Kitabı oku: «Wirtschaftsphilosophie», sayfa 6

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2.2.1.2 Aurelius Augustinus

Erwähnt sei an dieser Stelle jetzt nur noch ein Autor, der für den Westen sowohl als Theologe wie auch als Philosoph eine ganz besondere Bedeutung erlangt hat, Aurelius Augustinus (354-430). Augustinus ist nicht nur so etwas wie der »Entdecker der Subjektivität« bzw. einer der ersten Denker, dem es gelingt, ein veritables Philosophieren in der Perspektive der ersten Person, nicht mehr nur in der der dritten Person zu realisieren – vor allem seine »Bekenntnisse«, aber auch andere Schriften, etwa die philosophisch interessanten Dialoge zur Wahrheits- und Erkenntnisfrage, sind hier von Bedeutung. Augustinus ist vielmehr ebenso sehr der Schöpfer einer eigentlichen Geschichtsphilosophie, wenn man unter dieser die Entfaltung einer Perspektive auf das Insgesamt der freien menschlichen Handlungen versteht, die diese Handlungen in einen großen, sie umgreifenden Sinnzusammenhang stellt. Das Hauptwerk Augustins in dieser Beziehung ist sein »Gottesstaat«, die 22 Bücher De civitate Dei, ein Opus magnum, das immer auch als eine spätantike Gegenrede zu Platons »Staat« gelesen werden kann. In diesem Werk hat Augustinus nicht zuletzt die strukturelle Differenz zwischen Welt- und Gottesreich, also auch äußeren und eigentlich ethischen Organisationsformen durchdacht und insoweit zumindest Grundaspekte für die abendländische Trennung von Kirche und Staat herausgearbeitet, die sich spätestens zu Beginn der Neuzeit voll entfalten konnten; in dem Umkreis dieser Entfaltung gehört dabei auch die »Emanzipation« der Sphäre der Wirtschaft aus der Umklammerung durch ein ethisches Gemeinwesen, wie sie im Sinne des Ideals der »societas perfecta« im Mittelalter politische Praxis und Lebenswelt lange bestimmt hatte.

Hier geht es uns jedoch nicht um diese »Fernwirkung« des Bischofs von Hippo, sondern um sein Konzept der Eigentumsordnung und des innerweltlichen Wirtschaftens. Das Eigentum überhaupt ist nach Augustinus eine Rechtskategorie, die (wie alles Recht seinem Ursprung nach) ihren letzten Grund im Willen Gottes hat. Schon diese Wendung ist wichtiger als man vielleicht meinen sollte: der Gedanke, daß am Anfang des Rechts der göttliche Wille steht – und also ein rationaler und notwendiger Wille steht, nicht ein beliebiger, kontingenter – löst auf der einen Seite ein sozusagen »anonymes« Naturrecht ab, gegen das die üblichen Vorbehalte gegen den »Sein-Sollens-Fehlschluß« geltend gemacht werden können; auf der anderen Seite schützt sie zugleich vor dem »historistischen Fehlschluß«, der behaupten würde, daß alles, was überhaupt in der Zeit erscheint, sich nur empirischen, transitorischen Gründen oder einer eben nur kontingenten Verquickung faktisch gegebener Umstände verdankt. Für unseren Fall bedeutet dies: seit Augustinus ist das Eigentum als Darstellung eines übergeschichtlichen Vernunftwillens, also als praktische Tatsache gedacht, deren innere Rationalität aufgewiesen werden kann, auch wenn es im übrigen – bei Augustinus nicht verschwiegene – Formen des ungerechten Gebrauchs von Eigentum bzw. der moralisch falschen Einstellung zu ihm gibt. Zunächst zu unterscheiden ist nach Augustinus stets das göttliche und das menschliche Recht, und es kann in diesem Sinne, auch wenn Gott selbst der erste Eigentümer aller Dinge ist, allerdings auch selbst die Institution des Eigentums gestiftet hat, immer noch Streit darum geben, welches konkrete Objekt jeweils wem zu eigen sein soll – ein Streit, den dann das menschliche (positive) Recht entscheidet140. Entsprechend heißt es etwa in einem Brief, in dem es um bestimmte Besitzansprüche geht: »Es kann […] niemand eine Sache rechtmäßig besitzen außer durch göttliches Recht, gemäß dessen alle Dinge den Gerechten gehören, oder durch menschliches Recht, über das die Könige der Erde verfügen.«141 Bemerkenswert ist dann auch der freilich erläuterungsbedürftige, im Kern äußerst spekulative Satz des Augustinus: »Gewiß ist das kein fremdes Gut, was man mit Recht besitzt; mit Recht aber besitzt man, was man in gerechter Weise besitzt; in gerechter Weise aber besitzt man, was man auf gute Weise besitzt. Es ist also fremdes Gut, was man in schlechter Weise besitzt; in schlechter Weise aber besitzt man, was man schlecht gebraucht« – ein Satz, der sich nicht zuletzt aus der folgenden Anwendung erläutert: »Das Geld haben die Bösen in schlechter Weise, die Guten hingegen in um so besserer Weise, je weniger sie es lieben. Unter diesen Umständen aber duldet man die Ungerechtigkeit der schlechten Besitzer und stellt zwischen ihnen gewisse Rechte fest, die man Zivilrechte nennt. Freilich bewirken sie nicht, daß die Bösen einen guten Gebrauch von ihrem Besitze machen, sondern nur, daß ihr schlechter Gebrauch weniger lästig fällt. Und dies wird so lange dauern, bis die Gläubigen und Frommen […] zu jener Stadt gelangen, wo sich ihr ewiges Erbteil befindet [und …] wo alle Bewohner in Wahrheit ihr Eigentum besitzen«142. »Spekulativ« ist hier zunächst der Gedanke, daß in letzter Instanz der Gebrauch, genauer: die Güte des Gebrauchs über das Eigentumsrecht entscheidet – und zwar in dem Sinne, daß der schlechte Gebrauch eines Gutes dieses natürlich nicht als ein Gut zur Geltung bringen kann, mithin auf etwas führt, was wir selbst nicht wollen können. Umgekehrt läßt der gute Gebrauch ein Objekt von uns tatsächlich angeeignet, als unser eigen, erscheinen; indem wir ihm durch die Tat sozusagen »gerecht« zu werden vermögen, zeigen wir zugleich, daß wir dieses Objekt auch gerechterweise besitzen, während in jedem schlechten Gebrauch von etwas, auch dem uns von Rechts wegen in der Tat Zustehenden, sich immer ein Aspekt der Ungerechtigkeit zeigt. Augustinus gibt damit eine in letzter Instanz in Betracht zu ziehende eigentumsethische Regel an, die doch zugleich nicht einfach in bürgerliches Eigentumsrecht umgesetzt werden kann und soll: auch der ungerechte Gebrauch ist dem Menschen vom menschlichen Recht her zuzugestehen, und zwar, wie wir sogleich ergänzen können, um so mehr, als weder immer einfach zu klären ist, worin ein »ungerechter« Gebrauch von etwas bestehen mag, noch auch die Freiheitserfahrung, die ein beliebiger Gebrauch von Gegenständen uns verschafft, grundsätzlich ausgeschaltet werden sollte143. Das von Augustinus selbst herangezogene Beispiel des Geldes zeigt dabei auch materialiter auf, worin ein schlechter Gebrauch bestünde, kann es doch hier besonders leicht zu jener Zweck-Mittel-Vertauschung kommen, von der auch bei Platon und Aristoteles schon die Rede war: wer das Geld um seiner selbst willen liebt, es insofern gerade nicht »gebrauchen«, sondern (in der Sprache Augustins) eher »genießen« will, geht nicht »sachgerecht« mit Geld als Geld um und besitzt es insofern auch nur »in ungerechter Weise« – bei aller positiv-rechtlichen Legalität doch ohne den letzten Rechtsgrund. Wer umgekehrt das Geld, auch das, welches ihm völlig legal zusteht, nicht liebt, sondern es rein als Mittel für an ganz anderer Stelle zu suchende Zwecke gebraucht, behandelt das Geld »sachgerecht« und gibt sich schon so als »gerechter« Besitzer zu erkennen. Dies kann jedoch (auch bei Augustinus) nicht heißen, daß im Namen des »gerechten Besitzes« kurzerhand das positive Eigentumsrechts umgestoßen wird, wenn es gleich heißen kann, daß dieses positive Eigentumsrecht sehr wohl in die Richtung gerechten Besitzes entwickelt werden kann. Aber auch das hat zuletzt nur dann und insofern einen Sinn, als die Rechtsunterworfenen, die Bürger, selbst als Gerechte angesehen werden können. Gerade dies ist jedoch nach Augustinus, solange nämlich der »Gottesstaat« nicht schon offenbar geworden und in Erscheinung getreten ist, nicht der Fall; das Volk der Gerechten ist innergeschichtlich unter das Volk der Ungerechten zersprengt, und eine säuberliche Trennung beider Völker gibt es in der Zeit im Staat noch weniger als in der Kirche. Es bleibt daher bei einer ungelösten Spannung zwischen zwei Polen, die ihrerseits die Geschichte und das Ringen um die gerechte Besitz- und Wirtschaftsordnung in Gang hält.

2.2.1.3 Das Mittelalter: »Schenkende Wirtschaft« und erste Fragen der Geldwirtschaft im Rahmen der entstehenden städtischen Kultur

Bernhard Laum hat im Jahre 1960 ein Buch erscheinen lassen, das in vieler Hinsicht noch heute anregend wirken kann und auf das wir hier verweisen, weil es insbesondere die Logik und Mentalität des Wirtschaftens im (frühen) Mittelalter näher zu fassen erlaubt. Laums Buch trug den Titel: »Schenkende Wirtschaft. Nichtmarktmäßiger Güterverkehr und seine soziale Funktion«144, und es hat mit diesem Titel ein Stichwort geliefert, das heute noch zur Charakterisierung von mittelalterlichen Wirtschaftsformen herangezogen werden kann, die nicht primär durch Handel und Geldwirtschaft bestimmt sind145. Philosophisch ist der Titel dabei insofern besonders interessant, als er den Brückenschlag zu philosophischen, etwa phänomenologischen, wie auch mancherlei anthropologisch-kulturhistorischen Überlegungen gestattet, für die beispielsweise der prominente Name von Marcel Mauss (1872-1950) steht146. Immerhin haben die Fragen des Gebens und Nehmens, des Schenkens und Empfangens bzw. der »schenkenden Tugend« (Nietzsche) immer auch etwas mit spezifischen Formen des Selbstseins der Subjektivität und unserem Selbstverhältnis in den Dingen zu tun. Das punktgenaue »Berechnen« im Sinne des Kosten-Nutzen-Kalküls ist keineswegs das einzige Modell möglicher Selbsterhaltung – für das Individuum nicht und auch nicht für die Gesellschaft.

Für das, was wir heute als die »schenkende Wirtschaft« vor allem des früheren Mittelalters ansprechen, ist eine ganze Reihe von Faktoren zu nennen. Den nächstliegenden kann man daran erblicken, daß mit dem Zusammenbruch des römischen Reichs und seiner Ablösung durch die Staatsgebilde, die aus der Völkerwanderung hervorgegangen waren, in vielen Bereichen eine Regression zu archaischeren Formen des Zusammenlebens, der Rechtspflege und eben auch des Wirtschaftens stattfand; auch die Abschneidung Westeuropas vom Mittelmeerhandel durch den Einbruch der Araber spielte hier seine Rolle. Was die Geldwirtschaft betrifft, wissen wir, daß die Germanenreiche zunächst das konstantinische Münzsystem übernahmen. Allerdings wurde das Geld zusehends knapp, was auch damit zusammenhing, daß die verfügbaren Goldvorräte ungefähr ab 700 erschöpft waren. Karl der Große (768-814) hat dann das Münzwesen reformiert. 793/94 führte er ein Münzsystem ein, das aus dem neuen, im Vergleich zum römischen schwereren karolingischen Pfund (367,13 g) zu 240 Denaren (Pfennigen) bestand; 12 Denare bildeten dabei einen Solidus (Schilling), der jedoch zunächst nur als Recheneinheit gebraucht wurde, das heißt nicht als Münze ausgegeben wurde147. Tatsächlich aber war die mittelalterliche Wirtschaft primär eine Naturalwirtschaft, die auf Abgaben der Bauern an den Grund- bzw. Lehnsherren beruhte, der selber eine »Wirtschaft« im Sinne der aristotelischen Ökonomie unterhielt, aber auch die politische Ordnung und das Recht aufrechtzuerhalten hatte. »Arm« ist in diesem System, wer weder etwas produziert noch Abgaben erhält und dafür Schutz zu geben vermag – wer also von Geben und Nehmen, so auch vom Schenken ausgeschlossen ist; »reich« ist dagegen, wer vor allem auch zu schenken und sich schenkend darzustellen vermag. Das Geschenk verbindet dabei ebenso lange Vertraute wie auch einander fremde Personen; es versucht gerade nicht, für eine erhaltene oder erhoffte Leistung eine allgemein bestimmbare, »adäquate« Gegenleistung zu erbringen, sondern unabhängig von aller abstrakten Wertmessung ein individuelles Verhältnis zu begründen. Geschenke gehen deshalb auch in der Regel nicht in einen Wirtschaftskreislauf ein, sondern sie werden verwahrt, gehortet und bei Gelegenheit vorgezeigt. »Schenkende Wirtschaft« meint entsprechend, daß das Ziel des Wirtschaftens nicht im möglichst hohen Ertrag aus dem Warenumlauf, sondern in der Stabilisierung persönlicher Verhältnisse bzw. personaler Identitäten besteht. Das gilt selbstverständlich auch im geistlichen Bereich, vor allem im Blick auf die geistlichen Stiftungen. Der Sinn solcher Stiftungen wie auch der anderer Gaben an Kirchen oder Klöster ist immer der »Tausch« zeitlicher gegen ewige Gaben, damit aber die höchstmögliche Selbstvergewisserung des Individuums, seiner Familie oder seines Stammes mit »endlichen« Mitteln. Vorausgesetzt ist dabei, daß die Gabe eben nicht nur einen endlichen Wert, sondern eben auch den Geber als Person repräsentiert und zur Geltung bringt – eine Vorstellung, die in der neuzeitlichen Vorstellung vom Markt natürlich verschwindet148. Ebenso war es möglich, mit der Gabe an eine geistliche Einrichtung gleichsam auf das Jenseits überzugreifen. Man weiß, daß eine Abtei wie Cluny, die vom 10. Jahrhundert an maßgeblich zur Reformierung des kirchlichen Lebens beigetragen hat, »durch eine Menge von Güterschenkungen, die besonders mit der eifrigen Pflege des Totengedächtnisses in Gebet und Opfer zusammenhingen […] allmählich reich und mächtig« werden konnte149. Ein Nebeneffekt der Donationen an Kirchen, Klöster oder mildtätige Einrichtungen konnte dabei freilich nicht ausbleiben: der offenbare Reichtum der Beschenkten trat in immer schwerer zu vermittelnden Gegensatz zu dem christlichen Armutsideal, aus dem heraus die entsprechenden Institutionen überhaupt entstanden waren. Es nützte im Einzelfall wenig, wenn der einzelne Mönch nach wie vor über keinen Privatbesitz verfügte, seine Abtei aber im Überfluß zu schwelgen schien oder ganz in den Strudel weltlicher Wirtschaftsbeziehungen hinein verwickelt war; es nützte ebenfalls nicht viel, wenn in der Theorie das Ansehen des Klerikerstandes gesteigert wurde, kirchliche Ämter aber in weitem Maße käuflich waren (man sprach hier von dem Ärgernis der »Simonie«). Bereits im Mittelalter selbst haben deshalb immer wieder Reformbewegungen versucht, auf das Ursprungsideal und auch eine strikte Trennung von Glaube und Welt zurückzuführen. In diesem Sinne begegnet schon im 11. und 12. Jahrhundert bei den Kamaldulensern oder Kartäusern eine neue Anknüpfung bei alten Formen des Eremitentums, und im 12. Jahrhundert versuchen die neuen Mönchs- und Klerikergemeinschaften der Zisterzienser und Prämonstratenser eine entschiedene Distanz gegen das »satte« Klosterleben mancher alten Abtei zu wahren. Die neuen Orden ziehen sich entsprechend in eher abgelegene Winkel zurück, in denen sie sich, von äußeren Zuwendungen unabhängig, nach Möglichkeit selbst zu erhalten versuchen.

Allerdings setzt eben zu dieser Zeit auch der Aufstieg der Städte ein, der auf Dauer ganz neue Lebensverhältnisse schaffen sollte – in kirchlicher und kultureller, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Um die Dimensionen des Wandels zu erkennen, um die es hier geht, genügt es, sich eine Karte z. B. des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation aus der Mitte des 12. Jahrhunderts zu vergegenwärtigen und diese mit einer eben solchen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts zu vergleichen: die Anzahl der Städte im deutschen Reich hat sich in diesem Zeitraum um ein vielfaches vermehrt, sie ist um einige hundert gewachsen, unter denen sich auch einige ausgesprochene Zentren der Stadtkultur befinden150. Die Städte fangen den Bevölkerungsüberschuß des Landes auf, emanzipieren sich aus den feudalen Strukturen, werden Zentren einer jetzt wieder systematisch-wissenschaftlich betriebenen Rechtspflege151 wie auch des Handels und (im deutschen Reich) der Ostkolonisation. In ihnen entwickelt sich eine spezifische kulturelle Dynamik, die in besonders eindrücklicher Weise auch an einem anderen Beispiel, an den aufblühenden Stadtstaaten Oberitaliens oder der Toskana (Mailand, Ferrara, Venedig, Siena, Florenz, Prato, Lucca usw.), studiert werden kann152. In wirtschaftsgeschichtlicher Hinsicht ist diese neue Dynamik ohne Umstellung von der Natural- auf die Geldwirtschaft nicht denkbar; insbesondere betrifft dies die auch Fernhandel treibenden Städte, die sich im norddeutschen Raum etwa in der bekannten Hanse zusammenschlossen. Die Städte erhielten jetzt Münzprivilegien, oder sie führten Messen durch, die Kaufleute und Waren aus aller Welt zusammenführten. Allerdings brachte gerade diese Umstellung auf die beweglichere und großräumigere Wirtschaftsform auch eine Reihe von neuen Problemen hervor, die rechtlich, politisch und auch kirchlich gelöst werden mußten. In rechtlicher Hinsicht etwa entstand die Frage, inwieweit die Stadt bzw. der Staat die Preisbildung zu regulieren habe, in politischer, wie eine Sicherheit der Handelswege, von Kreditgeschäften oder auch der »Meßfrieden« durchgesetzt werden konnte. In kirchlicher Hinsicht gab es mehrere ethische Probleme, die bei der Tatsache anfingen, daß der Stand der Kaufleute seit dem 12. Jahrhundert als unehrlich bzw. als aus der Kirche auszuschließen galt153 und vor allem in dem bekannten »Wucherverbot« eine langfristige Wirkung entfaltet haben. Die Vorbehalte gegen den Kaufmann haben dabei entscheidend damit zu tun, daß der Kaufmannsstand im Kontext der Naturalwirtschaft als wesentlich »unproduktiv« eingeschätzt wurde (er erzeugte ja selber nichts und besaß von sich aus auch keine Macht, irgend jemand vor irgend etwas zu schützen) und er darüber hinaus auf Grund der Undurchsichtigkeit seiner Geschäfte für die Menge (man mußte dem Kaufmann in vielen Fällen aufs Wort glauben, ohne den Sachverhalt überprüfen zu können) als unglaubwürdig und alleine auf seinen Vorteil bedacht galt. Erst die Entwicklung eines eigenen Standesethos, über das die Kaufmannschaften dann selber wachten, brachte den »ehrlichen Kaufmann«, das heißt den durchaus respektablen (Fern-)Händler hervor, der im Rahmen der städtischen Kultur immer mehr an Gewicht und Einfluß gewinnen konnte. Mit »Wucher« (usura)154 sodann ist grundsätzlich jede Form des Darlehenszinses auf mengenmäßig meßbare, selbst nicht »fruchtbare« Güter, darunter auch das Geld, gemeint, die der Darleiher ohne eigene Mühe und Aufwand wie ebenso ohne eigenes Risiko einem Darlehensnehmer überläßt155. In Anknüpfung an biblische Zinsverbote (2. Mose 22, 24; 3. Mose 25, 36f.; 5. Mose 23, 20f.; auch Hesekiel 22,12b)156, aber auch an die nicht seltenen einschlägigen Äußerungen aus der Väterliteratur157 zu diesem Thema ist der Darlehenszins im Mittelalter lange Zeit verpönt, ja mit empfindlichen Strafen belegt. Ein Grund für das Verbot liegt dabei in der Tatsache, daß verzinsliche Darlehen als Ausnutzung einer Notlage Dritter verstanden werden, also moralisch verwerflich sind – wer dem, der hungert, Nahrung nur auf Zins leiht, verkleinert nicht die Not seines Nächsten, sondern vergrößert sie. Ein anderer Grund besteht darin, daß, das Gelddarlehen betreffend, Geld als an sich »steriles« Objekt, als nicht fruchtbar angesehen wurde; der Darlehensgeber muß sich entsprechend damit begnügen, das Geliehene in gleichem Wert zurückzuerhalten – was bei den auch nach mittelalterlicher Auffassung legitimen Zinsen auf fruchttragende Güter (z. B. im Falle der Verpachtung von Ackerland, des Verleihs von Zugtieren usw.) durchaus anders ist. Das auch durch das kanonische Recht festgeschriebene Wucherverbot hinderte übrigens nicht, daß es in der Praxis sei es im Geheimen, sei es öffentlich durchaus das Phänomen des Wuchers, insbesondere des Geldverleihs gab. Juden z. B. sind seit merowingischer Zeit als Geldverleiher bekannt, und auch im späteren Mittelalter wurden sie immer wieder mit entsprechenden Privilegien ausgestattet, die ihnen Darlehens- und Kreditgeschäfte, teilweise sogar mit horrenden Zinssätzen, gestatteten158.

Ein weiteres Problem, das im Mittelalter als »wirtschaftsethische« Frage zu Bewußtsein kommt, ist schließlich die Frage nach dem »gerechten Preis«; auch in diesem Kontext hat es ein Engagement nicht nur der Obrigkeiten, sondern ebenso der Kirche und Theologen gegeben. Ein früher Beleg für die Reflexion darauf, daß die Preisgestaltung nicht einfach eine Frage des fallweisen Gutdünkens sein kann, findet sich schon im 9. Jahrhundert, wenn der Westfrankenkönig Karlmann (Regierungszeit 879-884) den Priestern befehlen läßt, die Gläubigen dazu anzuhalten, auch von Fremden nur den lokalen Marktpreis zu fordern. Spätere Jahrhunderte kennen dann das »pretium legitimum (seu iustificatum), quasi lege definitum«, also den dem Gesetz entsprechenden, vorgeschriebenen Preis, der von dem »pretium vulgare seu naturale, tamquam a naturale prudentia constitutum«, das heißt dem sich »natürlich« einstellenden Marktpreis zu unterscheiden ist159. Regulierte Preise im Sinne des »pretium lege definitum« gab es z. B. in Städten, die damit Preisauftriebe bekämpfen wollten; Preise wurden hier »gleichermaßen festgesetzt wie Gewichte und Qualitäten«160. »Natürliche« Preise sind dagegen solche, die auf dem Markt festgestellt werden und bei deren Findung jeweils menschliche Klugheit (die prudentia eben) im Spiele ist. Was aber macht den »gerechten Preis« aus?

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