Kitabı oku: «Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt», sayfa 4
II.3. Historische Themen oder aktuelle Themen?
Wer diese Frage stellt, scheint die alte querelle des anciens et des modernes* wiederbeleben zu wollen. … Und für viele Disziplinen stellt sich das Problem überhaupt nicht (obwohl eine Arbeit [26] über die Geschichte der lateinischen Literatur sowohl von Horaz als auch von den Horaz-Studien der letzten zwanzig Jahre handeln kann). Andererseits ist klar, daß es keine Alternative gibt, wenn jemand über die Geschichte der zeitgenössischen italienischen Literatur arbeiten will. Allerdings kommt es nicht selten vor, daß ein Student, wenn ihm der Professor für italienische Literatur rät, über einen Autor des Petrarkismus aus dem 16. Jahrhundert oder über einen Arkadier zu schreiben, lieber über Pavese, Bassani oder Sanguineti* arbeitet. Oftmals beruht diese Wahl auf echter Neigung, und man kann schwer etwas gegen sie vorbringen. In anderen Fällen wiederum beruht sie auf der falschen Überzeugung, der zeitgenössische Autor sei einfacher und unterhaltsamer.
Dazu ist ohne Umschweife zu sagen, daß der zeitgenössische Autor immer der schwierigere ist. Sicher wird gewöhnlich weniger Sekundärliteratur vorhanden sein, sicher sind alle Primärtexte zugänglich, sicher kann in der ersten Phase das Material mit einem Roman in der Hand bei einem Badeaufenthalt am Meer statt in einer Bibliothek erarbeitet werden. Aber entweder will man eine zusammengeschusterte Arbeit schreiben, in der nur wiederholt wird, was andere schon gesagt haben, und dann beschränkt sich die Untersuchung darauf (und wenn man will, kann man über einen Autor des Petrarkismus des 16. Jahrhunderts noch viel leichter eine zusammengeschusterte Arbeit schreiben); oder man will etwas Neues sagen, und dann stellt man fest, daß es zum nicht zeitgenössischen Autor wenigstens einen gesicherten Auslegungsrahmen gibt, auf dem man sticken kann, während die Meinungen über den modernen Autor diffus und geteilt sind, unsere Fähigkeiten zur kritischen Auseinandersetzung durch das Fehlen einer Perspektive in Frage gestellt und alles enorm schwierig wird. Zweifellos verlangt der antike Autor mehr Aufwand bei der Lektüre, gewissenhaftere bibliographische Bemühungen (aber die Titel sind weniger verstreut, und es gibt schon vollständige Literaturverzeichnisse). Aber wenn man eine solche Arbeit als die Gelegenheit auffaßt zu lernen, wie man eine Forschungsarbeit aufbaut, dann zwingt [27] der nicht zeitgenössische Autor eher, die wissenschaftliche Methodik zu üben.
Wenn der Student sich später dann zur Auseinandersetzung mit Zeitgenössischem hingezogen fühlt, dann kann die Arbeit vielleicht die letzte Gelegenheit sein, sich mit der Literatur der Vergangenheit auseinanderzusetzen, um den eigenen Geschmack und das eigene Lesevermögen zu üben. Es wäre darum nicht schlecht, diese Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen. Viele bedeutende zeitgenössische Schriftsteller, und sogar avantgardistische, haben ihre Abschlußarbeit nicht über Montale oder Pound geschrieben, sondern über Dante oder über Foscolo. Es gibt sicher keine feststehenden Regeln: Ein guter Forscher kann eine historische oder stilistische Analyse über einen zeitgenössischen Autor mit der gleichen Gründlichkeit und Präzision durchführen, mit der er sonst über einen antiken Autor arbeitet. Außerdem ist das Problem von Fachgebiet zu Fachgebiet unterschiedlich. In der Philosophie stellt vielleicht eine Arbeit über Husserl größere Probleme als eine solche über Descartes, und das Verhältnis von »Leichtigkeit« und »Lesbarkeit« kehrt sich um: Pascal liest sich leichter als Carnap.
Darum ist der einzige Rat, den ich wirklich guten Gewissens geben kann, der: Man soll über einen zeitgenössischen Schriftsteller arbeiten, als sei er ein nichtzeitgenössischer und über einen nichtzeitgenössischen, als sei er ein zeitgenössischer. So wird die Arbeit für den Studenten unterhaltsamer und anspruchsvoller.
II.4. Wieviel Zeit braucht man, um eine Abschlußarbeit zu schreiben?
Vereinfacht gesagt: Nicht mehr als drei Jahre und nicht weniger als sechs Monate. [Vorsicht: Die Zeitangaben haben die italienischen Verhältnisse im Auge. Ecos allgemeine Überlegungen gelten jedoch auch in Deutschland.] Nicht mehr als drei Jahre, weil die Tatsache, daß man in drei Jahren das Thema nicht in [28] den Griff bekommen und das Material nicht zusammentragen konnte, nur dreierlei bedeuten kann:
1. Man hat ein falsches Thema gewählt, das die eigene Kraft übersteigt.
2. Man gehört zu denen, die nie zufrieden sind, die alles sagen wollen und die an einer solchen Arbeit zwanzig Jahre schreiben, während ein guter Wissenschaftler in der Lage sein muß, sich selbst Grenzen zu setzen (und seien sie auch bescheiden) und innerhalb dieser Grenzen etwas Definitives zustande zu bringen.
3. Man ist von der Dissertations-Neurose befallen, man hört auf, man fängt wieder an, man bringt kein Bein mehr auf die Erde, man ist völlig aufgelöst, man verwendet die Arbeit als Ausrede für mancherlei Versagen, man schließt sie nie mehr ab.
Nicht weniger als sechs Monate; denn auch wenn man nicht mehr schreiben will, als was einem guten Zeitschriftenaufsatz entspricht, für den es nicht mehr als 60 Schreibmaschinenseiten braucht, auch dann vergehen über dem Ausarbeiten des Arbeitsplans, über dem Zusammensuchen der Literatur, über dem Auswerten des Materials für die Kartei und über dem Fertigstellen des Textes sechs Monate wie im Flug. Gewiß kann ein erfahrener Wissenschaftler einen Aufsatz auch in kürzerer Zeit schreiben; aber er hat jahrelang gelesen sowie Exzerpte und Notizen gemacht, während der Student bei Null anfangen muß.
Wenn von sechs Monaten oder drei Jahren die Rede ist, dann ist dabei natürlich nicht an die Zeit für die Reinschrift gedacht, die vielleicht nur einen Monat oder 14 Tage in Anspruch nimmt, je nach der Methode, nach der gearbeitet wurde. Gedacht ist vielmehr an jenen Zeitraum, der von den ersten Überlegungen zur Arbeit bis zu ihrer endgültigen Ablieferung vergeht. Und darum kann es sein, daß ein Student in der Tat nur ein Jahr lang an der Arbeit sitzt, aber dabei auf Gedanken und auf eine Lektüre zurückgreifen kann, denen er sich in den zwei vergangenen Jahren vorher gewidmet hat, ohne vorauszusehen, worauf das Ganze hinausläuft.
[29] Das Ideale wäre es meiner Ansicht nach, die Abschlußarbeit (und den Betreuer) gegen Ende des zweiten Studienjahres zu wählen. Zu diesem Zeitpunkt hat man sich schon mit den verschiedenen Fächern vertraut gemacht, man kennt sogar schon den Gegenstand, die Schwierigkeit, den Forschungsstand der Disziplinen, in denen man noch keine Prüfung abgelegt hat. Mit einer so frühzeitigen Wahl geht man kein Risiko ein, sie ist auch nicht unabänderlich. Man hat ein gutes Jahr, um festzustellen, daß die Idee falsch war, und um das Thema, den Betreuer oder gar das Fach zu wechseln. Wohlgemerkt: Auch wenn man ein Jahr über griechische Literatur gearbeitet hat, um dann festzustellen, daß man lieber eine Arbeit über zeitgenössische Geschichte schreibt, bedeutet das keineswegs verlorene Zeit. Man hat zumindest gelernt, wie man eine erste Literatursammlung macht, wie man einen Text für die Kartei auswertet, wie man eine Zusammenfassung aufbaut. Man denke an das, was unter I.3. gesagt wurde: Eine solche Arbeit dient vor allem dazu zu lernen, wie man Gedanken ordnet, und zwar unabhängig vom Thema.
Wählt man also das Thema der Arbeit gegen Ende des zweiten Jahres, so hat man drei Sommer zum Forschen und, wenn man das kann, um Studienreisen zu machen. Man kann sein Prüfungsprogramm auf die Arbeit ausrichten. Sicher, wenn man eine Arbeit in Angewandter Psychologie schreibt, ist es schwierig, eine Prüfung in lateinischer Literatur darauf auszurichten. Aber bei vielen anderen Themen aus dem Bereich der Philosophie oder der Soziologie kann man mit dem Dozenten Texte vereinbaren (vielleicht sogar im Austausch gegen die vorgeschriebenen), die den Gegenstand dieser Prüfung in den Bereich der eigenen bevorzugten Interessen bringen. Wenn das ohne dialektische Verrenkungen und ohne kindische Tricks möglich ist, dann ist es einem vernünftigen Dozenten immer lieber, daß der Student eine »motivierte« Prüfung ablegt und nicht eine zufällige, erzwungene, die ohne große Lust vorbereitet wird und nur, um die vorgeschriebene Hürde zu überwinden.
[30] Das Thema am Ende des zweiten Jahres zu wählen bedeutet, bis zum Oktober des vierten Jahres Zeit für die Abschlußprüfung zu haben, und somit den idealen Zeitraum von zwei Jahren.
Nichts verbietet, die Arbeit früher zu wählen. Und nichts verbietet, sie später zu wählen, wenn man in Kauf nimmt, die Regelstudienzeit überschritten zu haben. Aber alles spricht dagegen, sie zu spät zu wählen.
Auch deshalb, weil eine gute Arbeit im Rahmen des Möglichen Schritt für Schritt mit dem Betreuer besprochen werden muß. Und das nicht so sehr, um den Dozenten milde zu stimmen, sondern weil das Schreiben einer solchen Arbeit genauso ist wie das Schreiben eines Buches: man übt damit das Kommunizieren, das von der Existenz eines Publikums ausgeht. Und der Betreuer ist der einzige Vertreter eines sachverständigen Publikums, der dem Studenten während seiner eigenen Arbeit zur Verfügung steht. Eine Arbeit, die im letzten Moment geschrieben wird, zwingt den Betreuer zu einer hastigen Durchsicht der einzelnen Kapitel oder gar des fertigen Manuskriptes. Wenn der Betreuer dann die Arbeit im letzten Moment zu Gesicht bekommt und mit den Ergebnissen unzufrieden ist, wird er den Kandidaten in der Sitzung der Prüfungskommission angreifen, und das führt zu unerfreulichen Ergebnissen. Unerfreulich auch für den Referenten, der in der Kommission nie mit einer Arbeit erscheinen sollte, die ihm nicht gefällt: das ist auch für ihn eine Niederlage. Wenn er wirklich glaubt, der Kandidat könne seine Arbeit nicht in den Griff kriegen, so muß er ihm das vorher sagen und ihm empfehlen, eine andere Arbeit zu schreiben oder noch etwas zu warten. Wenn dann der Kandidat trotz dieser Ratschläge der Ansicht ist, daß entweder der Betreuer unrecht hat oder daß weiteres Zuwarten ihm schaden würde, dann setzt er sich auch den Zufällen und Risiken einer stürmischen Diskussion aus, aber er tut es wenigstens sehenden Auges.
Aus allen diesen Bemerkungen ergibt sich, daß eine Sechs-Monats-Arbeit zwar eine Art kleineres Übel, aber keineswegs [31] das Optimum darstellt (sofern nicht der schon geschilderte Fall vorliegt, daß das in den letzten sechs Monaten gewählte Thema auf Erfahrungen der vorhergehenden Jahre aufbauen kann).
Dennoch sind Notfälle denkbar, in denen das Ganze in sechs Monaten über die Bühne gebracht werden muß. Und dann muß ein Thema gefunden werden, das in anständiger und ernsthafter Weise in diesem Zeitraum bearbeitet werden kann. Alle diese Überlegungen sollten nicht in einem allzu kommerziellen Sinn verstanden werden, so als verkauften wir »Sechsmonatsarbeiten« und »Sechsjahresarbeiten« – zu verschiedenen Preisen, und für jeden Kunden das Seine. Aber es gibt sicherlich auch gute Arbeiten von sechs Monaten.
Die Anforderungen an eine Sechsmonatsarbeit sind:
1. Das Thema muß begrenzt sein.
2. Das Thema muß nach Möglichkeit zeitgenössisch sein, damit man nicht Literatur zusammentragen muß, die bis auf die Griechen zurückreicht; oder es muß sich um ein Randproblem handeln, über das verhältnismäßig wenig geschrieben wurde.
3. Alles Material muß in erreichbarer Nähe vorhanden und leicht zugänglich sein.
Ein paar Beispiele. Wenn ich das Thema Die Kirche Santa Maria del Castello in Alessandria wähle, dann kann ich hoffen, alles Nötige zur Geschichte und zur Restaurierung in der Stadtbibliothek und im Stadtarchiv von Alessandria zu finden. Ich sage »kann hoffen«, weil ich von einer Annahme ausgehe und mich in der Lage eines Studenten versetze, der eine Sechsmonatsarbeit schreiben will. Aber bevor ich mit meinem Vorhaben anfange, sollte ich mich informieren, ob meine Annahme richtig ist. Außerdem sollte ich ein Student sein, der in der Provinz Alessandria* wohnt; wenn ich in Caltanissetta** wohne, war mein Vorhaben ganz schlecht. Jedoch gibt es ein »Aber«. Wenn bestimmte Dokumente zugänglich wären, aber wenn es sich um unveröffentlichte mittelalterliche Handschriften handelte, sollte ich etwas von Paläologie verstehen, d.h. in der Lage sein, Handschriften zu lesen und zu entschlüsseln. Und in diesem [32] Moment wird das Thema, das so einfach schien, schwierig. Wenn ich dagegen feststelle, daß alles schon veröffentlicht ist, wenigstens ab dem 19. Jahrhundert, dann bewege ich mich auf sicherem Boden.
Ein anderes Beispiel. Raffaele La Capria* ist ein zeitgenössischer Schriftsteller, der nur drei Romane und einen Essayband geschrieben hat. Alle sind beim gleichen Verlag (Bompiani) erschienen. Stellen wir uns eine Arbeit vor mit dem Titel: Die positive Beurteilung von Raffaele La Capria durch die zeitgenössische italienische Kritik. Weil jeder Verlag in den eigenen Archiven gewöhnlich die Presseausschnitte mit allen Besprechungen und mit den Artikeln, die über seine Autoren erschienen sind, hat, kann ich hoffen, mit einer Reihe von Besuchen beim Verlag in Mailand alle Texte, die mich interessieren, für meine Kartei ausgewertet zu haben. Zudem lebt der Autor noch, ich kann ihm schreiben oder ihn besuchen und mit ihm sprechen und dabei weitere biographische Hinweise und mit ziemlicher Sicherheit Photokopien von Texten, die mich interessieren, bekommen. Natürlich wird mich manch ein Aufsatz auf andere Autoren verweisen, mit denen La Capria verglichen wird oder zu denen er in Gegensatz gebracht wird. Das Feld erweitert sich dadurch ein wenig, aber doch auf eine überschaubare Weise. Und ich habe ja schließlich La Capria gewählt, weil ich einiges Interesse für die zeitgenössische italienische Literatur aufbringe – sonst war meine Entscheidung zynisch, kalt berechnend und leichtsinnig zugleich.
Eine weitere Sechsmonatsarbeit. Die Bewertung des Zweiten Weltkriegs in den Geschichtsbüchern der letzten fünf Jahre für die 6. bis 8. Klasse. Es wird nicht ganz einfach sein, alle im Gebrauch befindlichen Geschichtsbücher ausfindig zu machen; aber die Zahl der Verlage für Schulbücher ist schließlich nicht so groß. Hat man die nötigen Texte einmal bekommen oder photokopiert, dann weiß man, daß die Abhandlungen nur wenige Seiten in Anspruch nehmen und daß die vergleichende Arbeit in kurzer Zeit erledigt werden kann – und noch dazu gut. Natürlich kann man die Art und Weise, in der ein Buch den [33] Zweiten Weltkrieg behandelt, nicht voll beurteilen, wenn man diese Abhandlung über den Zweiten Weltkrieg nicht zum Gesamtbild in Beziehung setzt, das dieses Buch für die Geschichte bietet; und darum muß man ein wenig in die Tiefe gehen. Man kann auch nicht anfangen, ohne sich ein halbes Dutzend anerkannter Geschichtsbücher zum Zweiten Weltkrieg als Grundlage angeeignet zu haben. Aber würde man diese Formen kritischer Überprüfung weglassen, dann könnte man die Arbeit nicht in sechs Monaten, sondern in einer Woche schreiben, und sie wäre dann keine Abschlußarbeit, sondern ein Zeitungsartikel, vielleicht ein scharfsinniger und brillanter, der aber über die Fähigkeit des Kandidaten zur Forschungsarbeit nichts besagt.
Will man schließlich eine Sechsmonatsarbeit schreiben und an ihr nur eine Stunde am Tag arbeiten, dann brauchen wir nicht weiter zu reden. Wir verweisen auf die Ratschläge in § I.2., man schreibt irgendeine Arbeit ab – und Schluß.
II.5. Muß man Fremdsprachen können?
Dieses Kapitel trifft für alle diejenigen nicht zu, die eine Arbeit über eine fremde Sprache oder fremdsprachige Literatur schreiben wollen. Denn es ist in höchstem Maß wünschenswert, daß sie die Sprache beherrschen, über die sie eine Arbeit schreiben. Es wäre sogar wünschenswert, daß man eine Arbeit über einen französischen Autor auf französisch schreibt. Das ist an vielen ausländischen Universitäten üblich, und es ist gut.
Aber wie ist das Problem bei einem, der eine Arbeit in Philosophie, in Soziologie, im Recht, in Politischen Wissenschaften, in Geschichte, in Naturwissenschaften schreiben soll? Auch wenn die Arbeit über italienische Geschichte handelt, oder über Dante oder die Renaissance, taucht immer die Notwendigkeit auf, ein fremdsprachiges Buch zu lesen, da ja bedeutende Dante- oder Renaissance-Forscher in Englisch oder in Deutsch geschrieben haben.
[34] Gewöhnlich nutzt man in solchen Fällen die Gelegenheit der Arbeit, um in einer Sprache, die man nicht beherrscht, mit dem Lesen anzufangen. Angeregt vom Thema und mit etwas Mühe fängt man an, etwas zu verstehen. Oft lernt man so eine Sprache. Gewöhnlich kann man sie dann noch nicht sprechen, aber immerhin lesen. Besser als nichts.
Wenn zu einem gegebenen Thema nur ein Buch auf deutsch existiert, und man selbst kann kein Deutsch, dann kann das Problem auch dadurch gelöst werden, daß man jemand anderen bittet, die Kapitel, die man für die wichtigsten hält, für einen zu lesen. Man sollte dann anständig genug sein, sich nicht allzu sehr auf dieses Buch zu stützen, aber wenigstens kann man es guten Gewissens ins Literaturverzeichnis aufnehmen, weil man davon Kenntnis genommen hat.
Aber das sind alles sekundäre Probleme. Die Hauptsache ist: Darf man eine Arbeit wählen, die die Kenntnis von Sprachen voraussetzt, die man gar nicht beherrscht oder die zu lernen man nicht bereit ist? Manchmal allerdings wählt man eine Arbeit, ohne die damit verbundenen Risiken im voraus zu ahnen. Sehen wir uns daher an, was auf jeden Fall beachtet werden muß.
1. Man kann keine Arbeit über einen fremdsprachigen Autor schreiben, wenn man seine Werke nicht im Original lesen kann. Das dürfte sich bei Dichtern von selbst verstehen, aber viele glauben, daß diese Voraussetzung für eine Arbeit über Kant, über Freud oder über Adam Smith nicht gilt. Sie gilt aber aus zwei Gründen: Erstens sind nicht immer alle Werke dieses Autors übersetzt, und so kann manchmal auch die Nichtkenntnis eines weniger wichtigen Werkes das Verständnis seines Denkens oder seines geistigen Hintergrundes in Frage stellen; zum zweiten: Bei einem fremdsprachigen Autor ist der größte Teil der Sekundärliteratur gewöhnlich in der Sprache geschrieben, in der er selbst schreibt, und mag der Autor übersetzt sein, seine Interpreten sind es nicht immer; schließlich werden Übersetzungen den Gedanken des Autors nicht immer gerecht – und eine Arbeit über ihn schreiben heißt doch gerade, sein wirkliches und ursprüngliches Denken dort wieder zur Geltung zu bringen, [35] wo es durch Übersetzungen oder andere Formen der Weiterverbreitung verfälscht worden ist. Eine solche Arbeit schreiben bedeutet, über formelhafte Wendungen, wie sie in Schulbüchern auftauchen, hinauskommen, als da sind: »Foscolo* ist klassisch, und Leopardi** ist romantisch«, »Plato ist Idealist und Aristoteles Realist« oder »Pascal steht für Gefühl, und Descartes steht für Verstand«.
2. Man kann keine Arbeit über ein Thema schreiben, zu dem die wichtigsten Werke in einer Sprache erschienen sind, die man nicht beherrscht.
Ein Student, der bestens Deutsch kann, aber das Französische nicht beherrscht, könnte heute keine Arbeit über Nietzsche schreiben, obwohl doch dieser Autor in deutscher Sprache geschrieben hat. Und das deshalb, weil in den letzten zehn Jahren einige der besten Arbeiten, die Nietzsche neu bewerten, auf französisch geschrieben wurden. Das gleiche gilt für Freud: Es wäre schwierig, den Wiener Meister heute richtig zu lesen, ohne das zu berücksichtigen, was die amerikanischen Revisionisten oder die französischen Strukturalisten aus seinem Werk herausgelesen haben.
3. Man kann keine Arbeit über einen Autor oder über ein Thema schreiben und nur Werke in den Sprachen lesen, die man beherrscht. Wer sagt uns, daß das entscheidende Werk nicht in der einzigen Sprache geschrieben ist, die wir nicht kennen? Sicher, solcher Art Überlegungen können einen verrückt machen, und man muß deshalb klaren Kopf bewahren. Nach den Regeln des wissenschaftlichen Anstands ist es korrekt und zulässig dann, wenn über einen englischen Autor etwas auf japanisch geschrieben wurde, anzumerken, daß man von der Existenz der Arbeit unterrichtet ist, sie aber nicht gelesen hat. Diese »Freiheit des Nichtkennens« erfaßt normalerweise die nicht-westlichen und slawischen Sprachen, so kommt es, daß es sehr ernst zu nehmende Arbeiten über Marx gibt, die einräumen, russisch verfaßte Werke nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Aber ein ernsthafter Wissenschaftler kann in solchen Fällen immer wissen (und zeigen, daß er es weiß), was die wesentliche Aussage [36] dieser Arbeiten ist, vorausgesetzt, daß er Zugang zu Rezensionen oder Zusammenfassungen hat. Die sowjetischen, bulgarischen, tschechoslowakischen, israelischen etc. wissenschaftlichen Zeitschriften geben in der Regel am Ende des Beitrags eine Zusammenfassung in Englisch oder Französisch. Und darum ist zwar, wenn man über einen französischen Autor arbeitet, nichts dagegen einzuwenden, daß man kein Russisch kann, aber wenigstens muß man Englisch lesen können, um das Hindernis zu umgehen.
Darum muß man, bevor man das Thema für eine Arbeit festlegt, so umsichtig sein, durch einen ersten Blick auf die vorhandene Literatur sicherzustellen, daß keine größeren sprachlichen Schwierigkeiten auftauchen.
In manchen Fällen kann man es im voraus ahnen. Unvorstellbar, eine Arbeit in griechischer Philologie schreiben zu wollen, ohne Deutsch zu können; denn es gibt eine Vielzahl wichtiger Untersuchungen auf deutsch zu diesem Gebiet.
Auf jeden Fall kann die Arbeit dazu dienen, sich erste grobe Kenntnisse vom Wortschatz aller westlichen Sprachen zu verschaffen; denn auch wenn man kein Russisch lesen kann, muß man doch in der Lage sein, die kyrillischen Buchstaben zu erkennen, und man muß verstehen können, ob ein zitiertes Buch von Kunst oder von Wissenschaft handelt. Kyrillisch lesen lernt man an einem Abend, und daß Isskustvo Kunst bedeutet und Nauka Wissenschaft, weiß man nach dem Vergleich einiger Titel. Man darf nur keine Angst haben und muß die Arbeit als einzigartige Gelegenheit ansehen, Dinge zu lernen, die für das ganze Leben von Nutzen sein werden.
All diese Überlegungen berücksichtigen nicht, daß man, wenn man sich schon mit fremdsprachiger Literatur beschäftigen muß, sich am besten aufraffen sollte, einige Zeit in dem fraglichen Land zu verbringen. Aber das sind teure Lösungen, und hier sollten Ratschläge auch für solche Studenten gegeben werden, die diese Möglichkeit nicht haben.
Stellen wir aber eine letzte, noch versöhnendere Hypothese auf und betrachten einen Studenten, der sich mit dem Problem [37] der visuellen Erfassung im Bereich der Kunst beschäftigen will.
Dieser Student kann keine Fremdsprachen und hat keine Zeit, sie zu lernen (oder er steht vor einer psychologischen Barriere: Es gibt Menschen, die Schwedisch in einer Woche lernen und andere, die auch nach zehn Jahren noch nicht vernünftig französisch sprechen können). Außerdem muß er aus wirtschaftlichen Gründen eine Sechsmonatsarbeit schreiben. Dennoch interessiert er sich ernsthaft für sein Thema, er will die Universität abschließen, um zu arbeiten, aber später will er das gewählte Thema wieder aufgreifen und in aller Ruhe vertiefen. Wir müssen auch an ihn denken.
Dieser Student kann sich nun ein Thema wie Die Probleme der visuellen Wahrnehmung und ihre Beziehung zu den darstellenden Künsten bei ausgewählten zeitgenössischen Autoren vornehmen. Es wird nützlich sein, zunächst ein Bild von der psychologischen Problematik des Themas zu zeichnen, und darüber gibt es eine Reihe von Arbeiten, die ins Italienische übersetzt sind, von Auge und Hirn von Gregory bis zu den wichtigen Texten über die Gestaltpsychologie und über den Transaktionalismus. Dann kann man die Thematik anhand dreier Autoren beleuchten, sagen wir Arnheim für den gestaltpsychologischen Ansatz, Gombrich für den semiologisch-informativen, Panofsky im Hinblick auf seine Abhandlungen aus ikonologischer Sicht. Bei diesen drei Autoren wird im Grunde von drei verschiedenen Standpunkten aus die Beziehung zwischen Natürlichkeit und »Kultürlichkeit« der Wahrnehmung von Bildern abgehandelt. Um diese drei Autoren vor einen zusammenhängenden Hintergrund zu stellen, gibt es einige Veröffentlichungen, die Verbindungen herstellen, z.B. die von Gillo Dorfles. Hat der Student einmal diese drei Perspektiven ausgearbeitet, so könnte er auch versuchen, die gefundenen Ergebnisse im Licht eines bestimmten Kunstwerks zu überprüfen, vielleicht, indem er eine inzwischen klassische Interpretation (z.B. die Art und Weise, wie Longhi Piero della Francesca zu verstehen sucht) wieder aufnimmt und sie mit den gefundenen »neueren« Ergebnissen in [38] Beziehung setzt. Das Endergebnis ist nichts Originelles, es bleibt in der Mitte zwischen Übersichtsarbeit und monographischer Arbeit, aber es konnte allein mit Übersetzungen ins Italienische erarbeitet werden. Man wird den Studenten nicht dafür tadeln, daß er von und über Panofsky nicht alles gelesen hat, auch das, was es nur auf Deutsch oder Englisch gibt, weil es sich nicht um eine Arbeit über Panofsky handelt, sondern um eine Arbeit, bei der die Bezugnahme auf Panofsky nur unter einem bestimmten Aspekt und im Zusammenhang mit einigen Fragen erfolgt.
Wie schon in Paragraph II.1. gesagt, ist diese Art von Arbeit nicht die empfehlenswerteste, weil sie womöglich unvollständig und zu allgemein gehalten ist. Es handelt sich hier, das sei nochmals klargestellt, um das Beispiel einer Sechsmonatsarbeit für einen Studenten, der sich ernsthaft darum bemüht, alles zu einem Thema zusammenzutragen, das ihm am Herzen liegt. Es ist eine Notlösung, aber man braucht sich ihrer wenigstens nicht zu schämen.
Kann man keine Fremdsprachen, und kann man die günstige Gelegenheit, eine Arbeit schreiben zu müssen, auch nicht dazu nutzen, mit ihrem Erlernen anzufangen, so ist die vernünftigste Lösung eine Arbeit über ein spezifisches Thema zur eigenen Sprache, bei dem man die Verwendung fremdsprachiger Literatur ganz vermeiden oder doch auf wenige bereits in die eigene Sprache übersetzte Texte beschränken kann. Wer z.B. eine Arbeit über Modelle des historischen Romans im Prosawerk Garibaldis* schreiben möchte, brauchte natürlich einige Grundkenntnisse über die Entstehung des historischen Romans und über Walter Scott (und natürlich über die Auseinandersetzung, die in Italien im 19. Jahrhundert zu diesem Thema stattfand), könnte aber einige Nachschlagewerke in unserer Sprache finden und hätte die Möglichkeit, wenigstens die wichtigsten Werke von Scott in Übersetzung zu lesen, vor allem wenn er in der Bibliothek die Übersetzungen des 19. Jahrhunderts sucht. Und noch weniger Schwierigkeiten brächte das Thema Der Einfluß von Guerrazzi* auf die Kultur des italienischen Risorgimento. Natürlich [39] soll man dabei nie zu optimistisch sein: Es wird der Mühe wert sein, die vorhandenen Bibliographien daraufhin zu überprüfen, ob und welche ausländische Autoren über dieses Thema geschrieben haben.
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