Kitabı oku: «Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt», sayfa 3
I.3. Was eine Abschlußarbeit auch nach dem Universitätsabschluß nützt
Es gibt zwei verschiedene Arten, eine Abschlußarbeit so zu schreiben, daß sie auch nach dem Universitätsabschluß noch Nutzen bringt. Die erste besteht darin, daß man die Arbeit zur Grundlage für breiter angelegte Forschungen macht, die man in den folgenden Jahren fortsetzt – wozu man natürlich die Möglichkeit und die Lust haben muß. Aber es gibt auch eine zweite Möglichkeit, bei der (beispielsweise) ein örtlicher Fremdenverkehrsdirektor von der Tatsache profitiert, daß er eine Arbeit über das Thema »Manzonis Fermo e Lucia* in der zeitgenössischen Kritik« geschrieben hat. Eine Abschlußarbeit schreiben bedeutet ja: 1. ein bestimmtes, klar umrissenes Thema ausfindig machen; 2. Material zu diesem Thema sammeln; 3. dieses Material ordnen; 4. das Thema unter Berücksichtigung des gesammelten Materials überprüfen; 5. alle diese Überlegungen in einen Zusammenhang bringen; 6. alles dies in einer Weise tun, daß derjenige, der das Ergebnis liest, verstehen kann, was man sagen wollte, und bei Bedarf auf das gleiche Material zurückgreifen könnte, wenn er selbst über das Thema forschen wollte.
Eine solche Arbeit schreiben bedeutet also zu lernen, in die eigenen Gedanken Ordnung zu bringen und Angaben zu ordnen: es ist das Erfahren der methodischen Arbeit; d. h. es geht darum, einen »Gegenstand« zu erarbeiten, der im Prinzip auch für andere nützlich sein kann. Und darum ist das Thema der Arbeit weniger wichtig als die Erfahrung, die sie mit sich bringt. Wer [13] das Material zur Kritik an Manzonis Roman erarbeiten konnte, dem wird es auch möglich sein, sich methodisch Angaben zu erarbeiten, die er für das Fremdenverkehrsamt braucht.
Der Verfasser dieses Buches hat inzwischen an die zehn Bücher zu unterschiedlichen Themen geschrieben, aber wenn ihm die letzten neun gelungen sind, so deshalb, weil er die Erfahrung mit dem ersten einsetzen konnte, das eine Überarbeitung seiner Abschlußarbeit war. Ohne diese erste Arbeit hätte ich die anderen nicht schreiben können, und den anderen merkt man, im Guten wie im Schlechten, die Art und Weise, wie die erste gemacht wurde, noch an. Vielleicht wird man mit der Zeit gewiefter, vielleicht weiß man mehr, aber die Art und Weise, wie man sein Wissen verarbeitet, hängt immer davon ab, wie man am Anfang vieles, was man nicht wußte, sich erarbeitet hat.
Schließlich heißt eine solche Arbeit schreiben sein Gedächtnis trainieren. Wenn man im Alter ein gutes Gedächtnis hat, dann hat man es seit frühester Jugend trainiert. Und es ist gleichgültig, ob man es durch Auswendiglernen der Aufstellung aller Vereine der Bundesliga, der Gedichte von Carducci* oder der römischen Kaiser von Augustus bis Romulus Augustulus trainiert hat. Gewiß, wenn man schon das Gedächtnis trainiert, ist es besser, etwas zu lernen, was einen interessiert oder was man brauchen kann. Aber manchmal ist es auch eine gute Übung, etwas Unnützes zu lernen. Und darum ist auch – mag es auch besser sein, eine Arbeit zu einem Thema zu schreiben, das uns interessiert – das Thema zweitrangig im Verhältnis zur Arbeitsmethode und zur Erfahrung, die man aus der Arbeit gewinnt.
Auch deshalb, weil es, wenn man gut arbeitet, kein wirklich schlechtes Thema gibt. Wenn man gut arbeitet, zieht man auch aus zeitlich oder räumlich scheinbar abseits liegenden Themen großen Nutzen. Marx hat nicht über politische Ökonomie, sondern über zwei griechische Philosophen, nämlich Epikur und Demokrit, promoviert. Und das war kein Arbeitsunfall. Vielleicht konnte Marx, wie wir wissen, die geschichtlichen und [14] wirtschaftlichen Probleme gerade deshalb mit solch großer theoretischer Kraft durchdenken, weil er das Denken an seinen griechischen Philosophen gelernt hat. Angesichts zahlreicher Studenten, die mit einer höchst anspruchsvollen Arbeit über Marx anfangen, um dann im Personalbüro einer großen Kapitalgesellschaft zu landen, erscheint es nötig, über den Nutzen, die Aktualität und die Anforderungen des Gegenstands der Arbeit nachzudenken.
I.4. Vier Faustregeln
In manchen Fällen schreibt der Kandidat eine Arbeit über ein Thema, das der Dozent für ihn ausgesucht hat. Das sollte man vermeiden.
Wir sprechen hier natürlich nicht von den Fällen, in denen sich der Kandidat vom Dozenten beraten läßt. Wir spielen vielmehr auf jene Fälle an, in denen die Schuld entweder beim Professor (vgl. II.7.: »Wie man es vermeidet, sich vom Doktorvater ausnützen zu lassen«) oder beim Kandidaten liegt, der kein Interesse hat und der entschlossen ist, irgendeine Arbeit, sei sie auch noch so schlecht, zu schreiben, um die Angelegenheit möglichst schnell hinter sich zu bringen.
Wir ziehen vielmehr nur solche Fälle in Betracht, in denen der Kandidat selbst Interesse zeigt und der Dozent bereit ist, darauf einzugehen.
In solchen Fällen gelten für die Auswahl des Themas vier Regeln:
1. Das Thema soll den Interessen des Kandidaten entsprechen (sei es, daß es mit seinen Prüfungsfächern zusammenhängt, sei es mit der Literatur, die er gelesen hat, sei es mit der politischen, kulturellen oder religiösen Umgebung, in der er lebt);
2. Die Quellen, die herangezogen werden müssen, sollen für den Kandidaten auffindbar sein, d.h. sie müssen ihm tatsächlich zugänglich sein;
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3. Der Kandidat soll mit den Quellen, die herangezogen werden müssen, umgehen können, d.h. sie müssen seinem kulturellen Horizont entsprechen;
4. Die methodischen Ansprüche des Forschungsvorhabens müssen dem Erfahrungsbereich des Kandidaten entsprechen.
So formuliert, scheinen die vier Regeln banal und nicht mehr zu enthalten als die Aussage, daß, »wer eine Abschlußarbeit schreiben will, eine schreiben soll, die er schreiben kann«. Genauso aber ist es, und es gibt Arbeiten, die auf eine dramatische Weise mißlingen, weil es nicht gelungen ist, sich die Probleme schon am Anfang anhand dieser so offensichtlichen Kriterien klar zu machen1.
Die folgenden Kapitel versuchen einige Ratschläge zu geben, damit die in Aussicht genommene Arbeit eine solche ist, die der Kandidat auch wirklich schreiben kann.
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II.Die Wahl des Themas
II.1. Monographische oder Übersichtsarbeit?
Die erste Versuchung für den Studenten besteht darin, eine Arbeit zu schreiben, in der von zu vielem gehandelt wird. Wenn der Student sich für Literatur interessiert, dann denkt er im ersten Augenblick an eine Arbeit mit dem Titel: Literatur heute. Wenn der Gegenstand eingeschränkt werden muß, wird er das Thema »Die italienische Literatur vom Ende des Krieges bis zu den sechziger Jahren« wählen. Das sind äußerst gefährliche Arbeiten, die auch bei bedeutenden Gelehrten die Knie zum Zittern bringen. Für einen zwanzigjährigen Studenten stellen sie eine Herausforderung dar, der er nicht gewachsen ist. Entweder er stellt ganz simpel Namen und gängige Meinungen zusammen, oder er gibt seiner Arbeit einen originellen Zuschnitt, und er wird sich dann immer dem Vorwurf unverzeihlicher Auslassungen ausgesetzt sehen. Der große zeitgenössische Literaturkritiker Gianfranco Contini* hat 1957 seine Letteratura Italiana-Ottocento-Novecento [Italienische Literatur im 18. und 19. Jahrhundert] veröffentlicht (Verlag Sansoni Accademia). Wäre es eine Abschlußarbeit gewesen, er wäre trotz ihrer 472 Druckseiten durchgefallen. Man hätte ihm nämlich Nachlässigkeit oder Unwissenheit angesichts der Tatsache vorgeworfen, daß er einige Namen nicht erwähnt, die die meisten für sehr wichtig halten, oder daß er ganze Kapitel sogenannten »unbedeutenden« Autoren gewidmet hat und nur einige kurze Fußnoten sogenannten »bedeutenden«. Da es sich um einen Gelehrten handelt, dessen historische Bildung und kritische Genauigkeit bestens bekannt sind, war natürlich jedermann klar, [17] daß die Auslassungen und Disproportionen gewollt waren und daß die Tatsache, daß ein Autor fehlte, als Kritik viel aussagekräftiger war als eine Seite Verriß. Wenn aber ein Student mit zweiundzwanzig Jahren dergleichen Scherze macht, wer garantiert, daß hinter dem Schweigen tatsächlich ein ausgeklügelter Kunstgriff steht und daß die Auslassungen für kritische Ausführungen stehen, die der Autor an anderer Stelle geschrieben hat oder die er doch schreiben könnte? Bei derartigen Arbeiten wirft der Student gewöhnlich den Mitgliedern der Kommission vor, sie hätten ihn nicht verstanden, aber sie konnten ihn nicht verstehen, und darum ist eine zu sehr nur auf einen Überblick angelegte Arbeit immer Ausdruck von Hochmut. Nicht etwa, daß geistiger Hochmut – in einer solchen Arbeit – von vornherein abzulehnen wäre. Man kann auch behaupten, daß Dante ein schlechter Dichter sei: aber das geht erst nach wenigstens 300 Seiten eingehender Auseinandersetzung mit den Texten Dantes. In einer Übersichtsarbeit läßt sich das nicht bewältigen. Und darum ist es angebracht, daß der Student statt »Die italienische Literatur vom Ende des Krieges bis zu den sechziger Jahren« ein bescheideneres Thema wählt.
Ich will euch gleich sagen, was das ideale Thema wäre: Nicht Die Romane von Fenoglio*, sondern: Die verschiedenen Fassungen von »Der Partisan Johnny«. Langweilig? Mag sein, aber als Herausforderung interessanter. Darüber hinaus ist die Entscheidung für das Thema bei genauer Betrachtung ein kluger Schachzug. Mit einer Arbeit über die Literatur über einen Zeitraum von vierzig Jahren setzt sich der Student allen möglichen Einwänden aus. Wie kann der Referent oder ein einfaches Kommissionsmitglied der Versuchung widerstehen zu beweisen, daß er einen Autor von minderer Bedeutung kennt, den der Student nicht zitiert hat? Es genügt, daß jedes Kommissionsmitglied beim Blättern im Inhaltsverzeichnis drei Lücken entdeckt, und gleich sieht sich der Student einer Fülle von Vorwürfen gegenüber, die seine Arbeit als eine Aneinanderreihung von Lücken erscheinen lassen. Wenn der Student dagegen ein klar abgegrenztes Thema ernsthaft bearbeitet hat, dann hat er ein [18] Material im Griff, das dem größten Teil derer, die ihn zu beurteilen haben, unbekannt ist. Ich schlage damit keinen billigen Trick vor. Es mag ein Trick sein, aber kein billiger; denn er kostet Mühe. Es ist einfach so, daß der Kandidat als Fachmann vor ein Gremium tritt, das weniger fachkundig ist als er, und da er sich der Mühe unterzogen hat, Fachmann zu werden, ist es nur gerecht, daß er aus dieser Lage Vorteile zieht. Zwischen den beiden Extremen einer Übersichtsarbeit über 40 Jahre italienischer Literatur einerseits und der streng abgegrenzten (der sogenannten monographischen) Arbeit über die verschiedenen Fassungen eines kurzen Textes andererseits gibt es viele Zwischenformen. So können sich Themen herauskristallisieren wie Die literarische Neo-Avantgarde der sechziger Jahre oder Das Bild der Langhen* bei Pavese** und Fenoglio oder auch Verwandtschaft und Unterschiede zwischen drei »phantastischen« Schriftstellern Savinio***, Buzzati**** und Landolfi*****.
Für die naturwissenschaftlichen Fakultäten gibt ein kleines Buch, das einen ähnlichen Gegenstand behandelt wie das unsere, einen Ratschlag, der für alle Fächer paßt:
Das Thema Geologie beispielsweise ist zu weit. Vulkanologie, als Zweig der Geologie, ist noch zu umfassend. Die Vulkane Mexikos könnte eine vernünftige, wenn auch etwas oberflächliche Arbeit abgeben. Eine weitere Beschränkung würde zu einer wertvolleren Untersuchung führen: Die Geschichte des Popocatepetl (den einer der Konquistadoren des Cortez’ wahrscheinlich 1519 erstieg und der erst im Jahr 1702 einen heftigen Ausbruch hatte). Ein noch engeres Thema, das einen kleineren Zeitraum erfaßt, wäre: Der Ausbruch und das scheinbare Erlöschen des Paricutin (vom 20. Februar 1943 bis zum 4. März 1952)1.
Was mich betrifft, ich würde zum letzten Thema raten. Unter der Bedingung, daß der Kandidat wirklich alles bringt, was es über diesen verflixten Vulkan zu sagen gibt.
[19] Vor einiger Zeit kam zu mir ein Student, der eine Arbeit über das Symbol im zeitgenössischen Denken schreiben wollte. Das war eine unmachbare Arbeit. Ich jedenfalls wußte nicht, was mit dem »Symbol« gemeint war. Es ist nämlich ein Begriff, dessen Bedeutung je nach Autor unterschiedlich interpretiert wird und manchmal bei zwei verschiedenen Autoren etwas völlig Gegensätzliches besagt. Man bedenke, daß bei den formalen Logikern und bei den Mathematikern Symbole Ausdrücke ohne eigenständige Bedeutung sind, die einen bestimmten Platz mit genau umrissenen Aufgaben in einer vorgegebenen formalisierten Rechnung haben (wie das a und das b oder das x und das y der algebraischen Formeln), während andere Autoren darunter Erscheinungen voller zweideutiger Bedeutungen verstehen, wie die Bilder, die im Traum auftauchen, die sich auf einen Baum, auf ein Geschlechtsorgan, auf das Verlangen nach Wachstum usw. beziehen können. Wie soll man also eine Arbeit mit diesem Titel schreiben? Man müßte alle Bedeutungen von Symbol in der gesamten zeitgenössischen Kultur analysieren, sie so auflisten, daß Affinitäten und Unterschiede deutlich werden, man müßte feststellen, ob den Unterschieden nicht doch ein gemeinsames Konzept zugrundeliegt, das bei jedem Autor und bei jeder Theorie wiederkehrt, und ob die Unterschiede nicht doch zu einer Inkompatibilität der in Frage stehenden Theorien führen. Nun, ein solches Werk ist bis jetzt keinem zeitgenössischen Philosophen, Linguisten oder Psychoanalytiker auf eine überzeugende Weise geglückt. Wie soll dann ein junger Forscher, der sich die ersten Sporen verdient, Erfolg haben, wenn er, so frühreif er auch sein mag, erst sechs oder sieben Jahre Lektüre als Erwachsener hinter sich hat? Er könnte natürlich auch eine auf intelligente Weise einseitige Teiluntersuchung schreiben, aber dann wären wir wie der bei der Geschichte der italienischen Literatur von Contini. Oder er könnte eine höchst persönliche Theorie des Symbols entwerfen, indem er außer acht ließe, was andere Autoren zu diesem Thema gesagt haben: Aber wie fragwürdig diese Entscheidung wäre, werden wir unter II.2. sehen. Mit dem betreffenden Studenten haben wir uns gemeinsam [20] Gedanken gemacht. Man hätte eine Arbeit über das Symbol bei Freud und Jung schreiben und – unter Verzicht auf alle anderen Bedeutungen – die Symbolbedeutungen beider Autoren einander gegenüberstellen können. Aber es stellte sich heraus, daß der Student kein Deutsch konnte (auf das Problem der Sprachkenntnisse kommen wir unter II.5. zurück). Man einigte sich dann auf das Thema Der Begriff des Symbols bei Peirce, Freye und Jung. Die Arbeit sollte die Unterschiede in der Verwendung des gleichen Begriffs bei verschiedenen Autoren untersuchen, einem Philosophen, einem Kritiker und einem Psychologen. Sie sollte zeigen, wie in vielen Abhandlungen, in denen diese Autoren herangezogen werden, dadurch Irrtümer entstehen, daß einem Autor eine Bedeutung des Wortes unterlegt wird, die von einem anderen stammt. Erst ganz zum Schluß sollte der Autor, in einer Art hypothetischer Schlußfolgerung, versuchen nachzuweisen, ob und welche Übereinstimmungen zwischen den drei gleichlautenden Begriffen bestehen. Dabei könnte er dann auch auf andere Autoren verweisen, die er zwar kannte, mit denen er sich aber, wegen der ausdrücklichen Begrenzung des Themas, weder beschäftigen wollte noch sollte. Niemand würde ihm vorwerfen können, daß er den Autor K nicht berücksichtigt habe, weil die Arbeit eben nur über X, Y, Z ging, oder daß er den Autor J nur in einer Übersetzung zitiert habe, weil es sich letztlich nur um einen sekundären Hinweis gehandelt hätte und die Arbeit nur die Absicht hatte, die drei im Titel genannten Autoren ausführlich und im Original auszuwerten.
So also würde eine Übersichtsarbeit auf ein mittleres, für alle annehmbares Maß gebracht, ohne monographisch im strengen Sinn des Wortes zu werden. Im übrigen muß man sich klar darüber sein, daß der Ausdruck »monographisch« auch in einem weiteren Sinn verstanden werden kann als ihm hier beigemessen wird. Eine Monographie stellt die Behandlung eines einzigen Gegenstandes dar und steht so im Gegensatz zu einer »Geschichte von«, zum Handbuch, zu einer Enzyklopädie. Darum ist auch eine Arbeit wie Das Thema der »verkehrten Welt« bei [21] den mittelalterlichen Schriftstellern monographisch. Dabei wird eine Vielzahl von Schriftstellern untersucht, aber nur unter dem Blickwinkel einer bestimmten Fragestellung (d.h. im Beispielsfall unter dem der angenommenen Hypothese, des Paradoxon oder der Fabel, daß die Vögel im Wasser schwimmen, die Fische in der Luft fliegen etc.). Diese Aufgabe gut erfüllen hieße eine sehr gute Monographie schreiben. Aber um sie gut zu erfüllen, muß man sich alle Schriftsteller vergegenwärtigen, die das Thema behandelt haben, speziell auch die unbedeutenden, an die sich keiner erinnert. Und darum wäre diese Arbeit monographisch und zugleich eine Übersichtbarkeit, und sie wäre sehr schwierig: Sie verlangt unendlich viel Lektüre. Wollte man sie wirklich schreiben, man müßte den zu untersuchenden Bereich noch weiter einschränken: Das Thema der »verkehrten Welt« bei den karolingischen Schriftstellern. Der Bereich wird enger, man weiß, was man untersuchen muß und was man auslassen darf.
Natürlich ist es aufregender, eine Übersichtsarbeit zu schreiben; denn es scheint langweilig, sich ein, zwei oder noch mehr Jahre immer mit demselben Autor zu beschäftigen. Aber, wohlgemerkt, auch eine streng monographische Arbeit bedeutet nicht, den Überblick aus den Augen zu verlieren. Eine Arbeit über die Erzählung von Fenoglio bedeutet, den ganzen Hintergrund des italienischen Realismus präsent zu haben. Auch Pavese oder Vittorini* zu lesen oder sich über jene amerikanischen Erzähler zu informieren, die Fenoglio las und übersetzte. Nur wenn man einen Autor in einem größeren Zusammenhang sieht, kann man ihn verstehen und interpretieren. Aber einen Überblick als Hintergrund benutzen und einen Überblick geben sind zwei Paar Stiefel. So wie es auch zwei Paar Stiefel sind, das Bildnis eines Edelmanns vor dem Hintergrund einer Landschaft mit Fluß zu malen oder Felder, Täler, Flüsse zu malen. Die Technik ist eine andere, es muß, photographisch gesprochen, mit einer anderen Brennweite gearbeitet werden. Wenn man von einem einzigen Autor ausgeht, darf der Hintergrund auch etwas unscharf, unvollständig und abgemalt sein.
[22] Zum Schluß sei nochmals an den entscheidenden Grundsatz erinnert: Je begrenzter das Gebiet, um so besser kann man arbeiten und auf um so sichererem Grund steht man. Eine monographische Arbeit ist einer Übersichtsarbeit vorzuziehen. Eine solche Arbeit soll mehr einem wissenschaftlichen Aufsatz als einem Geschichtsbuch oder einer Enzyklopädie gleichen.
II.2. Geschichtliche oder theoretische Arbeit?
Diese Alternative kommt nur bei bestimmten Fächern in Frage. Denn für Fächer wie Geschichte der Mathematik, romanische Philologie oder Geschichte der deutschen Literatur kommt nur eine historische Arbeit in Frage. Und für Fächer wie Architektur, Reaktorphysik oder vergleichende Anatomie schreibt man normalerweise theoretische oder experimentelle Arbeiten. Aber es gibt andere Fächer wie die theoretische Philosophie, Soziologie, Kulturantropologie, Ästhetik, Rechtsphilosophie, Pädagogik oder Internationales Recht, bei denen man beide Typen von Arbeiten machen kann. Eine theoretische Arbeit nimmt man sich vor, um ein abstraktes Problem zu behandeln, mit dem sich vorher möglicherweise schon andere beschäftigt haben: Die Natur des menschlichen Willens, Der Begriff der Freiheit, Die Vorstellung von der sozialen Rolle, Die Existenz Gottes, Die Gesetze der Genetik. So aufgezählt, rufen die Themen sogleich ein Lächeln hervor, weil sie an eine Stoffbehandlung denken lassen, die Gramsci* »Kurze Bemerkungen über das Universum« nannte, und doch haben sich hervorragende Denker mit diesen Themen befaßt. Aber in den meisten Fällen haben sie es am Ende jahrzehntelangen Nachdenkens getan.
In der Hand eines Studenten mit einer notwendigerweise beschränkten wissenschaftlichen Erfahrung können solche Themen zu zwei unterschiedlichen Ergebnissen führen. Das erste – und es ist noch das weniger tragische – ergibt eine Arbeit, wie wir sie (im vorigen Kapitel) als Übersichtsarbeit bezeichnet haben. [23] Der Autor behandelt z.B. den Begriff der sozialen Rolle, aber bei einer Reihe von Autoren. Und insoweit gelten die schon oben gemachten Bemerkungen. Das zweite Ergebnis ist beängstigender, weil sich der Kandidat einbildet, auf wenigen Seiten das Problem Gott oder das der Definition der Freiheit lösen zu können. Nach meiner Erfahrung haben Studenten, die ein solches Thema wählen, immer sehr kurze Arbeiten geschrieben, denen es an der nötigen Systematik fehlte und die mehr einem lyrischen Gedicht als einer wissenschaftlichen Arbeit glichen. Und wenn man einem solchen Kandidaten entgegenhält, daß seine Arbeit zu persönlich, zu allgemein, zu formlos ist, daß ihr die Überprüfung der historischen Angaben und Zitate fehlen, dann erwidert er gewöhnlich, man habe ihn nicht verstanden, seine Arbeit sei viel geistreicher als viele Abhandlungen, die nur banal Material zusammentragen.
Das mag richtig sein, aber wiederum lehrt die Erfahrung, daß eine solche Antwort gewöhnlich von Bewerbern kommt, die konfuse Vorstellungen haben, denen es an wissenschaftlicher Bescheidenheit und an der Fähigkeit, sich mitzuteilen, fehlt. Was man unter wissenschaftlicher Bescheidenheit zu verstehen hat (die keine Tugend der Schwachen, sondern im Gegenteil eine Tugend der Stolzen ist), darüber wird im Kapitel IV.2.4. zu handeln sein.
Es ist sicher nicht auszuschließen, daß der Kandidat ein Genie ist, das mit seinen zweiundzwanzig Jahren alles verstanden hat, und es sollte kein Zweifel daran bestehen, daß ich diese Annahme ohne auch nur einen Schatten von Ironie mache. Aber es steht nun einmal fest, daß, wenn diese Erde ein solches Genie hervorbringt, die Menschheit lange braucht, bis sie es merkt, und daß sein Werk eine ganze Reihe von Jahren gelesen und verdaut werden muß, ehe man seiner Größe gewahr wird. Wie kann man verlangen, daß eine Kommission, die nicht eine, sondern viele Arbeiten prüft, im ersten Anlauf der Bedeutung dieses Alleinganges gewahr wird?
Aber gehen wir ruhig davon aus, daß dem Studenten bewußt ist, daß er ein wichtiges Problem verstanden hat: Weil von [24] nichts nichts kommt, wird er seine Überlegungen unter dem Einfluß eines anderen Autors ausgearbeitet haben. Dann macht er am besten aus seiner theoretischen Arbeit eine historiographische, und das heißt, er behandelt nicht das Problem des Seins, den Begriff der Freiheit oder die Vorstellung des sozialen Handelns, sondern er arbeitet ein Thema wie Das Problem des Seins beim frühen Heidegger, Der Begriff der Freiheit bei Kant oder die Vorstellung des sozialen Handelns bei Parsons aus. Hat er originelle Ideen, so werden sie auch in der Auseinandersetzung mit den Ideen des behandelten Autors zutage treten: Man kann über Freiheit viel Neues sagen, indem man sich mit dem beschäftigt, was ein anderer über die Freiheit gesagt hat. Und wenn er unbedingt will, dann soll er das, was seine theoretische Arbeit werden sollte, zum Schlußkapitel seiner historiographischen Arbeit umfunktionieren. Geht er so vor, so werden alle überprüfen können, was er sagt, weil durch die Bezugnahme auf einen früheren Autor die von ihm entwickelten Vorstellungen zur öffentlichen Überprüfung gestellt werden. Es ist schwierig, sich im luftleeren Raum zu bewegen und eine Überlegung ab initio zu beginnen. Man muß einen Punkt finden, auf den man sich stützen kann, speziell bei so unbestimmten Problemen wie der Vorstellung vom Sein oder von der Freiheit. Auch wenn man ein Genie ist, und gerade wenn man ein Genie ist, vergibt man sich nichts, wenn man von einem anderen Autor ausgeht. Auch deshalb, weil Ausgehen von einem früheren Autor ja nicht bedeutet, ihn auf ein Podest zu stellen, ihn anzubeten, jedes seiner Worte zu unterschreiben; man kann im Gegenteil von einem Autor ausgehen, um dessen Irrtümer und Grenzen zu beweisen. Aber man hat einen Punkt, auf den man sich stützen kann. Im Mittelalter, als man einen zu großen Respekt vor der Autorität der Autoren aus früherer Zeit hatte, sagte man, daß die modernen, die aus damaliger Sicht »Zwerge« waren, zu »Zwergen auf den Schultern von Riesen« wurden, wenn sie sich auf die alten Autoren stützten, und darum weiter sehen konnten als ihre Vorgänger.
[25] Alle diese Bemerkungen gelten nicht für angewandte und experimentelle Fächer. Wenn man eine Arbeit in Psychologie schreibt, liegt die Alternative nicht zwischen Das Problem der Wahrnehmung bei Piaget und Das Problem der Wahrnehmung (auch wenn ein Unvorsichtiger auf die Idee kommen könnte, sich ein so generelles und gefährliches Thema vorzunehmen). Die Alternative zur historischen Arbeit ist eher die experimentelle; Die Farbwahrnehmung bei einer Gruppe behinderter Kinder. Hier gelten andere Grundsätze, denn man hat das Recht, eine Frage auf experimentellem Weg anzugehen, sofern man eine Untersuchungsmethode hat und man unter vernünftigen Bedingungen für die Versuchsanordnung mit der nötigen Hilfe arbeiten kann. Aber ein guter experimenteller Forscher wird nicht mit der Prüfung der Reaktionen seiner Beobachtungspersonen beginnen, ehe er sich nicht durch Prüfung schon durchgeführter ähnlicher Untersuchungen zumindest auch einen Überblick verschafft hat, weil er sonst riskiert, den Regenschirm zu erfinden, etwas zu beweisen, was längst sorgfältig bewiesen ist, oder Methoden anzuwenden, die sich als fehlerhaft erwiesen haben (auch wenn Forschungsgegenstand die Überprüfung einer Methode sein kann, die noch keine zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht hat). Darum kann eine experimentelle Arbeit nicht zu Hause gemacht werden, und die Methode kann nicht erst erfunden werden. Auch hier gilt, daß ein intelligenter Zwerg besser daran tut, auf die Schultern eines Riesen zu springen, mag dieser auch von bescheidener Größe sein, oder auf die eines anderen Zwerges. Später ist immer noch Zeit, ganz auf eigene Faust zu arbeiten.