Kitabı oku: «Datenschutzrecht im Smart Metering unter Berücksichtigung der Blockchain-Technologie», sayfa 2
B. Dezentralität als verbindendes Element zwischen Blockchain-Technologie und Energiewende
Die komplexen Infrastrukturaufgaben der modernen Gesellschaft werden allesamt von Systemen mit Netzwerkcharakter erfüllt, wie beispielsweise dem Verkehrsnetz, dem Telekommunikationsnetz oder dem Energie- und Wasserversorgungsnetz.16 Als neuer Netzwerktypus ist die sog. Blockchain in den letzten Jahren verstärkt in Erscheinung getreten.
Mit dem Begriff ‚Blockchain‘ wird ein technisches Konzept bezeichnet, in dem Daten nicht in einer zentralen Datenbank, sondern zur Integritätssicherung auf den Systemen der Netzwerknutzer verteilt mittels kryptographischer Verfahren gespeichert werden.17
Die Blockchain-Technologie ermöglicht dabei nicht nur den Aufbau dezentraler Datenstrukturen, sondern auch die Verifikation von Transaktionen und deren irreversible Speicherung, ohne dass hierfür ein Intermediär im klassischen Sinne notwendig wäre. In diesem Zusammenhang sind auch sog. ‚Smart Contracts‘ in die öffentliche Diskussion gerückt, noch bevor detailliert geklärt wurde, wie dieser Begriff rechtsdogmatisch zu werten ist und welche zivilrechtlichen Implikationen er mit sich bringt.18 Die im Grundkonzept ohne jegliche Intermediäre auskommende Blockchain-Technologie offenbart derzeit vor allem in hochregulierten Sektoren mit zentralen Entitäten ihr disruptives Potenzial19, etwa in der Finanzwirtschaft durch Kryptowährungen wie Bitcoin20, Ether oder Libra.
Eine Kryptowährung ist ein digitales Zahlungsmittel, das mithilfe kryptographischer Methoden in verteilten Systemen genutzt werden kann.21 Allen Kryptowährungen wie Bitcoin (BTC) oder Ether (ETH), ist gemein, dass diese weder von einer Zentralbank noch von einer öffentlichen Behörde ausgegeben werden, aber von einer Vielzahl von natürlichen wie auch juristischen Personen als Zahlungsmittel anerkannt werden und elektronisch übertragen, gespeichert sowie gehandelt werden können.
Kryptowährungen und die dazugehörigen Blockchain-Netzwerke haben zuletzt nicht nur durch eminente Kursschwankungen und im Zuge sog. ICOs (Initial Coin Offerings)22 Aufmerksamkeit erregt, sondern auch durch die Frage nach ihrer juristischen Einordnung.23 Neben aufsichts-24, arbeits-25 und straf-26 sowie strafprozessualrechtlichen27 Herausforderungen ist bei kryptobasierten Währungen auch eine Vielzahl von immaterialgüterrechtlichen28, kartellrechtlichen29 sowie ertrag-30, bilanz-31 und umsatzsteuerrechtlichen32 Aspekten noch intensiv zu diskutieren.
Die Blockchain-Technologie wird seit den Erfolgen einzelner Kryptowährungen vielfach als neuer Meilenstein für die voranschreitende Digitalisierung propagiert. Neben einigen unbestreitbaren Vorteilen von Kryptowährungen bergen diese aber nicht zuletzt für den Datenschutz von Nutzern und Dritten erhebliche Risiken, beispielsweise aufgrund der grundsätzlichen Irreversibilität der Transaktionen.33
Auch jenseits der Verifikation klassischer Finanztransaktionen wird sektorenübergreifend nach branchenspezifischen Anwendungsbereichen für die den Kryptowährungen zugrunde liegende Basistechnologie gesucht, die den Aufbau sicherer, dezentraler Datenstrukturen und ‚Transaktionen‘ im weitesten Sinne ermöglicht.
Insbesondere im Energiesektor werden die Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie derzeit ausführlich aus öffentlicher und privatwirtschaftlicher Sicht evaluiert.34 Die ‚Blockchain-Strategie der Bundesregierung‘ von September 2019 stellt klar, dass die Technologie „ein breites Feld an innovativen Anwendungsmöglichkeiten und neuen Kooperationsformen“35 eröffnet, und führt insgesamt über 40 branchen- sowie ressortübergreifende Maßnahmen von Bundesministerien im Zusammenhang mit der Blockchain-Technologie auf.36 Die Bundesnetzagentur als für den Energiesektor verantwortliche Regulierungsbehörde hat im November 2019 zudem ein umfangreiches Diskussionspapier zu den Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie veröffentlicht, das Potenziale und Herausforderungen in den Netzsektoren Energie und Telekommunikation aufzeigt.37
Die Energiewirtschaft ist im Begriff, aufgrund der flächendeckenden Einführung von hochauflösender digitaler Messtechnik ein deutlich datengetriebenerer Wirtschaftszweig zu werden, als dies bisher der Fall war. Angesichts der zahlreichen energiewirtschaftlichen Intermediäre auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen, Millionen von potenziell einbindbaren Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen und der diversen in Betracht kommenden Validierungsgegenstände (z.B. Messwerte aus Smart Metern oder dem Erzeugungsort einer bestimmten Energiemenge) sind zahlreiche neue energiewirtschaftliche Geschäftsmodelle unter dem Einsatz der Blockchain-Technologie denkbar. Diese müssen sich allerdings insbesondere am bestehenden Rechtsrahmen des Regulierungs- und Datenschutzrechts messen lassen.
16 Boehme-Neßler, Unscharfes Recht, S. 502. 17 Burgwinkel, in: Burgwinkel, Blockchain Technology, S. 3 (47); Böhme/Pesch, DuD 2017, 473. 18 Vgl. zu Smart Contracts die Ausführungen unter Teil 2 B.V. 19 Zur medialen Rezeption Simmchen, MMR 2017, 162; Blocher, AnwBl 2016, 612ff.; McLean/Deane-Johns, CRi 2016, 97. 20 Vgl. hierzu das unter Pseudonym veröffentlichte Whitepaper von Satoshi Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System; Sixt, Bitcoins, S. 1ff. 21 Burgwinkel, in: Burgwinkel, Blockchain Technology, S. 3 (48); grundständig zu Krypotowährungen siehe Pesch, Cryptocoin-Schulden; Hötzel, Virtuelle Währungen; Engelhardt/Klein, MMR 2014, 355ff.; Omlor, MMR 2018, 428ff.; Omlor, ZIP 2017, 1836ff.; Seitz, K&R 2017, 763. 22 Zu den Herausforderungen im Rahmen eines ICOs Krüger/Lampert, BB 2018, 1154ff.; Brocker/Klebeck, RdF 2018, 288ff. 23 Zu den Herausforderungen für Gesetzgeber und Rechtswissenschaft Omlor, ZRP 2018, 85ff. 24 Vgl. Auffenberg, NVwZ 2015, 1148ff. 25 Vgl. Plitt/Fischer, NZA 2016, 709ff. 26 Zur Veränderung und Ausspähen von Daten durch Aufbau eines Botnetzes zur Bitcoin-Erzeugung BGH, Beschl. v. 21.7.2015 – 1 StR 16/15, ZD 2016, 174. 27 Vgl. Goger, MMR 2016, 431ff.; Heine, NStZ 2016, 441ff.; Safferling/Rückert, MMR 2015, 788ff.; Rückert, MMR 2016, 295ff. 28 Zur immaterialgüterrechtlichen Einordnung von Kryptowährungen Hohn-Hein/Barth, GRUR 2018, 1089 (1091f.); zu Gebrauchtsoftwarelizenzen auf der Bitcoin-Blockchain Blocher/Hoppen/Hoppen, CR 2017, S. 337ff. 29 Zu ‚Antitrust by Design’ und Blockchain vgl. Louven, InTeR 2018, S. 176 (177). 30 Grundlegende ertragsteuerliche Fragen werden etwa skizziert bei Boehm/Pesch, MMR 2014, 75 (76); Kuhlmann, CR 2014, 691 (696). 31 Vgl. zu Bitcoin in der IFRS-Bilanzierung Thurow, IRZ 2014, 197ff. 32 EuGH, Urt. v. 22.10.2015 – C-264/14, MMR 2016, 201ff. – Hedqvist. 33 Vgl. Pesch/Böhme, DuD 2017, 93ff.; Böhme/Pesch, DuD 2017, 473ff.; Martini/Weinzierl, NVwZ 2017, 1251ff.; Schrey/Thalhofer, NJW 2017, 1431 (1433ff.). 34 Zu möglichen Anwendungsbereichen vgl. dena, Blockchain in der integrierten Energiewende, S. 36–78; BDEW, Blockchain in der Energiewirtschaft, S. 33–41. 35 BMWi/BMF, Blockchain-Strategie der Bundesregierung, S. 3. 36 BMWi/BMF, Blockchain-Strategie der Bundesregierung, S. 23f. 37 Vgl. BNetzA, Die Blockchain-Technologie, S. 24ff.
C. Schnittstellen von Energie- und Datenschutzrecht
Die Regelungsbereiche des Energiewirtschafts- und Datenschutzrechts sind untrennbar miteinander verbunden.38 Vor allem die Einführung intelligenter Messsysteme hat eine fundamentale Änderung der datenschutzrechtlichen Probleme und Risiken zur Folge.39
Am Themenfeld ‚Smart Metering‘ zeigt sich plakativ der Koordinationsbedarf zwischen Regulierungs- und Datenschutzrecht.40 In den §§ 49ff. MsbG wurde ein sektorspezifisches Datenschutzrecht für den Bereich des intelligenten energiewirtschaftlichen Messwesens geschaffen, um einer Zersplitterung der Rechtsmaterie vorzubeugen und deren Grundrechtsrelevanz zu berücksichtigen.41 Das MsbG wurde allerdings zu einem Zeitpunkt erlassen, zu dem sich das europäische Datenschutzrecht erheblich im Umbruch befand. Am 25.5.2018 hat die Datenschutz-Grundverordnung42 (DS-GVO) nach zweijähriger Übergangszeit gemäß Art. 94 Abs. 1, 99 Abs. 2 UAbs. 1 DS-GVO Geltung erhalten und ist nach Art. 99 Abs. 2 UAbs. 2 DS-GVO i.V.m. Art. 288 Abs. 2 AEUV in all ihren Teilen verbindlich sowie unmittelbar in jedem Mitgliedstaat anwendbar.43 Sie schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere deren Recht auf den Schutz personenbezogener Daten nach Art. 1 Abs. 2 DS-GVO.
Trotz des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs der DS-GVO als Verordnung hat der nationale Gesetzgeber durch sog. Öffnungsklauseln in vielen Konstellationen die Möglichkeit, spezifischere nationale Regelungen zu schaffen, zu erhalten oder auch Betroffenenrechte zu beschränken, beispielsweise nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 oder Art. 23 DS-GVO.
Der deutsche Gesetzgeber hat von dem ihm eingeräumten Handlungsspielraum in Teilen bereits Gebrauch gemacht. Mit dem Datenschutzanpassungs- und Umsetzungsgesetz44 (DSAnpUG-EU) wurde unter anderem das vollkommen neu gefasste Bundesdatenschutzgesetz (BDSG n.F.) erlassen. Die datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte wurden in §§ 32–37 BDSG n.F. spezifischer ausgestaltet.45 Das BDSG n.F. ist dabei weiterhin ein Auffanggesetz, das bereichsspezifische nationale Datenschutzregelungen zulässt und gegenüber diesen subsidiär ist.46
Mit dem ‚Zweiten Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680‘ (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU), das am 25.11.2019 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde47, wurde der deutsche Kanon der bereichsspezifischen Datenschutznormen weiter an die DS-GVO angepasst. Dieses umfangreiche Artikelgesetz sieht bereichsspezifische Änderungen an datenschutzrechtlich relevanten Normen in insgesamt 155 Fachgesetzen vor. Unter anderem wurde in Art. 90 des 2. DSAnpUG-EU eine – größtenteils redaktionelle – Anpassung der datenschutzrechtlichen Vorgaben des MsbG vorgenommen.48
Durch die Geltung der DS-GVO und die jeweils ergänzend heranzuziehenden nationalen Regelungen wurde das Datenschutzrecht in ein komplexes Mehrebenensystem umgewandelt, das sich durch bislang noch weitgehend ungelöste Abgrenzungsfragen auszeichnet. Auch das Verhältnis der §§ 49ff. MsbG zur DS-GVO bedarf noch einer grundlegenden methodischen Klärung49, obwohl das MsbG seit Herbst 2016 in Kraft ist und der Smart-Meter-Rollout bereits in Teilen gestartet ist. Auf den insgesamt 146 Seiten des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende vom 17.2.201650 findet die DS-GVO keine Erwähnung. Es wird lediglich konstatiert, dass der Entwurf mit dem geltenden EU-Recht und Völkerrecht vereinbar sei.51
38 So auch Bräuchle, Datenschutzprinzipien in IKT-basierten kritischen Infrastrukturen, S. 34. 39 Wolff, in: Gundel/Lange, Digitalisierung der Energiewirtschaft, S. 95 (98). 40 Vgl. Schneider, in: Körber/Kühling, Regulierung, S. 113 (134). 41 BT-Drs.18/7555, S. 3; Karsten/Leonhardt, RDV 2016, 22. 42 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119, S. 1. 43 Die DS-GVO wurde zuletzt angepasst durch das Corrigendum 8088/18 des Europarats v. 19.4.2018, ABl. L 127 v. 23.5.2018; die Berichtigung der deutschen Sprachfassung erfolgt ab S. 47 des Anhangs zu diesem Corrigendum. 44 Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) v. 30.6.2017, BGBl. 2017 I, S. 2097. 45 Vgl. Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, DSGVO, Art. 23 Rn. 28. 46 Vgl. § 1 Abs. 2 BDSG n.F.; BT-Drs. 18/11325, S. 79. 47 BGBl. 2019 I, S. 1626. 48 Vgl. BMI, Referentenentwurf zum 2. DSAnpUG-EU v. 21.6.2018, S. 368–373; BT-Drs. 19/4674, S. 321–325; BGBl. 2019 I, S. 1679–1681. 49 Keppeler, EnWZ 2016, 99; Bretthauer, ZD 2016, 267; Bretthauer, EnWZ 2017, 56; Diedrich, in: Steinbach/Weise, MsbG, § 52 Rn. 2; Bartsch/Rieke, EnWZ 2017, 435 (441). 50 BT-Drs. 18/7555. 51 BT-Drs. 18/7555, S. 65.
D. Forschungsfragen und Gang der Untersuchung
Das vorliegende Werk nimmt die beschriebenen Transformations- und Digitalisierungsprozesse im Energiesektor, der Informationstechnologie und dem Datenschutzrecht zum Anlass, die Auswirkungen auf datenschutzrechtliche Betroffenenrechte bei intelligentem Messstellenbetrieb (‚Smart Metering‘) zu hinterfragen – sowohl mit als auch ohne Einsatz der Blockchain-Technologie.
Im Rahmen der Ausführungen wird auf den Strommarkt als relevanten und am stärksten regulierten Energiemarkt Bezug genommen, auch wenn die Ergebnisse grundsätzlich auf den Gassektor und in Teilen ebenfalls auf die Bereiche Fernwärme- und Wasserversorgung übertragbar sind.52 Angesichts der oben bereits angesprochenen Problemkreise soll dabei das strukturelle und materielle Verhältnis zwischen dem europäischen Datenschutzrecht nach der DS-GVO und dem bereichsspezifischen Datenschutzrecht gemäß §§ 49ff. MsbG für die Erlaubnistatbestände und die datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte herausgearbeitet werden.
Im zweiten Teil dieser Arbeit werden die energiewirtschaftlichen, technischen und energiedatenschutzrechtlichen Grundlagen für die später darauf aufbauenden Ausführungen gelegt.
Zunächst sollen einige realanalytische Vorüberlegungen zu Smart Metering im Kontext der intelligenten Energieversorgung erfolgen (Teil 2 A.). In einem Überblick werden zudem die Funktionsweise von Blockchain-Netzwerken und deren Einsatzmöglichkeiten in der Energiewirtschaft unter dem derzeitigen regulatorischen Rechtsrahmen dargestellt (Teil 2 B. und C.). Das durch das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende geschaffene bereichsspezifische Normkonzept der §§ 49ff. MsbG wird in Teil 2 D. skizziert. Es soll ferner gezeigt werden, dass energiewirtschaftliche Daten aus einem Smart Meter Personenbezug i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO aufweisen, sofern diese nicht vollständig anonymisiert werden, und somit eine sachliche Anwendbarkeit des Datenschutzrechts nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO bedingen (Teil 2 E.).
Daran anschließend wird in Teil 3 untersucht, auf welche fakultative Öffnungsklauseln aus dem Kanon der DS-GVO die datenschutzrechtlichen Regelungen des MsbG gestützt werden können und welche Anforderungen an die nationalen Spezifikationen der §§ 49ff. MsbG bei unionsrechtskonformer Auslegung sowie unter Berücksichtigung bisheriger Kontinuitätslinien der unter der Datenschutz-Richtlinie53 (DS-RL) ergangenen Rechtsprechung des EuGH54 zu stellen sind (Teil 3 A.). In einem Überblick soll auf die spezifischen Erlaubnistatbestände des MsbG und das Problem der Mehrrelationalität von Smart-Meter-Daten eingegangen werden (Teil 3 B.). Für die im MsbG statuierten Betroffenenrechte, insbesondere die Informations- , Auskunfts- und Löschungsrechte, wird sodann konkret für die Einzelnorm geprüft, ob die zuvor entwickelten Spezifizierungsmaßstäbe eingehalten werden, und, falls dies nicht der Fall sein sollte, welche Konsequenzen sich hieraus ergeben (Teil 3 C.).
In Teil 4 der Darstellung wird – sozusagen als Modifikation des Sachverhalts – die Durchsetzbarkeit von Betroffenenrechten in redundanten Blockchain-Netzwerken, wie sie im Smart Metering eingesetzt werden könnten, analysiert und auf die dabei zu erwartenden datenschutzrechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten eingegangen. In diesem Rahmen werden nicht nur die Frage der Verantwortlichkeit in solchen Systemen sowie die Technologieneutralität der DS-GVO55 erörtert. Ebenfalls werden im Sinne einer ‚Blockchain by Design‘ technische und konzeptionelle Lösungsansätze für ein datenschutzkonformes, Blockchain-basiertes Smart-Metering-System nach Maßgabe von Art. 25 Abs. 1 DS-GVO vorgestellt, das insbesondere die Durchsetzung von Berichtigungs- bzw. Löschungsansprüchen Betroffener ermöglicht.
Die Arbeit endet mit Teil 5, in dem die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst werden und ein Ausblick auf die unmittelbaren Implikationen für die Praxis sowie die weitere Entwicklung der angesprochenen Transformationsprozesse gewährt wird.
52 Das MsbG sieht bereits eine Anbindbarkeit von Messeinrichtungen für Gas an das Smart-Meter-Gateway vor, vgl. §§ 20, 40 Abs. 2 MsbG. In Sinne einer Spartenbündelung ist perspektivisch auch die mehrspartenfähige Anbindung von Fernwärme- oder Wasser-Messeinrichtungen an das Smart-Meter-Gateway angedacht (sog. Sub-Metering), vgl. dazu § 6 Abs. 1 Nr. 2 MsbG; BSI, Standardisierungsstrategie, S. 3, 14, 22, 60. 53 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. 54 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.11.2011 – C-468/10, C-469/10, ZD 2012, 33 – ASNEF/FECEMD. 55 Vgl. Erwägungsgrund 15 Satz 1 DS-GVO.
Teil 2 Grundlagen
Die folgenden Vorüberlegungen zu der Datenkommunikation in intelligenten Energienetzen nach dem MsbG und dem Personenbezug von Smart-Meter-Daten dienen insbesondere der Verifizierung der These, dass der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO im Smart Metering allgemein eröffnet ist. Nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO gilt die DS-GVO nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Zudem sollen als Grundlage für die späteren datenschutzrechtlichen Erwägungen, die in Teil 4 dieser Arbeit erfolgen werden, die technischen Grundlagen einer Blockchain und ihre Anwendungsmöglichkeiten beim Smart Metering näher dargestellt werden.
A. Elemente der intelligenten Energieversorgung
Hinter der täglichen und teils unbewussten Nutzung von Energie verbirgt sich ein komplexes, europaweit integriertes System – die Energiewirtschaft.56 Diese hat sich in den letzten 20 Jahren einem substantiellen tatsächlichen und rechtlichen Wandel unterzogen.57 Lange Zeit war der Energiesektor durch natürliche Monopole mit kartellrechtlichen Freistellungen gekennzeichnet, die durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)58 – das erste deutsche Energiegesetz – zunächst beibehalten wurden. Erst mit der Novellierung des EnWG im Jahr 199859 wurde aufgrund europarechtlicher Vorgaben60 eine Liberalisierung der Energiewirtschaft begonnen, die bis heute fortdauert.61 Zweck des EnWG in der heutigen Fassung ist nach § 1 Abs. 1 EnWG die möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Elektrizitätsversorgung, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruhen soll. Neben dem EnWG und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)62 stellt das MsbG eine dritte bedeutsame Säule des deutschen Energierechts dar.63 Intelligente Stromzähler fungieren unter anderem für die Konzepte Smart Home und Smart Grid als Schlüsseltechnologie.64 Durch das MsbG wurde für das intelligente Messwesen eine neue Wertschöpfungsebene in der Energiewirtschaft mit einem eigenen Preisregime65 sowie neuen Marktrollen66 geschaffen.
I. Energiewirtschaftliche Wertschöpfungsstufen und Messwesen
Die Energiewirtschaft wird für den Strommarkt zumeist in vier Wertschöpfungsstufen eingeteilt: die Ebenen der ‚Energieerzeugung‘67, des Transports bzw. der Verteilung, des Handels und des Vertriebs von Elektrizität.68 Teilweise wird die Messung als eigenständige fünfte Wertschöpfungsstufe zwischen Verteilung und Vertrieb verortet69, sie ist aber bei einer fortschreitenden Vernetzung von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen prinzipiell auf jeder Ebene zwischen Produzent und Endverbraucher von Belang.
Für den Messstellenbetrieb und die Stromverbrauchsmessung war bislang der sog. Verteilnetzbetreiber zuständig.70 Dieser verantwortet das Management des regionalen Stromverteilnetzes, das im Regelfall eine Kombination aus Höchst-, Hoch- und Mittelspannungsnetz darstellt.71 Demgegenüber sind die insgesamt vier sog. Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland nach § 13 EnWG für die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems der Elektrizitätsversorgung zuständig.72 Das MsbG stärkt die Liberalisierung des Messwesens und bildet die Marktrolle des Messstellenbetreibers i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 12 MsbG aus.73 Die Rollen des für den Messstellenbetrieb Verantwortlichen und des Verteilnetzbetreibers können nun tatsächlich auseinanderfallen.
Messstellenbetreiber kann entweder der sog. grundzuständige Messstellenbetreiber i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 4 MsbG (regelmäßig der Verteilnetzbetreiber74, oft handelt es sich dabei um ein kommunales Stadtwerk) oder ein wettbewerblicher Messstellenbetreiber als Dritter i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 12 Alt. 2 MsbG sein.75 Der Messstellenbetreiber ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MsbG unter anderem für den Einbau, den Betrieb und die Wartung der Messstelle und ihrer Messeinrichtungen sowie für die Einhaltung zahlreicher weiterer Vorgaben aus dem MsbG verantwortlich.
Gemäß § 18 der Stromnetzzugangsverordnung76 (StromNZV) erfolgt die Messung des Stromverbrauchs nach den Bestimmungen des MsbG. Bei der Stromverbrauchsmessung werden Daten über verbrauchte Kilowattstunden (kWh) mithilfe einer Messeinrichtung erhoben und anschließend durch energiewirtschaftliche Akteure weiter verarbeitet.
Bisher wurden bei Haushaltskunden zur Verbrauchsmessung größtenteils elektromechanische Stromzähler – sog. Ferraris-Zähler – benutzt, die meist einmal im Jahr abgelesen wurden, z.B. durch Selbstablesung oder durch einen Mitarbeiter des zuständigen Verteilnetzbetreibers.77 Bei diesen Zählern handelt es sich um analoge Drehstrom- oder Wechselzähler, die mit einer mechanisch rotierenden Drehscheibe und einem Rollenzählwerk ausgestattet sind.78 Der herkömmliche Ferraris-Zähler ermöglicht keine detaillierte Nachverfolgung des aktuellen Energieverbrauchs, sondern stellt lediglich die innerhalb einer längeren Abrechnungsperiode insgesamt verbrauchten kWh als aggregierten Wert dar.