Kitabı oku: «Der Mörder und sein Bischof», sayfa 2

Yazı tipi:

Derweil machte sich der Mann die Mühe, sich häuslich einzurichten. In seinem Gepäck befanden sich die notwendigen Utensilien, um den Eindruck eines intensiven Wohnens zu erwecken. Genau genommen machte er sich viel Mühe, es so aussehen zu lassen, als sei die Wohnung erst vor Kurzem verlassen worden, auch wenn er Wochen und Monate abwesend wäre. Er rauchte ein paar Zigaretten an, ließ sie im Aschenbecher ausbrennen, legte eine angebrochene Zahnpasta-Tube aufs Waschbecken, drapierte ein paar Kleidungsstücke im Schlafzimmer. Danach machte er sich an den zweiten Teil der Arbeit. Er öffnete die restlichen Koffer und verteilte den Inhalt neu. Einen kleinen Teil packte er nicht wieder ein, sondern füllte damit zwei kleine Verstecke. Auch auf dem Speicher deponierte er einige Dinge. Anschließend unternahm er einen ausgedehnten Spaziergang, um noch einmal die nähere Umgebung zu inspizieren. Als gegen Mitternacht das ganze Dorf schlief, schleppte er einen Großteil seiner Koffer wieder zum Wagen und fuhr davon.

*

»Und, was erreicht?«

»Nö«, gab Katja maulig zurück. Immer wenn sie sich ärgerte, funkelten ihre großen dunklen Augen böse. »Aus unserer Stargalerie war niemand dabei.«

»Hat unser Rentner auch gute Augen oder rät der nur?«

»Doch, gute Augen hat er schon, nur sein Hirn ist ein wenig demoliert. Schreit dauernd, dass wir ihm keine Deutschen zeigen sollen, sondern Untermenschen von der Sorte, wie sie sich hier mehr und mehr rumtrieben. Ich glaube, er hat wieder gesagt. Na ja, das Phantombild sieht eher aus wie die Hexe aus Hänsel und Gretel. Zum Glück hat sich noch jemand gemeldet, der den Kerl gesehen haben will. Nach seinen Angaben haben wir dann doch ein ziemlich gutes Phantombild anfertigen können, nur leider kam dabei ein Typ raus, der in jeder Hinsicht Durchschnitt ist. Nun, immerhin deutet alles darauf hin, dass er ein Deutscher ist.«

»Ah, das ist ja nun was ganz Seltenes. Hat sich also Rentner Adolf geirrt.«

»Ja, Joya. Wer hätte das gedacht? Jedenfalls ist er groß, schlank, soweit man das in einem schlabberigen Overall beurteilen kann, hat braune, kurze Haare und kein einziges besonderes Merkmal.«

»Dann schauen wir wohl doch in die Röhre.«

Preuß schlug die Beine übereinander, lehnte sich ohne Rücksicht auf die Kürze ihres Rockes in ihrem Stuhl weit zurück und resümierte mit aggressivem Unterton. »Könnte man sagen. Das mit dem Abrisshaus war 'ne clevere Sache, wir haben in den Trümmern nichts gefunden, gar nichts. Ich denke, der hat ganz frech damit kalkuliert, dass diese Tröten so lange mit ihren Nachforschungen brauchen, bis das Gebäude weggerissen ist. Anders hätten wir ihn bestimmt schon. Aber so, keine Spur, alles niedergemacht von einer ordinären Abrissbirne.«

»Nun ja. Jeder Täter braucht ein Opfer, sonst kann er nicht tätern. Wie mir scheint, hat er ein besonders gutes Opfer gefunden.«

Sie ignorierte sein Abgleiten in weltanschaulichen Nonsens und blieb bei der Sache. »Könnte auch Glück sein, oder er traut den Pfaffen nichts zu und begeht dadurch einen Fehler. Es gibt kein perfektes Verbrechen.«

»Unglücklicherweise sieht es im Augenblick aber nach einem perfekten Verbrechen aus. Und das nur, weil diese Typen im Vikariat so unglaublich blöde sind.«

Preuß spielte mit der Zigarette. »Bei der Gelegenheit fällt mir was ein. Vielleicht mag ja unser Täter auch keine Katholen. Vielleicht hat er die Kirche nicht beklaut, weil sie sich so leicht beklauen lässt, sondern weil er sie aus grundsätzlichen Erwägungen heraus schädigen will.«

Joya nickte anerkennend zu ihrem Rock hinüber.

»Mhm, keine schlechte Idee.«

»Die Einzige, die wir haben, oder hast du zu diesem Thema auch noch etwas zu sagen?«

»Schon gut, du bist die Klügste. Ist dir klar, was das für einen Berg Arbeit nach sich zieht?«

»Jederzeit, mein Schönster. Nur ist das die einzige Möglichkeit, oder willst du hier sitzen und nach zwei Wochen Nichtstun vor deinen Chef treten und ihm genau das sagen? Chef, wir haben nichts unternommen, weil es keine Spur gibt, wir waren zu blöd, tut uns leid. Bitte nicht schlagen. Willst du es ihnen so leicht machen?«

»Also machen wir eine Alibi-Recherche?«

»Die Hälfte der Erfolge dieser Behörde geht auf irgendwelche Typen zurück, die irgendeinen Mist überprüft haben, nur um zu zeigen, dass sie nicht faul sind. Bin ich Jesus? Wer weiß schon im Voraus, welche Recherche welches Ergebnis bringt? Wir tauchen tief und fördern alle Feinde der Kirche zutage, die selbst erklärten, die vermeintlichen, die unbeachteten. Am Ende finden wir was. Soll ich deswegen ein schlechtes Gewissen haben? Wir sind Beamte, was soll uns passieren? Also hoch mit dir, wir lassen uns ein paar Hiwis zuteilen und fangen an.«

»Na ja, immerhin werden wir die nächsten Tage pünktlich Feierabend machen können.«

»Wovon träumst du nachts?«

*

»Na, haben wir etwas gefunden?«

Preuß blickte ihren Kollegen säuerlich an.

»Etwas ist nicht das richtige Wort. Unendlich viel wäre passender. Bis jetzt habe ich etwa fünfhundert Verdächtige, natürlich nur eine grobe Schätzung. Alle haben irgendeinen Grund, die Kirche als Ganze oder einzelne Würdenträger im Besonderen zu hassen, und das sind nur diejenigen, bei denen es offensichtlich ist. Gott weiß, wer aus einem nichtigen Grund, von dem keiner was ahnt, sonst noch im stillen Kämmerlein den einen oder anderen dunklen Plan ausheckt.«

»Also ist jeder verdächtig, der nicht geradeaus sehen kann.«

»Und die, die es tun, weil, die könnten sich ja verstellen.«

»Also die alte Binsenweisheit: Jeder ist verdächtig. Würde ich dir abkaufen, wenn du nicht dieses Grinsen im Gesicht hättest. Nun mal Butter bei die Fische, was hast du? Joya wurde ungeduldig.

»Och, lass uns noch ein wenig weitermachen. Nein? Na gut, ich habe diese fünfhundert grob eingeteilt in Fundamentalisten, die grundsätzlich etwas gegen die Kirche haben, also bereits aufgefallen sind. Vandalismus, tätlicher Angriff, so was, nichts Persönliches. Die zweite Gruppe bilden die persönlich Motivierten, solche, die aus dem Kirchendienst entlassen wurden und einen starken Abgang hatten.«

»Was für einen starken Abgang?«

»Na, Drohungen der wüsteren Art, Ohrfeigen, Tisch Zerschlagen und so was.«

Joya machte ein gelangweiltes Gesicht. »Mal unter uns, das sind doch Delikte, bei denen höchstens jedes zehnte überhaupt erst zur Anzeige gebracht wird. Müssen wir jetzt also noch viereinhalbtausend andere suchen?«, schnaubte Katja verächtlich.

»Mal unter uns, wie kommst du denn auf die unterernährte Idee, ich hätte das alles aus unserer Datei?«

»Woher denn sonst? Aus der Zeitung?«

»Fast, Schönster, fast. Die Kirche selbst führt auch Akten und aus Gründen, die irgendwann im Mittelalter vergessen worden sind, melden die Pfarrer Aktionen dieser Art ans Vikariat und die heben es auf.«

»Nein!«

»Doch. Das nennt man schwarze Liste, wir stehen doch auch auf einer, schon vergessen? Denkst du, bei der Kirche sind alle lächelnd in den Glauben vertieft und keiner denkt was Böses? Das ist ein Konzern wie jeder andere auch, mit den gleichen Geheimnissen und der gleichen dicken Beule in dem Teppich, unter den sie alles kehren. Jedenfalls habe ich da eine ganze Reihe Informationen her, die ich hinsichtlich der Adressen abgleichen lasse, und dann picken wir uns ein paar Kandidaten heraus und fangen mit den Fragen an.«

Sie wurden unterbrochen. Aus dem Nachbarraum kam ein großer schlanker Mann, durch seinen Overall als Telekommitarbeiter gekennzeichnet, durchquerte ihr Büro auf dem Weg nach draußen. Aus einer reinen Laune heraus, weil der Mann so düster geradeaus und damit an ihr vorbei schaute, sprach Preuß ihn keck an: »Hey Sie, haben Sie einen Hass auf die Kirche?«

Der Mann, er mochte Mitte dreißig sein, genau ließ sich das nicht sagen, da sich durch seinen noch im Wachstum befindlichen Vollbart die Falten nicht genau taxieren ließen, blieb stehen, sah sie leicht irritiert an und runzelte die Stirn. Sie konnte förmlich sehen, wie die grauen Zellen rotierten.

»Welche Kirche meinen Sie?«

»Oh, hören Sie auf, die katholische Kirche natürlich. Wer hat schon einen Hals auf die Protestanten? Die tun doch keinem was.«

Der Mann dachte wieder nach, immer noch stirnrunzelnd. »Nein. Ich bin ausgetreten, vor Jahren schon. War zu teuer, deshalb.« Nach dieser Auskunft verließ der Mann verließ den Raum.

Joya schaute seine Kollegin kopfschüttelnd an: »Was sollte das denn?«

»Oh, reine Gewohnheit. Das Böse lauert überall.«

»Oh, Katja, du glaubst doch nicht, dass einer siebeneinhalb Millionen Euro klaut und dann seelenruhig als Strippenzieher bei der Telekom arbeitet? Die verdienen doch nichts da.«

Katja knurrte unwillig. Manchmal dachte ihr Kollege wirklich zu konservativ. »Wieso nicht? Nein, ohne Flachs, wie viele Leute gewinnen im Lotto, sagen keiner Seele was und arbeiten weiter in ihrem Job, egal wie viel Geld das bringt? Die haben zwar genug, der Job wird aber zum Hobby. Macht den Leuten richtig Spaß, so was.«

»Hahaha, Lotto ist legal erworbenes Geld, irgendwie, aber unser Mann wird gesucht, er ist ein Dieb. Da geht man nicht weiter seiner Wege, man setzt sich ab, Geld her und tschüss.«

»Mensch, Joya, du bist doch nicht erst seit gestern bei der Kripo. Wenn unser Mann so schlau ist, wie er bei dem Coup gezeigt hat, dann wird er nicht verschwinden. Danach suchten wir doch zuerst: Bürger, die von heute auf morgen alle Brücken hinter sich abbrechen und in Länder verschwinden, die nicht ausliefern. Ohne Erfolg, unser Mann ist noch da. Und den hier werde ich jetzt überprüfen.«

Joya seufzte, wie immer hielt er es für das Beste, Preuß sich austoben zu lassen. Widerstand provozierte sie nur noch mehr, diese Episode würde rasch vorbei sein und dann konnte man auch wieder ganz vernünftig mir ihr reden. Er sah mit an, wie seine Kollegin zum Hörer griff und sich zum Personalchef der hiesigen Telekomverwaltung durchfragte. Nach kurzem Gespräch legte sie wieder auf.

»Und?«

»Nichts und. Dieser Mensch hat erst gestern da angefangen. Also ist er nicht unser Mann.«

»Aha?«

»Ja, Stellenwechsel passt nicht ins Raster, das ist nicht unauffällig. Also vergessen wir ihn. Wo waren wir stehen geblieben?«

*

»Der Typ ist gut, richtig gut«, murmelte Preuß, während sie nachdenklich aus dem Fenster starrte. Ihr Kollege ging gewohnt lässig über ihre Bedenken hinweg.

»So viel Lob für den Feind? Hast du heute den Depressiven oder was?«

Sie schnaubte. »Joya, halt die Luft an. Wenn man keinen Erfolg hat, macht man sich den Feind eben übermächtig und allwissend. Dadurch wird es leichter. Nur Psychologie, nichts Ernstes.«

Er fand ihre Äußerung typisch weiblich.

»Blabla. Also, was bringt dich dazu, den Feind als übermächtig hinzustellen?«

»Nun, unsere Kollegen von der Schutzpolizei haben den Lieferwagen gefunden.«

»Ah, toll, und wo ist nun das Übermächtige? Fingerabdrücke, DNS-Spuren und schon sind wir auf der Schiene zum Erfolg.«

Katja wandte sich zu ihm um und zerstörte seine Hoffnung.

»Bedingt. Der Vito wäre nie gefunden worden, hätte nicht Rheinbraun ein paar Grünen nachgegeben und den See leer gepumpt, um ihn zu rekultivieren.«

»Hä? Zu was sollte er denn genutzt werden?«

»Na, als See.«

Joya rollte mit den Augen. Er mochte sie wirklich gern, im Gegensatz zu vielen anderen hier vermochte sie geradeaus zu denken. Aber ihre Art, Neuigkeiten nur häppchenweise weiterzureichen, nervte ihn. »Preuß, was redest du denn da? Ein See ist ein See, rekultiviert oder nicht.«

Sie wusste, dass ihre Art ihn reizte, genau darum machte sie es so. Wieder einmal regte er sich auf, wieder einmal konnte sie ihn auflaufen lassen.

»Falsch, mein Schönster. Vorher war das ein Schlammsee, verstehst du? Schlamm. Dieser Schlamm soll entsorgt werden, daher hat man den See leer gemacht, um anschließend einen See mit klarem Wasser zu bekommen. Wegen der vielen Vögel und so.«

Joya knirschte mit den Zähnen und knurrte: »Jetzt ist mir die Sache klar. Schlamm bedeutet ...«

»Keine Fingerabdrücke, keine DNA-Spuren, genau. Dazu kommt noch, dass die Karre zusammen mit sage und schreibe acht anderen Autowracks da unten ruhte. Dass wir nach genau diesem Vito suchen, hat sich erst beim Schrotthändler rausgestellt, die Autos waren alle braun und sahen aus wie Schrott. Dieser Händler hat die Türen aufgemacht und festgestellt, dass da noch allerhand wertvolles Zeug unter der Schlammkruste lag, Werkzeug, Klamotten und ein Computer. Da hat er dann unsere Freunde von der Wache angerufen.«

Joya’s Miene hellte sich auf. »Mensch, Preuß, dann haben wir ja doch was. Dieser Computer gibt doch was her.«

Sie winkte ab.

»Gibt er nicht. Das Gehäuse ist bis oben hin mit Schlamm geflutet und die Festplatte fehlt ganz. Da ist nichts zu machen.«

So leicht wollte er nicht aufgeben. »Gut, gut, aber die anderen Bauteile haben doch Seriennummern, manchmal kann man das zurückverfolgen.«

»Diese Sache erledigst du aber, ich habe noch alle Hände voll zu tun mit diesem Jecken-Panoptikum. Du glaubst ja gar nicht, weshalb manche Leute einen Hass auf die Kirche pflegen.«

»Ich glaube alles. Vor allem glaube ich daran, dass wir bald die Identität des Täters ausgeknobelt haben, ich habe das im Gefühl.«

Joya strahlte. Preuß schüttelte gespielt fassungslos den Kopf.

»Oh, je, wenn Männer Gefühle haben, dann wird es für die Frauen Zeit, auf die Bäume zu entweichen.«

Sprach es und verließ das Büro.

»Hexe«, murmelte Joya gar nicht unfreundlich hinter ihr her.

*

Auf Schloss Alte Schlehe wurde heftig gearbeitet, der Übergabe-Termin rückte unerbittlich näher. Daher erfreute es den Meister der Heizungsfirma außerordentlich, dass sein neuer Mitarbeiter von sich aus den Vorschlag machte, die fehlenden Heizkörper am Wochenende einzubauen.

»Jung', du weißt, was das heißt? Du musst das ganze Wochenende durcharbeiten, ganz allein, keiner ist da, der dir hilft. Glaubst du wirklich, dass du das schaffst?«, fragte er in rheinischer Breite.

Sein Mitarbeiter nickte nur gleichmütig, sodass der Meister erleichtert aufbrechen konnte. Er begrüßte den seltenen Glücksfall, einen solch fleißigen Mann eingestellt zu haben. So brauchte er keinen Streit mit seiner Frau zu befürchten, da er nun doch mit ihr zusammen ihre Verwandten in Roisdorf besuchen konnte. Der Streit würde später kommen, aber das rührte ihn in diesem Augenblick nicht.

Auch andere Firmen erledigten am Wochenende ihre Abschlussarbeiten, doch nur der Mann von der Heizungsfirma blieb bis in die Nacht. Keiner beachtete ihn weiter, keiner nahm Anstoß an dem Umstand, dass er mit dem Transporter hin und wieder die Baustelle für eine Stunde verließ, wieso auch. Jedes Mal brachte er neue Heizkörper mit, und das war schließlich seine Aufgabe. Die wirklich ungewöhnlichen Dinge passierten ohnehin erst, als alle anderen die Baustelle längst verlassen hatten. Einige dieser Heizkörper hatten ein ungewöhnlich hohes Gewicht und genau diese Heizkörper machten am meisten Mühe beim Einbau. Auch mussten noch weitere umfangreiche Arbeiten durchgeführt werden. Der Mann überprüfte gerade die schweren Heizkörper sehr gewissenhaft, versicherte sich bei jedem einzelnen, dass die feinen Drähte, die auf den rückwärtigen Seiten aus den Stahlwänden hervortraten, ebenso unauffällig wie sorgfältig ihren korrekten Sitz fanden. Er ging methodisch vor, übersah nichts und prüfte alles mehrfach. Als der Meister Montagmorgen die Baustelle betrat, fand er ein funktionierendes Heizungssystem vor. Voll der Freude gewährte er seinem Mann die zwei Wochen Urlaub, die der sich erbat, obwohl er noch keine zwei Monate bei ihm arbeitete.

*

Zwei Monate später saßen zwei Polizisten vor ihrem Vorgesetzten und gaben einen vollständigen Bericht ihrer Aktivitäten. Als es nichts mehr zu sagen gab, überbrückte der eine längere Phase des Schweigens mit Aktenblättern und quietschendem Wippen in seinem Chef-Sessel. Schließlich bequemte er sich zu einer Stellungnahme. »So, da haben Sie ja allerhand unternommen. Wirklich allerhand. Schade, dass der Täter Ihnen intellektuell voraus ist.«

Preuß war nicht die Frau, Provokationen schweigend zu ertragen.

»Das ist er offenbar auch der ganzen Kirche gegenüber.«

»Frau Preuß, wir immer ist Ihr Mund schneller als Ihr Verstand. Das ist der Grund dafür, dass Sie nie Karriere machen werden.« Den Tadel formulierte der Vorgesetzte gespielt freundlich und mit sanfter Stimme, wobei er mit den Blicken versuchte, unter ihren Rock zu gelangen. Sie sah es und fügte in Gedanken hinzu: Und der Umstand, dass ich zu gut aussehe. Katja entschloss sich jedoch, für dieses Mal den Mund zu halten. Der Mann im Chef-Sessel hatte nichts anderes erwartet und fuhr in sich ruhend mit leiser Stimme fort.

»Nun, immerhin ist es Ihnen diesmal gelungen, den Deckel auf dem Topf zu lassen. Die Tatsache, dass die Presse nichts erfahren hat, erleichtert es mir ungemein, von Maßnahmen gegen Sie abzusehen.« Er sah die beiden mit ehrlichem Bedauern an. Sie hatten ihn schon vorher nicht gemocht, nun konnten sie ihn hassen.

»Wie dem auch sei, wir gehen davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt, der die Öffentlichkeit scheut. Offenbar möchte er das Geld als Altersversorgung nutzen. Da die Kirche nicht daran interessiert ist, ihr Missgeschick einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, werden wir an dieser Stelle die Akten schließen. Alle Verdächtigen sind ausgeschlossen, uns bleibt nichts anderes übrig, als zu warten, bis unser Täter einen Fehler macht. Wer weiß, vielleicht versucht er es noch einmal.«

Joya fand den Augenblick geeignet, etwas zum Gespräch beizutragen. »Das wäre eine Möglichkeit. Wir stellen ihm eine Falle, klar, da habe ich noch gar nicht daran gedacht. Wenn er nun noch einmal diese Nummer durchzieht.«

»Herr Joya, Sie haben mich nicht verstanden. Es gibt keine neuen Ideen. Abgesehen davon liegt die Straftat bereits ein ganzes Weilchen zurück, alle Spuren sind kalt. Es gibt nichts mehr zu tun.«

»Aber wir könnten noch ...«

»Kein aber. Der Fall ist hiermit abgeschlossen. Guten Tag.«

Er würde sich täuschen, sowohl mit dem guten Tag als auch mit dem ominösen Täter. Katja Preuß hatte es im Gefühl, als sie mit Joya den Raum verließ. Sie täuschte sich nicht bei so etwas, nicht, wenn das Gefühl einer nahenden Bedrohung so stark aus ihrem Bauch kroch. Der Fall begann erst. Sie mochte einfach nicht glauben, dass jemand der Kirche so viel Geld abnahm, nur um für den Rest des Lebens in Rente zu gehen. Irgendetwas würde passieren, sie wusste es. Und sie hasste es, Recht zu behalten.

*

Als er den Saal betrat, hielt er einen Moment inne, so sehr betäubte ihn der Lärm und das gewaltige Durcheinander. Dutzende von Leuten beschäftigten sich mit den letzten Vorbereitungen für das Festbankett, Kellner dekorierten die Tische, Floristen schmückten alles, was ihnen in die Quere kam, Handwerker kümmerten sich um Licht und Ton, ein paar Geistliche besprachen mit sich und den anderen Berufsgruppen Details, und alle, wirklich alle redeten, riefen oder gaben Kommandos. Er fasste sich gerade, als auch er Ziel eines Kommandos wurde.

»Hey Sie, wo sind Sie denn gewesen? Trödeln Sie nicht rum, hierher mit dem Zeug.«

Er verlor keine Zeit, er wollte den Leuten hier keinen besonderen Anlass geben, ihn im Gedächtnis zu bewahren, daher schob er seine Sackkarre an und bewegte sie in Richtung des Kommandos. In der hinteren Ecke, an allen Tischen vorbei, breitete sich die Theke von Wand zu Wand aus, bis zur riesigen Fensterfront, die den Blick auf den Dom freigab. Dort stand ein Geistlicher, sicher an die zwei Meter groß, nicht übermäßig dick, nicht allzu kahl, der ihn mit in die Hüften gestemmten Fäusten erwartete.

»Na, guter Mann, da müssen Sie sich aber beeilen, in fünfzehn Minuten beginnt der Spaß hier und bis dahin sollte das ganze Bier sicher untergebracht sein.«

Er nickte stumm, umrundete mit der Karre den Angelpunkt der Theke und lud die beiden Fünfzigliterfässer ab. Der Fußraum unter dieser Theke bot genügend Platz für die insgesamt sechzehn Fässer, die er hier abliefern sollte, und er würde pünktlich damit fertig werden, genau auf die letzte Minute pünktlich. Dem riesigen Geistlichen schien dies auch klar zu werden; mit ungnädigem Gemurmel drehte er sich um und nahm sich ein paar Floristinnen vor, die er nun statt seiner zur Eile ermahnte. Jedes Mal, wenn er mit seiner Sackkarre in den Saal zurückkehrte, befanden sich weniger Leute dort, der Lärm legte sich, das Durcheinander lichtete sich stetig. Die verbleibenden Anwesenden gehörten hierhin, bereiteten sich auf den Empfang vor, mehr und mehr breitete sich sakrale Erwartung aus. Er musste sich wirklich beeilen. Dann betrat er den Saal zum letzten Mal, die letzten beiden Fässer verstaute er so, dass sie von den zuvor gelieferten teilweise verdeckt wurden.

Nicht, dass ihn die Aussicht besorgt hätte, dass diese Fässer möglicherweise zuerst angezapft werden würden. Er wusste, dass erst das Festmahl und dazu ausschließlich Wein anstand, an Bier dachte hier die nächsten sechzig Minuten niemand. Vielmehr wollte er diese Fässer den neugierigen Blicken entziehen, die, in Erwartung des bald fließenden Gerstensaftes, auf diese Fässer geworfen werden mochten und dabei an den merkwürdigen Einbuchtungen hängen bleiben mussten. Er selbst kannte den Grund für diese Einbuchtungen, und bevor er andere Fässer vor diese schob, griff er in jede Einbuchtung und tat dort etwas, was mit einem feinen Ton quittiert wurde. Er stand auf, nahm seine Sackkarre und verließ, gescheucht von dem großen Geistlichen, in einer Traube anderer Lieferanten und Lakaien den Saal, gerade rechtzeitig, denn hinten von der Treppe näherte sich bereits der Tross der Gäste, abgeschirmt von einer Traube Diener und Assistenten. Er widerstand dem Drang, länger als einen Augenblick lang dort hinzusehen, nach dem Mann aus seinen Träumen Ausschau zu halten. Draußen verteilte sich der Schwarm der Floristen, Party-Service-Lieferanten und Handwerker auf die im Hof parkenden Fahrzeuge und genau wie diese stieg er in eines der zahlreichen Fahrzeuge und fuhr im Konvoi vom Hof.

Allerdings folgte er der Masse nicht, zweigte als Erster bereits an der ersten Ampel ab, drehte zwei enge Kurven um das Dom-Viertel und stellte den Lieferwagen der Brauerei in einer der Tiefgaragen ab. Noch im Wagen streifte er den Dienst-Overall mit dem Abbild eines riesigen Bierglases ab, griff unter den Sitz, befreite Jackett, Hemd und Krawatte aus ihren Zellophan-Hüllen, nahm seinen Piloten-Koffer und machte sich auf den Weg zur Domplatte. Dort suchte er sich zielstrebig eine Ecke aus, die zwar reichlich von Touristen bevölkert war, jedoch den Vorteil der direkten Sichtlinie zu dem eben verlassenen Festsaal bot. Da fast jeder der Touristen hier mit irgendeiner Art von Fernglas oder Kamera mit Teleobjektiv hantierte, fand es niemand außergewöhnlich, dass er ebenfalls ein Fernglas aus seinem Koffer holte und damit ein wenig durch die Gegend schaute. Niemand bemerkte zudem, dass er dem Koffer nicht nur dieses Fernglas, sondern auch einen kleinen Apparat entnahm, der wie eine Fernbedienung für Fernseher aussah. Nach einer Weile beugte er sich ein wenig vor, sodass er den Ellbogen auf der Brüstung abstützen konnte, und bewegte den kleinen Hebel am Fernglas, wodurch der Zoom auf Maximum gestellt wurde. Durch die Auflage erhielt er ein einigermaßen ruckelfreies Bild und konnte so durch die Fensterfront des Festsaals mit ansehen, wie sich die Geschehnisse dort entwickelten. Es war sehr voll, er schätzte die Teilnehmerzahl auf mindestens zweihundert, wobei fast alle standen, Gläser in der Hand. Er fluchte leise, das Bild schien im Rhythmus seines Herzschlages zu zucken, nicht viel, aber genug, um die Personen unscharf werden zu lassen. Dann erschien jemand, auf den die Versammelten offenbar noch gewartet hatten und ohne den sie nicht mit ihrer Mahlzeit beginnen wollten oder konnten, denn urplötzlich ging ein Ruck durch die Versammlung, alles eilte zu Tisch und binnen einer Minute saßen alle. Bis auf einen, der in Höhe der Theke eine Ansprache zu halten schien.

Auf diesen Augenblick hatte er gewartet. Zwar ließ sich durch die Verschwommenheit des Bildes diese Person nicht genau identifizieren, doch er zweifelte nicht, sondern konzentrierte sich auf die Fernbedienung. Um sich nicht verdächtig zu machen, drehte er sich weg und starrte scheinbar interessiert mit den meisten Touristen an der Fassade des Domes hinauf. Im Geiste zählte er bis fünf und drückte dann dreimal hintereinander einen der Knöpfe seiner Fernbedienung. Einen schrecklichen Augenblick lang tat sich nichts und er dachte schon, Opfer eines Fehlers zu sein. Dann erreichte ihn der Schall. Ein ungeheurer Knall betäubte alle im weiten Rund, instinktiv ließ er sich nach hinten umfallen, sodass er mit dem Rücken zur Brüstung saß, und erlebte als wissender Zuschauer mit, wie sich einige Menschen, halb panisch, halb aus einem inneren Überlebensinstinkt, zu Boden warfen und wie andere fassungslos stehen blieben, in genau der Position, der Armstellung, der Mundstellung, die sie unmittelbar vor dem Knall eingenommen hatten. Die Zeit schien langsamer abzulaufen; wie in Zeitlupe beobachtete er zwei metergroße Gesteinsbrocken, die in einer ballistischen Flugbahn gegen den Dom prallten, von dort zurückgeworfen zwei Gassen durch die Menge schlugen. Ein Brocken rollte ihm vor die Füße, blieb genau vor ihm stehen, erlaubte ihm einen einwandfreien Blick auf frisches Blut und kleine Fleischfetzen. Als er endlich den Blick abwenden konnte, gewahrte er den feinen Nebel aus Steinstaub, der sich über das ganze Gelände legte. Er blinzelte zweimal und rappelte sich endlich hoch. Mit nicht einmal gespielter Gehetztheit im Blick raffte er seinen Koffer an sich, fand noch die Kaltblütigkeit, Feldstecher und Fernbedienung hineinzuwerfen, und hastete in Schlangenlinien davon. Zu seiner Verwunderung und auch Erleichterung gesellten sich zahlreiche Menschen zu ihm, manche unversehrt, andere ziemlich mitgenommen. Alle, die konnten, ergriffen nach und nach die Flucht. Durch diese Massenbewegung fand er genügend Deckung, um durch die ihnen entgegen gerichtete Flut von Helfern hindurch zu finden und aus dem näheren Umkreis der Detonation zu verschwinden. Zwei Straßen weiter öffnete er mit fliegenden Fingern einen Kleinwagen, und während er losfuhr, während aus der Ferne eine beeindruckende Zahl Sirenen herankamen, murmelte er: »Zu viel genommen. Scheiß-Mathematik.«

*

Joya kam ins Büro und überraschte seine Kollegin hinter ihrem von Papierstapeln umrahmten PC. »Gib's zu, du hast doch weitergemacht.« Sie blickte nicht auf, während er sich hinter sie stellte, um zu sehen, wonach sie suchte.

»Natürlich, Joya, ein guter Bulle gibt nie auf. Du weißt doch, dass mich fragwürdige Anweisungen zum Einstellen von Recherchen und Fahndungen besonders anschärfen. Das motiviert mich, den Sessel-Pupsern zu zeigen, was eine Harke ist.«

Obwohl er ihren Starrsinn bei manchen Gelegenheiten schätzen gelernt hatte, musste er seiner Neigung nachgehen und ein wenig sticheln:

»Jaja, praktischerweise entscheidest du selbst, was fragwürdig ist und was nicht. Bisher war noch jede Einstellungs-Anweisung fragwürdig. Du weißt, wie man das nennt.«

»Gewissenhafte Berufsauffassung?«, säuselte sie und sah zu ihm hoch.

»Zwanghaftes Verhalten, mit einem Schuss Paranoia.«

Katja Preuß schnaubte verächtlich und legte ihre langen, nicht zu dicken Beine demonstrativ auf den Schreibtisch.

»He, Joya, quatsch keinen Blödsinn. Im letzten Jahr konnten wir allein wegen meiner Beharrlichkeit zwei Fälle aufklären, die unsere Chefs schon aufgegeben hatten. Beweis Nummer eins.«

»Ha. Und in den anderen sechs Fällen sind wir anhaltend gegen die Wand gerannt, haben nichts herausbekommen und uns eine Menge Ärger eingefangen.«

Sie grinste ihren Kollegen frech an. »Nun sei mal nicht so kleinkariert. An den anderen Sachen ist auch was dran gewesen, wir haben nur keine Unterstützung bekommen. In diesem Fall hat es geholfen. Ich habe nämlich einen Fahndungserfolg, sozusagen. Du weißt, ich habe dieses ungute Gefühl und deshalb habe ich weitergebohrt und nun eine kleine Neuigkeit ausgegraben, im wahrsten Sinne des Wortes.«

Er setzte sich auf ihren Schreibtisch und blickte ihr wohlwollend in den Ausschnitt. »Du hast immer ein ungutes Gefühl, aber gut, lass hören.«

»Du erinnerst dich noch an den Computer aus dem schlammigen Transporter. Also, ich habe die Einzelteile auseinandergenommen und zu einem guten Freund geschafft, ein Hacker. Der hat dann über Internet nachgesehen, ob sich was mit den Seriennummern machen lässt. Leider nein.«

»Aha. Und wo ist der Fahndungserfolg?«

»Im Vito lag auch ein Modem, eines von der Sorte, die man neben den PC stellt und mit ihm verkabelt. Die Seriennummer ließ sich einem Käufer zuordnen.«

Die Art, wie sie das sagte, machte ihn stutzig. Dennoch fragte er pro forma nach: »Oh, gut. Dann können wir den guten Mann also besuchen?«

Wie erwartet schüttelte sie den Kopf.

»Bedingt. Aber hör dir die ganze Geschichte an. Also, dieses Modem wurde bei einem kleinen Händler in Bonn gekauft, und zwar per EC-Karte. Das konnte ich zu dem entsprechenden Konto zurückverfolgen. Das Konto ist bereits ein paar Tage vor dem Coup wieder gekündigt worden. Ich habe die Bank aufgesucht, aber die konnten nicht mehr sagen, wie der Mensch ausgesehen hat. Immerhin verfügen die Burschen da über ein sehr großes Datensystem. Name und Adresse konnten die mir also trotz der Löschung des Kontos sagen.«

»Na, dann aber los.«

Er sprang von seinem Stuhl, steckte seine Waffe ein und traf alle Anstalten für einen hastigen Aufbruch. Sie betrachtete ihren Kollegen milde lächelnd und zupfte ihn sanft am Arm.

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