Kitabı oku: «Veyron Swift und das Juwel des Feuers», sayfa 2

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Jane schnaubte verärgert. Mit einem trotzigen Verschränken der Arme ignorierte sie seinen ungehobelten Rausschmiss. »Ich fahre nirgendwohin! Nicht, solange ich nicht sicher bin, dass Sie Tom gut behandeln werden.«

»Was genau machen Sie denn eigentlich so?«, ging Tom dazwischen, um einen erneuten Austausch an Gemeinheiten zwischen den beiden Erwachsenen zu verhindern. Er machte einen Schritt in das Arbeitszimmer und versuchte, irgendeinen Hinweis in dem Chaos zu finden. »Sind Sie Übersetzer?«

Swift blickte ihn an, und Tom konnte erkennen, wie er darüber nachdachte, ob er ihm alles erzählen oder doch besser verschweigen sollte. Veyron Swift entschied sich für den Mittelweg. »Wie Willkins Ihnen sicher schon sagte – denn das tut sie immer –: Ich helfe der Polizei, gewisse Dinge aufzuklären. Aber das jetzt genauer mit Ihnen zu erörtern, würde zu viel Zeit beanspruchen.«

»Also sind Sie doch so eine Art Sherlock Holmes. Sie sind Privatdetektiv, der hinzugerufen wird, wenn die Polizei nicht weiterkommt.«

»Nein, ganz entschieden nein. Ich bin weder Privatdetektiv noch Berater für Kriminalistik. Ich beschäftige mich mit … nun, das werden Sie schon noch sehen; hoffe ich zumindest. Man weiß nie, wann ein neuer Fall auftaucht, der in mein Fachgebiet fällt. Manchmal passiert monatelang gar nichts, und mir bleibt nichts anderes zu tun, als mich zu langweilen«, meinte Swift. Seine letzten Worte klangen fast ein wenig resigniert. Er setzte sich wieder hinter den kleinen Schreibtisch.

»Nennen Sie mich doch einfach Tom. Das spart Zeit, und von der haben Sie ja nicht genug, wie Sie sagen«, frotzelte Tom frech.

Swift drehte sich um, warf ihm einen prüfenden Blick zu und begann, breit und spitzbübisch zu grinsen. Tom hätte diesem ernsten, falkenhaften Gesicht eine solche Regung gar nicht zugetraut. »Einverstanden. Du darfst mich Veyron nennen, solange du nicht vergisst, dass dies hier mein Haus ist und alles meinen Regeln folgt. Jetzt entschuldige mich, ich habe noch zu tun.« Mit diesen Worten wandte sich Swift wieder dem Schreibtisch zu und begann, einige mit farbigen Substanzen gefüllte Reagenzgläschen zu sortieren. Er beachtete seine Besucher gar nicht mehr weiter. Jane drehte sich nach einer Weile unschlüssigen Wartens um und verließ kommentarlos den Raum.

Tom brachte noch ein halblautes »Bye« über die Lippen, bevor er ihr nach unten folgte. Aus den Augenwinkeln konnte er noch erkennen, wie Veyron Swift verwirrt den Kopf hob, als hätte ihn diesmal wirklich etwas überrascht.

Jane verabschiedete sich vor der Haustür und wünschte Tom alles Gute. Sie versprach, schon bald wieder nach ihm zu sehen. Anschließend fasste sie ihn noch einmal eindringlich an den Schultern. »Versprich mir eines: Egal, wie schlimm es wird, lauf auf gar keinen Fall weg. Wenn es Probleme gibt, ruf mich an oder komm zu mir.«

Tom versicherte ihr, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche. Er würde mit Veyron schon irgendwie klarkommen, immerhin war er ja schon vierzehn Jahre alt und kein kleines Baby mehr. Und Veyron mochte Michael genauso wenig wie er selbst, was ihn gleich sympathischer machte. Das sagte Tom ihr natürlich nicht.

»Pass auf! Veyron Swift ist ein aufgeblasener, arroganter Wichtigtuer. Es macht ihm Spaß, die Schwächen anderer Leute auszuforschen und sie ihnen in den unpassendsten Gelegenheiten um die Ohren zu hauen. Ihm wird schnell langweilig, darum lässt er sich ständig auf irgendwelche verrückten Abenteuer ein, und mit dem Gesetz nimmt er es auch nicht so genau. Inspektor Gregson mag darüber hinwegsehen, weil er ihm hin und wieder aus der Patsche hilft.«

Sie war immer noch wütend, und Tom konnte sehen, wie sie um Beherrschung rang. »Zumindest scheint es nicht langweilig zu werden«, meinte er mit einem Schulterzucken und einem heiteren Lächeln. Die beabsichtigte Wirkung auf Jane ging jedoch daneben.

Sie seufzte und sagte, dass er keine Ahnung hätte. Dann wünschte sie ihm viel Glück, drehte sich um, stieg ins Auto und fuhr davon.

Tom ging zurück ins Haus. Mrs. Fuller zeigte ihm sein Zimmer. Es lag im Dachgeschoss und glich einer kleinen Wohnung. Die Westwand war ein einziges, großes Fenster und bot einen guten Überblick über die ganze Nachbarschaft. Sein Bett stand unter den dicken, dunklen Holzbohlen der Dachschräge, die Kommode stand auf der anderen Seite. Hier würde es sich aushalten lassen.

Den Rest des Tages bekam er Swift nicht mehr zu Gesicht. Darum ging er nach unten in die Küche und versuchte, Mrs. Fuller über Veyron auszufragen. Die hilfreiche Nachbarin, zuvor noch die reinste Klatschtante, zeigte sich jetzt unerwartet verschwiegen. Sie ließ Tom nur wissen, dass Veyron ihr einmal aus einer besonderen Notlage geholfen hatte. Sonst verlor sie kein weiteres Wort über seinen Beruf, oder was er so den ganzen Tag machte, abgesehen von seinen »Flausen«, wie sie das nannte. Als Mrs. Fuller schließlich nach Hause ging, nicht ohne das Versprechen, pünktlich zum Abendessen etwas rüberzubringen, war Tom allein in dem großen Haus. Er ging wieder hinauf zu Veyrons Arbeitszimmer, fand die Tür allerdings abgeschlossen vor. Veyron reagierte weder auf sein Klopfen noch auf die Anfrage, ob er hereindürfe. Nach dem Abendessen zog sich Tom in sein Zimmer zurück, nahm ein Buch zur Hand und blätterte gelangweilt vor und zurück, bis er schließlich einschlief. Er hoffte, dass die kommenden Tage besser und auch aufregender werden würden.

Am nächsten Morgen war Tom für seine Verhältnisse früh auf. Wenn er in einem fremden Bett schlief, brauchte er immer ein paar Tage zur Eingewöhnung. Er ging hinunter ins Erdgeschoss, wo er Veyron in der Küche beim Frühstück antraf.

»Guten Morgen, Veyron.«

»Ah ja, Tom. Guten Morgen.«

»Darf ich Sie was fragen?«

»Wenn es unbedingt sein muss.«

»Warum sind Sie mein Pate? Kannten Sie meine Eltern überhaupt?«

Tom sah, wie ein kurzes Zucken durch Veyron ging. Sein Patenonkel lehnte sich in den Küchenstuhl zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schwieg einen Augenblick. »Ja, ich kannte sie. Wir waren Nachbarn, deine Mutter und ich. Sie hieß noch Evans, als ich sie zuletzt sah. Das war vor über vierzehn Jahren. Schließlich begann ich mit meinen Studien und bin fortgezogen«, erklärte er langsam, als müsste er genau abwägen, was er preisgab.

Tom wurde neugierig. »Kannten Sie meine Mutter gut?«

Veyron schwieg erneut, diesmal länger. »Flüchtig«, brummte er, drehte sich kurz um und warf einen Blick auf die Uhr.

Tom spürte, wie unangenehm Veyron dieses Thema war, aber er musste einfach weiterfragen. »Wie konnten Sie dann mein Pate werden, wenn Sie meine Eltern kaum kannten? Ich habe sie jedenfalls nie von Ihnen reden hören. Warum haben Sie sich nie gemeldet? Ich versteh das alles nicht.«

»Es gibt eine Menge Dinge auf der Welt, die du nicht verstehst. Ich zitiere Matthäus: Beati pauperes spiritu. Selig sind die Armen im Geiste. So, jetzt muss ich weg. Ein Klient wartet draußen in Potters Bar auf mich. Erwarte meine Rückkehr nicht vor heute Nacht. Du kannst fernsehen, wenn du willst – oder lies irgendein Buch. Im Wohnzimmer gibt es genug davon.« Seine Stimme war jetzt wieder schnell und bestimmend geworden. Mit einem Satz war er auf den Beinen, huschte nach draußen, klopfte Tom im Vorbeigehen auf die Schulter, und schon war er zur Haustür hinaus.

Das blieb für die kommenden Tage ihr längstes Gespräch. Tom bekam Veyron danach kaum mehr zu Gesicht. Genau wie angekündigt war er entweder schon außer Haus, wenn Tom aufwachte, oder aber er verließ sein Studierzimmer nicht; außer wenn er mal auf die Toilette musste.

Nachdem auf diese Weise eine ganze Woche verstrichen war, fragte sich Tom, ob ihm Veyron seit ihrem kurzen Gespräch absichtlich aus dem Weg ging. Hatte er irgendeinen wunden Punkt berührt, als sie über seine Eltern sprachen? Das erinnerte ihn wieder voller Schmerz daran, wie es war, ausgeschlossen und gemieden zu werden.

Irgendwie, dachte er mit einer gehörigen Portion Resignation, kommt es mir so vor, als wird das hier genauso trostlos wie bei Priscilla. Ich werde abhauen, wenn es noch schlimmer wird.

Jane kam am Wochenende kurz zu Besuch, nur um nach dem Rechten zu sehen, wie sie sagte. Er erzählte ihr davon, dass Veyron sich kaum blicken ließ und ihm aus dem Weg ging.

Sie seufzte, als sie das hörte. »Das hatte ich befürchtet. Ich werde mit dem Inspektor sprechen. Wenn einer es schafft, Swift ins Gewissen zu reden, dann er«, versprach sie.

Tom wagte zu hoffen. Jane hatte ihn bisher nicht hängen lassen, und Inspektor Gregson war eine Respektsperson.

Am nächsten Tag fiel Veyrons Verhalten allerdings auch nicht anders aus. Er schien Tom vollkommen vergessen zu haben. So verging auch die zweite Woche bei seinem Patenonkel. Es blieb bei flüchtigen Begegnungen oder kurz angebundenen Gesprächen.

»Die Zeit läuft mir davon, und ganz bestimmt will ich es nicht noch mal mit einem Menschen zu tun haben, auf den ich mich nicht verlassen kann«, sagte sich Tom. »Gleich morgen stelle ich ihn zur Rede. Dann lass ich keine Ausreden mehr gelten. Entweder sagt er mir, was ihn an mir stört, oder das war’s. Dann hau ich ab!«

Der nächste Tag begann genauso trist und langweilig wie alle übrigen. Veyron war bereits fort, als Tom aufstand und hinunter in die Küche ging. Mrs. Fuller war ebenfalls schon wieder gegangen. Sie hatte das Frühstück für ihn in der Mikrowelle warm gestellt. Tom schnaubte. Der Entschluss, einfach wegzulaufen, wurde immer konkreter. Wenigstens hatte sie ihm eine Nachricht auf dem Tisch hinterlegt. Als er den kleinen Zettel in die Hand nahm, stellte er jedoch fest, dass er von Veyron stammte.

Besuche einige Klienten. Bin zuerst bei Mr. Falthingham auf seinem Pferdegestüt irgendwo hinter Potters Bar, danach bei Mrs. Ellingson in Aldershot und bei Pete Tweed auf dem Schrottplatz. Ort weiß ich nicht, musst du googeln. Telefon ist dabei. Sofort anrufen, falls Gregson sich meldet, oder Dr. Strangley oder Willkins. Keinesfalls zurückrufen, wenn irgendjemand anderes sich meldet. Falls Mr. Kellerham aufkreuzt, bitte ihn zu warten. Mach ihm einen Tee, Earl Gray, 83 Grad heiß, viereinhalb Minuten ziehen lassen. Komme erst heute Abend wieder. Frühstück steht in der Mikrowelle. Mrs. Fuller hat die Grippe erwischt.

Grüße, V.S.

Tom setzte sich und kratzte sich verwundert am Kopf. Jetzt war er wirklich mal überrascht. Veyron, der ihn seit zwei Wochen mehr oder wenig komplett ignorierte, hatte ihm ein Frühstück zubereitet und eine Nachricht hinterlassen? Naja, vielleicht war der Kerl ja doch nicht so übel. Tom beschloss, vorerst nicht abzuhauen, sondern abzuwarten, was Veyron zu berichten wusste, wenn er zurückkehrte.

Er ging ins kunterbunt eingerichtete Wohnzimmer, dessen Wände mit einer mintgrünen Tapete beklebt und mit Regalen vollgestellt waren, deren Böden sich unter der Last der vielen Bücher durchbogen. Die Möbel bildeten ein Sammelsurium aus Plüsch und altem Leder. Kein Stück passte zum anderen, weder farblich noch vom Stil her. Tom schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Programme. Er hoffte inständig, dass Mr. Kellerham sich nicht blicken ließ, denn er hatte keine Ahnung, wie man Tee zubereitete, geschweige denn, wie er ihn auf genau 83 Grad erhitzen sollte.

Es war bereits Nacht, als es an der Haustür klingelte. Tom schrak aus dem großen, ledernen Ohrensessel hoch. Er war doch tatsächlich eingeschlafen. Es klingelte wieder, doch nichts regte sich im Haus. Also war Veyron immer noch nicht zurück. Es würde Tom nicht einmal wundern, wenn es Veyron selbst wäre, der da klingelte. Gut möglich, dass er den Schlüssel einfach vergessen hatte – so überstürzt, wie er oft aufbrach. Oder war es vielleicht Mr. Kellerham? Tom schaltete den Fernseher aus und ging zur Tür. »Wer ist da«, fragte er mit gespielt tiefer Stimme in die Sprechanlage, um möglichst autoritär zu wirken.

»Ich bin’s, Jane«, hörte er eine vertraute Stimme.

Tom war erleichtert, das Teemachen blieb ihm fürs Erste erspart. Er öffnete die Tür. Jane trug ihre Uniform, ihr Besuch war also hochoffiziell.

»Ist Veyron da? Gregson schickt mich«, sagte sie und lugte in den Flur hinein.

Tom schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin allein. Veyron ist irgendwo unterwegs, um ein paar Klienten zu besuchen. Aber er hat sein Telefon dabei«, antwortete er.

Plötzlich vernahm er von oben die tiefe Stimme seines Paten. »Irrtum, er ist bereits wieder zurück. Einbrecher hätten bei deinem Schlaf leichtes Spiel, mein lieber Tom.« Veyron stürmte die Treppe nach unten, sprang zur Garderobe und schlüpfte blitzschnell in seinen dunklen Mantel.

»Warum machen Sie nicht auf, wenn’s klingelt?«, fragte Tom säuerlich. Er mochte es gar nicht, wenn sich jemand über ihn lustig machte.

Veyron zuckte lediglich mit den Schultern. »Du warst bereits im Erdgeschoss und damit näher an der Tür. Das gab mir die Zeit, mich umzuziehen. Hallo, Willkins. Zu so später Stunde – im Auftrag von Gregson? Zweifellos Mord. Wohin fahren wir?«

»Pathologie. Gregson will, dass Sie sich eine Leiche ansehen. Papiere sind bereits ausgestellt«, sagte Jane und warf einen unsicheren Blick zu Tom. Sie war sich wohl nicht sicher, ob er das alles hören sollte.

»Da will ich mit«, rief Tom aufgeregt. Schon lange hatte er sich gefragt, auf welche Art Veyron für den Inspektor arbeitete. Nie wäre er darauf gekommen, dass es mit Leichen zu tun haben könnte.

Jane schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das geht nicht. Du bleibst hier. Das ist nichts für dich.«

»Warum nicht? Gefährlich wird es höchstwahrscheinlich nicht werden. Für gewöhnlich bleiben Leichen einfach nur regungslos liegen«, konterte Swift in bestgelaunter Stimmung. Er warf Tom einen scharfen, abschätzenden Blick zu. »Dir war es doch hier bisher recht langweilig, nicht wahr? Also los, zieh dir was über, und anschließend geht es mit Schwung weiter.«

»Das können Sie nicht machen, Swift! Tom ist erst vierzehn! Er ist ein Kind!«

»Mit vierzehn waren manche Burschen früher bereits Kriegsveteranen. Er kommt mit, oder ich bleibe auch hier. Und Sie können Gregson erklären, warum und wieso es schon wieder zu Verzögerungen kommt. Sie wissen ja, wie ihm das gefällt, wenn er mich persönlich holen muss – obwohl Sie das erledigen sollten.«

Jane warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Es war unschwer zu erkennen, dass sie ihm am liebsten in den Hintern treten wollte. »Was soll das, Swift?«

»Was soll was? Sie müssen schon präziser sein, Willkins, ansonsten weiß niemand, worauf Sie eigentlich hinauswollen.«

»Wieso wollen Sie Tom da hineinziehen? Er ist noch nicht bereit für so etwas. Er hat keine Ausbildung. Es ist nicht gut, ihn zu Verbrechen und Leichen mitzunehmen.«

»Beschweren Sie sich bei Gregson. Er wollte, dass ich mich um den Jungen kümmere. Jetzt bekommt er also die Gelegenheit, was zu lernen. Betrachten Sie es als einen Ferienjob. Also auf geht’s Tom. Du bist fertig? Gut! Fahren Sie uns zur Pathologie, Constable Willkins.«

Jane schüttelte noch einmal den Kopf, ging ihnen aber widerspruchslos voraus zum Polizeiwagen, und dann ging es los. Tom konnte seine Aufregung kaum verbergen. Endlich würde er Einblick in das große Geheimnis von Veyron Swift erhalten, endlich würde er alles erfahren. Und es hatte obendrein noch mit Leichen und Mord zu tun! Da würden die anderen Jungs in der Schule nicht mithalten können, ganz gleich, was sie in den Ferien erlebt hatten.

Die Fahrt zum Universitätskrankenhaus, wo sich die Pathologie befand, verlief schweigend. Wenn der Verkehr es zuließ, beobachtete Jane ihre beiden Passagiere ungehalten durch den Rückspiegel. Tom saß unruhig neben Veyron, rutschte vor Aufregung hin und her und spielte mit den Fingern. Schließlich hielt er es nicht mehr aus. »Okay, um was geht es eigentlich? Wer wurde ermordet?«

»Eine junge Frau. Sarah Burrows, eine Studentin«, antwortete Jane.

Veyron beachtete sie beide gar nicht, sein Blick ging die ganze Zeit aus dem Fenster, an dem die Lichter der Stadt schnell vorbeizogen. Kurze Lichtblitze in der Dunkelheit, seinen stillen Gedanken vermutlich nicht unähnlich.

»Willst du uns nicht mehr erzählen? Was ist passiert? Gibt’s schon einen Verdächtigen«, fragte Tom neugierig.

Jane schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Er will es nicht«, sagte sie und nickte in Veyrons Richtung.

Tom schaute seinen Patenonkel verdutzt an. »Was? Sie fahren zu einem Tatort und wollen nicht genauer informiert werden? Was für eine Art Detektiv sind Sie denn eigentlich?«

Veyrons Kopf ruckte herum. »Erstens: Wir fahren nicht zu einem Tatort, sondern besuchen die Pathologie. Zweitens: Dass ich Detektiv bin, ist allein deine Vermutung. Ich sagte bereits, dass ich nicht im kriminalistischen Sektor tätig bin. Ich interessiere mich nicht für die Abgründe des menschlichen Daseins, sondern für ganz andere Aspekte. Nun zu deiner ersten Frage: Ich will deshalb nicht vorab informiert werden, um mir selbst ein Bild von der Lage zu machen, vollkommen unbeeinflusst und unabhängig. Das Gehirn des Menschen ist ein furchtbar fauler Apparat, Tom. Es will sich alles immer so einfach wie möglich machen. Sobald ich eine Theorie zu einer Sachlage von jemandem vernommen habe, sucht mein Gehirn nach Spuren, um das Gehörte zu bestätigen – oder es zu widerlegen. Es will sich die Mühe sparen, alles neu zu untersuchen und zu erforschen. Das macht die unabhängige Suche nach Informationen jedoch fast unmöglich. Es ist überhaupt ein großer Fehler des Ermittlungswesens, zuerst Zeugen zu befragen, anstatt zunächst den Ort des Geschehens – sei es Tatort oder Unfallort – genauestens zu untersuchen. Befragt man erst die Zeugen, hat man bereits ein Bild im Kopf. Bei der nachfolgenden Untersuchung werden daher wichtige Informationen bewusst oder unbewusst übersehen. Verstehst du das?«

»Hm, jaa … ich glaub schon. Aber eines will ich nicht so ganz kapieren: Warum fahren wir überhaupt dahin, wenn Sie nicht an Kriminalistik interessiert sind?«

»Wir fahren dahin, weil ich wissen will, ob das Opfer ganz banal ermordet wurde, oder ob der Mord auf eine, nun, sagen wir mal, unnatürliche Art und Weise bewerkstelligt wurde.«

Nun musste Tom lachen. »Wie kann man denn auf unnatürliche Weise ermordet werden? Mord ist Mord. Oder nicht?«

Veyron schenkte ihm einen enttäuschten Blick. »Aus juristischer Sicht gibt es keinen Unterschied, das stimmt«, erwiderte er seufzend. »Aber es macht sehr wohl einen Unterschied, ob der Täter ein gemeiner Straßenräuber oder aber ein Vampir ist, findest du nicht?«

Für einen Moment wusste Tom darauf nichts zu antworten. Er starrte Veyron nur aus großen Augen an, während sein Gehirn zu entscheiden versuchte, ob er auf den Arm genommen wurde, oder ob Veyron verrückt war. »Ein Vampir? Hier? Mitten in London? Sie verarschen mich!«

Veyron zuckte nur mit den Schultern. Tom sah zu Jane, die jedoch gar nichts dazu sagte. Mit starrem Blick konzentrierte sie sich auf die Straße und tat so, als hätte sie nichts gehört. Irgendwie war es beängstigend, dass sie Veyron nicht wegen seiner blöden Gruselgeschichte zurechtwies. Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen.

Sie waren kaum im Krankenhaus angekommen, als sie auch schon von einem Dr. Strangley begrüßt wurden, den Veyron offenbar schon länger kannte.

»Wieder einmal ein Prachtexemplar für dich, Veyron. So etwas habe ich noch nie gesehen, das wird dir gefallen. Enthauptet, aber keine der klassischen Methoden und darum so rätselhaft. Der CID steht vor einem Rätsel – wie immer. Die beiden Gerichtsmediziner haben mir bestätigt, dass sie so was noch nie zuvor gesehen haben. Aber für das ungewöhnliche Zeug bist du zuständig«, rief Strangley voller Begeisterung.

Tom erschauerte. »Eine echte, wirkliche Enthauptung? Ist ja irre«, platzte es aus ihm heraus. Er war inzwischen so aufgeregt, dass er am liebsten wie verrückt herumgesprungen wäre.

Strangley brachte Veyron, Jane und Tom hinunter in die pathologische Abteilung. Sie eilten einen schmalen Korridor entlang, dessen Ende Tom im Zwielicht der spärlichen Beleuchtung nicht ausmachen konnte. Fast jede dritte Lampe war ausgefallen oder flackerte. Die Wände waren mit zitronengelben Fliesen gekachelt, einige davon fehlten. Der Boden bestand aus graublauem Linoleum, das sich an den Ecken bereits löste. Tom war sofort klar, dass sie sich in einem sehr alten und nur selten benutzten Teil der Pathologie aufhielten. Die ganze Abteilung hätte dringend eine Sanierung nötig. Das Halbdunkel der Räume verlieh der ganzen Situation zusätzliche Spannung. Tom erwartete fast, dass aus irgendeiner Ecke ein Zombie hervorsprang und sie angriff.

Sie erreichten das Labor, einen tristen, rechteckigen Raum mit weißen Wänden, in dessen Mitte ein einzelner Tisch stand. Obwohl die Leiche zugedeckt war, konnte Tom ausmachen, dass sie keinen Kopf mehr besaß. Der stand auf einem Beistelltisch daneben, zum Glück ebenfalls abgedeckt, aber die Form unter dem weißen Leichentuch war unverkennbar. Tom konnte sogar genau erkennen, wo sich die Nase befand. Er bekam augenblicklich eine Gänsehaut, seine Aufregung schlug in Furcht um. Jane blieb an der Tür stehen, während Strangley und Veyron hineingingen. Tom zögerte einen Moment. Er blickte zu Jane. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie nicht, dass er sich das antat. Andererseits war dieses Wechselspiel von Neugier und Furcht unfassbar aufregend und reizvoll. Es war Tom unmöglich, diesem Drang zu widerstehen. Er musste da hinein und sich das Ganze ansehen – selbst wenn er sich danach sehr wahrscheinlich übergeben würde. Er schlüpfte an Jane vorbei und blieb in sicherer Entfernung zur Leiche stehen.

Strangley schlug das weiße Laken zurück. Veyron bückte sich und betrachtete den blutverschmierten Halsstumpf. Schlagartig wurde Tom schlecht. Er musste sich wegdrehen, damit sein Mageninhalt nicht nach oben stieg.

Veyron hatte dagegen nur Augen für die Leiche, hüpfte aufgeregt um sie herum und untersuchte alle möglichen Stellen ihres Körpers. »Personalien«, verlangte er so gefühlskalt wie ein Roboter.

»Sarah Burrows, Studentin in Oxford. Sie hat für einen Professor Lewis Daring gearbeitet, der dort Geschichte, Vorgeschichte, Kunst und Germanistik unterrichtete. Daring ist inzwischen im Ruhestand, aber Burrows arbeitete nebenberuflich als seine Sekretärin«, klärte Jane die Anwesenden auf.

Veyron fischte sein Smartphone aus der Manteltasche und schoss eine Vielzahl von Fotos. Das Gleiche wiederholte er bei dem abgerissenen Kopf. Tom kniff die Augen zu, um nicht weiter hinzuschauen. Als er wieder blinzelte, zoomte Veyron die Fotos so weit heran, bis er jedes noch so kleine Detail genauestens erkennen konnte. Wie eine Salzsäule stand er vor dem Seziertisch, starrte auf die Fotos, blätterte vor und zurück und wieder in die Gegenrichtung. Dann fing er an, hastig auf und ab zu gehen, und murmelte leise vor sich hin. Immer wieder blieb er stehen, um sich das eine oder andere Foto genauer anzusehen. »Ohne jeden Zweifel: Wir haben einen Fall!«, rief er nach einer Weile begeistert aus.

Strangley deckte die Leiche wieder ab, zu Toms immenser Erleichterung.

»Okay. Lass hören, Veyron«, bat Strangley neugierig.

Veyron Swift gestattete sich ein kurzes Lächeln, dann schloss er die Augen, legte die Fingerspitzen aneinander und begann zu erklären: »Fürs Erste liegst du richtig, Bert. Das Opfer wurde enthauptet. Aber nicht mit einem Schwert, einer Axt oder eine Säge. Der Kopf wurde abgebissen. Ich weiß, ich weiß, es sind keine Bissspuren zu sehen; zumindest keine herkömmlichen. Betrachte das aufgerissene Fleisch im Nackenbereich und die zerquetschten Wirbel. Die Krafteinwirkung erfolgte von zwei Seiten gleichzeitig. Sämtliche Halswirbel bis hinauf zum Hinterkopf fehlen. Der Schädelknochen ist zertrümmert. Es war nur ein einziger Biss, wie von einer gewaltigen, gewellten und mit Zähnen versehenen Schere. Man kann die Abdrücke gut an den übrigen Wirbelknochen und an den Furchen im Fleisch erkennen. Warum also ein Biss und kein Werkzeug? Sieh dir die Zahnabdrücke an. Sie sind ungleichmäßig und unterschiedlich groß. Ein Werkzeug besäße vollkommen parallele Zähne, aber ein natürlich gewachsener Beißapparat nicht. Ganz klar: Das ist das Werk einer Bestie. Die Tat erfolgte von hinten, mit einer Neigung von fünfundvierzig Grad zur Brust hin. Demnach muss der Täter von oben zugeschlagen haben, und das mit einer Kraft, die kein Mensch der Welt – nicht einmal ein Vampir – aufbringen könnte.«

Tom wurde ein wenig rot im Gesicht. Jetzt fühlte er sich noch mehr veralbert. Veyron machte diese spitze Bemerkung sicher nur, um ihn zu ärgern!

Swift wandte sich blitzartig an Jane. »Ich brauche alle wichtigen Informationen vom Tatort. Sofort«, forderte er sie ungeduldig auf.

»221e Webster Gardens, West Ealing. Zweispurige Straße, Bürgersteige links und rechts neben den Parkstreifen, alle paar Meter Straßenlaternen. Reihenhäuser auf beiden Seiten, eine schöne, friedliche Ecke. Keine Rettungsleitern oder Balkone. Die Anwohner haben jedoch in der Mordnacht einen ungewöhnlichen Lärm gehört, als wenn jemand mit einem Helikopter durch die Straßen flöge. Einige behaupten auch, tatsächlich einen dunklen Schatten gesehen zu haben, der jedoch rasend schnell wieder verschwand. Keine Fußspuren auf dem Asphalt, keine direkten Augenzeugen. Ein paar Leute haben Burrows gesehen und bezeugen, dass sie allein unterwegs war. Andere Passanten wurden zur Tatzeit nicht beobachtet. Es gibt keine Hinweise auf fremde Fahrzeuge oder andere Hinterlassenschaften, die ein Mörder zurückgelassen haben könnte. Keine Tatwaffe, keine Blutspuren – außer denen von Miss Burrows, keine Haar- oder Hautreste. Die Sache mit dem Helikopter klärt der CID zur Stunde noch ab. Aber es gab wohl zu dieser Zeit keine genehmigten Flugbewegungen in der Gegend«, ratterte Jane die Fakten runter.

Tom erkannte, dass ihr die Vorstellung, eine riesige Bestie könnte das hier getan haben, durchaus Angst einflößte. Er aber hielt Veyrons Theorie für nichts anderes als einen albernen Scherz. Oder war da doch was dran? Niemand lachte, alle wirkten sie todernst. Konnte es wirklich sein? War eine gewaltige Bestie der Mörder von Sarah Burrows?

Veyron schloss die Augen und begann wieder, auf und ab zu gehen. Er drückte sich Zeige- und Mittelfinger gegen die Schläfen und versank in tiefe Konzentration. Tom wurde immer aufgeregter. Am liebsten hätte er Veyron gepackt und angeschrien, ihm endlich zu sagen, was hier gespielt wurde.

»Der Fall ist klar. Sarah Burrows wurde auf dem Nachhauseweg überrascht und binnen eines Augenblicks getötet. Im Schein der Straßenlaternen und wegen der vielen Anwohner in einer eher mittelständisch geprägten Straße fühlte sie sich sicher. Nie und nimmer rechnete sie mit einem Angriff aus der Luft. Den Angriff von oben verrät uns der Bisswinkel. Ihr Mörder muss plötzlich aufgetaucht und schnell gewesen sein. Das Monster hat sie von hinten gepackt, in die Luft gehoben, ihr den Kopf abgebissen und danach ihre Leiche einfach fallen lassen«, schlussfolgerte er.

Jane sah ihn erstaunt an. »Woher wollen Sie das wissen? Ich habe gar nicht erzählt, dass wir die Leiche zwanzig Meter von den Fußspuren entfernt gefunden haben, den Kopf sogar noch ein paar Meter weiter«, wandte sie ein.

Veyron drückte sich kurz mit den Fingern die Augen zu und atmete tief durch. »Hämatome an Beinen, Lenden und Brust, gebrochene Knochen und Stauchungen, überall Schürfwunden und diese sehr interessanten, tiefen Kratzer an Schulter und Rücken – immer paarweise. Ohne jeden Zweifel stammen sie von sichelförmig gebogenen Krallen. Sie wurde gepackt, hochgehoben und anschließend fallen gelassen. Die Verletzungen sind typisch für Stürze aus großer Höhe. Wurde Miss Burrows etwas gestohlen? Nein? Aha. Dann war es kein Raubmord. Das ist was Neues, Willkins. Das hier ist gefährlicher als alles, mit dem wir es bisher zu tun hatten. Vielleicht ein Drache«, erklärte Veyron im Tempo einer automatischen Waffe.

Tom glaubte, nicht recht zu hören. Wollte sich sein Pate immer noch über ihn lustig machen? »Was labern Sie für Zeug? Vampire und Drachen! Was soll das? Ist das irgendeine neue Geheimsprache? Ich find das überhaupt nicht lustig«, grollte er wütend.

Jane schenkte ihm einen mitfühlenden Blick, Strangley verkniff sich ein Lachen, und Veyron bedachte den Jungen mit einer gehörigen Portion Unverständnis.

»Das ist es, was Swift macht«, sagte Jane. »Er jagt Monster.«

Veyron schüttelte unwillig den Kopf. »Ich jage keine Monster, ich spüre sie auf. Das Ausschalten oder Töten überlasse ich meistens anderen. Außer in Notwehr, so wie bei den Vampiren von Surrey. Da hatte ich keine andere Wahl, als die Vorhänge in ihrem Versteck runterzureißen und das Sonnenlicht hereinzulassen. Die drei Joneses wurden dadurch getötet. Schade eigentlich, ich hätte gerne noch erfahren, wie sie zu Vampiren werden konnten. So was ist heutzutage absolut nicht mehr üblich.«

»Ihr verarscht mich doch alle, oder?«, rief Tom dazwischen. Er wurde immer zorniger darüber, dass mit ihm ein solch falsches Spiel getrieben wurde. Sie alle machten sich einen Spaß daraus, ihn an der Nase herumzuführen, sogar Jane.

Veyron schenkte ihm ein väterliches Lächeln. »Dein Zorn ist verständlich. So geht es jedem, der das erste Mal Kontakt mit Wesen aus Elderwelt hat«, sagte er. Er ging zu Tom, nahm ihn an der Schulter und führte ihn zum Ausgang. »Wir fahren wieder nach Hause, Willkins. Für heute habe ich genug gesehen. Sie können nun für Gregson einen Bericht verfassen. Warnen Sie ihn und seine Leute, sie sollen in Zukunft besser nach oben schauen. Bert, du kannst Miss Burrows für die Bestattung freigeben. Schreib als Todesursache Verkehrsunfall mit Fahrerflucht hinein. Es besteht kein Anlass, die Angehörigen unnötig zu beunruhigen.«

Die ganze Fahrt über zurück in die 111 Wisteria Road brütete Tom vor sich hin und versuchte herauszufinden, was er angestellt hatte, damit sie ihn alle derart auf den Arm nahmen.

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