Kitabı oku: «Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente», sayfa 19
III. Austausch und Weiterverwendung von Sicherheiten
Die Marktteilnehmer haben ein Interesse daran, in Finanztransaktionen die mit gestellten Sicherheiten verbundenen Kosten zu minimieren. Ein Mittel hierzu besteht darin, dass sie sich Sicherheiten von einem Dritten „leihen“ oder diese weiterverwenden.
Eine „Leihe“ von Sicherheiten ist in der Form möglich, dass ein Marktteilnehmer, der eine bestimmte Transaktion durchführen möchte und selbst nicht über die erforderlichen Sicherheiten verfügt, sich diese von seiner Bank stellen lässt. Man spricht hier von einem collateral swap bzw. von collateral transformation. Zu diesem Zweck bieten es einige Banken Kunden an, die Derivatgeschäfte über eine Clearingstelle durchführen möchten, ohne über Anleihen oder andere Sicherheiten (collateral) der nötigen Bonität zu verfügen, dass sie die bonitätsschwächeren Sicherheiten ihrer Kunden gegen Gebühr übernehmen und ihnen im Gegenzug höherwertige Papiere zur Verfügung stellen, welche die Clearingstelle akzeptieren wird.497 Bei einem späteren Ausfall des Kunden verwertet dann die Clearingstelle die zur Verfügung gestellten Sicherheiten, während der Bank nur der Rückgriff auf die ihr übernommenen Sicherheiten verbleibt.498 Die Bank – und mittelbar ihre Kapitalgeber (Einleger) – sind also einem Risiko ausgesetzt, dass sich die Sicherheiten nicht verwerten lassen.
Die Finanzmarktteilnehmer können die mit Sicherheiten verbundenen Kosten aber auch dadurch vermindern, dass sie nicht belastete und ihnen selbst als Sicherheit geleistete Vermögensgegenstände weiter nutzen bzw. weiter verpfänden (re-use/re-hypothecation). Ein solches Vorgehen kann allerdings Probleme aufwerfen, wenn es nach Abschluss eines Geschäfts zur zeitweiligen Wertpapierüberlassung stattfindet. In einem solchen Fall kann es nämlich für den überlassenden Transaktionspartner unsicher sein, in welchem Umfang es zu solchen Weiterverpfändungen kommt.
Bei Geschäften zum Austausch von Sicherheiten (collateral swap) können Risiken für die Systemstabilität daraus folgen, dass Banken, die einen solchen Wertpapiertausch betreiben, als Anteilseigner mit den Clearingstellen verflochten sein können. Wenn eine Bank durch den Sicherheitstausch Risiken ihres Kunden übernimmt, kann sich dies also auch zum Nachteil der Clearingstelle auswirken. Der Umfang, in dem die betreffenden Geschäfte tatsächlich stattfinden, ist allerdings unklar.499 Bei der Weiternutzung bzw. -verpfändung von als Sicherheiten gestellten Wertpapieren können Stabilitätsrisiken daraus folgen, dass den die Sicherheiten stellenden Marktteilnehmer unbekannt ist, in welchem Umfang eine Weitervernutzung stattgefunden hat.500 Solche Praktiken haben bereits in größerem Umfang die Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden auf sich gezogen.501
IV. Marktmissbrauch und Kartellverstöße
1. Einführung
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass Risiken für das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte vor allem dann entstehen können, wenn einzelne Marktteilnehmer Informationsvorteile zulasten anderer Marktteilnehmer ausnutzen können, ohne dass diese die Vorteile erkennen oder richtig bewerten (und damit auch einpreisen) können.
Allerdings lässt es sich nicht ohne Weiteres vermeiden, dass es zu solchen Informationsgefällen kommt, da die Märkte – bei der im vorliegenden Kontext gebotenen realistischen Betrachtung – unvollkommen sind. So stehen dem Management eines Aktienemittenten grundsätzlich mehr Informationen über sein Unternehmen zur Verfügung als den Marktteilnehmern, welche die emittierte Aktie später am geregelten Markt kaufen. Ebenso stehen einem Kreditnehmer im Zweifel mehr Informationen über seine wirtschaftliche Situation zur Verfügung als dem Kreditgeber (ob er sie nutzt, ist eine andere Frage). Berichts- und Publizitätspflichten können die betreffenden Informationsasymmetrien zwar vermindern, aber nicht völlig ausschließen.502
Problematisch können allerdings Praktiken sein, durch die Marktteilnehmer sich zusätzliche Informationsvorteile gezielt verschaffen oder ihre Informationsvorteile gezielt zum Nachteil anderer Marktteilnehmer zunutze machen (sog. Marktmissbrauch). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Praktiken auf eine künstliche Erhöhung oder auf eine Senkung des Marktpreises gerichtet sind.503
Verschiedene Arten des Marktmissbrauchs werden heutzutage vor allem mit Blick auf den so genannten Hochfrequenzhandel diskutiert. Der Hochfrequenzhandel ist ein automatisierter elektronischer Handel unter Nutzung von Algorithmen (algorithmischer Handel), der durch besonders kurze Haltefristen gekennzeichnet ist. Ziel ist es, die Zeit zwischen dem Absenden eines (Auftrags-) Signals und der Bearbeitung beim Empfänger (Latenzzeit) möglichst zu minimieren.504 Typisch ist eine hohe Anzahl untertägiger Aufträge und Stornierungen.505 Der Hochfrequenzhandel hat am Börsenhandel heute einen hohen Anteil.506 Befürworter heben hervor, dass er die Liquidität an den Märkten erhöhe, sodass eine exaktere Preisfeststellung möglich werde, und dass er damit insgesamt zu einer Steigerung der Markteffizienz beitrage.507 Kritiker sehen hingegen die Gefahr, dass das mit dem Handel verbundene hohe Orderaufkommen die Handelssysteme überlastet. Außerdem warnen sie, dass der Hochfrequenzhandel zu einem Kursverfall beitragen könne, sofern es zu plötzlichen, unerwarteten Preisbewegungen kommt und andere Marktteilnehmer überreagieren.508 Auf derartige Probleme soll später näher eingegangen werden.509 Im vorliegenden Zusammenhang ist demgegenüber der Verdacht relevant, dass der Hochfrequenzhandel zu missbräuchlichen Verhaltensweisen ausgenutzt werden kann.510 Dabei ist klarzustellen, dass ein hohes Transaktionsvolumen, wie es für den Hochfrequenzhandel typisch ist, für sich genommen noch keine Marktmanipulation darstellt.511
In den folgenden Abschnitten werden die besonders häufig diskutierten Marktmissbrauchsstrategien überblicksmäßig dargestellt. Die betreffenden Strategien werden entweder einseitig (Abschn. 2) verfolgt oder aufgrund kollusiver Abstimmung (Abschn. 3).512
2. Einseitige Strategien
Im Vordergrund der Debatte um marktmissbräuchliches Verhalten stehen in den meisten Fällen einseitig verfolgte Strategien. Im Einzelnen lässt sich bei Marktmissbräuchen danach unterscheiden, ob der betreffende Marktteilnehmer manipulativ in den Preisbildungsprozess eingreift (Abschn. a)) oder ob er Insiderinformationen ausnutzt (Abschn. b)).
a) Marktmanipulation
Marktpraktiken, die als manipulativ angesehen werden, gibt es in vielerlei Ausgestaltungen. Diese können sich abhängig von der Marktentwicklung auch in Zukunft noch wandeln. Im Schrifttum hat sich etabliert, die betreffenden Praktiken in drei Kategorien einzuordnen:
• informationsbezogene“ bzw. „-gestützte“ (information-based) Manipulationen, bei denen der Kurs bzw. Marktpreis eines Finanzinstruments durch Verbreiten unrichtiger oder irreführender Nachrichten (auch: Prognosen, Gerüchte) beeinflusst wird,
• „handelsgestützte“ (trade-based) Manipulationen, bei denen fiktive oder auch effektive Transaktionen zur Beeinflussung von Kursen bzw. Marktpreisen eingesetzt werden, und
• „handlungsbezogene“ (action-based) Manipulationen, bei denen auf Umstände, die für den inneren Wert eines Finanzinstruments von Bedeutung sind, eingewirkt wird.
Im Folgenden werden zur Illustration einige häufig angeführte Arten von informations- und handelsgestützten Manipulationen beschrieben. Ihre Bezeichnung ist einem bildreichen Markt-Rotwelsch entlehnt. Handlungsbezogene Manipulationen treten vergleichsweise selten auf (z.B. Inbrandsetzen der eigenen Fabrik) und sollen hier daher nicht näher behandelt werden.
aa) Manipulative Informationsstrategien
Manipulative Informationsstrategien werden insbesondere im Falle von Verhaltensweisen angewendet, bei denen irreführende Informationen in Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht oder in Medien gestreut werden.513 Die Strategien werden vor allem im börslichen Aktienhandel verfolgt, da der Handel mit Anleihen und Derivaten vergleichsweise wenig transparent ist. Die folgenden Bezeichnungen haben sich für spezielle Vorgehensweisen etabliert:
• Painting the tape bzw. screen: In diesem Fall werden Transaktionen durchgeführt, um mittels deren Mitteilung auf Anzeigetafeln oder über Kursmitteilungsdienste den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze zu erwecken und so das Marktverhalten anderer Marktteilnehmer zu beeinflussen.514 Scalping: Hiermit wird ein dreischrittiges Vorgehen eines Marktteilnehmers bezeichnet, dessen Empfehlungen Referenzcharakter haben (z.B. Börsenguru, Journalist). Der Marktteilnehmer (a) geht eine Position ein, (b) gibt gegenüber anderen Marktteilnehmern eine Empfehlung ab, ohne seine Position offenzulegen und (c) realisiert anschließend die Position.515
bb) Manipulative Handelsstrategien516
Zu den handelsgestützten Manipulationen sind unterschiedliche Arten manipulativer Aufträge (Orders) zu zählen. Die Strategien werden typischerweise mit börsengehandelten Aktien, in komplexeren Fällen auch unter Einsatz von Optionen oder Swaps verfolgt. Dabei geht es in vielen Fällen (wenngleich nicht immer) darum, irreführende Signale an den Markt zu senden. Ziel ist aber immer, in einen Kursverlauf bzw. die Preisbildung einzugreifen. Die Abgrenzung manipulativen Verhaltens zur zulässigen Kurspflege, welche ebenfalls auf eine Preiseinwirkung abzielt, kann schwierig sein.517 Im Folgenden sollen in einer groben Ordnung besonders häufig diskutierte Strategien zur handelsgestützten Manipulation vorgestellt werden.
aaa) Fiktive Nachfrage
Die meisten der handelsgestützten Manipulationen beruhen darauf, dass – insbesondere durch fiktive Geschäfte – eine tatsächlich nicht vorhandene Nachfrage nach bestimmten Finanzinstrumenten vorgetäuscht wird. Dazu dienen unter anderem die folgenden Strategien:
• Pre-arranged trades: In diesem Fall werden Geschäfte zwischen Verkäufern und Käufern abgeschlossen, die wirtschaftlich identisch sind (In-Sich-Geschäft/wash sale) oder – worauf weiter unten eingegangen wird518 – die sich abgesprochen haben. Die Geschäftsabschlüsse können dazu dienen, erhöhte Handelsaktivitäten vorzutäuschen.519 Advancing the bid: Bei dieser Strategie erhöhen Marktteilnehmer ihr Gebot für ein Finanzinstrument, um dadurch seinen Preis in die Höhe zu treiben.520
• Marking (auch: banging) the close: Hier werden Geschäfte erst bei Börsen- oder Marktschluss getätigt, um über den Schlusskurs eine erhöhte Nachfrage zu suggerieren und damit Marktteilnehmer irrezuführen, die ihre Aufträge gerade auf den Schlusskurs stützen.521 Dies kann dann für Geschäfte zum Nachteil der irregeführten Marktteilnehmer genutzt werden.
bbb) Marktüberflutung mit fiktiven Aufträgen (spam & cancel)
Die als spam & cancel bezeichneten Strategien bilden im Grunde eine große Teilgruppe fiktiver Geschäftstätigkeit.522 Dabei werden massenhaft Aufträge erteilt, von denen die weitaus meisten umgehend wieder storniert werden. Ziel ist solcher Strategien eine Einwirkung auf den Preis, die für die Verfolgung als Marktmissbrauch allerdings nicht zwingend nachgewiesen werden muss.
Spam & cancel-Strategien können zwar insbesondere im Hochfrequenzhandel eingesetzt werden. Allerdings sind hochfrequente Transaktionen typischerweise nicht darauf ausgelegt, von Kursänderungen zu profitieren, sondern vielmehr darauf, marginale Arbitragegewinne zu realisieren.523 Die hier relevanten Strategien stellen somit atypische Verhaltensweisen dar. In diesem Rahmen können sich Händler insbesondere zunutze machen, dass die Börsenbetreiber dazu verpflichtet sind, ein Orderbuch zu führen, in dem der Preis des am höchsten limitierten Kaufauftrags und des am niedrigsten limitierten Verkaufsauftrags und das zu diesen Preisen handelbare Volumen aufgeführt werden.524 Das vollständige Orderbuch ist für die Marktteilnehmer nur eingeschränkt einsehbar.525 Somit können manipulativ vorgehende Händler Strategien verfolgen, bei denen gerade die beschränkte Transparenz des Orderbuchs gezielt ausgenutzt wird, um andere Marktteilnehmer mittels massenhafter Orders und Stornierungen in die Irre zu leiten.
Zu den Spam & cancel-Strategien lassen sich insbesondere die nachfolgend beschriebenen Strategien zählen.
• Quote stuffing: Sozusagen die Grundform einer Spam & cancel-Strategie stellt es dar, wenn Aufträge in großer Zahl an einem Handelsplatz aufgegeben und anschließend storniert werden.526 Zwischenziel dieses Vorgehens ist es, den Handel für Sekundenbruchteil zu verzögern. Dies kann dann z.B. dazu genutzt werden, an einem anderen Handelsplatz zu einem aktuelleren Kurs zu handeln und folglich mit kontrolliertem Risiko Arbitrage zu betreiben. Alternativ kann die Verzögerung des Handels gezielt zum Nachteil anderer Hochfrequenzhändler eingesetzt werden, um deren Handelsprogramme bei der Marktanalyse zu stören und sich so einen Zeitvorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen.
• Spoofing: Auch bei dieser Strategie wird Anzahl großvolumiger Aufträge platziert, deren Ausführung von vornherein nicht beabsichtigt ist.527 Zwischenziel ist es in diesem Fall, dem Markt eine in Wahrheit nicht vorhandene Liquidität vorzutäuschen. Dadurch sollen andere Handelsteilnehmer zu bestimmten Transaktionen veranlasst werden. Die Scheinaufträge erscheinen vor ihrer Stornierung zumeist nur für einen Augenblick im Orderbuch. Die Strategie wird daher ebenfalls gegen andere Hochfrequenzhändler eingesetzt, um deren auf Algorithmen basierende Handelsaktivitäten zu beeinflussen.528
• Directional manipulation (momentum ignition): Hier werden durch großvolumige Scheinaufträge Markttrends wie z.B. ein Kursanstieg suggeriert. Das Zwischenziel ist, das Anlageverhalten einer größeren Anzahl anderer Handelsteilnehmer zu beeinflussen. Im Anschluss können z.B. zuvor zu einem günstigeren Kurs aufgebaute Positionen aufgelöst werden.
• Layering: In diesem Fall werden mehrere Scheinaufträge für ein Finanzinstrument mit einem jeweils an- oder absteigenden Limit aufgegeben.529 Eine dermaßen gestaffelte Platzierung von Aufträgen kann an sich durchaus legitimen Zielen dienen, etwa um eine Ausführung in einer bestimmten Reihenfolge zu gewährleisten. Ein manipulatives Vorgehen liegt allerdings nahe, wenn das Volumen der Aufträge besonders groß ist. Denn über das große Volumen der später stornierten Scheinaufträge lässt sich als Zwischenziel der Eindruck erzeugen, dass sich der Kurs eines Finanzinstruments in eine bestimmte Richtung bewegt (z.B. bei Käufen: nach oben). Hierdurch können andere Marktteilnehmer zu Transaktionen veranlasst werden, von denen der missbräuchlich vorgehende Händler bis zur Stornierung z.B. über kleinere gegenläufige Geschäfte (z.B. über Verkäufe) profitieren kann.530
ccc) Ausnutzung von Preis-Inelastizitäten
Andere missbräuchliche Handelsstrategien (sog. cornering bzw. abusive squeezes) beruhen darauf, dass ein Händler sich die weitgehende Kontrolle über das Angebot bzw. die Nachfrage an einem Wertpapier verschafft und somit die Marktgegenseite (z.B. Leerverkäufer) in die Ecke drängen kann.531 Dabei macht der Händler sich typischerweise Preis-Inelastizitäten zunutze, die etwa bei Leerverkäufern daraus resultieren, dass diese sich eindecken müssen, um die leer verkauften Instrumente fristgerecht an ihre Transaktionspartner liefern zu können.532
ddd) Manipulative Leerverkäufe
Leerverkäufe wurden bereits vorgestellt – es handelt sich um Verkäufe von Finanzinstrumenten, bei denen die veräußerten Instrumente nicht im Eigentum des Veräußerers stehen und die Erfüllung zeitversetzt erfolgt.533 Im vorliegenden Kontext sind vor allem ungedeckte Leerverkäufe problematisch, bei denen die Erfüllung der Lieferpflichten aus dem Leerverkaufsgeschäft nicht abgesichert ist.534 Das gilt zumindest dann, wenn dem Transaktionspartner des Leerverkäufers verborgen bleibt, dass die verkauften Finanzinstrumente nicht im Eigentum des Leerverkäufers stehen und dass dieser über keine Absicherung zur Erfüllung der Lieferpflichten verfügt. Solche Leerverkäufe können genutzt werden, um Kurse gezielt zu beeinflussen, wobei der Leerverkäufer zugleich Risiken aus dem Geschäft auf seinen – dahingehend uninformierten – Transaktionspartner abwälzt. Hervorzuheben sind insbesondere die folgenden missbräuchlichen Vorgehensweisen:
• Bear raids: Hierbei handelt es sich um massenhafte Leerverkäufe, die als Zwischenziel andere Marktteilnehmer irreführen und zu fehlerhaften Annahmen über die Bewertung eines Finanzinstruments veranlassen sollen.535 Problematisch ist die Strategie, wenn der Leerverkäufer zusätzlich Falschinformationen streut oder wenn er in Abstimmung mit anderen Leerverkäufern handelt, um den Preis des Finanzinstruments kollusiv nach unten zu drücken.
• Bottom fishing: Bei dieser Strategie gibt ein Leerverkäufer ebenfalls massenhaft Verkaufsaufträge auf. Diese erfolgen allerdings als Stop market-Order, wobei er als Zwischenziel darauf spekuliert, durch seine Verkäufe fremde Verkaufsaufträge auszulösen.536 Im Anschluss kann der Leerverkäufer sich zum abgesenkten Kurs eindecken.537 Allerdings ist die Strategie aufgrund der dadurch ausgelösten Kursschwankungen nach außen erkennbar. Als manipulativ wird sie trotzdem angesehen, wenn der Leerverkäufer von vornherein plant, sich nicht einzudecken.538
Als manipulativ werden auch andere Leerverkäufe angesehen, bei denen der Leerverkäufer von vornherein seine Lieferverpflichtung nicht erfüllen will (in den USA bekannt als sog. abusive naked short sales).539 Nach heutigem EU-Recht könnte es sogar genügen, wenn der Leerverkäufer ohne Täuschungsabsicht schlichtweg nicht erfüllungsfähig ist.540
b) Nutzung von Insiderinformationen
aa) Insidergeschäfte im Allgemeinen
Die Ausnutzung von Insiderinformationen kann es Marktteilnehmern ermöglichen, von Informationsvorteilen zu profitieren, die anderen Marktteilnehmern im Handel nicht zur Verfügung stehen. Nach EU-Recht kennzeichnet Insiderinformationen, dass es sich um nicht öffentlich bekannte und präzise Informationen handelt, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten bzw. Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, zu einer erheblichen Kursbeeinflussung geeignet wären.541 Das bedeutet, dass über die Nutzung der Informationen im Rahmen von Handelsgeschäften ein „ungerechtfertigter Vorteil [...] zum Nachteil Dritter erzielt [werden kann], die diese Informationen nicht kennen“.542 Dies kann aus Sicht des EU-Gesetzgebers das Vertrauen in den gleichen Zugang zu Informationen und damit in die Marktintegrität untergraben.543 Im U.S.-Recht werden Insiderinformationen und -geschäfte im Wesentlichen entsprechend definiert.544
bb) Front running
Eine vor allem im elektronischen Hochfrequenzhandel vorkommende Handelsstrategie baut darauf auf, dass ein Händler nicht öffentlich bekannte Informationen zu Angebot und Nachfrage ermittelt, insbesondere indem er sich die nicht öffentlich einsehbaren Inhalte der Orderbücher verschafft. Ein – freilich grundsätzlich zulässiges – Mittel zur Ermittlung solcher Informationen sind kleinvolumige Aufträge in geeigneter Zahl, die innerhalb sehr kurzer Zeit ausgeführt werden, um auszuloten, inwieweit Käufer oder Verkäufer für ein bestimmtes Finanzinstrument vorhanden sind (sog. pinging).545 Soweit sich bei den Reaktionen auf verschiedenen Handelsplätzen Differenzen zeigen, lassen sich hieraus Rückschlüsse auf den Veranlasser der Aufträge ziehen.
Im Fall eines front runnings greift der betreffende Händler hingegen von vornherein auf öffentlich nicht zugängliche Informationen, also Insiderinformationen, zu.546 Diese Insiderinformationen nutzt er, nachdem er sich anderweitig günstig eingedeckt hat, um sich in der Transaktion zwischenzuschalten und den Auftrag selbst zu einem gegenüber seinem Kaufpreis erhöhten Verkaufspreis zu erfüllen.547 Problematisch ist das beschriebene Vorgehen nicht wegen der damit verbundenen Ausnutzung von Kursdifferenzen (Arbitragegeschäft), sondern weil sich der Händler als Insider seinen Informationsvorteil gegenüber anderen Handelsteilnehmern zunutze macht.548
Besonders effektiv ist die gezielte Ermittlung von Angebot und Nachfrage – und damit auch ein etwaiges front running – auf den hausinternen Handelsplätzen von Banken (sog. dark pools).549 Denn hier gibt es kein öffentliches Orderbuch. Die Handelsplätze werden infolgedessen unter anderem von Großinvestoren genutzt, die Aktivitäten mit einem größeren Volumen durchführen wollen, ohne die Kurse zu beeinflussen.550 Allerdings weisen die Handelsplätze auch nur eine beschränkte Zahl von Handelsteilnehmern auf. Zudem erfolgt die Preisbildung aufgrund der geringeren Transparenz im Vergleich mit regulären Handelsplätzen verzögert.