie mit Schlangen auf dem Kopf und um die Hüfte abzubilden:

Vollende mir nun alles, was ich dir sage: Meine Statue stellt dar

In sich das Bild der Demeter, geschmückt mit prächtigen Früchten,

Mit schneeweißem Gewand und goldenen Sandalen an den Füßen,

Um den Gürtel winden sich lange Schlangen (δράκοντες),

die auf meinen reinen Spuren kriechen, andere hängen

Von meinem Haupte herab bis auf die Füße,

Um mich gewunden in geordneten Reihen.12

Den Schlangengürtel hat Hekate mit der Gorgo Medusa gemeinsam, die beispielsweise auf dem Relief des Artemis-Tempels von Korfu (585 v.Z.) mit zwei Schlangen dargestellt wird, die sich vor ihrem Bauch gegenseitig umschlingen wie am Heroldsstab des Hermes. Historisch gesehen verweist die Schlangengöttin zurück auf die minoische Kultur Kretas, in der es um 1600 v. Z. Schlangenpriesterinnen bzw. –göttinnen gegeben zu haben scheint (vgl. die bekannte Statue einer barbusigen Priesterin aus Knossos, die zwei Schlangen hält und sich heute im Museum von Heraklion befindet). Auch Ischtar trägt einen Schlangengürtel, die ägyptische Göttin Isis (Thermutis) wurde noch in römischer Zeit in Ägypten mit einem Schlangenleib dargestellt, selbst die etruskische Todesgöttin Vanth hält in kretischer Manier zwei Schlangen in den Händen. Die Drachensymbolik ist immer mit chthonischen Gottheiten verbunden, die von den olympischen Göttern und den Heroen überwunden werden müssen (man denke an den Drachenkampf des Jason, Herakles und Kadmos). So muss Apollon zuerst die Python-Schlange töten, bevor er Delphi in Besitz nehmen und dort Orakel spenden kann. Delphi war eindeutig ein Ort der alten Erd- und Muttergöttin, die dort schon vor der Ankunft Apollos und der patriarchalen Griechen von rätselhaften Pelasgern verehrt wurde. Der Drachenkampf scheint generell ein Symbol für die Überwindung matrizentrischer Strukturen durch das Patriarchat zu sein, stehen die Schlangen doch ursprünglich für die „einstmals androgynen Fähigkeiten der sich selbst befruchtenden Muttergöttin“13 , aber auch für Dunkelheit, Nacht, Feuchtigkeit und Tod.

Die Polarität von männlich und weiblich, Sommer und Winter, Himmel und Erde wurde von den Griechen daher auch in dem Sprichwort „Der Stier ist der Vater der Schlange, und die Schlange ist der Vater des Stiers“ ausgedrückt, das bei Firmicius Maternus überliefert ist. C. G. Jung schreibt hierzu:

Das bringt es auf den Begriff. Man kann es nicht übertreffen an großartiger Klarheit, nur muss man verstehen, was der Stier ist und was die Schlange ist. Der Stier ist der Monat Mai, die großartige Fruchtbarkeit des Frühlings. Taurus, die unzähmbare Kraft in ihrer vollen männlichen Manifestation, ist das Haus der Venus. Die Schlange ist das kaltblütige Tier, die irdische Gottheit, sie bedeutet Dunkelheit, Nacht, Feuchtigkeit. Sie ist in der Erde versteckt, sie symbolisiert Tod und Furcht. Sie ist giftig. Sie ist das genaue Gegenteil des Stieres; daher erklärt das Sprichwort den Vater des Stiers zum Vater des offenkundigen Gegenteils und macht das Positive zum Vater des Negativen. Die Chinesen sind der Auffassung, wenn Yang den Höhepunkt erreiche, erscheine dabei Yin. Yin erreicht den tiefsten Punkt, und Yang wird erschaffen. Deshalb können sie sagen: „Um Mitternacht wird der Mittag geboren, und am Mittag wird Mitternacht geboren. Es ist alles dasselbe.14

Die Schlange ist jedoch nicht unbedingt lunar, wie man aufgrunddessen vermuten könnte, sie kann durchaus auch für die Sonne stehen, da die Schlange wie die Sonne lautlos in der Erde verschwindet. Der Schlangengürtel, Schlangenleib oder der Drache als Reittier weisen die Göttin als die Verkörperung des großen Kreislaufs aus und stehen für die Menstruation:

Die Schlange und die Göttin umwinden einander und in Furcht und Entzücken werden sie eins. Ihre symbolische Vereinigung entspricht dem natürlichen Zusammenfügen gemeinsamer Attribute. Beide sind mit Geburt, Tod und Auferstehung verknüpft: Die Schlange durch die Fähigkeit, ihre Haut abzustreifen, die Göttin durch lunare Assoziationen ihrer Wiedergeburt. In einem komplexen Gewebe symbolischer Fäden haben sie beide mit den Reichen der Erde, des Wassers und der Unterwelt sowie mit dem Sprießen und Vergehen der Vegetation zu tun.15

Auch der Geist eines Verstorbenen kann in der Antike die Gestalt einer Schlange annehmen. Als Aeneas im fünften Gesang der Aeneas seinem verstorbenen Vater ein Totenopfer darbringt, erscheint eine riesige Schlange, die das Opfer frisst und wieder in der Erde verschwindet – worauf Aeneas unschlüssig ist, ob dies nun der Geist des Vaters oder ein Erdgeist war (incertus geniumne loci famulumne parentis/esse putet; Aen. VI, 95 f.). Bei Plotins Tod kroch eine Schlange unter dem Bett hervor (Porphyr. Vita Plotin. 2). Sicher ist jedenfalls, dass die Schlange eng mit dem Totenkult verbunden ist.

Da ist zunächst die Schlange als Erscheinungsform chthonischer Geistwesen, der Seele verstorbener Heroen oder der Totenseele überhaupt. Hinzu kommt die Idee von der Schlange als Hüterin des Grabes und als genius loci; kann doch auch der Genius dem chthonischen Kultkreis angehören, und zwar als comes (Begleiter) der menschlichen Seele, der mit dem Menschen stirbt, aber nicht mit dem Tod zu existieren aufhört, mit den manes identisch ist und in zahlreichen Grabinschriften erwähnt wird.16

Ein schönes Beispiel für den Zusammenhang von Erdgöttin und Schlange liefert uns auch Macrobius im ersten Buch der „Saturnalien“. Nachdem er den Monatsnamen „Mai“ von Maja, der Mutter Merkurs, abgeleitet hat, diskutiert er die Gleichsetzung Majas mit der Erdgöttin, wobei er als einen der Hauptgründe anführt, dass ihr im Mai ein schwangeres Schwein geopfert werde, ein typisches Opfertier der Erdgöttin (quod sus praegnans ei mactatur, quae hostia propria est terrae; I, 12,2o); auch werde die „chthonische Hekate“ mit der Tochter des Feld- und Waldgottes Faunus gleichgesetzt. Sodann erzählt Macrobius eine alte Sage, derzufolge Faunus seine Tochter vergewaltigen wollte, als diese sich dagegen sträubte, habe er sich in eine Schlange verwandelt und sich mit ihr vereinigt, (transfigurasse se tamen in serpentem pater creditur et coisse cum filia; I, 12,24), weshalb Schlangen in ihrem Tempel erschienen, ohne sich zu fürchten oder Furcht zu erregen (serpentesque in templo eius nec terrentes nec timentes indifferenter appareant; I, 12,25). Der Maja-Tempel war außerdem eine Kräuter-Apotheke, kein Mann durfte ihn betreten.

Nun ist Faunus/Fauna eine ursprünglich zweigeschlechtliche Gottheit, ähnlich wie Cacus/Caca und Liber/Libera.17 Solche androgynen Götter, die durchaus nicht selten sind, sind jedoch immer chthonisch und verweisen zurück auf die Vorstellung der sich selbst befruchtenden Erdgöttin, also auf eine frühere Phase der kulturellen Entwicklung. Der Faunus-Mythos scheint also ebenfalls auf die alte Religion der Göttin zurückzugehen. In esoterischer Hinsicht verweist der Drache auf die „Feuerschlange“, die Shakti oder Kundalini, und auf die „drakonischen“ oder tantrischen Kulte, die ihr gewidmet sind. Wir werden weiter unten noch einige Hinweise auf die magischen Praktiken finden, die mit Schlangengöttinnen wie Hekate verbunden wurden.

Am häufigsten erscheint Hekate in den Dramen des Euripides, was möglicherweise damit zu tun hat, dass sie ab dem 5. Jahrhundert v. Z. in Athen auch offiziell verehrt wurde. In der Erkennungsszene der „Helena“ (v. 569 ff.) rufen Menelaos und Helena Hekate als „Lichtträgerin“ und Verursacherin von Traumbildern an. Wieder tritt ihre ambivalente Doppelnatur als Licht- und Nachtgöttin hervor:

M.: Lichtgöttin Hekate, send’ uns holde Bilder zu!

H.: Kein Nachtgebild der Wegegöttin schauest du.

(ώ φωσφόρ́ Έκατη πέμπε φάσματ’ είμερη)18 .

Auch diese Stelle macht nur Sinn, wenn man Hekate als Hüterin eines verborgenen Lichtes denkt, eben der Sonne, die sich nachts unter der Erde befindet. Im dritten Akt des „Ion“ plant Kreusa die Ermordung des jungen Ion, den sie für einen Bastard ihres Gatten Xuthos hält. Der Chor ermuntert sie dabei, indem er in seinem Chorlied Hekate anruft, die heimliche Vergiftung zu unterstützen:

Pfadebehütende Gottheit, Tochter Deos, Lenkerin nächtlichen Pfads wie hellen

Gangs an leuchtenden Tag, o sei Pfadlenkerin heute

Jenem todausströmenden Kelch der Herrin,

Jenem Kelch, in welchen das Blut

Halsdurchschnittener Gorgo träuft, zum Trunk ihm,

Der keck das fürstliche Haus der Erechtheiden begehrt.19

Deo ist Demeter, so dass Hekate hier als Tochter der Demeter gesehen und mit Persephone gleichgesetzt wird, aber anhand ihres Beinamens „Pfadlenkerin“ als Hekate identifizierbar ist. Johannes Minckwitz kommentiert diese umstrittene Passage so:

Als Göttin der Nacht galt gerade Hekate für eine Beschützerin aller Wege und Stege; sie sendet Nachtgesichter und jeder Art gespensterhafte Erscheinungen, und wurde deßhalb angerufen. Unbedingt richtig aber ist es, was Hartung gegen Seidler und Hermann anführt, welche beide Kritiker eine falsche Interpunktion aufstellten, wonach es heißen würde, Hekate sei bloß die Vorsteherin nächtlicher Pfade, aber sie solle auch einmal den Tagsgeschäften hold sein und den tödlichen Becher zum rechten Ziele lenken. Sehr gezwungen wäre diese Abteilung des Satzes, besonders da kaì sich so leichter und natürlich an den ersten Theil des Satzes anschließt und in der Bedeutung von „auch“ sich nur schwer auf den folgenden Imperativ beziehen lässt. Richtig bemerkt also Hartung, dass die Wegegöttin (Enodia) über die Pfade am Tage in dem Falle walte, wenn dieselben im Dunkeln schleichen. Und hier gilt es einem hinterlistigen, einzig in Verborgenheit möglichen Vorgehen auf Schleichwegen.20

Der heimtückische Giftmord ist eine Handlung, die ihrer Natur nach „nächtlich“, verborgen und dunkel ist, und daher in den Zuständigkeitsbereich der dunklen Göttin fällt. Das Gift ist Drachenblut, das Blut der von Perseus erschlagenen Medusa, und man kann nun lange über dieses Drachenblut rätselraten – aber wenn man sich erinnert, dass Drachen bzw. Schlangen immer auf die Göttin verweisen, kommt man seiner wahren Natur bald auf die Spur: Es ist Menstruationsblut, dem weltweit besondere magische Eigenschaften und Gefährlichkeit zugeschrieben werden, wie man etwa bei Plinius nachlesen kann. Wir werden auch hierfür noch weitere Belege finden.21

Ein weiteres Beispiel für den düsteren Aspekt der Göttin finden wir in den „Troerinnen“ des Euripides. Das Stück schildert die Misshandlung der besiegten Trojaner, die von den siegreichen Griechen nach der Eroberung von Troja getötet oder versklavt werden. Die Hellseherin Kassandra fällt als Kriegsbeute an den Feldherrn der Griechen, Agamemnon, der sie „als heimliche Bettgenossin“ (skótia nympheutêria, V. 251) begehrt. Da Kassandra als Apollo-Priesterin zölibatär lebt, bedeutet diese „Vermählung“ das Ende ihrer Priesterschaft und wahrscheinlich auch ihrer Seherschaft. Verzweifelt und Fackeln schwingend singt sie ein Hochzeitslied, in dem sie verkündet, sie bringe dem Hochzeitsgott Hymen und der Hekate die Hochzeitsfackeln – was normalerweise die eigene Mutter tut. Da ihre Zuteilung als Beutegut an Agamemnon aber keine Heirat ist, ist diese Anrufung der Hekate ein Zeichen schwärzester Verzweiflung und Ahnung des bevorstehenden Todes:

und spende dir, Hekate, Licht

zur Hochzeit der Jungfrau,

wie‘s fordert der Brauch.22

Perseus enthauptet die Gorgo Medusa. Kampanische Halsamphora aus Capua, 340 - 330 v. Chr. (Pergamonmuseum Berlin, Inv. F 3022).

Mit Artemis identifiziert wird Hekate in den „Phönizierinnen“ v. 109, wobei die Vorstellung des Glanzes eine Rolle spielt. Antigone erblickt das Heer der Belagerer vor Theben und ruft entsetzt aus:

O Fernschützin, du Kind Letos, Hekate,

Hochhehre, das ganze Gefild,

Lodert im Erz glanzhell.23

Der Glanz der Waffen wird von Antigone spontan mit dem Glanz der Göttin assoziiert, die hier eng mit Apollo und Leto assoziiert wird und von Artemis nicht zu unterscheiden ist. Sie verhält sich, als würde das Glänzen eine Erscheinung der Hekate anzeigen. Das Epitheton hekatê-belétês (weithin werfend, aus der Ferne treffend) steht im Übrigen auch Apollo zu und spiegelt die uralte animistische Vorstellung wieder, dass Krankheiten und Schmerzen von den Göttern als Pfeile auf die Menschen geschossen werden. Der Dichter spielt offensichtlich mit dem Gleichklang von schmückendem Beiwort und Namen der Göttin, die aus der Ferne schießt und bei ihren Erscheinungen nachts in blendend hellem Licht strahlt. Der Lichtcharakter Hekates wird auch in einigen Tragödien-Fragmenten betont: So wird der Hund, Begleiter und Opfertier der Hekate, in einem Fragment des Euripides (frag. 968 Nauck) „Statue der lichttragenden Hekate“ (Έκατης άγαλμα φωσφόρου Hekatês ágalma phosphórou)24 genannt.

Nun würden all diese Symbole und Beinamen keinen Sinn machen, wenn sie nicht in innerem Erleben wurzeln würden. Gemäß unserer Prämisse, die Göttin als real zu behandeln, müsste es Erlebnisse gegeben haben, in denen sie Menschen als numinose Lichterscheinung erschien; dass solche Erlebnisse möglich sind, lässt sich völkerkundlich belegen. So finden wir in jüngster Zeit in Mexiko eine merkwürdige Parallele: 2003 und 2004 gingen Berichte durch die Presse, die vom Auftauchen eines neuen Kultes berichteten, der einer Heiligen „Santa Muerte“ gewidmet ist. Hinter dieser Gestalt, die als Skelett mit Sense und Weltkugel dargestellt wird und von den Mexikanern auch „Niña Blanca, La Flaca (die Magere), Martita“ genannt wird, verbirgt sich wahrscheinlich eine alte aztekische Todesgöttin namens Mictecacihuatl. Sie wird vor allem von Kriminellen und Drogenhändlern verehrt (aber auch von Polizisten) und hat die Macht, vor dem Tod zu bewahren oder das Sterben leichter zu machen. Ihren Anhängerinnen und Anhängern erscheint sie als Skelett, als weiße Frau mit extrem bleichem Gesicht oder als blendend weißes Licht:

Eine andere Gestalt, in der sie erscheint, ist unter dem Bild einer hochgewachsenen und schlanken Frau, die von einer großen Tunica bedeckt ist, mit langen Haaren und von außergewöhnlich weißer Gesichtsfarbe. Diese Erscheinung kann mit der weinenden Muttergottes verwechselt werden, jedoch ist es sehr leicht, sie auseinander zu halten, da die Santa Muerte niemals weint oder schreit. Die Santa Muerte zeigt sich auch als weißes und kaltes Licht, das den Ort erfüllt, an dem sie erscheint. Einige Leute, die diese Kundgebung gespürt haben, beschreiben sie als ein Gefühl von Ruhe und völligem Frieden, auch haben sie erwähnt, dass sie eine Entspannung des ganzen Körpers fühlten, die mit einem tiefen Schlaf endete. Diese Erfahrung mit der Allerheiligsten widerfährt Personen, die eine tiefe emotionale Krise durchmachen, an einer chronischen Krankheit leiden, die sie ans Bett oder ans Krankenhaus fesselt, oder mit Hingabe darum gebeten haben, dass die Herrin sich ihnen zeigen möge.25

Diese Beschreibung entspricht genau dem Typus der „starren weißen Frau“, der in der europäischen Kultur in verschiedenen Ausprägungen erscheint, als deren gemeinsamen Ursprung Marija Gimbutas eine steinzeitliche Todesgöttin vermutet, deren heilige Tiere der Geier, die Eule und das Schwein sind:

Ein ganz eigener Typus in der Skulpturenkunst ist die Nackte mit verschränkten oder anliegenden Armen, übergroßer Vulva, langem Hals, kaum angedeuteten Gesichtszügen oder Gesichtsmaske und Polos oder Diadem. Sie ist stets in Marmor, Alabaster, Bernstein, Knochen, hellem Stein oder Ton gearbeitet. Der helle Farbton ist die Farbe von Knochen und damit auch die Farbe des Todes. Im europäischen Volksglauben gibt es bis heute die Vorstellung vom Tod in Gestalt einer großen, weiß gekleideten Frau mit knochendürren Beinen. Zweifellos stammt dieses Bild aus dem Alten Europa, wo der Tod weiß war wie Knochen und nicht schwarz wie der furchterregende, indoeuropäische Gott des Todes und der Unterwelt.26

Als „weiße Frau“ spukt diese steinzeitliche Todesgöttin, die meist von Hunden begleitet wird, bis heute durch den europäischen Volksglauben, gelegentlich tritt sie auch als Gruppe von drei Mädchen auf.27

Dass auch Hekate eine Todesgöttin sein kann, zeigt uns die „Antigone“ des Sophokles, wo sie Vers 1199 als strafende Rachegottheit angerufen wird. Der Bote, der Königin Eurydike von der Bestattung des Polyneikes berichtet, erwähnt, dass man vor der Beisetzung des Leichnams zuerst die Unterweltgötter angerufen habe:

Erst flehten wir die Wegegöttin (enodia) an

Und Pluton, Einhalten ihrem Zorn zu tun.28

Erzürnt sind die chthonischen Götter, weil ihnen der Leichnam bisher von Kreon verweigert wurde. Antigone beruft sich in ihrem Gespräch mit Kreon ausdrücklich auch auf „Dike in der Totengötter Rat“ (V. 451), d. h. die strafende Gerechtigkeit, und auch Teiresias weist Kreon eindringlich darauf hin, dass er Unheil über Theben bringt, weil er „einen vorenthält den Göttern drunten“ (V. 1070). Durch das verweigerte Begräbnis kann der Tote nicht in die Unterwelt hinabsteigen und muss auf der Erde bleiben, wodurch er den oberen Göttern wider die natürliche Ordnung aufgezwungen wird (V. 1073). Die Schuld, die dadurch hervorgerufen wird, konkretisiert sich in Gestalt der Erinnyen (Furien) – die Angst vor ihnen ist es, die Kreon schließlich zum Nachgeben bringt (V. 1103), aber zu spät.

Herrin der Rachegöttinnen ist Hekate, sie hat die Macht, sie aus der Unterwelt hervorzurufen und den Menschen auch noch andere Phantasmen zu senden, die ihnen den Verstand rauben. Daher fragt bei Euripides im „Hippolytos“ der Chor V. 142 ff.: „Hat dich mit Wahnsinn geschlagen/Pan oder Hekate?“29 Denn für den antiken Menschen sind Träume kein Produkt des „Unterbewussten“, sondern kommen aus der Unterwelt, dem Reich der Toten und der Geister, dem Reich von Hypnos, Nyx, Thanatos und Chthon, von wo sie von Hermes oder von Hekate heraufgesandt werden. Sie sind eidolon (was Vergil mit imago übersetzt), Schattenbilder, Trugbilder, die archetypische Rollen spielen und die weder Abbilder einer realen Person sind noch Teile meiner selbst. Sie sind personae, „Masken“, hinter denen sich ein numen verbirgt.

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23 aralık 2023
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9783944180007
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