Kitabı oku: «Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente», sayfa 21
P. Kombination von Instrumenten und Risiken (Beispiel)
In den vorigen Abschnitten sind die am Markt eingesetzten Finanzinstrumente mit Blick auf ihren Beitrag zu aufsichtsrechtlichen Gefahren kategorisiert worden. Eine solche Kategorisierung schafft zwar eine Basis, um die Regulierung von innovativen Finanzinstrumenten im weiteren Verlauf dieser Arbeit systematisch zu untersuchen. Sie lässt jedoch offen, welche Anforderungen praktisch an eine solche Regulierung zu stellen sind. Dieses Problem ist deshalb von Bedeutung, weil gerade komplexe Finanzinstrumente (z.B. Kreditderivate, Swaps) im Rahmen von ihrerseits komplexen Strategien eingesetzt und miteinander kombiniert werden.
Die sich im Einzelfall stellenden Probleme sollen beispielhaft anhand einer in der Praxis vorkommenden Strategie illustriert werden. Dabei handelt es sich um eine insbesondere von Hedgefonds angewendete marktneutrale Anlagestrategie (Convertible bond-Arbitrage). Das Beispiel ist, leicht abgewandelt und verkürzt, einem Beitrag von Marshall/Marshall übernommen.563
Der Ausgangspunkt sei, dass ein deutsches Unternehmen Wandelanleihen über einen Nennbetrag von z.B. EUR 500 Mio. emittieren möchte. Das Kreditausfallrisiko sei bei diesem Unternehmen relativ hoch. Die Option zur Umwandlung der Anleihe in (höher verzinsliches) Eigenkapital macht es für das Unternehmen verzichtbar, seinen Anlegern einen anderweitigen Gegenwert für die Übernahme des erhöhten Ausfallrisikos zu bieten. Das Optionsrecht sei jedoch nur am Ende der Anleihelaufzeit ausübbar (europäische Option). Die Emission einer solchen Wandelanleihe erfolgt typischerweise über die Hausbank. Diese übernimmt auch die Platzierung der Anleihe, sorgt also für mögliche Käufer.
Es soll angenommen werden, dass ein Hedgefonds sich für den Erwerb der Wandelanleihe interessiert. Bei seiner Bewertung des Gewinnpotenzials stellt sich die Wandelanleihe nicht als Einzelprodukt dar, sondern als ein zusammengesetztes Instrument, das aus einer Anleihe (Schuldverschreibung) und einer Calloption besteht. Die Anleihe lässt sich ihrerseits in eine Kredit- und eine Zinskomponente zerlegen. Die einzelnen Komponenten sind – entsprechend dem zuvor in diesem Kapitel Ausgeführten – durch die ihnen jeweils eigene Risikostruktur gekennzeichnet, die Anleihe vor allem durch das damit verbundene Ausfall- und Zinsrisiko.
Einen Wert hat die Anlage für den Hedgefonds dann, wenn die in der Wandelanleihe enthaltene Option im Vergleich mit einem Erwerb von Aktien am Markt zum Laufzeitende der Anleihe günstig ist. Ob dies der Fall ist, ergibt sich aus der Optionsprämie, denn der Berechnung dieser Prämie liegen Annahmen über die künftige Volatilität (implizite Volatilität) des Referenzwerts (Aktien) zugrunde. Der Hedgefonds muss also ermitteln, ob die vom Emittenten geforderte Optionsprämie vor dem Hintergrund der eigenen Annahmen des Hedgefonds hoch oder niedrig ist.
Zu diesem Zweck wird der Hedgefonds die Erträge aus der Anlage und die Kosten der Transaktion, die Kosten einer Isolierung der in die Wandelanleihe hineinstrukturierten Option und schließlich die implizite Volatilität der Option ermitteln. Die Kosten der Transaktion ergeben sich aus den Kosten eines Finanzierungskredits (Kreditzins), die vom erwarteten Zinsertrag der Wandelanleihe abzuziehen sind. Zu den Kosten einer Isolierung der Option zählen die Kosten einer Absicherung gegen die mit den Komponenten der Anleihe verbundenen Risiken, also Ausfall- und Zinsrisiken. Die gewünschte Absicherung lässt sich über einen CDS und einen Zinsswap erlangen.564
Weil es sich im vorliegenden Fall um ein Arbitragegeschäft handelt, muss der Hedgefonds weiter sicherstellen, dass er die Option mit Gewinn verkaufen kann. Zum Zweck einer derartigen Absicherung kann er zum einen selbst eine Calloption mit höherer impliziter Volatilität verkaufen, wenn solche Optionen am Markt (börslich/OTC) gehandelt werden. Zum anderen kann er einen höheren Verkaufspreis künstlich durch eine synthetische Strategie bewirken (sog. delta hedging)565. Dazu muss der Hedgefonds sich so stellen, als ob er eine Option mit einer Volatilität erworben hätte, bei der eine Veräußerung zum angestrebten Preis pro Anteil möglich wäre. In einem solchen Fall würde die Option jedoch ein Anrecht auf eine geringere Zahl von Aktien vermitteln. Der Hedgefonds wird deshalb ihm von seiner Bank (Primebroker566) geliehene Aktien des Emittenten leer verkaufen. Der Kaufpreis aus dem Leerverkauf wird von der Bank als Sicherheit einbehalten und in sichere, kurzlaufende Papiere (Geldmarkttitel) zinsneutral investiert. Die Provision der Bank erhöht die Kosten der Option.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Abstand zwischen Optionspreis und Aktienkurs (Delta) sich im Zeitablauf verändert. Außerdem kann der Leerverkauf den Kurs der Aktien des Emittenten beeinflussen (Gammaeffekt). Es kann also nötig werden, die Absicherung (hedge) entsprechend anzupassen, woraus sich weitere Kosten ergeben können.
Der Hedgefonds kann im zuvor beschriebenen Beispiel einen Gewinn in Höhe der Wertdifferenz zwischen gekaufter und verkaufter Volatilität generieren. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Arbitrage des Hedgefonds die Preissetzung bei der Wandelanleihe verbessert. Demgegenüber stehen andererseits die Risiken der Transaktion. Dazu zählen unter anderem Modellrisiken hinsichtlich der Bewertung der impliziten Volatilität der Option und der zu erwartenden, erforderlichen Anpassungen des hedge. Außerdem gehen die Sicherungsgeschäfte (CDS, Zinsswap) und der Leerverkauf mit jeweils eigenen Risiken einher. Im Anschluss an die weitere Untersuchung wird auf das hier beschriebene Beispiel mit Blick darauf zurückzukommen sein, ob die gegenwärtige Regulierung zur Abwehr möglicher Gefahren aufgrund solcher Transaktionen ausreicht.567
563 Marshall/Marshall, The Use of Derivatives in Financial Engineering: Hedge Fund Applications, in: Kolb/Overdahl, Financial Derivatives: Pricing and Risk Management, 1. Aufl. 2010, 525ff. 564 Dabei ist eine Absicherung gegen das Zinsrisiko grundsätzlich nur in Höhe der Differenz der (erhaltenen) Zinsen aus der Anleihe einerseits und der (an den Finanzierungsgeber zu zahlenden) Kreditzinsen andererseits erforderlich; vgl. Marshall/Marshall (Fn. 563), 525 (530). 565 Bei einer solchen Strategie nutzt der Hedgefonds die Schwankungen im Optionspreis, die durch Änderungen des Referenzwertes (Delta) ausgelöst werden; Marshall/Marshall (Fn. 563), 525 (531ff.). 566 Siehe Art. 4 Abs. 1 lit. af RL 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen 1060/2009 und 1095/2010, ABl. L 174 vom 1. Juli 2011, S. 1 zu diesem Begriff. 567 Siehe unten Kap. 7.G (S. 1020).
Q. Zusammenfassung und Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen
Finanzinstrumente dienen dem Handel mit erwarteten Kapitalflüssen und damit einem Handel mit Risiken. Die im nationalen Recht definierten Wertpapiere (d.h. herkömmliche Eigen- und Fremdkapitalinstrumente) mögen einen Großteil des Handelsvolumens ausmachen. Sie stellen aber nur einen Bruchteil der existierenden Finanzinstrumente dar. Dabei ist die Risikostruktur von Tranchierungsverbriefungen, strukturierten Produkten mit derivativer Komponente und reinen Derivaten wesentlich komplexer als die Risikostruktur herkömmlicher Wertpapiere. Aufsichtsrechtlich ist sie jeweils von Bedeutung, soweit Dritte durch die Transaktion Risiken ausgesetzt werden können.
Ebenso wie herkömmliche Anleihen können Tranchierungsverbriefungen (ABS) und strukturierte Produkten mit derivativer Komponente zur Refinanzierung genutzt werden (atypische Anleihen). Die Emittenten sind anstelle sonstiger Unternehmen allerdings häufig Finanzintermediäre. Gerade für Banken ist die Emission atypischer Anleihen interessant, um damit ihr Kreditgeschäft zu refinanzieren. Um die Übernahme der Kreditrisiken für die Anleger attraktiv zu machen, können die Banken die Risiken poolen und tranchieren (ABS) oder durch eine derivative Komponente anreichern, bevor sie sie verbriefen. Diese Maßnahmen lassen jedoch die Informationsasymmetrien zwischen den Emittenten (Banken) und den Anlegern wachsen. Denn Letztere müssen dann nicht nur das Kreditgeschäft bewerten, in das sie investieren, sondern auch die Modifizierung des Risikos in der von ihnen erworbenen Verbriefung.
In Derivatekontrakten werden zwei zueinander gegenläufige, künstliche Risiken vereinbart. Die Risikostruktur des Derivats kann symmetrisch (unbedingtes Termingeschäft bzw. Future-/Forwardgeschäft) oder asymmetrisch (bedingtes Termingeschäft bzw. Optionsgeschäft) sein. Im letztgenannten Fall entscheidet über die Leistung der Leistende (put) bzw. der Empfänger (call). Dadurch, dass Risiken alleiniger Vertragsgegenstand sind, können Derivate zur Risikoverschiebung eingesetzt werden. Daneben weisen sie ebenso wie Anleihen eine Hebelwirkung auf. Diese ist hier nur nicht vom Laufzeitende eines beim Anleihezeichner aufgenommenen Kredits, sondern von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig. Der Kontrakt umfasst auch nur die Differenz der Leistungen aus gegenwärtigen und zukünftigen Kassageschäften, weshalb erst bei Eintritt des vereinbarten Ereignisses überhaupt eine Leistung fällig wird (Differenzgeschäft). Diese Merkmale machen Derivate einerseits für die Transaktionspartner attraktiv, denn sie bedeuten, dass solche Kontrakte zunächst ohne Kapitaleinsatz abgeschlossen werden können. Die Hebelwirkung führt indes andererseits zu einer Risikoverkettung, die sich zum Nachteil Dritter auswirken kann. Dabei lassen die Auswirkungen auf Dritte nur in einer Gesamtschau beurteilen. Denn bei einem spekulativen Einsatz des Derivats erhöht sich das Risiko sowohl für den spekulierenden Transaktionspartner als auch für den Gesamtmarkt. Bei Absicherungsgeschäften (hedging) kann einer der Transaktionspartner ein für ihn schon bestehendes Risiko ausgleichen, wodurch auch das Risiko für den Gesamtmarkt sinkt. Im Fall der Arbitrage spekuliert ein Transaktionspartner in einer Weise, die das Risiko für den Gesamtmarkt vermindert.
Die Einteilung der Derivate in diesem Kapitel beruht im Wesentlichen darauf, dass die Derivate jeweils Risiken anderer Art abbilden, sodass auch mitbetroffene Dritte jeweils anderen Risiken ausgesetzt sind. Der Fokus lag hier insofern auf Finanzderivaten. So bilden Kreditderivate Ausfallrisiken, Kapital-/Fondsderivate (EDS/ELN/ELO bzw. FLN/CFO) Marktpreisrisiken, Volatilitätsderivate Schwankungsrisiken ab usw. Allerdings wurde zumindest kurz darauf verwiesen, dass Derivate auch alle möglichen anderen Risiken innerhalb und außerhalb der Finanzmärkte abbilden können. Die Spanne reicht hier von Rohstoff- und Warenderivaten, deren Risikostruktur unter anderem die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Waren abbildet, bis hin zu Wetterderivaten und Katastrophenanleihen (cat bonds). Die Betrachtung verkompliziert sich weiterhin dadurch, dass auch Geschäfte mit herkömmlichen Wertpapieren so strukturiert werden können, dass sie ähnliche Funktionen wie Geschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten erfüllen (insb. zeitweilige Wertpapierüberlassungen). Dies spiegelt sich in dann vergleichbaren Risikostrukturen der relevanten Transaktionen.
Die Marktentwicklung bleibt beim Stand der hier beispielhaft dargestellten Instrumente und Transaktionen selbstredend nicht stehen. Zurzeit werden vor allem die Verbindung von Finanzinstrumenten mit Kryptowährungen (z.B. Bitcoin-Futures bzw. -ETF) und technische Lösungen zur Umsetzung von Transaktionen, bei denen bisher Finanzinstrumente eingesetzt werden (z.B. smart contracts), diskutiert. Die Verbindung von Finanzinstrumenten mit Kryptowährungen führt zur Verknüpfung aufsichtsrechtlicher Aspekte mit Aspekten der Geldpolitik (Schutz der Geldwertstabilität). Der Einsatz von technischen Lösungen führt zu einer Vorverlagerung der aufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeit. Die daraus folgenden zusätzlichen Probleme sollen in dieser Arbeit nicht betrachtet werden. Die Problematik wird im Ausblick des Schlusskapitels lediglich noch einmal hervorgehoben.568
568 Kap. 8 (S. 1033).
Kap. 4 Wann besteht ein aufsichtsrechtlicher Regelungsbedarf?
A. Einführung
I. Allgemeine Vorüberlegungen
In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, wann Markttätigkeiten im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten einen aufsichtsrechtlichen Regelungsbedarf auslösen. Zu diesem Zweck wird die Perspektive des deutschen Rechts gewählt, aus der heraus die gesamte Arbeit verfasst ist. Eine Antwort auf die gestellte Frage setzt voraus, dass man sich Klarheit darüber verschafft, was das Finanzaufsichtsrecht als auf die Finanzmärkte bezogenes Ordnungsrecht überhaupt ausmacht (Abschn. II). Außerdem ist zu überlegen, ob das Finanzaufsichtsrecht gegenüber dem sonstigen Ordnungsrecht besondere Merkmale aufweist, die bei der Feststellung eines aufsichtsrechtlichen Regelungsbedarfs zu berücksichtigen sind (Abschn. III).
II. Finanzaufsichtsrecht als besonderes Ordnungsrecht
Das Finanzaufsichtsrecht lässt sich, wie erwähnt, – zumindest im Grundsatz – als besonderes Ordnungsrecht verstehen und damit in ein allgemeines Konzept ordnungsrechtlicher Gefahrenabwehr einordnen. Das für die Finanzaufsicht maßgebliche Recht hat sich in Deutschland bereits seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelt.569 Seinem Ursprung nach handelt es sich um ein besonderes Gewerbeaufsichtsrecht.570 Allerdings lässt sich das deutsche Finanzaufsichtsrecht heutzutage nicht mehr isoliert betrachten, sondern muss inzwischen als Teil eines international geprägten und größeren Ordnungsrahmens verstanden werden. Dieser wird aus deutscher Perspektive in vielen Bereichen durch die Beschlüsse und Empfehlungen der G 20 und internationaler aufsichtsbehördlicher Gremien und Organisationen (z.B. Finanzstabilitätsrat, Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, IOSCO) und durch das EU-Recht geprägt bzw. ausgestaltet. Bei der Frage, wann ein aufsichtsrechtlicher Regelungsbedarf besteht, sind sowohl die Überformungen durch diese internationalen und europäischen Vorgaben als auch die herkömmlichen Grundsätze des deutschen Ordnungsrechts zu beachten.
Die angesprochene Gemengelage trägt dazu bei, dass der Charakter des Aufsichtsrechts als Sonderordnungsrecht heute nicht mehr zweifelsfrei ist. Dabei bestehen weniger Unsicherheiten in Bezug auf Zuständigkeiten und Verfahren (formelles Aufsichtsrecht) als vielmehr in Bezug auf die Regelungsmaterie des Aufsichtsrechts in der Sache (materielles Aufsichtsrecht).
In formeller Hinsicht ist die Einordnung des Finanzaufsichtsrechts als Teilbereich des Ordnungsrechts im Wesentlichen unproblematisch. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die zuständigen Landesbehörden sind als Aufsichtsbehörden tätig.571 Es handelt sich hierbei um Finanzbehörden und damit um spezielle Ordnungsbehörden im Sinne des Bundes- und Landesordnungsrechts.572 Sie üben im Rahmen des deutschen Verwaltungsrechts folglich Aufgaben und Befugnisse einer ordnungsbehördlichen Gefahrenabwehr aus.
In materieller Hinsicht ist die Situation allerdings mittlerweile weniger eindeutig. Als Sonderordnungsrecht mag das Aufsichtsrecht im Finanzbereich dazu dienen, Gefahren für das Gemeinwohl abzuwehren, die aus dem Betrieb eines Finanzgewerbes bzw. aus Finanztransaktionen für die betroffenen Märkte fol gen.573 Allerdings ist es in Randbereichen zuweilen unklar und abhängig von der Perspektive, was zum Bereich der Finanzaufsicht zu zählen ist und wann Regelungen einen vorrangig privatrechtlichen Charakter haben und vor allem Verhaltenspflichten der Marktteilnehmer im Verhältnis zueinander regeln bzw. einer individuellen Interessendurchsetzung dienen (z.B. bei Aspekten des Anleger- und Verbraucherschutzes).574 Insbesondere im kapitalmarktrechtlichen Schrifttum wird die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht (Ordnungsrecht) und Privatrecht inzwischen zum Teil als überholt bzw. nicht weiterführend angesehen.575
Die Gründe für die Unsicherheiten hinsichtlich der Regelungsmaterie des heutigen Aufsichtsrechts sind insbesondere in den internationalen und europäischen Regelungsimpulsen zu suchen. Hierauf soll an geeigneter Stelle noch näher eingegangen werden.576
III. Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Ordnungsrecht
Ein aufsichtsrechtlicher Regelungsbedarf kann nach den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Ordnungsrechts immer dann entstehen, wenn der Einsatz von Finanzinstrumenten aufsichtsrechtliche Schutzgüter gefährdet und ein Eingreifen auf aufsichtsrechtlicher Grundlage verhältnismäßig ist und sich im Rahmen ordnungsrechtlicher Befugnisse hält. Dabei betreffen die erstgenannten Kriterien die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Eingreifens, während sich aus den zuletzt genannten Kriterien rechtsfolgenbezogene Grenzen ergeben. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind allerdings einige Besonderheiten des Finanzaufsichtsrechts zu beachten.
So ist namentlich die Verwendung eines allgemeinen Gefahrbegriffs im Finanzaufsichtsrecht, anders als im allgemeinen Ordnungsrecht, unüblich. Die Regelungen in den Gesetzen über die Tätigkeit bestimmter Finanzmarktteilnehmer (z.B. KWG, VAG, BörsG) knüpfen im Regelfall auch nicht ausdrücklich an Gefahrentatbestände an.577 Diese Besonderheiten dürften mit der speziellen Regelungsmaterie des Aufsichtsrechts zusammenhängen.
Denn angesichts der erfahrungsgemäß schwerwiegenden Folgen, wenn Risiken in einem solchen Umfang zunehmen, dass das Finanzsystem ganz oder in Teilen gefährdet ist, ist es ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass der Gesetzgeber das Aufsichtsrecht ausgehend von einem Vorsichts- bzw. Vorsorgeprinzip ausgestaltet und den zuständigen Behörden Befugnisse einräumt, die es ihnen gestatten, bereits im Vorfeld etwaige Gefahren für bestimmte finanzaufsichtsrechtliche Schutzgüter abzuwenden. Ein solches Prinzip ist auch aus den EU-rechtlichen Verbraucherschutzbestimmungen und aus anderen Bereichen des Ordnungsrechts bekannt, in denen es um die Abwehr von Gefahren für besonders wichtige Schutzgüter geht, insbesondere aus dem Umweltrecht.578 Nach dem umweltrechtlichen Vorsorgeprinzip sind Maßnahme zur Risiko- und Zukunftsvorsorge über die Abwehr drohender Gefahren und eingetretener Schäden hinaus zu treffen, sodass Schäden vermieden werden und gar nicht erst zum Entstehen kommen.579 Die Risikovorsorge betrifft dabei entfernte Gefahren und Fälle geringer Eintrittswahrscheinlichkeit.580 Die Idee einer der Gefahrenabwehr vorgelagerten Vorsorge lässt sich auch auf das Finanzaufsichtsrecht übertragen.581 Das gilt allerdings nicht ohne Weiteres für den im Umweltrecht und in anderen Bereichen des Ordnungsrechts verwendeten Risikobegriff.582 Deshalb ist es im vorliegenden Kontext es präziser, von Gefahrenvorsorge zu sprechen.
Die G 20 haben diesem Konzept entsprechend für den Bereich der Finanzmarktregulierung auf internationaler Ebene beschlossen, dass die Regulierung „schnell auf Entwicklungen und Innovationen auf den Finanzmärkten oder bei Finanzprodukten reagieren“ müsse.583 Einen ähnlichen Gedanken formuliert auf der EU-Ebene der so genannte Larosière-Bericht, der als Reaktion auf die Finanzkrise Vorschläge für eine Verbesserung von Regulierung und Aufsicht gemacht hat.584 Die Verfasser heben in dem Bericht hervor, dass eine neue Regulierungsagenda erforderlich sei, um unter anderem „das Risiko zu senken und das Risikomanagement zu verbessern [sowie] prozyklische Verstärkungseffekte abzuschwächen“.585 In Bezug auf die Erfahrungen in der Finanzkrise halten die Verfasser fest, die Regulierung müsse die „Wahrscheinlichkeit solcher Krisen in Zukunft [...] verringern“.586 Das erfordere es, dass „alle [...] Schwächen“ des Vertrauens in die Finanzmärkte beseitigt würden.587 Die Formulierungen im zitierten Beschluss der G 20 und im Larosière-Bericht sprechen somit für eine aufsichtsrechtliche Regulierung, die der Entstehung konkreter aufsichtsrechtlicher Gefahren weit vorgelagert ist. Dieses Konzept verfolgt offenbar auch der deutsche Gesetzgeber im nationalen Aufsichtsrecht.
Abweichend ist die Situation im Bereich des Wertpapierhandels. Denn die Verordnung 600/2014 (MiFIR) und das Wertpapierhandelsgesetz enthalten weit gefasste Aufgaben- und Befugnisnormen, welche die Behörden zum Eingreifen in Gefahrensituationen („Missständen“) ermächtigen.588 Diese Befugnisse werden in den besagten Rechtsakten in Bezug auf bestimmte Missstände weiter spezifiziert. Allerdings gibt es darin auch viele Regelungen, die Verhaltenspflichten vor allem im Verhältnis der Marktteilnehmer zueinander ausgestalten. Die Rechtsakte bilden damit ein zentrales Regelwerk sowohl für die ordnungsbehördliche Gefahrenabwehr als auch für die Gefahrenvorsorge.