Kitabı oku: «Gesammelte Werke: Romane, Erzählungen & Aufsätze», sayfa 34

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Er suchte ihr Heim auf. Sie wohnte in einem alten Holzhaus, weitab vom Zentrum der Stadt. Vorsichtig stelzte er in der Nachbarschaft herum, hielt sich aber immer einen Block vom Haus entfernt. Er beobachtete es versteckt von allen Seiten, mit verstohlnen Augen, mit heiß zum Hals schlagendem Herzen, – nie aber ging er vorm Haus vorüber, nie direkt auf es zu.

Er war verkommen und dreckig. Seine Schuhe waren durchgelaufen, seine verhornten Fußsohlen traten das heiße Pflaster. Er stank.

Schließlich suchte er Arbeit. Arbeit gab es ungeheuer viel, aber die hohen Löhne, von denen er gehört hatte, gab es selten. Er konnte nicht behaupten, daß er Zimmermann oder Maurer sei. Er war ein heruntergekommener Bursch, weiter nichts, und sah danach aus. Er ging zum Navy Yard in Portsmouth, zur Naval Base in Norfolk, zum Bush Terminal; überall war Arbeit zu haben, sehr viel Arbeit zu haben: Schwerarbeit für vier Dollar am Tag. Er hätte sie gern genommen; es stellte sich aber heraus, daß er seinen ersten Lohn erst nach vierzehn Tagen haben konnte, weil der Lohn für die erste Woche einbehalten würde, um ihn gegen Erkrankung, Aufruhr, Abschub oder Unfall zu versichern. Und er konnte sich unmöglich vierzehn Tage halten.

Er ging zum Juden und versetzte die Uhr, die ihm Eliza zum Geburtstag geschenkt hatte. Er bekam fünf Dollar. Dann setzte er mit dem Schiff wieder nach Newport News über und fuhr mit der Trambahn die Küste hinauf nach Hampton. Er hatte in Norfolk die Nachricht aufgeschnappt, daß in Hampton auf dem Flugfeld Arbeit sei, und zwar so, daß die Arbeiter dort auf Kosten der Firma im Lager verpflegt und beherbergt würden.

Eine kleine Baracke am diesseitigen Ende einer langen Brücke, die zum Flugfeld hinüber führte, diente als Annahmestelle. Eugen wurde als Arbeiter eingetragen. Die Wache durchsuchte die Kleider und sein Handgepäck. Dann schleppte er sich über die Brücke, stieß Schritt für Schritt den Handkoffer, in dem seine schmutzigen Sachen unordentlich verstaut waren, mit dem Knie vor sich her.

Diese Monate, von Hunger und Entsetzen voll, können hier nur kurz und andeutungsweise behandelt werden. Kaum etwas von Eugens Erlebnissen und von den Menschen, die er damals kannte, wird hier erzählt, denn die Ereignisse jener Zeitspanne gehören in eine Geschichte von Flucht und Wanderschaft. An dieser Stelle haben sie lediglich den Sinn einer Einführung in die Reise, die dieses Leben machen wird; sie geben einen Vorgeschmack der Verbannung, in der dieser Mensch leben wird. Aus dem Chaos dieser von Nachtalben verfinsterten Monate läßt sich nichts lesen außer dem blinden Tasten einer Seele nach Freiheit und Selbständigkeit.

Eugen arbeitete einen Monat lang auf dem Flugfeld.

Schließlich hungerte ihn wieder nach Schiffen und Gesichtern. Er gab seine Arbeit auf und lebte von seinem Lohn eine Woche in Saus und Braus in Norfolk und an den Badestränden Virginiens. Fast wieder ohne einen Pfennig, das wilde Kaleidoskop von tausend Straßen und Millionen Lichtern, die grelle Verwirrung und den gellenden Lärm des Karnevals im Kopf, kehrte er auf der Suche nach Arbeit nach Newport News zurück. Er war in Begleitung eines andern Burschen aus Altamont, den er an einem Badestrand aufgelesen hatte. Dieser junge Mann, der ebenfalls das Sparen nicht gelernt hatte und als Kriegsarbeiter abenteuerte, hieß Sinker Jordan und war drei Jahre älter als Eugen. Er war ein hübscher, verwegner Bursch, klein von Gestalt; er hinkte infolge eines Beinschadens, den er als Junge bei einem Fußballspiel davongetragen hatte. Von Charakter war er schwach und flatterhaft; er haßte jede Anstrengung; Ausdauer bewies er nur, wenn es galt, sein Pech zu verfluchen.

Die beiden Jungen hatten zusammen ein paar Dollars. Sie machten gemeinsame Kasse und kauften sich, wildoptimistisch, bei einem Pfandverleiher die nötigsten Zimmermannswerkzeuge: Hammer, Handsäge und T-förmige Reißwinkel. Sie reisten fünfzehn oder zwanzig Kilometer landeinwärts nach einem traurigen Regierungscamp unter den Föhren Virginiens, das vor Hitze fast verging. Sie wurden zurückgewiesen und kehrten niedergeschlagen und finster nach der Stadt zurück, die sie morgens so hoffnungsfroh und heiter verlassen hatten. Noch ehe die Sonne unterging, hatten sie sich Arbeit auf den Shipbuildingyards beschafft, aber drei Minuten nachdem sie sich zur Einstellung gemeldet hatten, waren sie auch schon wieder entlassen. Sie mußten nämlich in einer Werkstatt voller Hobelspäne und stillsurrenden Treibriemen dem schmunzelnden Werkmeister gestehn, daß sie von der höchstspezialisierten Zimmermannsarbeit beim Schiffsbau keinen blauen Dunst hatten. Sie hätten ruhig hinzufügen können, daß sie von anderer Zimmermannsarbeit ebensowenig wußten.

Nun hatten sie keinen Pfennig mehr. Als sie wieder auf der Straße waren, schmiß Sinker Jordan die fatalen Werkzeuge auf das Pflaster und fluchte wüst über die törichte Anschaffung, die sie nun zum Hungerleiden verdammte. Eugen hob die Werkzeuge auf und brachte sie zu dem unentwegten jüdischen Onkel, der sie ihm wieder abnahm. Er gab ihm nur ein paar Dollar weniger dafür, als sie ihm am Morgen dafür bezahlt hatten.

Eugen stand in aller Herrgottsfrüh auf; nach vergeblichen Versuchen, den üppig schlafenden Sinker zu wecken, lief er in der Grelle bei den Lagerschuppen und Ladedocks herum, dort, wo die Munition nach Frankreich verstaut und abtransportiert wurde. Nachdem er den ganzen Morgen gesucht hatte, fand er schließlich für sich und Sinker Arbeit. Der sie ihm gab, war der Oberlademeister Mister Finch, ein geschwollner, kleinlicher Tyrann. Mister Finch war ein nervöser, häßlicher Mann mit großen, groben Kiefern, um die die gespannten Muskeln ständig zuckten; er hatte stechende Augen und trug eine Brille.

Eugen wurde eingestellt als »Checker«, d. h. Kontrolleur. Er mußte die Transporte und Ladearbeiten überwachen, die von den »Stevedores«, d. h. den Stauern, ausgeführt wurden, und darüber das »Tally«, d. h. die Kontrolliste, führen. Die Stevedores waren Neger.

Am nächsten Morgen um sieben ging er an die Arbeit. Sinker erschien erst zwei Tage später, nachdem sein letztes Kleingeld verzehrt war. Eugen schraubte seinen Stolz herunter und lieh sich ein paar Dollars von einem der anderen Checkers. Davon lebten er und Sinker kärglich bis zur nächsten Lohnauszahlung, die schon nach ein paar Tagen war. Das Geld, das sie bekamen, schlüpfte schnell durch ihre achtlosen Finger. Bald hatten sie nur noch ein paar Münzen, und der nächste Zahltag war erst in zwei Wochen. Sinker würfelte mit den Checkers hinter der großen Festung aus Hafersäcken auf dem Pier, verlor, gewann, stand ohne einen Cent auf und verfluchte Gott. Eugen kniete neben den Checkers, den letzten halben Dollar auf dem Handteller, ohne auf Sinkers bittern Vorwurf zu hören. Er hatte noch nie Würfel geworfen, und natürlich gewann er. Acht Dollar und fünfzig Cent. Er erhob sich hochgemut von den erstaunten Spielratzen und lud Sinker zum Dinner im besten Hotel ein.

Zwei Tage später ging er wieder hinter die Burg aus Hafersäcken; spielte um seinen letzten Dollar und verlor.

Er fing an, Hunger zu leiden, einen trübseligen Tag nach dem andern. Die grelle Sonne brannte auf die Ladedämme, es war unmenschlich heiß. Schiffe und Güterzüge liefen aus und ein; Munition und Fourage für die Soldaten. Die Luft staubte. Er machte lange »Tallies«, wenn die Stevedores mit ihren Ladekarren an ihm vorüberschwärmten. Sinker Jordan bettelte und erborgte kleine Summen von den andern Checkers und lebte von Mineralwasser und Käse aus dem kleinen Kramladen gegenüber der Ladestation. Eugen konnte nicht betteln und borgen gehn. Teilweise war es Stolz, mehr aber noch hemmte ihn die mächtig brütende Untathaftigkeit seines Temperaments, die zusehends die Herrschaft über seinen Willen zum Handeln gewann. Er konnte einfach nicht davon sprechen. Jeden Tag nahm er sich vor: »Heute werde ich zu einem von ihnen davon reden. Ich werde sagen, daß ich essen muß und kein Geld habe.« Aber als er es versuchte, konnte er einfach nicht davon sprechen.

Da sie tüchtig arbeiteten und mehr Arbeit zu bewältigen war, mußten sie nachts Überstunden machen. Diese Überstunden wurden fünfzig Prozent besser bezahlt als die Tagesarbeit. Eugen hätte sich sonst gern das Geld verdient, aber nun, taumelnd vor Erschöpfung, war ihm der Ruf zur Arbeit entsetzlich. Mehrere Tage schon war er nicht mehr nach der finstren Bude heimgegangen, in der er mit Sinker Jordan zusammen hauste. Nach Feierabend suchte er sich eine Oase in der Riesenburg aus Hafersäcken und schlief den Schlaf des Erschöpften. Das Rattern der Krane und Winden, das Rumpeln der Karren, das Sirenentuten ferner Dampfer, die oben am Strom verankert waren, klangen wie eine verworrne Symphonie in seinen Ohren.

Er lag da, und die Welt verdämmerte in seinem Bewußtsein. Und der Krieg erreichte seinen leidenschaftlichsten, blutigsten Höhepunkt in diesem furchtbaren Monat. Er lag da wie ein Gespenst seiner selbst und dachte mit Schmerz und Kummer an all die Millionen Städte und Gesichter, die er nicht gekannt hatte. Er war das Atom, um das sich alles frühere Leben gedreht hatte, Cäsar war für ihn gestorben und ein namenloses Weib in Babylon, und irgendwo hier, auf diesem wunderbaren, sterbenden Fleisch, auf diesem Myriadenhirn ruhte die Spur ihres Geistes.

Und er dachte an die fremden, verlornen Gesichter, die er gebannt hatte, an die einsamen Gestalten seiner Angehörigen, jede ans Chaos verdammt, jede mit Ketten an ein Schicksal von Verlust und Untergang geschmiedet: – Gant, ein gefallner Titan, auf unendliche Sichten Vergangenheit zurückstarrend, gleichgültig gegen die Welt, die ihn umgab, – Eliza, wie eine Ameise mit Vermögenszuwachs beschäftigt. – Helene, kinderlos, weglos, eine große Woge, die sich an wüstem Felsenstrand bricht, – und schließlich an Ben, das Gespenst, den Fremdling, der in diesem Augenblick in einer andern Stadt umherschlich, die tausend Gassen des Lebens auf- und abging und keine Türen fand.

Am nächsten Tag auf dem Pier wurde es Eugen schwächer und schwächer in den Knochen. Er saß spreizbeinig auf einem Thron aus gerundeten Hafersäcken, es schwamm ihm vor den Augen, als er das Einladen der Säcke überwachte und das Tally mit zitternden Zeichen auf das große Blatt schrieb. Er bewegte jedes Glied mit äußerster Vorsicht, er hob es auf und legte es an seinen Platz zurück, als wäre es ein völlig von ihm getrennter Gegenstand.

Als Feierabend war, wurden sie zur Nachtarbeit bestellt. Eugen, taumelig vor Schwäche, hörte die weithin schallende Stimme des Oberlademeisters.

Die Stunde des Nachtessens fiel auf dem Pier wie eine plötzliche Stille. Es kamen, matter werdend, Geräusche aus den Lagerschuppen. Eugen hörte die trampelnden Tritte der Arbeiter am Ausgang, das Schwappen des Wassers an einen großen Schiffsrumpf, ein paar Laute von der Brücke.

Er kletterte auf die Burg aus Hafersäcken, bis er die höchste Zinne erreicht hatte. Die Welt verebbte aus seinem schwindenden Bewußtsein. Nachher, wenn ich mich ausgeruht habe, werde ich runterklettern und wieder arbeiten. Es ist ein heißer Tag gewesen. Ich bin müd.

Als er versuchte, die Glieder zu bewegen, konnte er es nicht mehr. Sein Wille war geknebelt, er war hilflos wie ein Mensch im Käfig, er kämpfte vergebens gegen sein bleiernes Fleisch. Er dachte nach, ruhig und klar dachte er nach, erleichtert und still erfreut: Sie werden mich nicht finden. Ich kann mich nicht bewegen. Es ist vorbei. Wenn ich das vorher gewußt hätte, hätte ich mich nicht gefürchtet. Und jetzt fürchte ich mich nicht. Da lieg ich auf dem Hafersack und tu mein Teil für die Demokratie. Ich werde anfangen zu stinken. Dann werden sie mich finden.

Das Leben verglomm aus seinen müden Augen. Er lag halb ohnmächtig auf den Säcken ausgereckt. Er dachte: Hafersäcke, Hafer, Pferde.

So fand ihn der Junge Checker, der ihm am Anfang einmal Geld geliehen hatte. Der Checker beugte sich über ihn, hielt ihm mit der einen Hand den Kopf hoch und flößte ihm mit der andern aus einer Flasche starken, scharfen Branntwein ein. Als Eugen sich ein bißchen erholt hatte, half ihm der Checker von der Haferburg herunter und ging langsam mit ihm über die hölzerne Plattform des Piers.

Sie gingen über die Straße in einen kleinen Kramladen. Der Checker bestellte eine Flasche Milch, eine Schachtel Salzkeks und einen großen Block Käse. Als Eugen aß, liefen ihm die Tränen über das schmutzige Gesicht. Er konnte sie nicht zurückhalten; er weinte vor Hunger und Schwäche.

Der Checker stand über ihm und sah ihn mit gütig, besorgten Blicken an. Er war ein junger Mann mit einem großen, vierkantigen Kinn und einem kleinen Tellergesicht, er trug gelehrtenhafte Augengläser und rauchte nachdenklich eine Pfeife.

»Warum hast Du mir nichts gesagt? Ich hätte Dir Geld gegeben«, sagte er.

»Ich – weiß – nicht«, sagte Eugen zwischen zwei Bissen Käse. »Konnte nicht.«

Von den fünf Dollar, die ihm der Checker lieh, lebten er und Sinker Jordan bis zum Zahltag. Dann, nachdem sie vier Pfund Beefsteak zu Nacht gegessen hatten, reiste Sinker Jordan nach Altamont ab, um eine ältere Erbschaft zu genießen, die ihm ein paar Tage zuvor, an seinem einundzwanzigsten Geburtstag, rechtsgültig zuteil geworden war.

Eugen blieb.

Mister Finch, der Oberlademeister, mit den häßlichen Schlitzaugen und dem liebenswürdigen Heimtückerlächeln trat an Eugen heran.

»Ich hab da 'ne Arbeit für Sie, Gant«, sagte er. »Doppelte Bezahlung. Sie sollen auch mal ans leichtverdiente Geld ran, drum möchte ich Ihnen das zuschanzen.«

»Ja. Worum handelt es sich?« sagte Eugen.

»Das Schiff da wird mit großem Stoff beladen. Es fährt sofort raus auf den Strom und wird dort vollgepackt. Sie werden heut abend mit einem kleinen Schleppboot abgeholt«, erklärte er.

Der Checker mit dem Tellergesicht, dem Eugen strahlend von seinem Auftrag berichtete, sagte:

»Ich bin auch aufgefordert worden; ich sagte, ich wolle nicht.«

»Warum?« fragte Eugen.

»Ich bin nicht so versessen aufs Geld. Sie laden das Schiff mit T. N. T. und Nitroglyzerin. Die Nigger spielen Baseball mit den Kisten. Wenn eine hinfällt, können sie Deine Reste in einem Pappschächtelchen heimschicken.«

»Das gehört alles zu einer guten Tagesarbeit!« sagte Eugen dramatisch.

Das war Gefahr, Krieg. Er war entschlossen, seine Haut für den Sieg der Demokratie zu Markte zu tragen. Er war begeistert.

Als der große Frachtdampfer vom Pier wegglitt, stand er spreizbeinig am Bug. Kühne Adlerblicke schossen aus seinen Augen. Durch seine dünnen Schuhsohlen brannten die eisernen Deckplanken; so daß er Blasen an den Füßen bekam. Das machte ihm gar nichts. Er war Kapitän.

Der Frachter ging seewärts drunten in den Roads vor Anker. Die großen, flachen Ladebarken wurden von Schleppern angebracht. Den ganzen Tag über in der siedenden Hitze wurde die Ladung ans den schaukelnden Barken hinüber auf den Frachter getragen und verstaut. Als es Abend wurde, hatte der Frachter Tiefgang. Er war bis oben vollgepackt mit Granaten, Pulver und Sprengstoff; auf den heißen Deckplanken lagerten 1200 Tonnen Feldartillerie.

Eugen stand mit eiferheißen, abschätzenden Augen bei den Geschützen, schrieb Nummern, Gegenstände, Stücke auf. Er hatte Autorität. Von Zeit zu Zeit schob er sich eine Handvoll Stücktabak in den Mund und kaute ihn mit Genuß. Er spuckte brutzelnde Priemklumpen auf das heiße Deck. Donnerwetter, dachte er, das ist Männerarbeit. Hebt – hoch! Ihr schwarzen Teufel! Da ist ein Krieg an! Er spuckte.

Das Schleppboot kam abends und holte ihn ab. Er saß abseits von den Stevedores und versuchte sich einzureden, daß das Boot für ihn allein gekommen wäre. Die Lichter zwinkerten die lange Küste Virginiens hinauf. Er spuckte ins strudelnde Wasser.

Wenn die Züge und Ladekarren aus- und einrollten, hoben die Stevedores die hölzerne Bindungsbrücke hoch, die sich vom Pier auf die Lastdampfer spannte. Schritt für Schritt, rhythmisch in Ruck und Halt, strängten die Arbeitsgruppen an den Tauen und sangen unter der Leitung ihres Führers ihr Lied von Liebe und Arbeit:

»Jelly Roll! – – – He!!! – – – Je-e-elly Roll!«

Hünenkerle von Negern. Jeder von ihnen hielt ein Weib aus. Sie machten 50 bis 60 Dollar die Woche.

Ein- oder zweimal noch im Spätsommer fuhr Eugen nach Norfolk. Er versuchte es nicht länger, Laura James zu sehn. Sie schien fern und verloren. Aber er suchte den Seemann Lukas auf.

Er hatte den ganzen Sommer nicht heimgeschrieben. Nun fand er einen Brief in Gants gotischer Kratzschrift, einen kranken, matten Brief aus sorgenvoller Ferne. O verloren! Eliza, in der Plackerei der Geschäfte und des Sommerbetriebs, hatte ein paar praktische Winke dazu geschrieben. Spar Dein Geld. Iß vernünftig. Sei ein guter Bub. Der Bub war abgemagert zu einer Stange ans brauner Haut und großen Knochen. Er hatte während des Sommers über dreißig Pfund verloren. Er war zwei Meter lang und wog 115 Pfund.

Der Seemann erschrak über das abgezehrte Gestell und erging sich großzügig in anmaßenden Vorwürfen:

»Warum ha-ha-hast Du mich nicht wissen lassen, wo Du stecktest? Idiot! Ich hätt Dir doch Geld geschickt. Um Go-go-gottes willen! Komm, gehn wir essen!« Woraufhin sie aßen.

Der Sommer fuhr dahin. Als der September kam, gab Eugen seine Arbeit auf, lebte zwei Tage üppig in Norfolk und trat dann die Heimreise an. In Richmond hatte er umzusteigen. Während der dreistündigen Wartezeit zwischen den Zügen änderte er plötzlich seinen Plan und ging in ein gutes Hotel.

Er war stolz auf seinen Sieg. Er hatte 130 Dollar in der Tasche, schwerverdientes Geld. Er war alleingestanden, hatte Schmerz und Hunger erfahren, hatte überlebt. Der alte Hunger nach Reisen fraß ihm am Herzen. Er war begeistert vom Glanz des heimlichen Lebens. Die Angst vor den Menschen – Mißtrauen und Haß auf das Herdendasein, Entsetzen vor den Stricken, die ihn furchtbar an die Sippe der Erdgebundnen fesselten – beschwor wieder die große Utopie seiner Einsamkeit herauf. Oh, allein sein, wie diesmal, in fremde Städte reisen, fremde Leute kennenlernen und weiterfahren, eh sie einen kannten, … als seine eigne Legende über die Erde wandern, … es schien ihm, es gäbe auf der Welt kein besseres Los.

An seine Angehörigen dachte er fast mit Haß. Mein Gott! werde ich nie frei sein? dachte er. Was hab ich getan, um diese Sklaverei zu verdienen? Angenommen, ich wär in China oder in Afrika oder am Südpol, … ich würde immer Angst haben, Papa stürbe, derweil ich weg bin. Er verrenkte den Hals, als er sich Gants Tod vorstellte. Ei, das würden sie mir schön unter die Nase reiben, wenn er stürbe, ohne daß ich dabei wäre. Da treibst Du Dich in China herum, würden sie sagen, und hier liegt Dein Vater auf dem Totenbett, unnatürlicher Sohn! Verflucht sollen sie sein, alle miteinander! Was habe ich denn dort zu suchen? Kann er vielleicht nicht allein sterben? Allein! O Gott! gibt es keine Freiheit mehr auf Erden?

Jäh entsetzt sah er ein, daß solche Freiheit eine langwierige Welt weit weg lag, daß sie nur durch ein Maß von Ausdauer und Mut erkauft werden könne, wie es wenige Menschen besitzen.

Er blieb ein paar Tage in Richmond, lebte üppig in dem glänzenden Hotel, aß von silbernen Platten im Grillroom, bummelte beglückt durch die breiten Straßen der alten, romantischen Stadt. Drei Tage lang bemühte er sich, eine Kellnerin aus einem Eiskrem und Konfitürenladen zu verführen; er lockte sie schließlich in eine mit Vorhängen abgeschlossene Nische in einem Chop-Suey-Restaurant, und alle seine Bemühungen waren für die Katz, denn die erlesene Mahlzeit, die er mit dem Chinesen eingehend besprochen hatte, erregte ihren Abscheu, weil ein mit Zwiebel bereitetes Gericht dabei war.

Ehe er heimfuhr, schrieb er einen langen Brief an Laura James in Norfolk, einen erbärmlichen, prahlerischen, wahnsinnig krächzenden Brief, der so endete: »Ich war den ganzen Sommer dort und hab Dich nie aufgesucht. Ich sah keinen Grund, warum ich mich weiter mit Dir abgeben sollte. Du warst nicht einmal anständig genug, meine Briefe zu beantworten. Außerdem ist die Welt voller Weiber; ich hab mehr als mein Teil von ihnen gehabt diesen Sommer.«

Er schickte den Brief ab. Als der Deckel über dem Briefkastenschlitz zufiel, verkrampfte sich sein Gesicht. Er lag wach und wand sich vor Scham und Reue über seine schulbübische Torheit. Sie hatte ihn abermals geschlagen.

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18+
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13 kasım 2024
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2761 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9788075830562
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