Kitabı oku: «Ein Plus für die Demokratie», sayfa 3

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Überblick über die einzelnen Teile

Teil 1: Das Bestmögliche für die Demokratie aus den Verträgen zwischen der Schweiz und der EU herauszuholen ist das Ziel. Auszugehen ist vom überwiegenden Willen von Volk und Ständen, den bilateralen Weg weiterzuführen. Die Diskussion über die Demokratie in den bilateralen Beziehungen kam bisher zu kurz. Der Entwurf 2018 für ein Rahmenabkommen ist für die Marktzugangsabkommen der erste einschlägige Fall. Also lohnt es sich, ihn allgemein auf die Demokratieproblematik hin zu untersuchen. Keine Stellung wird dazu bezogen, ob diesem Entwurf zugestimmt oder ob er abgelehnt werden sollte.

Teil 2: Für die Frage nach der Demokratie ist es wesentlich, dass die EU-Zusammenarbeit das Ziel der Binnenmarktbeteiligung mit dem Ziel der Wahrung der Eigenständigkeit des Drittstaates kombinieren will. Die Brücke schlägt vor allem ein Staatsvertrag. Er sieht vor, dass die Rechtsübernahmen durch die EU und den Drittstaat parallel vorbereitet werden. Der jeweilige Vertrag befähigt die Drittstaaten, bei der Ausarbeitung der zu übernehmenden EU-Rechtsakte im EU-Gesetzgebungsverfahren teilzunehmen oder mitzuwirken, wie man in der Schweiz meist sagt, selbstverständlich ohne Stimmrecht, um die Interessen wahrzunehmen. Die EU ist parlamentarisch ausgebaut worden, auf der Ebene des EU‑Parlaments und der nationalen Parlamente der EU‑Mitgliedstaaten. Wichtigstes Beispiel eines solchen Verhältnisses eines Drittstaates zur EU ist der EWR. Aus seinen Erfahrungen kann die Schweiz für die Anwendung des Rahmenabkommens gewinnen, vor allem betreffend die Übernahme von EU-Rechtsakten durch eine vertragliche Ordnung zwischen den EWR/EFTA-Staaten und der EU. Dagegen unterscheiden sich die Rollen von Parlament und Referendum der EWR/EFTA-Staaten wesentlich von denjenigen in der Schweiz.

Teil 3: Gemäss Rahmenabkommen steht die dynamische Rechtsübernahme durch die Schweiz im Vordergrund. Der bilaterale Weg soll weitergeführt werden, gestützt auf einen Vertrag der Schweiz mit der EU, der Demokratie ermöglicht. Grundlage ist das Schweizer Zusammenarbeitsmodell; es soll zu einem Rahmenabkommen führen, allerdings beschränkt auf einen engen Kreis von fünf Marktzugangsabkommen sowie allenfalls künftige Abkommen. Die Weiterentwicklung des EU-Rechts soll diese Abkommen mit der Schweiz einschliessen, und zwar grundsätzlich, systematisch und umgesetzt durch eine Rechtsübernahmepflicht. Die Regeln würden in einem Rechtsübernahmeprozess erarbeitet, der von den EU-Verfahren bis zu den Verfahren in der Schweiz zusammenhängt. Diese Regeln ermöglichen Demokratie: durch Teilnahme der Schweiz am EU-Gesetzgebungsverfahren und als Schranke zugunsten der Schweiz, vorab zugunsten der Rechte des Parlaments und dem Volksrecht des Referendums. Damit sind automatische Rechtsübernahmen ausgeschlossen. Meist werden die EU-Rechtsakte problemlos zu übernehmen sein. Ausnahmsweise wird die Schweiz sie ablehnen dürfen, allerdings mit den im Rahmenabkommen vereinbarten Folgen. Dies würde u.U. zum nach Rahmenabkommen obligatorischen, an sich unpolitischen, rechtlichen Streitbeilegungsverfahren führen. Es würde mit Verhandlungen, «um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden», beginnen sowie u.U. über ein Schiedsgericht, allenfalls ein vertraglich beschränktes Zwischenverfahren vor dem EuGH, (verhältnismässige) Ausgleichsmassnahmen usw. fortgesetzt werden, aber keine (wie bei Schengen) einseitige Vertragsbeendigung durch die EU vorsehen.

Teil 4:Das Parlament kann für Rechtsübernahmen aufgewertet werden, indem es durch Beteiligung an der Gestaltung der Aussenpolitik seinen Einfluss in die Vorbereitung vorverlegt. Das Parlament und der Bundesrat können durch bestmögliches Zusammenwirken für die Schweiz insgesamt gewinnen. Das Parlament kann als Mittler zwischen der Vorbereitung durch den Bundesrat und den Entscheiden des Volks arbeiten. Dazu kann das Parlament gegenüber dem Bundesrat mitwirken. Die interparlamentarische Zusammenarbeit kann ergänzen. Vorbereitend können hauptsächlich die Kommissionen arbeiten, indem sie den Bundesrat in den EU-Gesetzgebungsverfahren begleiten. Sie können dazu beitragen, vertragskonforme und mehrheitsfähige Parlamentsentscheide zu erarbeiten, bei der Vorbereitung der Rechtsübernahmeentscheide durch den Bundesrat betreffend z.B. Landverkehr, Personenfreizügigkeit usw. Wenn das Parlament selbst die Rechtsübernahme ablehnt bzw. einen Staatsvertrag mit der EU nicht genehmigt, ist die Sache insoweit erledigt. Wenn das Parlament der Rechtsübernahme zustimmt, kann ein Referendum ergriffen werden. Im Hinblick darauf sind der Bundesrat und das Parlament mit seinen Kommissionen gefordert, alles zu unternehmen, dass das Volk nicht nur über Ja und Nein entscheiden kann. Die Stimmberechtigten werden an der Urne zwischen Ja oder Nein wählen, wenn sie überzeugt sind oder überzeugt werden können, dass sie über einen dem Rahmenabkommen und ihrem Willen entsprechenden Inhalt zur Rechtsübernahme entscheiden dürfen. Dann ist der Volksentscheid keine inhaltslose Formalität und wird die Demokratie nicht ausgehöhlt.

Anschliessend werden Fragen zur Information des Parlaments, zur Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere zum Verhältnis zwischen Kommissionsvertraulichkeit und EU-Offenheit, ferner zur Organisation der Kommissionen und zu den Ressourcen sowie zur Mitwirkung der Kantone behandelt. Es folgen Überlegungen zur Notwendigkeit von weiteren Abklärungen und einzelnen Gesetzesänderungen.

Teil 5: Zum Schluss werden die Souveränitätsproblematik skizziert und die Rolle von Parlament und Volk zusammengefasst: Das Parlament hätte zur Entscheidvorbereitung stets ein gewichtiges Wort zu sagen und wäre befugt, Rechtsübernahmen abzulehnen. Zur Weiterführung des bilateralen Weges dagegen hätte das Volk das letzte Wort. Es darf die Weiterführung immer ablehnen. Die Schweiz muss dann freilich die Folgen tragen, die sie im Rahmenabkommen mit der EU für solche Fälle vereinbart hat. Der Beitrag des Parlaments hängt stark von seinem politischen Willen und Engagement ab.

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Öffnung des EU-Binnenmarkts zu Drittstaaten mit paralleler Vorbereitung der Rechtsübernahmen in der EU und in den Drittstaaten

Das Rezept heisst, die Binnenmarktbeteiligung mit der Wahrung der Eigenständigkeit von Drittstaaten zu kombinieren, wie dies seit langem im EWR geschieht. Die Brücke zwischen der EU und dem Drittstaat schlägt ein Beschluss des gemischten Ausschusses bzw. ein Staatsvertrag. Dessen Erarbeitung ermöglicht, dass die EU die Rechtsübernahmen mit einem Drittstaat parallel, möglichst zeitgleich vorbereitet. Der Drittstaat soll zur Wahrung seiner Interessen am EU-Gesetzgebungsverfahren (hinten Anhang 1) teilnehmen (mitwirken) dürfen, als Nicht-EU-Mitglied ohne Stimmrecht.

Beteiligung von Drittstaaten am Binnenmarkt
Ausweitung der Binnenmarktteilnahme auf Drittstaaten im Spannungsfeld von Homogenität und Eigenständigkeit

Das Rahmenabkommen soll in diesem Sinne die Binnenmarktbeteiligung mit der Wahrung der Eigenständigkeit der Schweiz kombinieren[1]. Ein Eckpfeiler der europäischen Integration ist der Binnenmarkt der EU[2]. Der Binnenmarkt funktioniert auf Dauer durch Homogenität, gesichert durch einheitliches Recht, durch eine einheitliche Rechtsetzung und Rechtsanwendung[3]. Damit die Binnenmarktbeteiligung allen, auch den Interessen eines Drittstaates, seiner Menschen und Unternehmen dient, muss dieses Recht überall, im ganzen Gebiet der EU und der mit dem Binnenmarkt verbundenen Drittstaaten gleich, diskriminierungsfrei und eben rechtssicher wirken. Da die EU ihr Recht laufend weiterentwickelt, gelingt das auf Dauer nur, wenn die Drittstaaten ihre Abkommen der EU regelmässig anpassen.[4]

Von ihrem ursprünglich einheitlichen Organisationsmodell hat sich die EU längst entfernt. In Reaktion auf die Ansprüche von (neuen) Mitgliedstaaten und die Krisen des letzten Jahrzehnte hat sich die EU zu einer differenzierten Ordnung entwickelt[5]. Sie gewährt ihren Mitgliedern Sonderregelungen. Die EU differenziert noch weiter, indem sie denBinnenmarkt für besondere und privilegierte Beziehungen mit Drittstaaten öffnet und sie daran teilhaben lässt[6]. Dieser Ansatz ist für Staaten gedacht, die zwar für eine EU‑Mitgliedschaft qualifiziert wären, dennoch der EU aber nicht beitreten wollen oder können.

Diese Öffnung des Binnenmarkts für solche Drittstaaten verlangt, Spannungen zwischen mehrfachen Zielen der EU und der Drittstaaten zu überwinden (Delors-Initiative 1988[7]). Das erste Spannungsfeld bezieht sich auf die Weiterentwicklung des Binnenmarktrechts. Die EU muss den Binnenmarkt autonom und ungehindert weiterentwickeln und die Homogenität bewahren dürfen. Deshalb müssen sich die Abkommen mit am Binnenmarkt beteiligten Drittstaaten regelmässig undparallel an das sich weiter entwickelnde EU-Binnenmarktrecht anpassen. Dies liegt im Interesse der EU und der Drittstaaten. So können die gleichen Bedingungen garantiert werden. Wenn der Drittstaat das Recht der EU übernimmt, erspart er seinen Unternehmen Kosten und Risiken. Das zweite Spannungsfeld bezieht sich auf die Eigenständigkeit der Drittstaaten. Sie müssen an der Ausarbeitung der für den EU‑Binnenmarkts massgebenden EU-Rechtsakte im EU-Gesetzgebungsverfahren in gewissem Masse teilnehmen dürfen (hinten Ziffer 3.2; Anhang 1). Nach der Ausarbeitung dieser Regeln müssen die Drittstaaten autonom entscheiden dürfen, ob sie einer Rechtsübernahme zustimmen oder sie ablehnen. Natürlich kann eine Ablehnung vereinbarte Folgen nach sich ziehen (hinten Ziffer 7).

Notwendigkeit eines (Staats-)Vertrags

Die Überwindung der Spannungen und die Begründung dieser Verbindung zwischen der EU und dem Drittstaat ist selbstverständlich durch einen völkerrechtlichen Vertrag – landesintern meist Staatsvertrag[8] genannt – zwischen der EU und dem Drittstaat zu organisieren. Gewöhnlich wird über das Verhältnis des Drittstaates zur EU in einem gemischten Ausschuss verhandelt und beschlossen.

Für diese Beziehungen zwischen EU und Drittstaat haben sich verschiedene Formen der Verbindung entwickelt[9]. Die EU spricht von «Assoziierung» oder von «Assoziierungsabkommen» (so in Art. 217 AEUV), auch betreffend die Schweiz[10]. Ausserdem kann ein Drittstaat von sich aus seine (landeseigene) Rechtsordnung dem EU‑Recht angleichen. Man nennt diese Form in der Schweiz (hinten Ziffer 6.1.1) gemeinhin «autonomer Nachvollzug»; damit kann indessen kein Zugang zum Binnenmarkt erwirkt werden.

Der EWR als wichtigstes Beispiel

Der EWR[11] (hinten Anhang 2) ist die binnenmarktähnlichste Verbindung, welche die EU mit Drittstaaten kennt. Heute besteht der EWR aus den EU‑Mitgliedstaaten sowie aus Island, Liechtenstein[12] und Norwegen. Sie sind die drei EWR/EFTA-Staaten. Trotz EWR bleiben sie EFTA-Mitglieder, wie es die Schweiz ist. Die Beziehungen zu ihnen sind für die Schweiz bedeutungsvoll. Die EFTA[13] ermöglicht ihr, an deren Freihandelsaktivität teilzunehmen und die Verbindung mit den EWR/EFTA-Staaten besonders zu pflegen. Das EWR-Abkommen setzt sich zusammen aus dem Grundvertrag (mit 129 Artikeln), 22 Anhängen und 50 Protokollen sowie den relevanten EU‑Rechtsakten (EU‑Richtlinien, EU‑Verordnungen, Entscheidungen usw.), auf die darin verwiesen wird. Der EWR enthält einen Mechanismus zur regelmässigen Übernahme der einschlägigen EU‑Rechtsakte, mithin eine Rechtsübernahmepflicht. Angepasst werden bei den Rechtsübernahmen meist die Anhänge. Das Muster des EWR ist anspruchsvoll[14]. Immerhin funktioniert der EWR nun seit mehr als 25 Jahren. Er wird von den EWR/EFTA-Staaten als Erfolg dargestellt[15]. Allerdings wird auch auf politische Mängel an Einfluss und Kontrolle, auf Parlaments- und Demokratiedefizite, ein Ungleichgewicht in den Machtverhältnissen, zeitliche Umsetzungsmängel, den teils schwierigen Umgang mit EU-Agenturen usw. hingewiesen (hinten Ziffer 5.5, 7.4)[16].

Der EWR wird in der EU als Referenzgrösse benutzt, um andere Drittstaatenverbindungen zu beurteilen[17]. Die EU bemüht sich mit weiteren Drittstaaten, die für eine Teilnahme am Binnenmarkt geeignet sind, Regelungen zu vereinbaren, die dem EWR ähnlich sind. Die EU überprüft die Beziehungen zu den verschiedenen Drittstaaten, auch diejenigen zur Schweiz, periodisch, so geschehen 2019[18].

Interessenwahrung durch Drittstaaten bei der Vorbereitung der Rechtsübernahme: «decision shaping»

Das Zwei-Säulen-Prinzip[19] soll die Kombination zwischen den Zielen der Ausweitung des weiter entwickelten EU‑Rechts sowie der Wahrung der Eigenständigkeit des Drittstaats ermöglichen[20]. Zu diesem Zweck soll ein Interessenausgleich[21] erreicht werden. Diesen sollen die EU und der Drittstaat gemeinsam vorbereiten. Er gelingt eher, wenn die Drittstaaten ihre Interessen schon im EU‑Gesetzgebungsverfahren wahrnehmen dürfen und nicht auf die Vertragsverhandlungen nach der Verabschiedung des zu übernehmenden EU‑Rechtsakts vertröstet werden.

Die Schweiz und ihre damaligen EFTA-Partner bemühten sich ursprünglich, auf die Weiterentwicklung des EWR-Rechts einen gleichen Einfluss wie die EU-Mitgliedstaaten zu erreichen. Diese institutionelle Gleichstellung misslang. Die EWR-Verhandlungen endeten mit einer «Integration ohne Mitentscheidung»[22]. Um sich dennoch an den wirtschaftlichen Vorteilen des europäischen Wirtschaftsraumes zu beteiligen, musste die Gesetzgebungsautonomie der Europäischen Gemeinschaft (heute EU) über die Fortentwicklung ihres Rechts anerkannt werden. Normalerweise entwickelt jedes Gesetzgebungsorgan den Inhalt seiner künftigen Gesetze selbst. Anders hier: Die EWR/EFTA-Staaten, obwohl Nicht-EU-Mitglieder, erhielten das Recht, wenigstens am EU‑Gesetzgebungsverfahren mittels «decision shaping» teilzunehmen (im Rahmenabkommen hinten Ziffer 10.3). Sie sollen bei der Ausarbeitung der EU‑Rechtsakte ihre Interessen wahrnehmen, gleichsam als Gegengewicht zur Rechtsübernahmepflicht, um später einen «blinden» Nachvollzug zu vermeiden[23]. Für die EU ist das «fremder» Einfluss, von aussen.

1 Erläuterungen InstA, S. 5. ↵

2 Behrens, Rz. 2: Einheitliche Europäische Akte 1986 und Maastricht Vertrag 1992. ↵

3 Arioli, Ziffer 1.1. ↵

4 Zum ganzen Binnenmarktrecht Arioli, Ziffer 1.1 f., 3; zum ordnungspolitischen Ansatz der EU Behrens, Rz. 5 ff., 27 ff. ↵

5 Fossum, Segmented political order, S. 27 ff.; Batora/Fossum, S. 266 ff.; Frommelt, Ausnmahmeregelungen, S. 101 ff. ↵

6 Zur Marktöffnung Behrens, Rz. 184 ff. ↵

7 Norberg/Johannson, S. 21 ff. ↵

8 Häfelin et al., Rz. 1892. ↵

9 Fossum/Graver, S. 29 f., 31 ff. ↵

10 Herrnfeld, in: Schwarze u. M., Art. 217 AEUV, Rz. 1, 8 f.; Bieber et al, § 37 Rz. 25, 28; Oesch, Europarecht, Rz. 842, 844; Oppermann et al., § 41 Rz. 4 f., 8; Behrens, Rz. 184, 193 ff. ↵

11 Behrens, Rz. 186 ff.; Fossum/Graver, S. 43 ff.; Mech, S. 35 ff.; der Bundesrat im Zusammenhang mit der Option EWR Beitritt: Evaluationsbericht 2010, S. 7312 ff. ↵

12 Zu den Besonderheiten des Wegs von Liechtenstein siehe Gstöhl/Frommelt, S. 174 ff. ↵

13 Vgl. z.B. den letzten, 59. Jahresbericht unter https://www.efta.int/About-EFTA/news/EFTAs-Annual-Report-2019-517821 (besucht 7.5.2020). ↵

14 Vgl. die Auslegeordnung bei Frommelt, Prinzipien, S. 1 ff., oder Fossum/Graver, S. 45 ff., 84 f., 93 ff., 100 ff. ↵

15 Bericht 25 Jahre Liechtenstein im EWR, S. 37 f., 82 ff.; Gétaz, S. 9 f.; Norwegen im White Paper, S. 5. ↵

16 Fossum, Representation, S. 154 ff.; vgl. auch Oesch, Incorporation, S. 23 ff. ↵

17 Gétaz, S. 10 f., 14; Baur, decision shaping, S.18. ↵

18 Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen der EU zur Schweizerischen Eidgenossenschaft EU‑Rat Schlussfolgerungen 2019, zum Rahmenabkommen vorab Ziffer 9 und 13, siehe https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/02/19/council-conclusions-on-eu-relations-with-the-swiss-confederation/ (besucht 15.12.2020). ↵

19 EFTA Bulletin 2019, S. 9 ff.; Fossum/Graver, S. 42, 45 f.; Frommelt. Zwei-Pfeiler-Struktur, S. 2 f.; zum Verhältnis Schweiz-EU: Oesch, Europarecht, Rz. 905 ff. ↵

20 Epiney/Kern, Rz. 31 f. ↵

21 Vgl. Ambühl/Scherer, S. 2 f. ↵

22 Botschaft EWR, vorab S. 47 ff., 50 f., 463; Evaluationsbericht 2010, S. 2075 ff.; Vahl/Grolimund, passim. ↵

23 Entner, S. 82. ↵

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Vorbereitung der Rechtsübernahme im EU-Gesetzgebungsverfahren

Die zu übernehmenden EU-Rechtsakte werden hauptsächlich im EU-Gesetzgebungsverfahren ausgearbeitet (hinten Anhang 1). Das Parlament eines Drittstaates sollte sich an dieser Vorbereitung beteiligen dürfen, um Einfluss zu nehmen, z.B. die Bundesversammlung durch Mitwirkung dem Bundesrat gegenüber. Die Parlamente in der EU sind heute aufgewertet, sowohl das EU‑Parlament wie die nationalen Parlamente der EU‑Mitgliedstaaten, auch diese direkt auf der EU-Ebene.

Einflussnahme bei der EU-Kommission, dem EU-Rat und dem EU-Parlament
Möglichst frühe Einigung im Gesetzgebungsverfahren

Der Ablauf des ordentlichen EU‑Gesetzgebungsverfahrens (Art. 289, Art. 294 AEUV)[1] ist darauf angelegt, möglichst frühzeitige Einigungen zu erreichen[2]. Vorgesehen sind drei Lesungen (Art. 294 Abs. 3 bis 6 AEUV). Das EU‑Parlament legt seinen Standpunkt in erster Lesung fest. Billigt der EU‑Rat diesen Standpunkt, so ist der betreffende Rechtsakt so erlassen, wenn beide Organe keine Änderungen am Vorschlag der Kommission vorgenommen haben[3]. Das Parlament prüft dabei, ob das Subsidiaritätsprinzip beachtet ist[4]. Die nationalen EU‑Parlamente dürfen entsprechende Einwände erheben (hinten Ziffer 4.2.2). Sonst ist in zweiter Lesung eine Einigung zu suchen (formeller Trilog zwischen EU‑Rat, EU‑Parlament und EU‑Kommission Art. 294 Abs. 7 f. AEUV)[5]. Misslingt die Einigung zwischen EU‑Parlament und EU‑Rat in zweiter Lesung, wird in einem Vermittlungsausschuss eine Lösung gesucht (Art. 294 Abs. 10 bis 12 AEUV)[6]. In zweiter und dritter Lesung gelten Fristen von wenigen Monaten oder Wochen (Art. 294 Abs. 7 bis 14 AEUV). Der Entscheid fällt im EU‑Rat je nach Politikbereich und Etappe einstimmig oder mit (qualifizierter) Mehrheit (Art. 238 AEUV), in EU‑Kommission und EU‑Parlament mit einfachem Mehr (Art. 250, Art. 231 AEUV)[7].

Um eine Einigung in einem Kompromiss bereits in erster Lesung zu erreichen, hat das EU-Parlament im Verein mit dem EU‑Rat und der EU‑Kommission einen sogenannten informellen Trilog eingerichtet (nach dem Modell von Art. 324 AEUV)[8]. Hintergrund ist eine Konsenskultur[9]; hier kann die Schweiz anknüpfen (hinten Ziffer 11.3.2). Es wurde festgestellt, dass in den vergangenen 10 Jahren über 90% der Gesetzgebungsvorschläge in der ersten Lesung oder in einem frühen Stadium der zweiten Lesung abgeschlossen worden sind[10]. Das ordentliche Vermittlungsverfahren ist in den Hintergrund gedrängt worden[11]. Diese Entwicklung lässt sich an den Leitfäden der EU‑Organe und deren Praxis ablesen[12]. Der informelle Trilog verändert das Gesetzgebungsverfahren[13]. Naturgemäss beschränkt er den Kreis der Beteiligten[14] und erschwert gleichzeitig den Zugang von Drittstaaten. Diese Einigungstendenz mit Stärkung des EU‑Parlaments und Schwächung der Aussenseiter wie Drittstaaten haben die EWR/EFTA-Staaten erfahren[15]. Die Schweiz würde diese Erfahrung wohl mit dem Rahmenabkommen ebenfalls machen.

Die EU-Organe

Die EU‑Kommission besitzt neben Kontroll- und Durchführungsbefugnissen hauptsächlich das Initiativrecht (Art. 17 EUV)[16]. Letzteres bedeutet, dass die EU‑Kommission die Vorschläge zur Gesetzgebung plant und vorbereitet; daraus entstehen die EU‑Rechtsakte, die später unter die Rechtsübernahmepflicht fallen können. Die Schlussfolgerungen der EU­-Kommission fliessen in den abschliessenden Vorschlag an den EU‑Rat und das EU‑Parlament ein. Die EU‑Kommission begleitet das darauffolgende Gesetzgebungs­verfahren. Sie darf ihren Vorschlag sogar noch vor dem EU‑Rat ändern oder zurückziehen (Art. 293 Abs. 3 AEUV)[17]. Sie nimmt an den Arbeiten des Vermittlungsausschusses teil, um eine Einigung zu erzielen (Art. 294 Abs. 11 AEUV)[18]. Die EU‑Kommission stützt sich auf Ausschüsse, zum einen Teil für die Vorbereitung der Rechtsetzung, zusammengesetzt aus Sachverständigen (auch Experten genannt) und Mitarbeitern der Mitgliedstaaten[19], zum andern Teil zur Durchführung, soweit die EU‑Kommission zuständig ist, mit teils spezifizierten eigenen Kompetenzen und gebildet aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der EU‑Kommission[20]. Das System der Ausschüsse in der EU wird als Komitologie[21] bezeichnet.

Für Drittstaaten zeigen sich die EU‑Kommission und ihre Dienststellen grundsätzlich zugänglich. Die EU‑Kommission hat sich generell der Offenheit und Transparenz verschrieben (hinten Ziffer 4.1.3). Zudem verkehrt die Schweiz wie andere Drittstaaten mit einer Reihe von EU‑Agenturen, z.B. mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA). Die Schweiz wird zu den von der EU erlassenen Regulierungen konsultiert und ist im EASA-Ausschuss beteiligt[22].

Der EU-Rat und das EU‑Parlament sind als gleichberechtigte Gesetzgeber für den Entscheid über die EU‑Rechtsakte zuständig (Art. 14, Art. 16 EUV). In den meisten Fällen müssen sowohl der EU‑Rat wie auch das EU‑Parlament einem Rechtsakt zustimmen.

Der EU‑Rat ist das wichtigste Organ, durch das sich die Mitgliedstaaten einbringen. Jeder Mitgliedstaat entsendet eine Vertretung. Der EU‑Rat handelt für den Mitgliedstaat; seine Vertretungen folgen den Weisungen des Mitgliedstaates[23]. Die Entscheidungen werden in der Regel durch den COREPER (Comité des représentants permanents) oder den Ausschuss der ständigen Vertreter oder Botschafter der Mitgliedstaaten (AStV)[24] inhaltlich vorbereitet. Sie stützen sich auf Vorbereitungen der Arbeitsgruppen[25] des Rates. In der Regel entscheidet der Rat mit qualifizierter Mehrheit.

Das EU‑Parlament erfährt seit dem Lissabon-Vertrag – insbesondere seit der Einführung des informellen Trilogs (vorn Ziffer 4.1.1) – eine gestärkte Stellung. EU‑Rat und EU‑Kommission haben dem EU‑Parlament mehr Raum gegeben; teilweise gewinnt der EU-Rat in jüngster Zeit durch die «Vergipfelung» Einfluss zurück[26]. Die Stärkung des EU‑Parlaments läuft im Grunde auf eine Schwächung von Drittstaaten wie der Schweiz hinaus (hinten Ziffer 10.3.4). Informell ist das EU‑Parlament indessen durchaus zugänglich[27]. Das EU‑Parlament ist direkt und auf fünf Jahre gewählt (Art. 10 Abs. 2, Art. 14 EUV)[28]. Es ist von den übrigen EU‑Organen unabhängig. Es entscheidet von Sachgeschäft zu Sachgeschäft mit unterschiedlichen Mehrheiten. Die einzelnen Abgeordneten sind frei und unabhängig, mit einem abgesicherten Statut[29]. Das EU‑Parlament setzt kein Regierungs-Programm der EU‑Kommission oder des EU‑Rats um. Es bemüht sich um eigene Impulse, bestimmt Zeit, Dauer und Tagesordnung seiner Sitzungen selbst (Art. 232 AEUV). Es versteht sich als allgemeines Diskussionsforum, ermittelt Fakten, hört an, nimmt politische «Entschliessungen» an usw.[30] Die Geschäfte werden in der Regel in ständigen Ausschüssen vorberaten (Zusammensetzung auf je 2 ½ Jahre)[31]. Das EU‑Parlament versteht sich als Arbeitsparlament mit Ausschüssen, ausgezeichnet durch Sachkunde und Effizienz[32]. Die Arbeit der Ausschüsse mündet in Berichte und Entschliessungsanträge; die Berichterstatter vertreten diese vor dem Plenum, eventuell begleitet durch Schattenberichterstatter der (anderen) Fraktionen.

Politische Parteien mit praktischen politischen Alltagsaufgaben gibt es heute in der EU im Grunde nur in Form dieser Fraktionen des EU‑Parlaments[33]. Die politischen Parteien aus der Schweiz benutzen mitunter diese Fraktionen für ihre Kontakte nach Brüssel. Ebenso kommen die Fraktionen mitunter in der interparlamentarischen Zusammenarbeit der Schweiz zum Zug (hinten Ziffer 10.6).

Anders dienationalen Parlamente der Nachbarstaaten der Schweiz: Sie folgen meist dem parlamentarischen System. Ihre Abgeordneten sind in die Regierungsmehrheit oder Oppositionsminderheit eingebunden. Sie werden schweizerische Anliegen nicht einfach je nach persönlichem Urteil unterstützen und nach «Brüssel» mitnehmen können. Sie stellen sich als Teil der Parlamentsmehrheit tendenziell hinter das EU‑Handeln der Regierung oder eben als Angehörige der Opposition dagegen (hinten Ziffer 10.3.4).

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Litres'teki yayın tarihi:
26 mayıs 2021
Hacim:
244 s. 7 illüstrasyon
ISBN:
9783038053903
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