Kitabı oku: «Veyron Swift und das Juwel des Feuers», sayfa 3

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Veyron telefonierte derweil mit Inspektor Gregson, der nicht erst auf einen Bericht warten wollte. »Es ist genau wie bei den geschlachteten Pferden von Mr. Falthingham. Große, scherenartige Kiefer durchtrennen mit nur einem Biss Fleisch, Muskeln und Knochen. Der Kopf dieser Bestie muss riesig sein, vermutlich sesselgroß, sehr wahrscheinlich insektenähnlich, keinesfalls ein Drache. Nein, vergessen Sie die Drachen-Theorie sofort wieder! Die Bissspuren waren zu glatt, und die V-Form der Verletzungen ist bezeichnend. Nein, von solchen Bestien habe auch ich noch nie gehört … Keine Ahnung, wo sich ein solches Monster verstecken könnte. Ohne fremde Hilfe ist es eigentlich vollkommen unmöglich … Ja, Ihnen auch eine gute Nacht.« Veyron legte auf und wandte sich an Tom, der ihn immer noch mit einer Mischung aus Unglauben und Misstrauen ansah. »Es liegt doch auf der Hand, dass es ein Rieseninsekt gewesen sein muss. Kein anderes Tier auf der Erde besitzt scherenartige Mundwerkzeuge«, bekräftigte Veyron, offenkundig seinerseits verärgert, weil man seiner Theorie keinen Glauben schenken wollte.

Tom schüttelte nur den Kopf. »Es gibt keine Vampire, keine Drachen und erst recht keine Rieseninsekten«, erwiderte er, darauf hoffend, dass Veyron diese gemeine Scharade endlich beendete und lachend zugab, Tom nur ein wenig auf den Arm genommen zu haben.

»Mein lieber Tom, ich versichere dir noch einmal, dass wir hier keine Scherze machen. Inspektor Gregson besitzt keinerlei Humor, von dem ich wüsste. Die Sache ist auch viel zu ernst, um dich damit aufzuziehen. Ich muss jetzt noch ein paar lose Fäden verbinden, um mir ein besseres Bild von den Bewegungen dieser Bestie zu machen. Ich bin sicher, dass ich ihren Aufenthaltsort eingrenzen kann. Wird interessant sein zu sehen, was es ist, vorausgesetzt, Gregson kann das Tier fangen.

Morgen müssen wir uns mit Professor Daring und anderen Personen unterhalten, die regelmäßig Kontakt mit Miss Burrows hatten. Ich befürchte, dass sich die arme Frau mit dunklen Mächten eingelassen hat – oder aber jemand anderes steckt dahinter, und es könnten noch mehr Menschen zu Schaden kommen«, sagte Veyron finster.

Mit diesen Worten konnte er Toms Gemüt allerdings kein bisschen aufhellen. Kopfschüttelnd wandte er sich ab und blickte für den Rest der Fahrt teilnahmslos aus dem Fenster. »Sie sind doch bloß ein Spinner«, grummelte er leise, doch laut genug, damit Veyron es hörte.

Der zuckte jedoch nur kurz amüsiert mit den Augenbrauen und beließ es dabei.

Wieder zu Hause ging Tom sofort ins Bett. Er nahm sich felsenfest vor, am nächsten Tag abzuhauen; egal wohin. Nur weg von diesem Irren.

2. Kapitel: Professor Daring

Am nächsten Morgen wachte Tom auf und hoffte, dass sich das nächtliche Abenteuer in der Pathologie nur als Traum entpuppte. Immerhin: Er konnte sich gar nicht mehr so genau daran erinnern, wie er überhaupt ins Bett gekommen war. Bedeutete das, dass er die Ereignisse von letzter Nacht wirklich nur geträumt hatte?

Er stand auf, machte sich frisch, zog sich an und ging hinunter in die Küche. Mrs. Fuller hatte um diese Zeit meistens schon das Frühstück hergerichtet – oder wegen ihrer Erkrankung wohl diesmal Veyron. Der Gedanke an dessen Scharade in der Pathologie ließ sofort wieder die Wut in Tom hochkochen. Er war immer noch sauer auf Veyron. Nur ungern wollte er ihm heute über den Weg laufen. Doch genau wie befürchtet saß sein Pate noch am Tisch und studierte eine Zeitung. Veyron hatte wirklich eine Menge Zeitungen abonniert, an die vierzig verschiedene. Er stapelte sie jeden Morgen auf dem Küchentisch und schuf so eine kleine Barriere zwischen sich und Tom. Tom hatte den Küchentisch noch nicht ganz erreicht, als Veyron die erste Zeitung auch schon achtlos zu Boden fallen ließ und die oberste vom Stapel griff. Er blätterte bis zu den Tratsch- und Kuriositäten-Spalten – etwas anderes interessierte ihn nicht – und las ein paar Sekunden. Mit einem ärgerlichen Zischen warf er auch diese Zeitung zu Boden. Sofort nahm er die Nächste zur Hand. Dieses sonderbare Gebaren wunderte Tom inzwischen nicht mehr, wo er letzte Nacht selbst erlebt hatte, wie verrückt Veyron Swift tatsächlich war.

Übellaunig brummelte Tom: »Morgen«, bevor er sich an den Tisch setzte. Er nahm sich einen fast vollständig verkohlten Toast und beschmierte ihn mit Zitronenmarmelade.

Veyron sagte gar nichts, blätterte kommentarlos in der Zeitung und ignorierte ihn. Tom bekam ein schlechtes Gewissen. Vielleicht hätte er ihn gestern Nacht doch keinen Spinner heißen sollen – auch wenn’s der Wahrheit entsprach. »Das, was ich gestern Nacht gesagt hab, tut mir leid«, murmelte er. Veyron schwieg ihn weiter an, in die Zeitung vertieft. Toms schlechtes Gewissen wurde immer größer. »Es tut mir wirklich leid. Aber ich war so furchtbar wütend, weil Sie und Jane mich auf den Arm genommen haben.« Er begann zu lächeln. »Aber es war schon cool, da unten in dem alten Labor. Ein richtiges Abenteuer.«

Veyron sagte immer noch nichts. Er warf die Zeitung auf den Boden und holte sein Smartphone aus der Hosentasche. Was tat er da? Offenbar studierte er den Wetterbericht. Toms schlechtes Gewissen schlug allmählich in Zorn um. Er begann zu verstehen, wieso Jane solche Schwierigkeiten mit diesem Menschen hatte. Der Kerl ist das reinste Aas, dachte er verärgert. Ganz klar: Noch heute Nacht würde er seine Sachen packen und abhauen. Zunächst zu Jane. Vielleicht brauchte sie nach der Trennung von Michael ein wenig Gesellschaft.

»Hast du schon von diesem Wetterphänomen über dem Atlantik gehört? Blitze am Himmel ohne Gewitterwolken. Einige Piloten haben davon berichtet, aber die Satelliten melden nichts Ungewöhnliches. Kurios, nicht wahr? Und so treffend, da die erste Beobachtung in den gleichen Zeitraum fällt wie die Schlachtung von Mr. Falthinghams Pferden. Ich müsste mich schon gewaltig irren, wenn zwischen diesem Wetterphänomen und unserem Pferde fressenden und Köpfe abbeißenden Ungeheuer kein Zusammenhang besteht. Was meinst du dazu?«, fragte Veyron plötzlich, ohne Tom dabei anzuschauen.

Aus Zorn wurde schlagartig Verwirrung. Etwas verdattert gestand Tom, dass er sich nicht sonderlich für Nachrichten interessierte, schon gar nicht fürs Wetter.

Veyron schnaubte verächtlich. »Pubertäre Ignoranz! Zum Glück war ich in deinem Alter nicht so. Du musst die Augen aufmachen, Tom! Wir sind umgeben von einer plötzlichen Häufung unnatürlicher Vorkommnisse, die alle in den gleichen Zeitraum fallen. Ich versuche gerade, eine Theorie zu entwickeln, die einen Zusammenhang zwischen all diesen Ereignissen herstellt.«

Tom rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Okay, Blitze ohne Gewitter mochten vielleicht sonderbar sein. Ihm wollte auch keine mögliche Erklärung dazu einfallen, aber er war immerhin erst vierzehn und kein studierter Wissenschaftler.

»Glauben Sie wirklich, dass es da draußen noch eine andere Welt gibt? Dass Vampire, Drachen und was weiß ich noch alles für Wesen, echt existieren?«, fragte er vorsichtig.

Veyron legte das Smartphone beiseite und schaute Tom eindringlich an. »Ich glaube es nicht, ich weiß es. Ich sehe ein, dass unser kleiner Ausflug letzte Nacht wohl ein wenig zu viel für dein Fassungsvermögen war. Darum will ich dir die Geschichte von Anfang an erzählen: Alles begann vor acht Jahren. Ich studierte gerade im zweiten Semester Psychologie, als ich einen sehr interessanten jungen Mann kennenlernte. Er war ebenfalls Student und zufällig an der gleichen Universität in Oxford wie ich. Sein Name war Floyd Ramer. Du hast vielleicht schon von ihm gehört.«

Tom brauchte nicht lange nachzudenken. »Sie meinen doch nicht etwa den Floyd Ramer, den Milliardär? Es hieß, er wäre spurlos verschwunden, vor etwa sieben oder acht Jahren. Daran kann ich mich noch erinnern. Das war damals an der Schule und auch zu Hause das Thema. So was vergisst man nicht.«

»Genau den meine ich. Ramer war so sagenhaft wohlhabend, dass er zu den vermögendsten Leuten der Welt zählte, wahrscheinlich war er sogar der reichste Mensch überhaupt. Es gab zumindest nichts, was er sich nicht für Geld kaufen konnte. Das zeigte er uns Kommilitonen damals auch. Die Mädchen liebten ihn beziehungsweise sein Geld. Jeden Abend Party, jeden Abend in einem anderen Palast. Damit meine ich echte Paläste, keine Nobelhotels, sondern richtige Schlösser und Burgen im Besitz von Fürsten und Königen. Jeden Morgen mit dem Lamborghini zur Uni, stets mit neuen Designerklamotten, Manschettenknöpfen aus purem Gold und Armbanduhren aus Diamant und Platin. Er war ein Angeber in einer Größenordnung, wie es ihn auf der Welt kein zweites Mal gegeben hat oder jemals wieder geben wird.

Heute glauben viele, dass er seinen Reichtum nur deshalb so demonstrativ nach außen trug, weil er in Wahrheit depressiv war. Nach seinem spurlosen Verschwinden vor acht Jahren gab sich die Polizei schließlich damit zufrieden, dass er vermutlich Selbstmord begangen hatte. Seine Leiche wurde nie gefunden.

Sein Verschwinden machte mich neugierig, denn ich kannte Ramer und war mit den Theorien der ganzen Armee von Polizeipsychologen nicht einverstanden, die sich plötzlich aus allen Teilen der Welt zu Wort meldeten. Ramer hatte niemals irgendwelche Antidepressiva genommen und zeigte auch sonst keine Symptome von Depression. Keine plötzlichen Stimmungsschwankungen, kein Überforderungsgefühl, keine Melancholie und vor allem: keinerlei Selbstzweifel. Nein, depressiv war Floyd Ramer auf gar keinen Fall. Aber gelangweilt. Ich würde sogar sagen, dass er der gelangweilteste Mensch war, der je auf Erden lebte. Ich verbrachte einige Zeit mit ihm – außerhalb der Partys, da wir uns beide sehr für griechische Mythologie interessierten. Wir besuchten gemeinsam verschiedene Kurse, und in den Pausen führten wir sehr erhellende Diskussionen. Ich erinnere mich gut daran, dass er dem Alltag nicht viel abgewinnen konnte. Er fand so ziemlich alles langweilig: Politik, Wissenschaft, Gesellschaftsleben. Alles war für ihn so furchtbar normal.

›Wie langweilig die Menschheit ist, Veyron. So einfach, so gewöhnlich, so durchschnittlich. Es stimmt, was meine Mutter immer sagt: Seit die Menschen allein über die Erde herrschen, ist es trist und still geworden. Und je länger sie das tun, umso langweiliger wird die Welt. Es gibt nicht einmal mehr richtige Könige, nur noch ein paar verarmte Monarchen von Volkes Gnaden, besser gesagt von des Finanzministers Gnaden. Er bestimmt die Höhe der Apanage anstelle des Königs. Wo sind sie hin, die absoluten Regenten mit ihren Prunkbauten für die Ewigkeit? Verschwunden, weggefegt und entsorgt. Stattdessen herrschen jetzt die Nullen im Parlament. Alles nur Phrasendrescher. Kein Wunder, dass die Menschen da alle eingeschläfert werden. Langweilig, langweilig, langweilig. Ich wünschte, ich könnte endlich an diesen anderen Ort gehen, wo noch was los ist, wo man als König noch was zählt‹, das sagte er. Und er wiederholte es oft, bei allen möglichen Gelegenheiten. Ich glaube, das Einzige auf der Welt, das Floyd Ramer nicht langweilig fand, war Party feiern. Eines Tages war er plötzlich verschwunden.«

»Ein seltsamer Vogel. Der Typ hatte ja echt einen Schatten«, meinte Tom. Schnell nahm er sich noch einen Toast, bevor er kalt wurde.

Veyron schenkte ihm ein zustimmendes Lächeln. »Stimmt. Er war ein seltsamer Vogel, verrückt, aber nicht geistesgestört. Da muss man einen Unterschied machen. Sein Verschwinden ließ mich jedenfalls eigene Nachforschungen anstellen. Mir ging dieser Satz: ›Ich wünschte, ich könnte endlich an diesen anderen Ort gehen‹ nicht mehr aus dem Kopf. Ich war davon überzeugt, dass er nicht das Jenseits meinte, wie von den Psychologen angenommen. Dazu musst du wissen, dass Floyd Ramer kein frommer Mensch war. Er glaubte nicht, dass Gott oder ein Jenseits existierten, hielt diese Einstellung vielmehr für antiquiert und für einen modernen Menschen nicht mehr zeitgemäß. Somit war er der gleichen Meinung wie ich, dass der Tod endgültig ist. Als ob man einem Radio den Stecker zieht. Daher kam eine Jenseitssehnsucht als Grund seines Verschwindens nicht infrage. Ich war sicher, dass er tatsächlich einen realen, anderen Ort meinte, zu dem er zu gelangen hoffte – materiell, nicht spirituell.

Daher nahm ich mit der Polizei Kontakt auf und überzeugte Inspektor Gregson davon, dass ich mir Privataufzeichnungen Ramers genauer durchsehen durfte – hinter dem Rücken des Nachlassverwalters, welcher von der Ramer-Stiftung bezahlt wurde und von Anfang an sehr abweisend und überhaupt nicht kooperativ war. Ich suchte in den Aufzeichnungen nicht nach Hinweisen auf Depressionen, wie es die Psychologen taten – womit wir wieder beim Thema des faulen Gehirns wären –, sondern nach Hinweisen auf diesen anderen Ort. Und es gab sie zuhauf. In Briefen an seinen Vater erwähnte er mehrmals das Wort ›Elderwelt‹ oder ›andere Seite der Welt‹. Er gab diesem anderen Ort verschiedene Namen. Aber noch interessanter war der Hinweis an einer Stelle, dass er gern wieder dorthin zurückkehren würde. Er erbat sich von seinem Vater die Erlaubnis, noch einmal durch den Durchgang zu gehen, bevor er studieren musste. Sein Vater verweigerte es ihm mit der Begründung, dass die Zeit noch nicht reif für ihn wäre, an jenen ›anderen Ort‹ zurückzukehren. Also war Ramer schon dort gewesen. Dieser andere Ort, diese ›Elderwelt‹, musste demnach wirklich existieren. Und der Weg dorthin führte durch einen Durchgang.

Ich suchte lange vergeblich nach diesem Durchgang, denn leider gaben Ramers Aufzeichnungen nicht preis, wie dieser Durchgang beschaffen war oder funktionierte.«

Tom überlegte kurz. »Also glauben Sie, dass Ramer durch einen Durchgang nach Elderwelt gereist ist und dort glücklich und zufrieden lebt?«

Veyron zuckte mit den Schultern. »Da könnte ich nur spekulieren, und ich spekuliere nicht gern, ohne handfeste Fakten in der Hand zu halten. Ich habe jedoch keinen Zweifel, dass Ramer Elderwelt lebend und sicher erreicht hat. Viel faszinierender fand ich allerdings die anderen Teile von Ramers Aufzeichnungen. Er beschrieb Elderwelt nie, aber er zog in einer Korrespondenz einen Vergleich mit einem erfundenen Reich, das John Rashton in seinen Fantasy-Romanen beschrieben hat.

Ramer schrieb: ›Eigentlich müsste der alte Rashton es besser gewusst haben. Seine Darstellung dieser anderen Welt ist viel zu romantisch und zu stark idealisiert. Ich frage mich, ob er sie wirklich so wahrgenommen hat, als er dort war.‹

Von da an war ich überzeugt, auf der richtigen Spur zu sein. Also kaufte ich alles, was Rashton jemals geschrieben hatte, auch sämtliche Werke über die Werke Rashtons. Bitte hol mir doch rasch eines der Bücher, Tom.«

Tom, inzwischen völlig im Bann von Veyrons Bericht, schnippte mit den Fingern, sprang auf und eilte hinüber ins Wohnzimmer. Es war nicht schwer, die Werke Rashtons zu finden, denn Veyron hatte alle Bücher alphabetisch geordnet. Er nahm das dickste Buch heraus, ein altes Exemplar, aus dem viele lose Seiten hingen. Zahlreiche zusätzliche Zettel steckten darin. Es war so dick, dass es jemand mit einem Ledergürtel verschnürt hatte, um alles zusammenzuhalten. Er kehrte mit seiner Beute in die Küche zurück und legte das zerfledderte Werk auf den Stapel Zeitungen.

»Die Stein-des-Feuers-Trilogie. Teil eins: ›Die Weiße Königin‹. Teil zwei: ›Der Schatz der Zwerge‹. Teil drei: ›Krieg in Elfenland‹«, las Tom vom Einband ab. »Ich hatte mal damit angefangen, bin aber nie weiter als bis Seite 100 gekommen.«

Veyron seufzte enttäuscht. »Dann hast du was verpasst. Die Sprache Rashtons ist wunderschön zu lesen. Ich glaube nicht, dass heute jemand in England lebt, der unsere Sprache noch so kunstvoll benutzen kann. Aber ich studierte seine Bücher nicht deswegen, sondern durchsuchte sie nach brauchbaren Daten über Elderwelt. Ich saugte jedes kleine Fitzelchen Information in mich auf. Leider wurde das Buch dabei schwer in Mitleidenschaft gezogen, wie du sehen kannst. Es ist mir aber auch heute noch eine Quelle bei Nachforschungen über fremde Wesen aus Elderwelt.«

Tom setzte sich wieder hin und konnte sich einer gewissen Ehrfurcht gegenüber diesem alten, zerfledderten Wälzer nicht erwehren. »Okay, Rashton war Ihr Wegweiser, aber Sie hatten ja immer noch keine Beweise für die Existenz Elderwelts oder einen Hinweis darauf, wie man dorthin gelangen kann«, sagte er.

Veyron nickte eifrig. Er nahm einen hastigen Schluck Kaffee, bevor er weitersprach. »Mir blieb keine andere Wahl, als meine Theorien praktisch zu überprüfen. Rashton war leider das Ende der Informationskette. Allein Ramers Bemerkungen haben mich auf diese Spur geführt, welche die Werke jedes anderen Fantasy-Autors ausschloss. Allein mit Büchern kam ich nicht weiter. Also annoncierte ich auf meiner Website, bot meine Dienste als Berater für Geisterheimsuchungen und andere unerklärliche Fälle an. Lange Zeit passierte gar nichts, doch schließlich kamen meine ersten Klienten. Ich hörte mir ihre Geschichten an und glich die gewonnenen Informationen auf Übereinstimmungen mit Rashtons Werken ab. Du musst wissen, dass Rashton Orte und Wesen sehr detailliert beschrieben hat. Sogar Stammbäume von Herrscherlinien, Landkarten und kulturhistorische Essays über die in seinen Romanen vorkommenden Geschöpfe verfasste er.

Neunzig Prozent meiner Klienten schickte ich wieder nach Hause. Ihre Geschichten waren nichts weiter als Einbildungen und Spinnereien. Denen konnte ich nicht helfen, das konnten nur Therapeuten. Lediglich ein einziger Fall erwies sich als interessant: Mr. Pete Tweed, der Inhaber eines Schrottplatzes, beklagte sich, dass er seit gut einer Woche von Kobolden heimgesucht würde. Sie klauten alle funktionstüchtigen Apparate und richteten dabei ein heilloses Chaos an. Tweeds Beschreibung der Kobolde deckte sich mit denen Rashtons. Sogar das Verhalten und die Beschreibung der Kobold-Sprache waren mit der Rashtons identisch.

Also legte ich mich auf die Lauer, genau darauf achtend, von den sensiblen Kobold-Sinnen nicht aufgespürt zu werden. Sie können im Dunkeln hervorragend sehen, noch besser riechen und auch ausgezeichnet hören. Die ersten Versuche erwiesen sich als Fehlschläge. Sie hatten mich offenbar ausgemacht und die Flucht ergriffen. Doch ich wurde vorsichtiger. Schließlich war ich imstande, die Kerle mit eigenen Augen zu beobachten.

Kobolde zählen zur Familie der Schrate, allesamt boshafte, menschenartige Kreaturen, denen auch die Orks angehören. Sie sind kurz gewachsen, krummbeinig, mit hässlichen Gesichtern und fahlen Augen. Als ich sie einmal gestellt hatte, konnte ich allerdings gegen diese Geschöpfe nicht viel ausrichten. Ich musste tatenlos zusehen, wie sie eine Menge Schrott zusammenrafften und spurlos mit ihrer Beute verschwanden – vermutlich zurück zu einem geheimen Durchgang nach Elderwelt, jenem Ort, den Rashton einst mit so schönen Worten beschrieben hat und zu dem Floyd Ramer gegangen war.

Dieses Erlebnis ließ mich weitere Spuren ungewöhnlicher Wesen suchen. Ich stieß vor drei Jahren auf die Vampire von Surrey, drei Brüder, die einige abscheuliche Morde begangen haben. Inspektor Gregson hielt mich für einen Verrückten, als ich ihm meine Theorie vortrug, genau wie Willkins und die anderen vom Revier. Inzwischen tun sie das nicht mehr. Wahrscheinlich wegen der Vampire und ihres unschönen Abgangs im Sonnenlicht. Hmm. Vielleicht doch eher wegen des Trolls, den ich vor zwei Jahren aufspürte? Er hatte die Nachbarschaft von Woking terrorisiert und dort mit Vorliebe Bäume ausgerissen und Scheiben eingeschlagen, ganz zu schweigen von den drei Opfern, die er aufgefressen hat. Oder wegen der Kobolde, die in Notting Hill Autos anzündeten – wahrscheinlich dieselbe Bande, die schon Tweeds Schrottplatz geplündert hatte. Dieses Abenteuer endete in einer üblen Schießerei, es floss eine Menge Koboldblut. Es ist übrigens schwarz, falls dich mal jemand danach fragen sollte.«

Tom starrte Veyron an. Er suchte nach einem Anzeichen, dass er erneut veralbert wurde, oder dass Veyron irgendwie anderweitig verrückt war. Jane hatte gestern Nacht jedoch nicht gelacht, ebenso wenig Dr. Strangley. Einen dermaßen Verrückten würde die Polizei sicherlich nicht frei herumlaufen lassen. Also blieb nur ein einziger Schluss übrig: Alles, was Veyron Swift gesagt hatte, musste die Wahrheit sein. Toms Aufregung kehrte zurück. Für einen Moment suchte er nach den richtigen Worten. »Wow. Cool«, war alles, was er herausbrachte.

Das rang Veyron ein Lächeln ab. »Ja, das war damals auch meine erste Reaktion«, meinte er. Sein Lächeln wurde noch breiter, nicht wegen der Anerkennung, die er von Tom erfuhr, sondern wegen der Textnachricht, die soeben auf seinem Smartphone erschien. Ich hab was Interessantes für Sie. Dury Manor, Library Street, Brentford. Gregson.

Er zeigte die Nachricht Tom, der vor Aufregung die Tischkante umkrallte. Etwas Tee schwappte über den Tassenrand, weil er dabei die Tischdecke verzog.

»Bist du also für ein weiteres Abenteuer bereit, Tom?«, fragte Veyron.

Tom sprang sofort vom Stuhl, so heftig, dass Teller und Tassen beinahe fliegen lernten. »Jederzeit, Sir!«

Sie riefen ein Taxi, ein klassisches Black Cab, da Veyron kein Auto besaß, und im Nu befanden sie sich auf dem Weg nach Brentford. Ihr Ziel war ein großes Anwesen mit einem sehr üppigen, gepflegten Garten voller uralter Bäume. Mittendrin stand Dury Manor, ein sakral anmutendes Gutsherrenhaus aus rotem Backstein, alt und verwittert.

Am Eingang wurden sie von Jane empfangen, die sie sofort hineinführte. Das Innere des Hauses war auf sehr altmodische Weise eingerichtet, aber Tom fand es dennoch recht gemütlich. Überall große Plüschmöbel und Ohrensessel, orientalische Teppichböden und Holz getäfelte Wände. Von den Decken hingen eiserne Kronleuchter. Nirgendwo ein Schimmer der Moderne. Wer auch immer hier wohnte, er mochte die heutige Welt nicht und schwelgte in der Vergangenheit des frühen 20. Jahrhunderts, als England noch ein Empire war. An den Wänden hingen Gemälde verschiedener – wahrscheinlich bedeutender – Personen, die Tom jedoch alle nicht kannte.

Veyron ging voraus, führte Tom durch die Absperrungen der Polizei, und sie gelangten zu Gregson, der im Wohnzimmer schon auf sie wartete. Der Inspektor, der sein silbergraues Haar in militärisch strenger Bürstenfrisur trug, kaute auf einem Kugelschreiber herum, während seine wachen Augen den Tatort abtasteten.

»Ah, Gregson, der beste Mann vom CID. Was haben Sie für mich?«, fragte Veyron mit einer Selbstverständlichkeit, als würde er die Ermittlungen leiten und nicht der Inspektor.

»Sieht nach Mord aus. Kommen Sie rein, Veyron. Der arme Kerl liegt noch im Arbeitszimmer«, erwiderte Gregson.

Sie verließen das Wohnzimmer durch eine Seitentür und betraten das Arbeitszimmer, das in Toms Augen wie ein zweites Wohnzimmer aussah (auch hier wieder bequeme Plüschmöbel), nur dass zusätzlich noch ein kleiner Schreibtisch in der Mitte des Raumes stand. Dahinter lag ein älterer Mann zusammengekrümmt auf dem Boden. Das gutmütige, runde Gesicht des Toten, das von schneeweißem Haar umrahmt wurde, machte Tom betroffen. Er wirkte, als sei er nett gewesen, etwa so, wie er sich immer seinen Großvater vorgestellt hatte. Der wohlgenährte Leib des Mannes steckte in einem altmodischen Tweed-Anzug. Eine weinrote Weste spannte sich über einem weißen Hemd. Seine Gesichtszüge waren nicht schmerzverzerrt, sondern wirkten auf seltsame Art und Weise friedlich. Nichts hätte auf einen Mord hingedeutet, befände sich nicht auf Höhe seines Herzens ein faustgroßer, pechschwarzer Fleck.

»Professor Lewis Daring, 83 Jahre alt, ehemaliger Oxfordprofessor. Von vorne erstochen. Die Klinge ging durch die Brust, mitten durch sein Herz, und hinten wieder raus. Jane …« Gregson drehte sich zu der Polizistin um. Jetzt erst entdeckte er Tom, der wie gebannt vor der Leiche stand. Veyron hatte sich inzwischen gebückt und untersuchte den Toten von allen Seiten. Gregson schüttelte verärgert den Kopf. »Veyron, das geht zu weit! Sie können keine Kinder an einen Tatort mitnehmen! Warum besorgen Sie ihm keinen Ferienjob? Was macht er hier überhaupt?«, schimpfte er.

Tom biss sich auf die Lippe. Am liebsten hätte er sich irgendwo versteckt.

»Er hat einen Ferienjob, und zwar bei mir. Tom ist mein Assistent, und soeben assistiert er mir«, antwortete Veyron im beiläufigen Tonfall.

Gregson stellte das jedoch nicht zufrieden. »Bei Ihnen? Sie haben gar keinen echten Beruf, Sie werden nicht einmal bezahlt!«, konterte er zornig.

Veyron schenkte ihm einen genervten Blick. »Ich bin finanziell unabhängig, für Tom ist gesorgt, das wissen Sie genau. Was soll diese Zeitverschwendung? Hier wurde ein Mord begangen. Darauf sollten wir uns konzentrieren!«

Gregson atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand über die gerunzelte Stirn. »Tom ist aber nicht finanziell unabhängig! Irgendwann wird er allein Geld verdienen und seinen Mann stehen müssen. Wie soll ihm das gelingen ohne eine Vorstellung davon, wie es im echten Leben läuft? Für einen Vierzehnjährigen ist das, was Sie hier machen, keine Alternative. Constable Willkins, bringen Sie den Jungen raus. Er hat hier nichts verloren!«

Jane drehte Tom an der Schulter herum und erklärte ihm halblaut, während sie ihn aus dem Raum dirigierte, dass Gregson recht hätte und es klüger wäre, draußen zu warten. Es sei überhaupt ein Fehler gewesen, hierherzukommen.

Veyron riss das Hemd des Professors auf und stieß einen jauchzenden Schrei der Begeisterung aus. Jane und Tom hielten inne, und auch Gregson schenkte ihm wieder seine ganze Aufmerksamkeit.

»Sehen Sie nur: kein Blut! Die Stichwunde ist sowohl an der Ein- wie auch der Austrittsstelle kauterisiert. Man riecht es, verbranntes Fleisch. Mit was auch immer der arme Mann durchbohrt wurde, es muss glühend heiß gewesen sein. Zeitpunkt des Todes dürfte zwischen ein und zwei Uhr morgens liegen, ausgehend vom momentanen Stadium der Totenstarre.«

Gregson bestätigte das. Der Gerichtsmediziner war zu demselben Schluss gelangt. Veyron tastete Darings Leiche von oben bis unten ab, fasste ihm in die Hosen- und Westentaschen. Er untersuchte die Taschenuhr des Professors, danach die Brille, die Daring vom Gesicht gerutscht war.

»Der Professor war körperlich in bester Verfassung, er hatte keine zittrigen Hände und besaß für sein Alter ein hervorragendes Augenlicht. An der Uhr finden sich keinerlei Kratzer von Fingernägeln, die Brillengläser sind nur hauchdünn. Hinzu kommen ausgeprägte Muskeln an Armen und Beinen. Ich fürchte, mein lieber Inspektor, wir sind hier keinem gewöhnlichen Mörder auf der Spur. Der Professor war ein starker, kerngesunder Mann, sicherlich kein wehrloses Opfer«, schlussfolgerte er.

Gregson stimmte brummend zu. »Deswegen habe ich Sie ja auch hergerufen. Daring wurde von einer langen, etwa fünf Zentimeter breiten Klinge durchbohrt, vermutlich ein Schwertstich, aber der Gerichtsmediziner hat so etwas noch nie gesehen.«

Veyron unterzog die Stichwunde einer intensiven Untersuchung. »Zweifelsohne eine zweischneidige Klinge, vermutlich über einen Meter lang. Wurde eine entsprechende Waffe im Haus gefunden? Ich würde es allerdings bezweifeln«, sagte er mit erstaunlicher Gelassenheit.

»Doch«, konterte Gregson, »wir wissen, dass sich ein Schwert im Besitz des Professors befand. Es hing oben in seinem Lesezimmer, ist allerdings verschwunden. Eine sehr sonderbare Waffe, wie ich sie noch nie gesehen habe. Es gibt ein Foto von Daring und seinem Vater, oben im Schlafzimmer. Darauf kann man das Schwert in seiner Halterung gut erkennen.« Er schnippte mit den Fingern.

Sofort eilte ein junger Sergeant los, nur um ein paar Augenblicke später mit besagtem Bild zurückzukehren. Unverzüglich reichte er es an Veyron, der es prüfend musterte.

Auf der Aufnahme toasteten zwei ältere Herren, ein etwas jüngerer Daring und sein schon recht betagter Vater, mit Champagnergläsern der Kamera zu. Hinter ihnen hing besagtes Schwert an der Wand. Es war eine wunderschöne, elegante Waffe, die Klinge lang und schmal, fast wie ein Rapier. Der Griff wurde von einem verschnörkelten Korb eingefangen. Das Auffälligste war jedoch ein Muster aus blauen Edelsteinen, welches der Schmied in die Klinge eingearbeitet hatte.

»Dieses Schwert ist der einzige fehlende Gegenstand im ganzen Haus. Das hat uns die Haushälterin des Professors bereits bestätigt. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um die Mordwaffe handelt und der Täter diese im Lauf der Flucht weggeworfen hat. Meine Leute suchen deshalb jetzt die nähere Umgebung ab. Ich bin sicher, wir werden sie spätestens morgen gefunden haben«, sagte Gregson.

Veyron winkte ab. »Das war nie und nimmer die Tatwaffe. Die Klinge ist nicht bereit genug für die Stichwunde des Professors. Sie sagten, das Schwert sei verschwunden?«

Er reichte das Bild an Tom, doch Jane riss es ihm sofort aus den Händen. »Fingerabdrücke!«, schimpfte sie. »Das ist als Beweis jetzt ruiniert!«

Gregson überging ihr Gezeter und nickte Veyron zu. »Im ganzen Haus unauffindbar. Glauben Sie, es war Raubmord? Orks vielleicht oder wieder Kobolde?«

»Nein, auf gar keinen Fall. Kobolde oder Orks hätten hier eine Verwüstung hinterlassen. Beachten Sie: keine Anzeichen von Folter oder anderer Gewalt, nirgendwo die Spur eines Kampfes. Keine zerbrochenen Möbel, Vasen oder Gläser. Was noch viel beängstigender ist: nirgendwo ein Ofen, in dem man eine Klinge zum Glühen hätte bringen können. Die Tatwaffe muss demnach ein magisches Schwert sein, das von allein zu glühen oder gar zu brennen anfängt. Ich denke, das hier ist etwas ganz Neues; es übersteigt alles, mit dem wir es in den letzten acht Jahren zu tun hatten«, schlussfolgerte Veyron. Er schnippte mit den Fingern und blickte in die Runde ratloser Polizistengesichter. »Zusatzfrage: Warum sollte jemand, der sich im Besitz eines Zauberschwerts befindet, sich die Mühe machen und hier einbrechen, nur um ein anderes Schwert zu stehlen? Das ergibt keinen rechten Sinn. Für das Verschwinden von Darings Schwert muss es also eine andere Erklärung geben. Unsere Probleme sind ein Flammenschwert und dessen Inhaber«, mahnte er.

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